ZWEITER AUFZUG
(Halle)
GENOVEVA
(sehr innig)
O weh des Scheidens, das er that, -
Mit ihm schied Freud' und Glück!
Herr'nloses Haus, Haus ohne Rath! -
O käm er bald zurück! -
Mit ihm die Lust, mit ihm der Muth
Wo er nicht ist da wankt es, -
Doch wo er herrscht, da steht es gut,
Mein Siegfried, kehre wieder,
Mit Dir schied all' mein Glück dahin!
Getrost, getrost, mein Herze -
(Sie wird vom Lärm unterbrochen)
GESANG DER KNECHTE
Füllet die Becher bis zum Rande,
Stoßet an und trinket aus!
Zieht der Herr in fremde Lande,
Ist der Knappe Herr im Haus!
Stoßt an und trinket aus!
Ei - wer sitzt dort in der Ecke. -
Alter Drago, was ist das!
Kommt hervor aus dem Verstecke -
Unsrer Herrin dieses Glas!
Die Herrin lebe hoch!
GENOVEVA
Welch rohes Singen! Klingt es doch,
Als ob sie spotteten! -
Die Knechte sind's, Margaretha unter ihnen,
Dies Schreckbild meinem Auge! -
Und dort der gute Drago,
Er will nicht würfeln mit und singen! -
Wie wild sie lärmen! – Siegfried, Siegfried,
Kehr' bald zurück, brich ihren Uebermut,
Sie stürzen Haus und Hof dir um!
(Sie hört ein Garäusch)
Wer kömmt!
(Golo tritt ein)
Ihr seid es, Golo? -
GOLO
Verzeiht, daß zu so später Stunde noch -
GENOVEVA
Stets seid willkommen Ihr, und wißt -
Ich fürchtete mich eben -
GOLO
Ihr hörtet wohl -
GENOVEVA
Sie singen laut genug -
Und ganz allein bin ich -
GOLO
(Für sich)
Sie ganz allein! welch' seltnes Glück?
GENOVEVA
Die Dienerin entließ nach Trier ich,
Dort ihren kranken Vater zu verpflegen -
Da wandelte etwas wie Furcht mich an,
Dazu das wilde Singen - aber sagt,
Was hat es zu bedeuten? -
GOLO
Die Knechte, Caspar, Balthasar,
Sie treiben Kurzweil mit den Jagdgesellen…
GENOVEVA
Und Margaretha?
GOLO
Macht den Burschen von ihren Künsten vor,
Bald sie zum Lachen reizend, bald erschreckend,
Und dann…
(Er zögen)
GENOVEVA
Ihr haltet inne, sprecht!
GOLO
So hört, was mich so spät noch zu Euch führt:
Ein großer Sieg (so spricht man)
Sei über Abdorrhaman jüngst erkämpft -
GENOVEVA
Ein Sieg, ein Sieg! O Freude!
Doch wie, Siegfried ließ ohne Kunde mich? -
GOLO
Gerüchte eilen schneller ja als Menschen -
Auch spricht man von der bald'gen Rückkehr
Des Heeres -
GENOVEVA
Siegfried's auch? O wär' es wahr?
GOLO
Dies alles hat die Burschen aufgeregt -
CHOR DER KNECHTEN
Fürwahr,
ein schönes Weib des Küssens wert!
GOLO
Von Neuem toben sie, ich geh'
Zum Schweigen sie zu bringen.
(Er will gehen)
GENOVEVA
Laßt, laßt - die Freude reizt zum Singen,
Auch mich - Ihr singt so artig, laßt
Mit einer sanften Weise uns
Den wilden Lärm betäuben -
Kommt, dort ist die Zither.
GOLO
's sind Monden her, daß ich schon nicht mehr sang.
GENOVEVA
So wirds nur um so frischer klingen -
Ohn' Widerspruch! - das Lied,
Das aus dem Elsaß uns der Sänger lehrte -
GOLO
Ihr könntet Steine singen machen
Durch Euer Bitten, schöne Frau!
GENOVEVA
Das Schmeicheln, Golo, scheint Euch eigen,
Singt denn, laßt Euer Herz erweichen!
GOLO
(Für sich)
O anmuthvollste Zauberin!
Duett
GENOVEVA
Wenn ich ein Vöglein wär',
Und auch zwei Flüglein hätt',
Flög' ich zu dir!
Weil's aber nicht kann sein,
Bleib ich allhier!
Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bei dir,
Und red' mit dir!
Wenn ich erwachen thu'
Bin ich allein!
Es vergeht kein' Stund' in der Nacht,
Da mein Herze nicht erwacht
Und an dich gedenkt,
Daß du mir viel tausendmal
Dein Herz geschenkt!
