ERSTER AKT
Ouvertüre
ERSTER AUFTRITT
Marzelline, Jaquino.
Nr. 1 - Duett
JAQUINO
Jetzt, Schätzchen, jetzt sind wir allein,
Wir können vertraulich nun plaudern.
MARZELLINE
Es wird ja nichts Wichtiges sein,
Ich darf bei der Arbeit nicht zaudern.
JAQUINO
Ein Wörtchen, du Trotzige, du!
MARZELLINE
So sprich nur, ich höre ja zu.
JAQUINO
Wenn du mir nicht freundlicher blickest,
So bring ich kein Wörtchen hervor.
MARZELLINE
Wenn du dich nicht in mich schickest,
Verstopf ich mir vollends das Ohr.
JAQUINO
Ein Weilchen nur höre mir zu,
Dann lass' ich dich wieder in Ruh.
MARZELLINE
So hab ich denn nimmermehr Ruh;
So rede, so rede nur zu.
JAQUINO
Ich habe zum Weib dich gewählet,
Verstehst du?
MARZELLINE
Das ist ja doch klar.
JAQUINO
Und, wenn mir dein Jawort nicht fehlet,
Was meinst du?
MARZELLINE
So sind wir ein Paar.
JAQUINO
Wir könnten in wenigen Wochen -
MARZELLINE
Recht schön, du bestimmst schon die Zeit.
JAQUINO
Zum Henker, das ewige Pochen!
MARZELLINE
So bin ich doch endlich befreit!
JAQUINO
Da war ich so herrlich im Gang,
Und immer entwischt mir der Fang.
MARZELLINE
Wie macht seine Liebe mir bang,
Wie werden die Stunden mir lang.
Ich weiss, dass der Arme sich quälet,
Es tut mir so leid auch um ihn!
Fidelio hab ich gewählet,
Ihn lieben ist süsser Gewinn.
JAQUINO
Wo war ich? - Sie sieht mich nicht an.
MARZELLINE
Da ist er - er fängt wieder an.
JAQUINO
Wann wirst du das Jawort mir geben?
Es könnte ja heute noch sein.
MARZELLINE
O weh! Er verbittert mein Leben.
Jetzt, morgen und immer, nein!
JAQUINO
Du bist doch wahrhaftig von Stein!
Kein Wünschen, kein Bitten geht ein.
MARZELLINE
Ich muss ja so hart mit ihm sein,
Er hofft bei dem mindesten Schein.
JAOUINO
So wirst du dich nimmer bekehren?
Was meinst du?
MARZELLINE
Du könntest nun gehn.
JAQUINO
Wie? Dich anzusehn willst du mir wehren?
Auch das noch?
MARZELLINE
So bleibe hier stehn!
JAQUINO
Du hast mir so oft doch versprochen -
MARZELLINE
Versprochen? Nein, das geht zu weit!
JAQUINO
Zum Henker, das ewige Pochen!
MARZELLINE
So bin ich doch endlich befreit!
JAQUINO
Es ward ihr im Ernste schon bang,
Wer weiss, ob es mir nicht gelang.
MARZELLINE
Das ist ein willkommener Klang,
Es wurde zu Tode mir bang.
ZWEITER AUFTRITT
Marzelline allein.
MARZELLINE
Der arme Jaquino! Ich war ihm sonst recht gut, da kam Fidelio in unser Haus, und seit der Zeit ist alles in mir und um mich verändert.
Nr. 2 - Arie
MARZELLINE
O wär ich schon mit dir vereint
Und dürfte Mann dich nennen!
Ein Mädchen darf ja, was es meint,
Zur Hälfte nur bekennen.
Doch wenn ich nicht erröten muss
Ob einem warmen Herzenskuss,
Wenn nichts uns stört auf Erden -
Die Hoffnung schon erfüllt die Brust
Mit unaussprechlich süsser Lust,
Wie glücklich will ich werden!
In Ruhe stiller Häuslichkeit
Erwach ich jeden Morgen,
Wir grüssen uns mit Zärtlichkeit,
Der Fleiss verscheucht die Sorgen.
Und ist die Arbeit abgetan,
Dann schleicht die holde Nacht heran,
Dann ruhn wir von Beschwerden.
Die Hoffnung schon erfüllt die Brust
Mit unaussprechlich süsser Lust,
Wie glücklich will ich werden!
DRITTER AUFTRITT
Marzelline, Rocco, Jaquino.
