DRITTER AUFZUG
Platz vor dem Palaste des Bassa Selim; auf einer Seite der Palast des Bassa; gegenüber die Wohnung des Osmin; hinten Aussicht aufs Meer. Es ist Mitternacht.
ERSTER AUFTRITT
Pedrillo, Klaas der eine Leiter bringt.
PEDRILLO
Hier, lieber Klaas, hier leg sie indess nur nieder, und hole die zwote vom Schiff. Aber nur hübsch leise, dass nicht viel Lerm gemacht wird: es geht hier auf Tod und Leben.
KLAAS
Lass mich nur machen, ich versteh das Ding auch ein bischen, wenn wir sie nur erst am Bord haben.
PEDRILLO
Ach lieber Klaas! wenn wir mit unsrer Beute glücklich nach Spanien kommen: ich glaube, Don Belmonte lässt dich in Gold einfassen.
KLAAS
Das möchte wohl ein bischen zu warm aufs Fell gehn; doch das wird sich schon geben. Ich hole die Leiter.
geht ab
PEDRILLO
Ach! wenn ich sagen sollte, dass mirs Herz nicht klopfte, so sagt' ich eine schreckliche Lüge. Die verzweifelten Türken verstehen nicht den mindesten Spass; und ob der Bassa gleich ein Renegat ist, so ist er, wenns aufs Kopfab ankommt, doch ein völliger Türke.
Klaas bringt die zwote Leiter.
PEDRILLO
So, guter Klaas, und nun lichte die Anker, und spann alle Segel auf: denn eh eine halbe Stund vergeht, hast du deine völlige Ladung.
KLAAS
Bring sie nur hurtig, und dann lass mich sorgen.
geht ab
ZWEITER AUFTRITT
Belmonte, Pedrillo.
PEDRILLO
Ach! - ich muss Athem holen - Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ichs grösste Schelmstück vorhätte - Ach wo mein Herr auch bleibt! -
BELMONTE
ruft leise
Pedrillo! Pedrillo!
PEDRILLO
Wie gerufen!
BELMONTE
Ist alles fertig gemacht?
PEDRILLO
Alles! Jetzt will ich ein wenig um den Palast herum spioniren, wie's aussieht. Singen Sie indessen eins. Ich hab das so alle Abende gethan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird, oder begegnet: denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde; so hat's nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände.
BELMONTE
Lass mich nur machen, und komm bald wieder.
Pedrillo geht ab
DRITTER AUFTRITT
Belmonte, allein.
BELMONTE
O Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, bebe und hoffe. O Liebe, sey du meine Leiterinn!
Nr. 17 - Arie
BELMONTE
Ich baue ganz auf deine Stärke,
Vertrau' o Liebe! deiner Macht!
Denn, ach! was wurden nicht für Werke
Schon oft durch dich zu Stand gebracht!
Was aller Welt unmöglich scheint,
Wird durch die Liebe doch vereint.
VIERTER AUFTRITT
Belmonte, und Pedrillo.
PEDRILLO
Alles liegt auf dem Ohr; es ist alles so ruhig, so stille als den Tag nach der Sündfluth.
BELMONTE
Nun so lass uns sie befreyen. Wo ist die Leiter?
PEDRILLO
Nicht so hitzig. Ich muss erst das Signal geben.
BELMONTE
Was hindert dich denn es nicht zu thun? Mach fort.
PEDRILLO
sieht nach der Uhr
Eben recht, Schlag zwölfe. Gehen Sie dort an die Ecke, und geben Sie wohl acht, dass wir nicht überrascht werden.
BELMONTE
Zaudre nur nicht!
geht ab
PEDRILLO
indem er seine Mandoline hervor holt
Es ist doch um die Herzhaftigkeit eine erzläppische Sache. Wer keine hat, schafft sich mit aller Mühe keine an! Was mein Herz schlägt! Mein Papa muss ein Erzpoltron gewesen seyn.
fängt an zu spielen
Nun so sey es denn gewagt!
singt und akkompagnirt sich
Nr. 18 - Romanze
PEDRILLO
1
In Mohrenland gefangen war
Ein Mädel hübsch und fein;
Sah roth und weiss, war schwarz von Haar,
Seufzt' Tag und Nacht und weinte gar;
Wollt' gern erlöset seyn.