Nicht länger halt' ich mich,
Die Gluth verzehrt mich!
Zu ihren Füßen, zu ihren Füßen,
Daß sie's erfahre -
Alles, Alles!
GOLO
Wenn ich ein Vöglein wär',
Und auch zwei Flüglein hätt,
Flög' ich zu dir, flög' ich zu dir!
Weil's aber nicht kann sein,
Weil's aber nicht kann sein,
Bleib' ich allhier!
Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bei dir
Und red' mit dir, und red' mit dir!
Wenn ich erwachen tu',
Bin ich allein!
(immer leidenschaftlicher)
Es vergeht kein' Stund' in der Nacht,
Da mein Herze nicht erwacht,
Und an dich gedenkt, und an dich gedenkt,
Dass du mir viel tausendmal…
(sich vergessend)
Nicht länger halt' ich mich,
Die Glut verzehret mich!
Zu ihren Füßen, zu ihren Füßen,
Daß sie's erfahre alles, alles!
Nicht länger halt' ich mich,
Die Glut verzehret mich!
(Er stürzt Genoveva zu Füßen)
GENOVEVA
Was ist Euch? -
GOLO
Genoveva, verzeiht mir! -
GENOVEVA
Erst stehet auf, es ziemt Euch nicht zu knie'n!
GOLO
Nicht eher als Ihr mir verzieh'n -
Ich täuscht' Euch -
GENOVEVA
Wohlan - verzeiht Euch Gott, verzeih'
Auch ich Euch -
GOLO
Ich raubt' Euch - ahnet Ihr? -
Damals als Siegfried Abschied nahm -
GENOVEVA
Golo, ich sah Euch niemals so - Ihr seid wohl krank? -
GOLO
Du schlugst die Wunde, still' nun auch
Das Blut, das strömende, des Herzens!
GENOVEVA
Ein böser Dämon gab dies Wort Euch ein,
Besinnet Euch, mit wem Ihr sprecht!
GOLO
O Zauberin, Du hast das Leben mir
Durch Kunst entführt -
GENOVEVA
Was sprecht Ihr da? -
Erwacht, denn Ihr verkennet mich!
Ich bin es, Genoveva, die jetzt spricht,
Gemahlin Eures Herrn, des Grafen Siegfried!
GOLO
Hör' denn, Du meines Herrn Gemahlin -
Daß ich es reden, aussagen könnte,
Worte finden, Töne -
GENOVEVA
Es fällt ihn Wahnsinn an -
GOLO
O daß ich's reden, aussagen könnte,
O daß ich's reden, aussagen könnte!
Du liebst mich, holde Braut,
Da ist der Tag begonnen,
Da regt und rührt's sich laut,
Da brechen aus den Knospen alle Wonnen -
Da rührt sich's laut, usw.
GENOVEVA
Es fällt ihn Wahnsinn an,
Wer steht mir bei!
Wo flieh' ich hin!
Es fällt ihn Wahnsinn an,
Wo flieh' ich hin, wo flieh' ich hin!
(rufend)
Drago! Angelo!
Hört niemand mich,
O Siegfried, mein Gemahl,
Wann kehrst du wieder!
GOLO
Nenn' ihn nicht -
Sein Nam' ist Tod!
Mein bist Du, mein -
GENOVEVA
Allmächtiger Gott!
GOLO
In meine Arme, Weib! -
GENOVEVA
Zurück!
GOLO
An meine Brust!
GENOVEVA
Zurück, ehrloser Bastard!
(Golo fährt zusammen und Genoveva geht)
GOLO
Das Wort, das traf, -
Das Wort, das schlug, -
Fluch Dir! -
Kein Schlaf soll über diese Augen kommen,
Kein' Speis' und Trank
Ueber diese Lippen,
Bevor Du vernichtet! -
DRAGO
(eintretend)
Dem Himmel Dank, daß ich Euch finde,
Im ganzen Schlosse sucht ich Euch!
GOLO
Drago, einandermal!
Laß jetzt mich nur!
DRAGO
Ihr müßt mit mir - die Buben unten
Verweigern mir Gehorsam.
GOLO
Zwing' sie dazu, was kümmert's mich!
DRAGO
Das trüg' ich auch!
Doch hört - sie lästern - -
GOLO
Mich vielleicht? -
Laß sie - was kümmert's Dich?
DRAGO
Nicht Euch -
Nein denkt -
Sie wagen's unsre Gräfin selber zu Beschimpfen -
GOLO
Was denn sprachen sie?
DRAGO
Kaum mag ich's nacherzählen,
das Schändlichste -
GOLO
Sprich nur -
DRAGO
Sie sagen: mit dem jungen
Kaplan, den jüngst Hidulfus
(Flüsternd)
Hieher gesandt, stünd' sie vertrauter,
Als es Graf Siegfried wissen dürfte -
Denkt, die Schurken! -
GOLO
Grago, die Schurken - - sprachen wahr!