ROCCO
Marzelline, ist Fidelio noch nicht zurückgekommen?
MARZELLINE
Nein, Vater.
ROCCO
Ich erwarte ihn mit Ungeduld,
MARZELLINE
Da ist er ja! Wie beladen er ist.
VIERTER AUFTRITT
Die Vorigen, Leonore.
ROCCO
Warte! Warte, Fidelio! Diesmal hast du dir zu viel aufgeladen.
LEONORE
Ich muss gestehen, ich bin ein wenig ermüdet. Der Schmied hatte an den Ketten so lange auszubessern.
ROCCO
Sind sie jetzt gut?
LEONORE
Gewiss, gut und stark. Keiner der Gefangenen wird sie zerbrechen.
ROCCO
Wieviel kostet alles zusammen?
LEONORE
Zwölf Piaster ungefähr. Hier ist die Rechnung.
ROCCO
Gut! Du bist ein kluger Bursche. Ich kann gar nicht begreifen, wie du deine Rechnung machst.
LEONORE
Ich suche zu tun, was mir möglich ist.
ROCCO
Sei versichert, dein Lohn wird nicht ausbleiben.
LEONORE
O glaubt nicht, dass ich meine Schuldigkeit nur des Lohnes wegen - ich…
ROCCO
Still! Meinst du, ich kann dir nicht ins Herz sehen?
Nr. 3 - Quartett
MARZELLINE
Mir ist so wunderbar,
Es engt das Herz mir ein;
Er liebt mich, es ist klar,
Ich werde glücklich sein.
LEONORE
Wie gross ist die Gefahr,
Wie schwach der Hoffnung Schein!
Sie liebt mich, es ist klar,
O namenlose Pein!
ROCCO
Sie liebt ihn, es ist klar;
Ja, Mädchen, er wird dein.
Ein gutes, junges Paar,
Sie werden glücklich sein.
JAQUINO
Mir sträubt sich schon das Haar,
Der Vater willigt ein;
Mir wird so wunderbar,
Mir fällt kein Mittel ein.
ROCCO
Höre, Fidelio! Sobald der Gouverneur nach Sevilla gereist sein wird, mache ich dich zu meinem Tochtermann. Am Tage nach seiner Abreise gebe ich euch zusammen.
MARZELLINE
Den Tag nach seiner Abreise? O ja, lieber Vater!
LEONORE
Den Tag nach seiner Abreise?
ROCCO
Nun, meine Kinder, ihr habt euch doch lieb, nicht wahr? Aber das ist noch nicht alles, was zu einer vergnügten Haushaltung gehört.
Nr. 4 - Arie
ROCCO
Hat man nicht auch Gold beineben,
Kann man nicht ganz glücklich sein;
Traurig schleppt sich fort das Leben,
Mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenns in der Tasche fein klingelt und rollt,
Da hält man das Schicksal gefangen,
Und Macht und Liebe verschafft dir das Gold
Und stillet das kühnste Verlangen.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
Es ist ein schönes Ding, das Gold.
Wenn sich nichts mit nichts verbindet,
Ist und bleibt die Summe klein;
Wer bei Tisch nur Liebe findet,
Wird nach Tische hungrig sein.
Drum lächle der Zufall euch gnädig und hold
Und segne und lenk euer Streben;
Das Liebchen im Arme, im Beutel das Gold,
So mögt ihr viel Jahre durchleben.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
Es ist ein mächtig Ding, das Gold.
LEONORE
Ihr könnt das leicht sagen, Meister Rocco, aber es gibt etwas, was mir nicht weniger kostbar sein würde.
ROCCO
Und was wäre das?
LEONORE
Euer Vertrauen. Oft sehe ich Euch aus den unterirdischen Gewölben ganz ausser Atem zurückkommen. Warum erlaubt Ihr mir nicht, Euch dahin zu begleiten?
ROCCO
Du weisst doch, dass ich den strengsten Befehl habe, niemanden zu den Staatsgefangenen zu lassen.
MARZELLINE
Aber Ihr arbeitet Euch ja zu Tode, Vater.
ROCCO
Ja, ihr habt recht. Der Gouverneur muss mir erlauben, dich in die geheimen Kerker mit mir zu nehmen. Aber es gibt ein Gewölbe, in das ich dich wohl nie werde führen dürfen.
MARZELLINE
Vermutlich, wo der Gefangene ist, von dem Ihr schon mehrere Male gesprochen …
ROCCO
Ja, ja.