2
Da kam aus fremdem Land daher
Ein junger Rittersmann;
Den jammerte das Mädchen sehr;
Jach rief er, wag' ich Kopf und Ehr,
Wenn ich sie retten kann.
Noch geht alles gut, es rührt sich noch nichts.
BELMONTE
kommt hervor
Mach ein Ende, Pedrillo.
PEDRILLO
An mir liegt es nicht, dass sie sich noch nicht zeigen. Entweder schlafen sie fester als jemals; oder der Bassa ist bey der Hand. Wir wollens weiter versuchen. Bleiben Sie nur auf Ihren Posten.
Belmonte geht wieder fort.
PEDRILLO
3
Ich komm zu dir in finstrer Nacht,
Lass, Liebchen, husch mich ein!
Ich fürchte weder Schloss noch Wacht;
Holla! horch auf! um Mitternacht,
Sollst du erlöset seyn.
4
Gesagt, gethan; Glock zwölfe stand
Der tapfre Ritter da;
Sanft reicht sie ihm die weiche Hand,
Früh man die leere Zelle fand;
Fort war sie, hopsasa!
Pedrillo hustet einigemal, Konstanze öffnet das Fenster.
PEDRILLO
Sie macht auf, Herr! Sie macht auf.
BELMONTE
Ich komme, ich komme!
KONSTANZE
oben am Fenster
Belmonte!
BELMONTE
Konstanze! hier bin ich! hurtig die Leiter!
Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.
PEDRILLO
Was das für ein abscheuliches Spektakel macht.
hält die Hand aufs Herz
Es wird immer ärger, weil es nun Ernst wird. Wenn sie mich hier erwischten, wie schön würden sie mit mir abtrollen, zum Kopfabschlagen, zum Spiessen, oder zum Hängen. Je nu! der Anfang ist einmal gemacht, itzt ists nicht mehr aufzuhalten, es geht nun schon einmal aufs Leben oder auf den Tod los.
Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur Thüre heraus.
BELMONTE
Nun, holder Engel! nun hab' ich dich wieder, ganz wieder; Nichts soll uns mehr trennen.
KONSTANZE
Wie ängstlich schlägt mein Herz! kaum bin ich im Stande mich aufrecht zu halten: wenn wir nur glücklich entkommen.
PEDRILLO
Nur fort! nicht geplaudert! sonst könnt' es freylich schief gehen, wenn wir da lange Rath halten, und seufzen.
stösst Belmonten und Konstanzen fort
Nur frisch nach dem Strande zu! ich komme gleich nach.
Belmonte und Konstanze ab.
PEDRILLO
Nun Kupido, du mächtiger Herzensdieb, halte mir die Leiter, und hülle mich sammt meiner Geräthschaft in einen dicken Nebel ein!
er hat unter der Zeit die Leiter an Blondens Fenster gelegt, und ist hinaufgestiegen.
Blondchen, Blondchen! mach auf ums Himmels willen, zaudre nicht! es ist um Hals und Kragen zu thun.
Es wird das Fenster geöffnet, er steigt hinein.
FÜNFTER AUFTRITT
Osmin und ein schwarzer Stummer öfnen die Thüre von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaftrunken hat eine Laterne. Der Stumme giebt Osmin durch Zeichen zu verstehen, dass es nicht richtig sey; dass er Leute gehört habe, u.s.w.
OSMIN
Lärmen hörtest du? was kanns denn geben? vielleicht Schwärmer? Geh, spionire, bringe mir Antwort.
Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Hausthüre gelehnt, sieht und nickt.
OSMIN
Gift und Dolch! was ist das? wer kann ins Haus steigen? Das sind Diebe, oder Mörder.
Er tummelt sich herum: weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stösst er sich hier und da etc.
OSMIN
Hurtig, hole die Wache! ich will unterdessen lauren.
Der Stumme ab; Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kömmt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen, und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu.
BLONDE
O Himmel, Pedrillo! wir sind verloren.
PEDRILLO
sieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn, und steigt wieder zum Fenster hinein
Ah! welcher Teufel hat sich wider uns verschworen.
OSMIN
auf der Leiter dem Pedrillo nach, ruft
Blondchen! Blondchen!