DRAGO
Herr Golo! -
GOLO
Ich weiß noch mehr -
DRAGO
Ich kann's nicht glauben -
Die edle Gräfin -
GOLO
Diese Nacht noch hat sie ihn herbeschieden -
DRAGO
Mit ihm zu beten vielleicht -
GOLO
Ja, ja, zu beten, daß Graf Siegfried
Nie wiederkehren möge -
DRAGO
Nie, nie glaub' ich das! -
GOLO
Hast Augen Du?
DRAGO
Wie meint Ihr das?
GOLO
Du kannst ja selbst Dich überzeugen.
DRAGO
Ich riss' mein Aug' aus, müßt' es die Schandtat seh'n.
GOLO
Wohlan - die Prob' ist leicht -
(Genoveva Schlafgemach öffnend)
Hier in der Nische
Kann ungesehn dem Liebespaar man lauschen -
Ich schlüpf' hinein -
DRAGO
Um ihrer Unschuld willen
Möcht' selber ich's - doch nein -
GOLO
So glaub', wenn Du nicht sehn willst -
DRAGO
(hält Golo zurück)
Laßt mich - und paßt Ihr draußen an der Tür! -
Doch wenn ich Euch nun morgen früh
Beschwören kann,
daß Alles Lug' und Trug!
GOLO
So heiß' mich selbst den Schurken! -
DRAGO
So denn mit Gott!
Zu Tag wird er die Wahrheit bringen!
(Golo versteckt Drago in Schlafgemach. Margaretha eintretend)
MARGARETHA
Ich lauscht' an der Tür - weiß alles -
Mit Genoveva war't zu heftig Ihr!
GOLO
Und hörtest Du, wie sie mich nannte? -
MARGARETHA
Ist's Deine Schuld? -
GOLO
Hilf mir mich rächen!
MARGARETHA
(heimlich)
Hör' an - ich will nach Straßburg,
Den Grafen dort zurückzuhalten -
GOLO
Das wolltest Du -
MARGARETHA
Er liegt verwundet da -
GOLO
Ha!
MARGARETHA
Ich fing ein Schreiben an die Gräfin auf
Manch' Tränklein weiß ich zu bereiten, auch
Für ihn, das soll von seinen Leiden ihn befrei'n,
Und Dich von ihm -
GOLO
Mich schüttelt Fieberfrost -
MARGARETHA
Komm' in die Gesindestube! Drago, als Buhle -
Ei das wird lustig! -
(Margaretha zieht Golo mit sich fort)
GENOVEVA
(am Fenster stehend)
Dort schleichen über'n Hof sie sacht,
Wie Wölfe, die vom Raube kommen! -
Mir ist so bange, so beklommen -
O Du, der über Alle wacht,
Der Alles wohlgemacht,
Beschütz' o Herr! auch diese Nacht
Die Guten und die Frommen!
In Deinen Willen leg' ich nun
So Seel' wie Leib! O hab' Erbarmen
Mit mir, und wenn ich mich vergaß,
Weil sich ein Bub' an mir
Und meiner Ehr' vermaß,
Vergib, da mir zu meiner Wehr
Kein' andre Waffe blieb -
O Herr, der gern verzeiht,
Beschirme mich in meinem großen Leid!
Und Du, der alle Schmerzen stillt,
Komm', süßer Schlaf, bring' Siegfried's Bild
Im Traume mir,
Vom tiefen Weh, das mich erfüllt,
An seinem Herzen auszuruh'n.
(Sie geht in ihr Schlafgemach)
KNECHTE, MÄGDE
Sacht, sacht
Aufgemacht!
(Margeretha bricht die tür auf der Chor dringt herein)
Daß er uns nicht entschlüpft,
Habt Acht!
BALTHASAR
Dort ist das Zimmer,
Umstellt die Thür!
CHOR
Er entschlüpft uns nicht,
Wir steh'n dafür!
BALTHASAR
Das Licht verlischt -
CHOR
Nur stille, still -
BALTHASAR
Ich hör' Geflüster
Wie von Zwei'n -
CHOR
Dringt ein, dringt ein!
GENOVEVA
(ruft aus dem Schlafgemach)
Wer kömmt? -
Wer es auch sei, zurück!
CHOR
Still, still! sie sind gefangen!
GENOVEVA
(tritt heraus)
Was sucht Ihr hier?
BALTHASAR
(verlegen)
Wir suchen -
GENOVEVA
Wen?