LEONORE
Ich glaube, es ist schon lange her, dass er gefangen ist?
ROCCO
Schon über zwei Jahre.
LEONORE
Zwei Jahre, sagt Ihr? Er muss ein grosser Verbrecher sein.
ROCCO
Oder er muss grosse Feinde haben, das kommt ungefähr auf eins heraus. Aber es kann nicht mehr lange mit ihm dauern.
LEONORE
Grosser Gott!
ROCCO
Seit einem Monat schon muss ich auf Pizarros Befehl seine Portion immer kleiner machen. Jetzt hat er binnen vierundzwanzig Stunden nicht mehr als zwei Unzen schwarzes Brot und eine halbe Mass Wasser; kein Licht - kein Stroh - nichts - nichts -!!
MARZELLINE
O Vater, führt Fidelio ja nicht zu ihm! Diesen Anblick könnte er nicht ertragen.
LEONORE
Warum denn nicht? Ich habe Mut und Kraft!
Nr. 5 - Terzett
ROCCO
Gut, Söhnchen, gut,
Hab immer Mut,
Dann wird's dir auch gelingen;
Das Herz wird hart
Durch Gegenwart
Bei fürchterlichen Dingen.
LEONORE
Ich habe Mut!
Mit kaltem Blut
Will ich hinab mich wagen:
Für hohen Lohn
Kann Liebe schon
Auch hohe Leiden tragen.
MARZELLINE
Dein gutes Herz
Wird manchen Schmerz
In diesen Grüften leiden;
Dann kehrt zurück
Der Liebe Glück
Und unnennbare Freuden.
ROCCO
Du wirst dein Glück ganz sicher bauen.
LEONORE
Ich hab auf Gott und Recht Vertrauen.
MARZELLINE
Du darfst mir auch ins Auge schauen
Der Liebe Macht ist auch nicht klein.
Ja, wir werden glücklich sein.
LEONORE
Ja, ich kann noch glücklich sein.
ROCCO
Ja, ihr werdet glücklich sein.
Der Gouverneur soll heut erlauben,
Dass du mit mir die Arbeit teilst.
LEONORE
Du wirst mir alle Ruhe rauben,
Wenn du bis morgen nur verweilst.
MARZELLINE
Ja, guter Vater, bitt' ihn heute,
In kurzem sind wir dann ein Paar.
ROCCO
Ich bin ja bald des Grabes Beute,
Ich brauche Hilf', es ist ja wahr.
LEONORE
Wie lang bin ich des Kummers Beute!
Du, Hoffnung, reichst mir Labung dar.
MARZELLINE
Ach, lieber Vater, was fällt Euch ein?
Lang' Freund und Rater müsst Ihr uns sein.
ROCCO
Nur auf der Hut, dann geht es gut,
Gestillt wird euer Sehnen.
Gebt euch die Hand und schliesst das Band
In süssen Freudentränen.
LEONORE
Ihr seid so gut, Ihr macht mir Mut,
Gestillt wird bald mein Sehnen!
Ich gab die Hand zum süssen Band,
Es kostet bittre Tränen.
MARZELLINE
O habe Mut! O welche Glut!
O welch ein tiefes Sehnen!
Ein festes Band mit Herz und Hand,
O süsse, süsse Tränen!
Nr. 6 - Marsch
FÜNFTER AUFTRITT
Rocco, Pizarro, Offiziere, Wachen.
PIZARRO
Hauptmann, drei Schildwachen auf den Wall! Sechs Mann an die Zugbrücke, jedermann, der sich der Festung nähert, wird sogleich vor mich gebracht! Rocco, ist etwas Neues vorgefallen?
ROCCO
Nein, Herr Gouverneur.
PIZARRO
Depeschen?
ROCCO
Hier sind sie.
PIZARRO
Immer Empfehlungen oder Vorwürfe. Diese Schrift kenne ich.
gebe Ihnen Nachricht, dass der Minister in Erfahrung gebracht hat, dass die Staatsgefängnisse, denen Sie vorstehen, mehrere Opfer willkürlicher Gewalt enthalten. Er reist morgen ab, um Sie mit einer Untersuchung zu überraschen. Seien Sie auf Ihrer Hut und suchen Sie sich sicher zu stellen.«
Gott, wenn er entdeckte, dass ich diesen Florestan in Ketten liegen habe, den er längst tot glaubt. Doch es gibt ein Mittel! Eine kühne Tat…
Nr. 7 - Arie mit Chor
PIZARRO
Ha, welch ein Augenblick!
