DER SOMMER
6a. RECITATIVO
(Die Einleitung stellt die Morgendämmerung vor)
<LUKAS>
In grauem Schleier rückt heran
das sanfte Morgenlicht.
Mit lahmen Schritten weicht vor ihm
die träge Nacht zurück.
Zu düst’ren Höhlen flieht
der Leichenvögel blinde Schar;
ihr dumpfer Klageton
beklemmt das bange Herz nicht mehr.
<SIMON>
Des Tages Herold meldet sich;
mit scharfem Laute rufet er
zur neuer Tätigkeit
den ausgeruhten Landmann auf.
6b. ARIA UND RECITATIVO
<SIMON>
Der munt’re Hirt versammelt nun
die frohen Herden um sich her;
zur fetten Weid’ auf grünen Höh’n
treibet er sie langsam fort.
Nach Osten blickend steht er dann,
auf seinem Stabe hingelehnt,
zu seh’n den ersten Sonnenstrahl,
welchem er entgegen harrt.
<HANNE>
Die Morgenröte bricht hervor;
wie Rauch verflieget das leichte Gewölk;
der Himmel pranget im hellen Azur,
der Berge Gipfel in feurigem Gold.
7. CHOR
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Sie steigt herauf, die Sonne, sie steigt;
Sie naht, sie kommt;
Sie strahlt, sie scheint.
<CHOR>
Sie scheint in herrlicher Pracht,
in flammender Majestät!
Heil, o Sonne, heil!
Des Lichts und Lebens Quelle, heil!
O du, des Weltalls Seel’ und Aug’,
der Gottheit schönstes Bild,
dich grüßen dankbar wir.
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Wer spricht sie aus, die Freuden alle,
die deine Huld in uns erweckt!
Wer zählet sie, die Segen alle,
die deine Mild’ auf uns ergießt!
<CHOR>
Die Freuden! O, wer spricht sie aus!
Die Segen! O, wer zählet sie!
Wer spricht sie aus! Wer zählet sie!
Wer!
<HANNE>
Dir danken wir, was uns ergötzt.
<LUKAS>
Dir danken wir, was uns belebt.
<SIMON>
Dir danken wir, was uns erhält.
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Dem Schöpfer aber danken wir,
was deine Kraft vermag.
<ALLE>
Heil! O Sonne, Heil!
Des Lichts und Lebens Quelle, Heil!
Dir jauchzen alle Stimmen,
dir jauchzet die Natur.
8a. RECITATIVO
<SIMON>
Nun regt und bewegt sich alles umher.
Ein buntes Gewühl bedecket die Flur.
Dem braunen Schnitter neiget sich
der Saaten wallende Flut.
Die Sense blitzt, da sinkt das Korn;
doch steht es bald und aufgehäuft
in festen Garben wieder da.
8b. RECITATIVO
<LUKAS>
Die Mittagssonne brennet jetzt
in voller Glut,
und gießt durch die entwölkte Luft,
ihr mächtiges Feu’r in Strömen hinab.
Ob den gesengten Flächen schwebt,
im nieder’n Qualm' ein blendend Meer
von Licht und Widerschein.
8c. CAVATINA
<LUKAS>
Dem Druck' erlieget die Natur;
welke Blumen, dürre Wiesen,
trock’ne Quellen, alles zeigt der Hitze Wut,
und kraftlos schmachten Mensch und Tier
am Boden hingestreckt.
9a. RECITATIVO
<HANNE>
Willkommen jetzt, o dunkler Hain,
wo der bejahrten Eiche Dach
den kühlenden Schirm gewährt,
und wo der schlanken Äspe Laub
mit leisem Gelispel rauscht.
Am weichen Moose rieselt da
in heller Flut der Bach,
und fröhlich summend irrt und wirrt
die bunte Sonnenbrut.
Der Kräuter reinen Balsamduft
verbreitet Zephyrs Hauch,
und aus dem nahen Busche tönt
des jungen Schäfers Rohr.
9b. ARIA
<HANNE>
Welche Labung für die Sinne!
Welch’ Erholung für das Herz!
Jeden Aderzweig durchströmet,
und in jeder Nerve bebt
erquickendes Gefühl.
Die Seele wachet auf
zum reizenden Genuß',
und neue Kraft erhebt
durch milden Drang die Brust.
10a. RECITATIVO
<SIMON>
O seht! Es steiget in der schwülen Luft
am hohen Saume des Gebirgs,
von Dampf und Dunst
ein fahler Nebel auf.
Empor gedrängt, dehnt er sich aus,
und hüllet bald den Himmelsraum
in schwarzes Dunkel ein.
<LUKAS>
Hört, wie vom Tal' ein dumpf Gebrüll
den wilden Sturm verkünd’t!
Seht, wie vom Unheil schwer
die finst’re Wolke langsam zieht,
und drohend auf die Eb’ne sinkt.
<HANNE>
In banger Ahndung stockt
das Leben der Natur.
Kein Tier, kein Blatt beweget sich,
und Todesstille herrscht umher.
10b. CHOR. DAS UNGEWITTER
Ach! das Ungewitter nah't.
Hilf uns Himmel!
O, wie der Donner rollt!
O, wie die Winde toben!
Wo flieh’n wir hin!
Flammende Blitze durchwühlen die Luft;
den zackigen Keilen berstet die Wolke,
und Güsse stürzen herab.
Wo ist Rettung!
Wütend ras't der Sturm;
der weite Himmel entbrennt.
Weh’ uns Armen!
Schmetternd krachen Schlag auf Schlag
die schweren Donner fürchterlich.
Weh’ uns! Weh’ uns!
Erschüttert wankt die Erde
bis in des Meeres Grund.
<LUKAS>
Die düst’ren Wolken trennen sich;
gestillet ist der Stürme Wut.
<HANNE>
Vor ihrem Untergange
blickt noch die Sonn’ empor,
und von dem letzten Strahle glänzt,
mit Perlenschmuck geziert, die Flur.
<SIMON>
Zum lang gewohnten Stalle kehrt,
gesättigt, und erfrischt,
das Fette Rind zurück.
<LUKAS>
Dem Gatten ruft
die Wachtel schon.
<HANNE>
Im Grase zirpt die Grille froh,
<SIMON>
Und aus dem Sumpfe
quakt der Frosch.
<LUKAS, HANNE, SIMON>
Die Abendglocke tönt.
Von oben winkt der helle Stern,
und ladet uns zur sanften Ruh'.
<MÄNNER>
Mädchen, Bursche,
Weiber kommt!
Unser wartet süßer Schlaf,
wie reines Herz, gesunder Leib,
und Tagesarbeit ihn gewährt.
<FRAUEN>
Wir geh’n, wir folgen euch.
<ALLE>
Die Abendglocke hat getönt;
von oben winkt der helle Stern,
und ladet uns zur sanften Ruh.