BALTHASAR
Herrn Golo - -
Erlaubt, daß selbst wir suchen
In Eurem Schlafgemach -
GENOVEVA
(mit Entrüstung)
In meinem Schlafgemach?
Wer eintritt, ist des Todes,
Kömmt Euer Herr zurück!
BALTHASAR
Der ist noch weit im Felde -
Wir suchen seinen Stellvertreter!
GENOVEVA
Meint Ihr Herrn Golo, er ist nicht hier -
Geht fort, ich bitt' Euch! -
CHOR
Die brüstet sich, und bittet auch!
Sucht nur, wir müssen ihn finden!
GENOVEVA
Herr, schütz' vor Frechheit mich! -
(zum Chor gewendet)
Geht, geht! Weicht zurück!
(Angelo entfern um Golo herbeizuholen)
CHOR
Dringt hinein, dringt hinein!
(Sie drägen gegen die Tür, Golostürzt mit gezogenem Schwert herein)
GOLO
Zurück, ihr Schurken!
Wie könnt Ihr wagen,
Zu stören der Herrin Ruh'!
GENOVEVA
(Zu Golo)
O nehmt Euch meiner an!
(zu den Anderen)
Hier ist Herr Golo - nun geht,
Wen sucht Ihr noch?
GOLO
Mich suchten sie?
GENOVEVA
Ja Euch!
CHOR
Nein, nein
D'rin muss noch Jemand sein!
BALTHASAR
Im Schlafgemach steckt Jemand noch.
GOLO
Frau Gräfin, laßt sie suchen doch
Um Eure Unschuld darzutun.
GENOVEVA
Sucht denn!
DRAGO
(stürzt hervor)
Erbarmen, Erbarmen!
CHOR
Drago!
BALTHASAR
Drago!
(Er ersticht Drago)
GENOVEVA
Gott steh mir bei!
BALTHASAR
Frau Gräfin, mit Erlaubniss,
das ist schlecht -
GOLO
(Zu Balthasar)
Freund, du bist rasch!
CHOR
Seht, sie erbleicht, die Schuld ist klar!
BALTHASAR
Was sagt Ihr nun?
GENOVEVA
(entrüstet)
Nichts zu Euch!
BALTHASAR
Das glaub' ich - nichts zu uns, die wir es sah'n,
Was aber wohl zu dem, der's hört von uns?
GENOVEVA
Glaubt, was Ihr seht! nur bitt' ich, glaubt nicht mehr,
Ihr brachtet Lichter mit, gebt mir ein Licht!
BALTHASAR
(sieht in das Schlafgemach)
Verdächt'ges seh ich nichts!
MARGARETHA
(erschint plötzlich)
Ich lauscht' am Fenster dort,
Wie Drago sie umfing!
(zieht sich schnell zurück)
GENOVEVA
Auch diese da!
(Zu Golo)
Euch ruf' ich auf,
Sagt Ihr, Herr Golo, was Ihr glaubt!
GOLO
Ich heiß' nicht Siegfried,
bin der Richter nicht!
GENOVEVA
Da sprecht Ihr wahr! -
BALTHASAR
Die ist ja nach dem Fall
Viel stolzer noch! doch bräche sich der Stolz
Vielleicht im Turm -
(Zu Golo)
Wär' ich der Herr, sie müßte gleich hinunter!
CHOR
Zum Turm mit ihr,
Zum Turm mit ihr,
Dort hat sie Zeit zur Reue!
Zum Turm mit ihr, usw.
Führt sie hinunter, bindet sie,
Bindet sie, Führt sie hinunter,
Fort, fort, usw.
Fort in den Turm,
Führt sie hinunter, usw.
BALTHASAR
Zum Turm mit ihr,
Zum Turm mit ihr,
Dort hat sie Zeit zur Reue!
Zum Turm mit ihr, usw.
Führt sie hinunter, bindet sie,
Bindet sie, führt sie hinunter,
Fort, fort, usw.
Fort in den Turm,
Führt sie hinunter, usw.
GENOVEVA
(mit schwacher stimme)
Führt mich, wohin es sei,
Nur führt mich hin,
Wo ich das Blut nicht seht
O Herr im Himmel,
Schützt dein Kind!
Schützt dein Kind!
Was hab' ich getan,
Dass so schwer du mich prüfst!
Herr im Himmel,
Schütze dein Kind!
Schütze dein Kind,
Allmächt'ger Gott!
O Herr im Himmel, usw.
GOLO
(für sich)
O Herzenswunde, brich nicht auf!
Brich nicht auf,
Der Rache werd' ihr Recht!
Herzenswunde, brich nicht auf,
Halt deinen Schmerz zurück,
Halt deinen Schmerz, halt ihn zurück!
Herzenswunde, brich nicht auf!
(Genoveva wird abgeführt)