BARON
zwischen Sophie und der Marschallin stehend
Bin gar nicht willens!
MARSCHALLIN
ungeduldig, stampft auf
Mon cousin, bedeut Er ihm!
kehrt dem Baron den Rücken
OCTAVIAN
geht von rückwärts auf den Baron zu, sehr männlich
Möcht Ihn sehr bitten!
BARON
fährt herum
Wer, Was?
MARSCHALLIN
von rechts, wo sie nun steht
Sein’ Gnaden, der Herr Graf Rofrano, wer denn sonst?
BARON
nachdem er Octavians Gesicht scharf und in der Nähe betrachtet, mit Resignation.
Is schon a so!
vor sich
Hab g’nug von dem Gesicht. Sind doch nicht meine Augen schuld. Is schon ein Mandl.
Octavian steht frech und hochmütig da.
MARSCHALLIN
einen Schritt näher tretend
Is eine wienerische Maskerad und weiter nichts.
SOPHIE
halb traurig, halb höhnisch, für sich
Is eine wienerische Maskerad’ und weiter nichts.
BARON
sehr vor den Kopf geschlagen
Aha!
für sich
Spiel’n alle unter einem Leder gegen meiner!
MARSCHALLIN
von oben herab
Ich hätt Ihm nicht gewunschen, daß Er mein Mariandel in der Wirklichkeit mir hätte debauchiert!
BARON
wie oben, vor sich hin sinnierend
MARSCHALLIN
wie oben und ohne Octavian anzusehen
Hab jetzt einen montierten Kopf gegen die Männer - so ganz im allgemeinen!
BARON
allmählich der Situation beikommend
Kreuzelement! Komm aus dem Staunen nicht heraus! Der Feldmarschall - Octavian - Mariandl - die Marschallin - Octavian -
mit einem ausgiebigen Blick, der von der Marschallin zu Octavian, von Octavian wieder zurück zur Marschallin wandert
Weiß bereits nicht, was ich von diesem ganzen qui pro quo mir denken soll!
MARSCHALLIN
mit einem langen Blick,
Er ist, mein’ ich, ein Kavalier?
dann mit großer Sicherheit
Da wird Er sich halt gar nichts denken. Das ist’s, was ich von Ihm erwart’.
Pause
BARON
mit Verneigung und weltmännisch
Bin von so viel Finesse charmiert, kann gar nicht sagen wie. Ein Lerchenauer war noch nie kein Spielverderber nicht.
einen Schritt an sie herantretend
Find’ deliziös das Ganze qui pro quo, bedarf aber dafür nunmehro Ihrer Protektion. Bin willens alles Vorgefallene vergeben und vergessen sein zu lassen.
Pause
Eh bien, darf ich den Faninal -
er macht Miene, an die Tür links zu gehen.
MARSCHALLIN
Er darf, - Er darf in aller Still’ sich retirieren.
BARON
aus allen Himmeln gefallen
MARSCHALLIN
Versteht Er nicht, wenn eine Sach’ ein End hat? Die ganze Brautschaft und Affär und alles sonst, was drum und dran hängt,
sehr bestimmt
ist mit dieser Stund’ vorbei.
SOPHIE
sehr betreten, für sich
Was drum und dran hängt, ist mit dieser Stund’ vorbei.
BARON
für sich, empört, halblaut
Mit dieser Stund’ vorbei. Mit dieser Stund’ vorbei.
Baron findet sich durchaus nicht in diese Wendung, rollt verlegen und aufgebracht die Augen.
MARSCHALLIN
scheint sich nach einem Stuhl umzusehen. Octavian springt hin, gibt ihr einen Stuhl. Marschallin setzt sich rechts.
mit Bedeutung, für sich
Ist halt vorbei.
SOPHIE
links, vor sich, blaß
Ist halt vorbei.
In diesem Augenblick kommt der Mann aus der Falltür hervor. Von links tritt Valzacchi ein, die Verdächtigen in bescheidener Haltung hinter ihm. Annina nimmt Witwenhaube und Schleier ab, wischt sich die Schminke weg und zeigt ihr gewöhnliches Gesicht. Das alles zu immer gesteigertem Staunen des Barons.
Der Wirt, eine lange Rechnung in der Hand, tritt zur Mitteltür herein, hinter ihm Kellner, Musikanten, Hausknechte, Kutscher.
BARON
wie er sie alle erblickt, gibt er sein Spiel verloren. Ruft schnell entschloßen
Leupold, wir gehn.
macht der Marschallin ein tiefes, aber zorniges Kompliment. Leiblakai ergreift einen Leuchter vom Tisch und will seinem Herrn voran.
ANNINA
stellt sich dem Baron in den Weg.