PEDRILLO
im Hineinsteigen zu Blondchen
Zurück, nur zurück!
OSMIN
steigt wieder zurück
Wart, Spitzbube, du sollst mir nicht entkommen. Hilfe Hilfe! Wache, hurtig, hier giebts Räuber! herbey, herbey!
Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Hausthüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter, und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.
PEDRILLO UND BLONDE
im Abgehen
O Himmel steh uns bey! sonst sind wir verloren.
OSMIN
Zu Hilfe! zu Hilfe! geschwind!
er will nach
WACHE
mit Fackeln, halten Osmin auf
Halt, halt! Wohin?
OSMIN
Dorthin, dorthin.
WACHE
Wer bist du?
OSMIN
Nur nicht lange gefragt, sonst entkommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? hier ist noch die Leiter.
WACHE
Das sehn' wir: kannst nicht du sie angelegt haben?
OSMIN
Gift und Dolch! kennt ihr mich denn nicht? ich bin Oberaufseher der Gärten beym Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts.
Ein Theil der Wache bringen Pedrillo und Blonden zurück.
OSMIN
Ah endlich! Gift und Dolch! seh' ich recht! ihr beyde? warte, spitzbübischer Pedrillo, dein Kopf soll am längsten fest gestanden seyn.
PEDRILLO
Brüderchen, Brüderchen! wirst doch Spass verstehen? ich wollt' dir dein Weibchen nur ein wenig spazieren führen, weil du heute dazu nicht aufgelegt bist. Du weisst schon
heimlich zu Osmin
wegen des Cyperweins.
OSMIN
Schurke, glaubst du mich zu betäuben? hier verstehe ich keinen Spass; dein Kopf muss herunter, so wahr ich ein Muselmann bin.
PEDRILLO
Und hast du einen Nutzen dabey? wenn ich meinen Kopf verliere, sitzt deiner um so viel fester?
Ein anderer Theil der Wache auch mit Fackeln bringen Belmonte und Konstanze.
BELMONTE
widersetzt sich noch
Schändliche, lasst mich los!
WACHE
Sachte, junger Herr! sachte! uns entkömmt man nicht so geschwinde.
OSMIN
Sieh da! die Gesellschaft wird immer stärker. Hat der Herr Baumeister auch wollen spazieren gehen? O ihr Spitzbuben! Hatte ich heute nicht recht,
zu Belmonte
dass ich dich nicht in's Haus lassen wollte? nun wird der Bassa sehen, was für sauberes Gelichter er um sich hat.
BELMONTE
Das bey Seite! lass hören, ob mit euch ein vernünftig Wort zu sprechen ist? Hier ist ein Beutel mit Zechinen, er ist euer, und noch zweymal so viel; lasst mich los.
KONSTANZE
Lasst euch bewegen!
OSMIN
Ich glaube, ihr seyd besessen? euer Geld brauchen wir nicht, das bekommen wir ohnehin: eure Köpfe wollen wir.
zur Wache
Schleppt sie fort zum Bassa!
BELMONTE UND KONSTANZE
Habt doch Erbarmen! lasst euch bewegen!
OSMIN
Um nichts in der Welt! Ich habe mir längst so einen Augenblick gewünschet. Fort, fort!
Die Wache führt Belmont und Konstanzen fort, samt Pedrillo und Blonden.
OSMIN
allein
O! wie will ich triumphiren!
Wenn sie euch zum Richtplatz führen
Und die Hälse schnüren zu;
Hüpfen will ich, lachen, springen
Und ein Freudenliedchen singen
Denn nun hab' ich vor euch Ruh.
Schleicht nur säuberlich und leise
Ihr verdammten Harems-Mäuse,
Unser Ohr entdeckt euch schon;
Und eh' ihr uns könnt entspringen,
Seht ihr euch in unsern Schlingen,
Und erhaschet euren Lohn.
O! wie will ich triumphiren etc. etc.
Geht ab.
SECHSTER AUFTRITT
Zimmer des Bassa.
Selim mit Gefolge, hernach Osmin, Belmonte, Konstanze und Wache.
SELIM
zu einem Offiziere
Geht, unterrichtet euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und lasst mir Osmin kommen.