Die Rache werd' ich kühlen,
Dich rufet dein Geschick!
In seinem Herzen wühlen,
O Wonne, grosses Glück!
Schon war ich nah, im Staube,
Dem lauten Spott zum Raube,
Dahingestreckt zu sein.
Nun ist es mir geworden,
Den Mörder selbst zu morden;
In seiner letzten Stunde,
Den Stahl in seiner Wunde,
Ihm noch ins Ohr zu schrein:
Triumph! Der Sieg ist mein!
CHOR DER WACHE
Er spricht von Tod und Wunde!
Nun fort auf unsre Runde,
Wie wichtig muss es sein!
Er spricht von Tod und Wunde!
Wacht scharf auf eurer Runde,
Wie wichtig muss es sein!
PIZARRO
Hauptmann! Besteigen Sie mit einem Trompeter sogleich den Turm. Sehen Sie mit der grössten Achtsamkeit auf die Strassen von Sevilla. Sobald Sie einen Wagen von Reitern begleitet entdecken, lassen Sie augenblicklich ein Signal geben. Verstehen Sie, augenblicklich! Ich erwarte die grösste Pünktlichkeit. Sie haften mir mit Ihrem Kopf. Fort! auf eure Posten! Rocco!
ROCCO
Herr!
Nr. 8 - Duett
PIZARRO
Jetzt, Alter, jetzt hat es Eile!
Dir wird ein Glück zuteile,
Du wirst ein reicher Mann;
Das geb ich nur daran.
ROCCO
So sagt doch nur in Eile,
Womit ich dienen kann.
PIZARRO
Du bist von kaltem Blute,
Von unverzagtem Mute
Durch langen Dienst geworden.
ROCCO
Was soll ich? Redet! Redet!
PIZARRO
Morden!
ROCCO
Wie?
PIZARRO
Höre mich nur an!
Du bebst? Bist du ein Mann?
Wir dürfen gar nicht säumen;
Dem Staate liegt daran,
Den bösen Untertan
Schnell aus dem Weg zu räumen.
ROCCO
O Herr!
PIZARRO
Du stehst noch an?
Er darf nicht länger leben,
Sonst ist's um mich geschehn.
Pizarro sollte beben?
Du fällst - ich werde stehn.
ROCCO
Die Glieder fühl' ich beben,
Wie könnt ich das bestehn?
Ich nehm ihm nicht das Leben,
Mag, was da will, geschehn.
Nein, Herr, das Leben nehmen,
Das ist nicht meine Pflicht.
PIZARRO
Ich will mich selbst bequemen,
Wenn dir's an Mut gebricht;
Nun eile rasch und munter
Zu jenem Mann hinunter -
Du weisst -
ROCCO
Der kaum mehr lebt
Und wie ein Schatten schwebt?
PIZARRO
Zu dem, zu dem hinab!
Ich wart' in kleiner Ferne,
Du gräbst in der Zisterne
Sehr schnell ein Grab.
ROCCO
Und dann?
PIZARRO
Dann werd' ich selbst, vermummt,
Mich in den Kerker schleichen -
Ein Stoss - und er verstummt!
ROCCO
Verhungernd in den Ketten
Ertrug er lange Pein,
Ihn töten, heisst ihn retten,
Der Dolch wird ihn befrein.
PIZARRO
Er sterb in seinen Ketten,
Zu kurz war seine Pein,
Sein Tod nur kann mich retten,
Dann werd' ich ruhig sein.
Jetzt, Alter, jetzt hat es Eile!
Hast du mich verstanden?
Du gibst ein Zeichen!
Dann werd' ich selbst, vermummt,
Mich in den Kerker schleichen -
Ein Stoss - und er verstummt!
ROCCO
Verhungernd in den Ketten
Ertrug er lange Pein,
Ihn töten, heisst ihn retten,
Der Dolch wird ihn befrein.
PIZARRO
Er sterb in seinen Ketten,
Zu kurz war seine Pein.
Sein Tod nur kann mich retten,
Dann werd' ich ruhig sein.
SECHSTER AUFTRITT
Leonore allein.
Nr. 9 - Rezitativ und Arie
LEONORE
Abscheulicher! Wo eilst du hin?
Was hast du vor in wildem Grimme?
Des Mitleids Ruf, der Menschheit Stimme -
Rührt nichts mehr deinen Tigersinn?