„Ich hab halt schon einmal ein Lerchenauisch Glück! Komm Sie nach Tisch,
auf die Rechnung des Wirtes deutend
geb ihr die Antwort nachher schriftlich.“
DIE KINDER
kommen dem Baron unter die Füße. Er schlägt mit dem Hut unter sie.
Papa! Papa! Papa!
DIE KELLNER
sich zuerst an den Baron drängend
Entschuld’gen Euer Gnaden! Entschuld’gen Euer Gnaden! uns gehn die Kerzen an!
WIRT
sich mit der Rechnung vordrängend
Entschuld’gen Euer Gnaden!
ANNINA
vor dem Baron her nach rückwärts tanzend
„Ich hab’ halt schon einmal ein Lerchenauisch Glück!“
VALZACCHI
höhnisch
„Ich hab’ halt schon einmal ein Lerchenauisch Glück!“
MUSIKANTEN
sich dem Baron in den Weg stellend
Tafelmusik über zwei Stunden.
Leiblakai bahnt sich den Weg gegen die Tür hin. Baron will hinter ihm durch.
DIE KUTSCHER
auf den Baron eindringend
Für die Fuhr’, für die Fuhr’!
Rösser g’schund’n ham ma gnua!
HAUSKNECHT
den Baron grob anrempelnd
Sö, fürs Aufsperrn, Sö, Herr Baron!
WIRT
immer die Rechnung präsentierend
Entschuld’gen Eu’r Gnaden! Entschuld’gen Eu’r Gnaden!
DER KELLNER
Zwei Schock Kerzen, uns gehn die Kerzen an.
BARON
im Gedränge
Platz da, Platz da, Kreuzmillion! Platz da, Platz da!
Baron drängt sich mit Macht gegen die Ausgangstür, alle dicht um ihn in einem Knäuel.
HAUSKNECHT
Führa g’fahr’n, außa g’ruckt, Sö, Herr Baron!
DIE KINDER
Papa, Papa, Papa!
von hier ab schreien Alle wild durcheinander
Alle sind schon in der Tür, dem Lakai wird der Armleuchter entwunden.
Baron stürzt ab, alle stürmen ihm nach, der Lärm verhallt.
Die zwei Faninalschen Diener sind indessen links abgetreten. Es bleiben allein zurück: Sophie, die Marschallin und Octavian.
SOPHIE
links stehend, blaß
Mein Gott! Es war nicht mehr als eine Farce. Mein Gott, mein Gott! Wie Er bei ihr steht und ich bin die leere Luft für ihn!
OCTAVIAN
hinter dem Stuhl der Marschallin, verlegen
War anders abgemacht, Marie Theres, ich wunder mich!
in höchster Verlegenheit
Befiehlt Sie, daß ich - soll ich nicht - die Jungfer - der Vater -
MARSCHALLIN
Geh’ Er doch schnell, und tu Er, was sein Herz Ihm sagt.
SOPHIE
verzweifelt
Die leere Luft. O mein Gott! Mein Gott!
OCTAVIAN
Theres, ich weiß gar nicht -
MARSCHALLIN
Geh Er und mach Seinen Hof.
OCTAVIAN
Ich schwör Ihr -
MARSCHALLIN
Laß Er’s gut sein.
OCTAVIAN
Ich begreif’ nicht, was Sie hat.
MARSCHALLIN
lacht zornig
Er ist ein rechtes Mannsbild, geh’ Er hin!
OCTAVIAN
Wie Sie befiehlt.
geht hinüber
SOPHIE
wortlos
OCTAVIAN
bei ihr
Eh bien, - hat Sie kein freundlich Wort für mich? Nicht einen Blick, nicht einen lieben Gruß?
SOPHIE
stockend
War mir von Euer Gnaden Freundschaft und Behilflichkeit wahrhaftig einer andern Freud’ gewärtig.
OCTAVIAN
lebhaft
Wie - freut Sie sich denn nicht?
SOPHIE
unmutig
Hab’ wirklich keinen Anlaß nicht.
OCTAVIAN
Hat man Ihr nicht den Bräutigam vom Hals geschafft?
SOPHIE
Wär all’s recht schön, wenn’s anders abgegangen wär’. Schäm’ mich in Grund und Boden. Versteh’ sehr wohl, mit was für einem Blick Ihre fürstliche Gnaden mich betracht.
OCTAVIAN
Ich schwör Ihr meiner Seel und Seligkeit!
SOPHIE
Laß Er mich gehn!
OCTAVIAN
Ich laß Sie nicht!
faßt ihre Hand
SOPHIE
Der Vater braucht mich drin.
OCTAVIAN
Ich brauch’ Sie nötiger.
SOPHIE
Das sagt sich leicht.