Der Offizier will abgehen, indem kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig
OSMIN
Herr! - Verzeih, dass ich es so früh wage, deine Ruhe zu stören.
SELIM
Was giebts, Osmin, was giebts? Was bedeutet der Aufruhr?
OSMIN
Herr, es ist die schändlichste Verrätherey in deinem Palast -
SELIM
Verrätherey?
OSMIN
Die niederträchtigen Christensklaven entführen uns die Weiber. Der grosse Baumeister, den du gestern auf Zureden des Verräthers Pedrillo aufnahmst, hat deine schöne Konstanze entführt.
SELIM
Konstanze? entführt? Ah, setzt ihnen nach!
OSMIN
O 's ist schon dafür gesorgt! Meiner Wachsamkeit hast du es zu danken, dass ich sie wieder beym Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte der spitzbübische Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein Blondchen schon beym Kopfe, um mit ihr in alle Welt zu reisen. -
Aber Gift und Dolch! er soll mirs entgelten! - Sieh, da bringen sie sie!
Belmonte und Konstanze werden von der Wache hereingeführt.
SELIM
Ah, Verräther! Ists möglich? - Ha, du heuchlerische Sirene! War das der Aufschub, den du begehrtest? Missbrauchtest du so die Nachsicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen?
KONSTANZE
Ich bin strafbar in deinen Augen, Herr, es ist wahr: aber es ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinetwillen fleht' ich Aufschub. - O lass mich sterben! gern, gern will ich den Tod erdulden: aber schone nur sein Leben -
SELIM
Und du wagst's Unverschämte, für ihn zu bitten?
KONSTANZE
Noch mehr: für ihn zu sterben!
BELMONTE
Ha, Bassa! Noch nie erniedrigte ich mich zu bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen gebeugt: aber sich, hier lieg ich zu deinen Füssen; und flehe dein Mitleid an. Ich bin von einer grossen spanischen Familie, man wird alles für mich zahlen. Lasse dich bewegen, bestimme ein Lösegeld für mich und Konstanze so hoch du willst. Mein Name ist Lostados.
SELIM
staunend
Was hör' ich! der Kommandant von Oran, ist dir der bekannt?
BELMONTE
Das ist mein Vater.
SELIM
Dein Vater? welcher glückliche Tag! Den Sohn meines ärgsten Feindes in meiner Macht zu haben! kann was angenehmers seyn! Wisse, Elender! Dein Vater, dieser Barbar ist Schuld, dass ich mein Vaterland verlassen musste. Sein unbiegsamer Geiz entriss mir eine Geliebte, die ich höher als mein Leben schätzte. Er brachte mich um Ehrenstellen, Vermögen, um alles. Kurz, er zernichtete mein ganzes Glück. Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er an meiner Stelle, was würde er thun?
BELMONTE
ganz niedergedrückt
Mein Schicksal würde zu beklagen seyn.
SELIM
Das soll es auch seyn. Wie er mit mir verfahren ist, will ich mit dir verfahren. Folge mir, Osmin, ich will dir Befehle zu ihren Martern geben.
zu der Wache
Bewacht sie hier.
SIEBENTER AUFTRITT
Belmonte und Konstanze.
Nr. 20 - Rezitativ und Duett
BELMONTE
Welch ein Geschick! o Qual der Seele!
Hat sich denn alles wider mich verschworen!
Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!
Welch eine Pein!
KONSTANZE
Lass, ach Geliebter, lass dich das nicht quälen!
Was ist der Tod? ein Uebergang zur Ruhe,
Und dann, an deiner Seite
Ist er Vorgeschmack der Seligkeit.
BELMONTE
Engelsseele! Welch holde Güte!
Du flössest Trost in mein erschüttert Herz,
Du linderst mir den Todesschmerz,
Und ach, ich resse dich ins Grab!
Meinetwegen sollst du sterben!
Ach Konstanze! kann ich's wagen,
Noch die Augen auszuschlagen?
Ich bereite dir den Tod!
KONSTANZE
Belmont! du stirbst meinetwegen,
Ich nur zog dich ins Verderben,
Und ich soll nicht mit dir sterben?
Wonne ist mir dies Geboth!
BEYDE
Edle Seele! dir zu leben
War mein Wunsch und all mein Streben.