Doch toben auch wie Meereswogen
Dir in der Seele Zorn und Wut,
So leuchtet mir ein Farbenbogen,
Der hell auf dunkeln Wolken ruht:
Der blickt so still, so friedlich nieder,
Der spiegelt alte Zeiten wider,
Und neu besänftigt wallt mein Blut.
Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern
Der Müden nicht erbleichen!
O komm, erhell' mein Ziel, sei's noch so fern,
Die Liebe, sie wird's erreichen.
Ich folg' dem innern Triebe,
Ich wanke nicht,
Mich stärkt die Pflicht
Der treuen Gattenliebe!
O du, für den ich alles trug,
Könnt ich zur Stelle dringen,
Wo Bosheit dich in Fesseln schlug,
Und süssen Trost dir bringen!
Ich folg' dem innern Triebe,
Ich wanke nicht,
Mich stärkt die Pflicht
Der treuen Gattenliebe!
SIEBENTER AUFTRITT
Marzelline. Jaquino.
JAQUINO
Aber Marzelline -
MARZELLINE
Kein Wort, ich will nichts mehr hören.
JAQUINO
Ja früher, da war ich der gute, liebe Jaquino. Aber seit dieser Fidelio -
ACHTER AUFTRITT
Die Vorigen, Rocco, Leonore.
ROCCO
Was habt ihr beide denn wieder zu zanken?
MARZELLINE
Ach, Vater, Er will, dass ich ihn lieben, ihn heiraten soll.
ROCCO
Nein, Jaquino, von deiner Heirat ist jetzt keine Rede, mich beschäftigen andere Absichten.
LEONORE
Meister Rocco, ich ersuchte Euch schon einigemale, die armen Gefangenen in unsern Festungsgarten zu lassen. Heute ist das Wetter so schön.
ROCCO
Kinder, ohne Erlaubnis des Gouverneurs?
MARZELLINE
Aber er sprach doch so lange mit Euch. Vielleicht …
ROCCO
Du hast recht, Marzelline. Ich kann es wagen. Jaquino und Fidelio, öffnet die leichteren Gefängnisse. Ich aber gehe zu Pizarro und halte ihn zurück.
NEUNTER AUFTRITT
Chor der Gefangenen.
Nr. 10 - Finale
CHOR DER GEFANGENEN
O welche Lust, in freier Luft
Den Atem leicht zu heben!
Nur hier, nur hier ist Leben!
Der Kerker eine Gruft.
ERSTER GEFANGENER
Wir wollen mit Vertrauen
Auf Gottes Hilfe bauen!
Die Hoffnung flüstert sanft mir zu:
Wir werden frei, wir finden Ruh
ALLE ANDEREN
O Himmel! Rettung! Welch ein Glück!
O Freiheit! Kehrst du zurück?
ZWEITER GEFANGENER
Sprecht leise! Haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. -
ALLE
Sprecht leise! Haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. -
O welche Lust, in freier Luft
Den Atem leicht zu heben!
Nur hier, nur hier ist Leben.
Sprecht leise! Haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. -
ZEHNTER AUFTRITT
Rocco, Leonore.
Rezitativ
LEONORE
Nun sprecht, wie ging's?
ROCCO
Recht gut, recht gut!
Zusammen rafft ich meinen Mut
Und trug ihm alles vor;
Und sollst du's glauben,
Was er zur Antwort mir gab?
Die Heirat und dass du mir hilfst, will er erlauben;
Noch heute führ' ich in den Kerker dich hinab.
Duett
LEONORE
Noch heute! Noch heute!
O welch ein Glück! O welche Wonne l
ROCCO
Ich sehe deine Freude;
Nur noch ein Augenblick.
Dann gehen wir schon beide -
LEONORE
Wohin?
ROCCO
Zu jenem Mann hinab,
Dem ich seit vielen Wochen
Stets weniger zu essen gab.
LEONORE
Ha! - Wird er losgesprochen?
ROCCO
O nein!
LEONORE
So sprich!
ROCCO
O nein, O nein!
Wir müssen ihn, doch wie? - befrein!
Denn nach Pizarros Wille
Muss er in aller Stille
Von uns begraben sein!
LEONORE
So ist er tot?
ROCCO
Noch nicht, noch nicht.
LEONORE
Ist ihn zu töten deine Pflicht?
ROCCO
Nein guter Junge, zittre nicht,
Zum Morden dingt sich Rocco nicht.