MARSCHALLIN
steht jäh auf, besinnt sich aber und setzt sich wieder
vor sich, getragen
Heut’ oder morgen oder den übernächten Tag. Hab’ ich mir’s denn nicht vorgesagt? Das alles kommt halt über jede Frau. Hab’ ich’s denn nicht gewußt? Hab’ ich nicht ein Gelübde tan? Daß ich’s mit einem ganz gefaßten Herzen ertragen werd’...
OCTAVIAN
Ich hab’ Sie übermäßig lieb.
SOPHIE
Das ist nicht wahr. Er hat mich nicht so lieb, als wie Er spricht. Vergeß Er mich!
OCTAVIAN
Ist mir um Sie und nur um Sie!
SOPHIE
Vergeß Er mich!
OCTAVIAN
heftig
Mag Alles drunter und drüber geh’n.
SOPHIE
leidenschaftlich
Vergeß Er mich!
OCTAVIAN
Hab’ keinen andern Gedanken nicht. Seh’ allweil Ihr lieb Gesicht.
SOPHIE
schwach abwehrend
Vergeß Er mich!
OCTAVIAN
Hab’ allzu lieb - Ihr lieb Gesicht.
Er faßt mit beiden Händen ihre beide Hände.
MARSCHALLIN
Heut’ oder morgen oder den übernächsten Tag!
sie wischt sich die Augen, steht auf
SOPHIE
leise
Die Fürstin da! Sie ruft Ihn hin. So geh’ Er doch!
Octavian ist ein paar Schritte gegen die Marschallin hingegangen, steht jetzt zwischen beiden, verlegen. Pause.
Sophie in der Tür, unschlüssig, ob sie gehen oder bleiben soll. Octavian in der Mitte, dreht den Kopf von einer zur andern. Marschallin sieht seine Verlegenheit; ein trauriges Lächeln huscht über ihr Gesicht.
SOPHIE
an der Tür
Ich muß hinein und fragen, wie’s dem Vater geht.
OCTAVIAN
Ich muß jetzt was reden und mir verschlagt’s die Red’.
MARSCHALLIN
Der Bub, wie er verlegen da in der Mitten steht.
OCTAVIAN
zu Sophie
Bleib’ Sie um Alles hier!
zur Marschallin
Wie hat Sie was gesagt?
MARSCHALLIN
sie geht, ohne Octavian zu beachten, zu Sophie hinüber, sieht sie prüfend, aber gütig an. Sophie in Verlegenheit, knixt.
Octavian tritt einen Schritt zurück.
MARSCHALLIN
So schnell hat Sie ihn gar so lieb?
SOPHIE
sehr schnell
Ich weiß nicht, was Euer Gnaden meinen mit der Frag’.
MARSCHALLIN
Ihr blaß Gesicht gibt schon die rechte Antwort d’rauf.
SOPHIE
in großer Schüchternheit und Verlegenheit, immer sehr schnell
Wär’ gar kein Wunder, wenn ich blaß bin, Euer Gnaden. Hab’ einen großen Schreck erlebt mit dem Herrn Vater. Gar nicht zu reden von gerechtem Emportement gegen den skandalösen Herrn Baron. Bin Euer Gnaden in Ewigkeit verpflichtet, daß mit Dero Hilf’ und Aufsicht -
MARSCHALLIN
abwehrend
Red’ Sie nur nicht zu viel, Sie ist ja hübsch genug! Und gegen dem Herrn Papa sein Übel weiß ich etwa eine Medizin. Ich geh’ jetzt da hinein zu ihm und lad’ ihn ein, mit mir und Ihr und dem Herrn Grafen da in meinem Wagen heimzufahren - meint Sie nicht, daß ihn das rekreieren wird und allbereits ein wenig munter machen?
SOPHIE
Euer Gnaden sind die Güte selbst.
MARSCHALLIN
Und für die Blässe weiß vielleicht mein Vetter da die Medizin.
OCTAVIAN
innig
Marie Theres’, wie gut Sie ist. Marie Theres’, ich weiß gar nicht -
MARSCHALLIN
mit einem undefinierbaren Ausdruck; leise
Ich weiß auch nix.
ganz tonlos
Gar nix.
OCTAVIAN
unschlüßig, als wollte er ihr nach
Marie Theres’!
MARSCHALLIN
sie winkt ihm, zurückzubleiben und bleibt in der Tür stehen.