Ohne dich ist mirs nur Pein,
Länger auf der Welt zu seyn.
KONSTANZE
Ich will alles gerne leiden,
BELMONTE
Ruhig sterb' ich, und mit Freuden,
BEYDE
Da ich dir zur Seite bin.
KONSTANZE
Um dich, Geliebter!
BELMONTE
Um dich, Geliebte!
BEYDE
Geb' ich gern mein Leben hin!
BEYDE
O welche Seligkeit!
Mit der Geliebten / dem Geliebten sterben
Ist seliges Entzücken!
Mit wonnevollen Blicken
Verlässt man da die Welt.
ACHTER AUFTRITT
Pedrillo und Blonde werden von einem andern Theil der Wache hereingeführt; und die Vorigen.
PEDRILLO
Ach Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeygehen gehört habe, soll in Oel gesotten, und dann gespiesst werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
BLONDE
Das gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben seyn muss, ist mir alles recht.
PEDRILLO
Welche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beym Tode nicht seyn! - - Weiss der Teufel ... Gott sey bey mir! wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
LETZTER AUFTRITT
Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin voll Freuden und Gefolge.
SELIM
Nun Sklave! elender Sklave! zitterst du? erwartest du dein Urtheil?
BELMONTE
Ja Bassa mit so vieler Kaltblütigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angethan; - - ich erwarte alles, und tadle dich nicht.
SELIM
Es muss also wohl deinem Geschlechte ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fusstapfen treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
BELMONTE
Herr! ... du setzest mich in Erstaunen ...
SELIM
ihn verächtlich ansehend
Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher, als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
KONSTANZE
Herr! vergieb! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich ...
SELIM
Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, dass Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.
im Begriff abzugehen
PEDRILLO
tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füssen
Herr! dürfen wir beyde Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn ...
OSMIN
Herr! beym Alla! lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
SELIM
Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen.
zur Wache
Man begleite alle viere an das Schiff.
giebt Belmonte ein Papier
Hier ist euer Passport.
OSMIN
Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
SELIM
scherzhaft
Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? - Ich sorge besser für dich als du denkst.
OSMIN
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
SELIM
Beruhige dich. Wen man durch Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.
Nr. 21 - Vaudeville
BELMONTE
Nie werd' ich deine Huld verkennen,
Mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
An jedem Ort, zu jeder Zeit
Werd' ich dich gross und edel nennen.
Wer so viel Huld vergessen kann,
Den seh' man mit Verachtung an.
ALLE
Wer so viel Huld etc.
KONSTANZE
Nie werd' ich im Genuss der Liebe
Vergessen, was der Dank gebeut,
Mein Herz, der Liebe nun geweiht,
Hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
Wer so viel Huld etc.
PEDRILLO
Wenn ich es je vergessen könnte,
Wie nah' ich am Erdrosseln war,
Und all der anderen Gefahr:
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
Wer so viel Huld etc.
BLONDE
Herr Bassa, ich sag' recht mit Freuden
Viel Dank für Kost und Lagerstroh,
Doch bin ich recht von Herzen froh,
Dass er mich lässt von dannen scheiden.
auf Osmin zeigend
Denn seh' er nur das Thier dort an,
Ob man so was ertragen kann.
OSMIN
Verbrennen sollte man die Hunde,
Die uns so schändlich hintergehn;
Es ist nicht länger anzusehn,
Mir starrt die Zunge fast im Munde,
Um ihren Lohn zu ordnen an:
Erst geköpft,
Dann gehangen,
Dann gespiesst
Auf heisse Stangen;
Dann verbrannt,
Dann gebunden
Und getaucht,
Zuletzt geschunden.
läuft voll Wuth ab
ALLE
Nichts ist so hässlich, als die Rache;
Hingegen menschlich, gütig seyn;
Und ohne Eigennutz verzeihn,
Ist nur der grossen Seelen Sache.
Wer dieses nicht erkennen kann,
Den seh' man mit Verachtung an.
DIE WACHE
Bassa Selim lebe lange,
Ehre sey sein Eigenthum,
Seine holde Scheitel prange
Voll von Jubel, voll von Ruhm.
(Johann Gottlieb Stephanie the Younger, after a libretto by Christoph Friedrich Bretzner)