Der Gouverneur kommt selbst hinab,
Wir beide graben nur das Grab.
LEONORE
Vielleicht das Grab des Gatten graben,
Was kann fürchterlicher sein?
ROCCO
Ich darf ihn nicht mit Speise laben,
Ihm wird im Grabe besser sein. -
Wir müssen gleich zu Werke schreiten,
Du musst mir helfen, mich begleiten;
Hart ist des Kerkermeisters Brot.
LEONORE
Ich folge dir, wär's in den Tod.
ROCCO
In der zerfallenen Zisterne
Bereiten wir die Grube leicht.
Ich tu es, glaube mir, nicht gerne;
Auch dir ist schaurig, wie mich deucht?
LEONORE
Ich bin es nur noch nicht gewohnt.
ROCCO
Ich hätte gerne dich verschont,
Doch wird es mir allein zu schwer,
Und gar so streng ist unser Herr.
LEONORE
O welch ein Schmerz!
ROCCO
Mir scheint, er weine.
Nein, du bleibst hier - ich geh alleine,
Ich geh allein.
LEONORE
O nein, O nein!
Ich muss ihn sehn; den Armen sehen,
Und müsst ich selbst zugrunde gehen.
ROCCO, LEONORE
O säumen wir nun länger nicht,
Wir folgen unsrer strengen Pflicht.
ELFTER AUFTRITT
Die Vorigen, Jaquino und Marzelline.
MARZELLINE
Ach, Vater, Vater, eilt!
ROCCO
Was hast du denn?
JAQUINO
Nicht länger weilt!
ROCCO
Was ist geschehn?
MARZELLINE
Es folget mir Pizarro nach!
Er drohet dir.
ROCCO
Gemach! Gemach!
LEONORE
So eilet fort!
ROCCO
Nur noch dies Wort:
Sprich, weiss er schon?
JAQUINO
Ja, er weiss es schon.
MARZELLINE
Der Offizier sagt ihm, was wir
Jetzt den Gefangenen gewähren.
ROCCO
Lasst alle schnell zurücke kehren.
MARZELLINE
Ihr wisst ja, wie er tobet,
Und kennet seine Wut.
LEONORE
Wie mir's im Innem tobet!
Empöret ist mein Blut.
ROCCO
Mein Herz hat mich gelobet,
Sei der Tyrann in Wut.
ZWÖLFTER AUFTRITT
Die Vorigen, Pizarro, später Die Gefangenen.
PIZARRO
Verwegner Alter! Welche Rechte
Legst du dir frevelnd selber bei?
Und ziemt es dem gedungnen Knechte,
Zu geben die Gefangnen frei?
ROCCO
O Herr!
PIZARRO
Wohlan!
ROCCO
Des Frühlings Kommen,
Das heitre warme Sonnenlicht,
Dann: habt Ihr wohl in acht genommen,
Was sonst zu meinem Vorteil spricht?
Des Königs Namensfest ist heute,
Das feiern wir auf solche Art.
Der unten stirbt - doch lasst die andern
Jetzt fröhlich hin und wieder wandern;
Für jenen sei der Zorn gespart.
PIZARRO
So eile, ihm sein Grab zu graben,
Hier will ich stille Ruhe haben.
Schliess' die Gefangnen wieder ein,
Mögst du nie mehr verwegen sein!
DIE GEFANGENEN
Leb' wohl, du warmes Sonnenlicht,
Schnell schwindest du uns wieder;
Schon sinkt die Nacht hernieder,
Aus der so bald kein Morgen bricht.
MARZELLINE
Wie eilten sie zum Sonnenlicht
Und scheiden traurig wieder.
Die andern murmeln nieder:
Hier wohnt die Lust, die Freude nicht.
LEONORE
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht,
Kehrt in den Kerker wieder.
Angst rinnt durch meine Glieder.
Ereilt den FrevIer kein Gericht?
JAQUINO
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht,
Kehrt in den Kerker wieder.
Sie sinnen auf und nieder!
Könnt ich verstehn, was jeder spricht!
PIZARRO
Nun, Rocco, zögre länger nicht,
Steig' in den Kerker nieder.
Nicht eher kehrst du wieder,
Bis ich vollzogen das Gericht.
ROCCO
Nein, Herr, ich zögre länger nicht,
Ich steige eilend nieder.
Mir beben meine Glieder;
O unglückselig harte Pflicht!