Octavian steht ihr zunächst, Sophie weiter rechts.
vor sich
Hab’ mir’s gelobt, ihn lieb zu haben in der richtigen Weis’, daß ich selbst sein Lieb’ zu einer andern noch lieb hab’! Hab’ mir freilich nicht gedacht, daß es so bald mir aufgelegt sollt’ werden.
seufzend
Es sind die mehreren Dinge auf der Welt, so daß sie ein’s nicht glauben tät’, wenn man sie möcht’ erzählen hör’n. Alleinig, wer’s erlebt der glaubt daran und weiß nicht wie -
SOPHIE
vor sich
Mir ist, wie in der Kirch’n, heilig ist mir und so bang und doch ist mir unheilig auch! Ich weiß nicht, wie mir ist. Wie in der Kirch’n - so heilig - so bang.
ausdrucksvoll
Ich möcht’ mich niederknie’n dort vor der Frau und möcht’ ihr was antun. Denn ich spür’, sie gibt mir ihn und nimmt mir was von ihm zugleich. Weiß gar nicht, wie mir ist.
OCTAVIAN
vor sich
Es ist was kommen und ist was g’scheh’n,
ausdrucksvoll
Ich möcht sie fragen: Darf’s denn sein? Und grad’ die Frag’ die spür’ ich, daß sie mir verboten ist. Ich möcht’ sie fragen, ich möcht’ sie fragen: warum, warum zittert was in mir? Ist denn ein großes Unrecht gescheh’n? Und grad’ an die, an die darf ich die Frag’, die Frag’ nicht tun.
MARSCHALLIN
Da steht der Bub und da steh’ ich, und mit dem fremden Mädel dort wird er so glücklich sein, als wie halt Männer das Glücklichsein versteh’n.
SOPHIE
Möcht’ alles versteh’n und möcht’ auch nichts versteh’n. Möcht’ fragen und nicht fragen, wird mir heiß und kalt. Und spür’ nur dich
Aug in Aug mit Octavian
und weiß nur eins: dich hab’ ich lieb.
OCTAVIAN
Und dann seh’ ich dich an, Sophie und seh’ nur dich, spür’ nur dich, Sophie, und seh’ nur dich und weiß von nichts als nur dich, dich hab’ ich lieb.
MARSCHALLIN
In Gottes Namen.
sie geht leise links hinein,
die beiden bemerken es gar nicht.
Octavian ist dicht an Sophie herangetreten. Einen Augenblick später liegt sie in seinen Armen.
OCTAVIAN
Spür’ nur dich, spür’ nur dich allein und daß wir beieinander sein! Geht all’s sonst wie ein Traum dahin vor meinem Sinn.
SOPHIE
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, daß wir zwei beieinander sein, beieinand für alle Zeit und Ewigkeit!
OCTAVIAN
stärker
War ein Haus wo, da warst du drein, und die Leute schicken mich hinein, mich gradaus in die Seligkeit! Die waren g’scheidt!
SOPHIE
Kannst du lachen? Mir ist zur Stell’ bang wie an der himmlischen Schwell’. Halt mich! ein schwach Ding wie ich bin, sink’ dir dahin.
Sie muß sich an ihn lehnen.
In diesem Augenblick öffnen die Faninalschen Lakaien die Tür und treten herein, jeder mit einem Leuchter. Durch die Tür kommt Faninal, die Marschallin an der Hand führend. Die beiden Jungen stehen einen Augenblick verwirrt, dann machen sie ein tiefes Compliment, das Faninal und die Marschallin erwidern.
FANINAL
tupft Sophie väterlich gutmütig auf die Wange.
Sind halt aso, die jungen Leut’!
MARSCHALLIN
Ja, ja.
Faninal reicht der Marschallin die Hand, führt sie zur Mitteltür, die zugleich durch die Livree der Marschallin, darunter der kleine Neger, geöffnet wurde. Draußen hell, herinnen halbdunhel, da die beiden Diener mit den Leuchtern der Marschallin voraustreten.
OCTAVIAN
träumerisch
Spür’ nur dich, spür’ nur dich allein, und daß wir beieinander sein! Geht all’s sonst wie ein Traum dahin vor meinem Sinn.
SOPHIE
träumerisch
Ist ein Traum kann nicht wirklich sein, daß wir zwei beieinander sein! beieinand für alle Zeit und Ewigkeit.
OCTAVIAN
Spür’ nur dich allein, dich allein.
SOPHIE
Spür’ nur dich allein.
Sie sinkt an ihn hin.
Er küßt sie schnell. Ihr fällt, ohne daß sie es merkt, ihr Taschentuch aus der Hand. Dann laufen sie schnell,- Hand in Hand hinaus.
Die Bühne bleibt leer.
Dann geht nochmals die Mitteltür auf. Herein kommt der kleine Neger, mit einer Kerze in der Hand.- Sucht das Taschentuch,- findet es,- hebt es auf - trippelt hinaus.
Der Vorhang fāllt rasch.
Ende.
(libretto: Hugo von Hofmannsthal)