BARON
hat seinen Stuhl hinter den breiten Rücken des Haushofmeisters geschoben, ergreift zärtlich die Hand der vermeintlichen Zofe.
zu Octavian
Hat Sie schon einmal mit einem Kavalier im tête-à-tête zu Abend gegessen?
OCTAVIAN
tut sehr verlegen
BARON
Nein? Da wird Sie Augen machen. Will Sie?
OCTAVIAN
leise, verschämt
I weiß halt nit, ob i dös derf.
MARSCHALLIN
dem Haushofmeister unaufmerksam zuhörend, beobachtet die Beiden, muss leise lachen.
HAUSHOFMEISTER
verneigt sich, tritt zurück, wodurch die Gruppe für den Blick der Marschallin frei wird.
MARSCHALLIN
lachend zum Haushofmeister
Warten lassen.
Haushofmeister ab.
BARON
setzt sich möglichst unbefangen zurecht.
MARSCHALLIN
lachend
Der Vetter ist, ich seh’ es, kein Kostverächter.
BARON
erleichtert
Mit Eurer Gnaden
aufatmend
ist man frei daran. Da gibt’s keine Flausen und keine Etiquette
er küsst der Marschallin die Hand
und keine spanische Tuerei.
MARSCHALLIN
amüsiert
Aber wo Er doch ein Bräut’gam ist?
BARON
halb aufstehend, ihr genähert
Macht das einen lahmen Esel aus mir? Bin ich da nicht wie ein guter Hund auf einer guten Fährte? Und doppelt scharf auf jedes Wild, nach links, nach rechts!
MARSCHALLIN
Ich sehe, Euer Liebden betreiben es als Profession.
BARON
ganz aufstehend
Das will ich meinen. Wüsste nicht, welche mir besser behagen könnte. Ich muss Euer Gnaden sehr bedauern, dass Euer Gnaden nur - wie drück’ ich mich aus - die verteidigenden Erfahrungen besitzen. Parole d’honneur! Es geht nichts über die von der anderen Seite.
MARSCHALLIN
lacht
Ich glaube Ihm, dass die sehr mannigfaltig sind.
BARON
So viel Zeiten das Jahr, so viel Stunden der Tag,
da ist keine,
MARSCHALLIN
Keine?
BARON
wo nicht,
MARSCHALLIN
wo nicht?
BARON
Wo nicht dem Knaben Cupido ein Geschenkerl abzulisten wär’! Dafür ist man kein Auerhahn und kein Hirsch, sondern ist man Herr der Schöpfung, dass man nicht nach dem Kalender forciert ist, halten zu Gnaden! Zum Exempel, der Mai ist recht lieb für’s verliebte Geschäft, das weiss jedes Kind, aber ich sage: Schöner ist Juni, Juli, August. Da hat’s Nächte!
Da ist bei uns da droben so ein Zuzug von jungen Mägden aus dem Böhmischen herüber, ihrer zweie, dreie halt’ ich oft bis im November mir im Haus. Dann erst schick’ ich sie heim! Zur Ernte kommen sie und sind auch ansonsten anstellig und gut -
schmunzelnd
dann erst schick’ ich sie heim. - Und wie sich das mischt, das junge, runde böhmische Völkel, schwer und süss, mit denen im Wald mit denen im Stall, den deutschen Schlag scharf und herb wie ein Retzer Wein - wie sich das mischen tut! Und überall steht was und lauert und schielt durch den Gattern, und schleicht zueinander und liegt beieinander, und überall singt was und schupft sich in den Hüften und melkt was und mäht was und plantscht und plätschert was im Bach und in der Pferdeschwemm.
MARSCHALLIN
sehr amüsiert
Und Er ist überall dahinter her?
BARON
Wollt’ ich könnt’ sein wie Jupiter selig in tausend Gestalten! Wär’ Verwendung für jede.
MARSCHALLIN
Wie, auch für den Stier? So grob will Er sein? Oder möchte Er die Wolken spielen und daher gesäuselt kommen als ein Streiferl nasse Luft?
BARON
sehr munter
Je nachdem, all’s je nachdem. Das Frauenzimmer hat gar vielerlei Arten, wie es will genommen sein. Da ist die demütige Magd. Und da: die trotzige Teufelskreatur, haut dir die schwere Stalltür an den Schädel - Und da ist, die kichernd und schluchzend den Kopf verliert - die hab’ ich gern - und jener wieder, der sitzt im Auge ein kalter rechnender Satan. Aber es kommt eine Stunde, da flackert dieses lauernde Auge, und der Satan, indem er ersterbende Blicke dazwischen schießt,
mit Gusto
der würzt mir die Mahlzeit unvergleichlich.
MARSCHALLIN
Er selber ist einer, meiner Seel’!
BARON
Und wär’ eine, - haben die Gnad’, - die keiner anschaut: im schmutzigen Kittel schlumpt sie her, hockt in der Asche hinterm Herd - die, wo du sie angehst zum richtigen Stünd’l, Die hat’s in sich! Ein solches Staunen gar nicht begreifen können und Angst und Scham; und auf die letzt so eine rasende Seligkeit, dass sich der Herr, der gnädige Herr herab gelassen gar zu ihrer Niedrigkeit.
MARSCHALLIN
Er weiß mehr als das A B C!
BARON
Da gibt es welche, die wollen beschlichen sein, sanft wie der Wind das frisch gemähte Heu beschleicht. Und welche - da gilt’s wie ein Luchs hinterm Rücken heran und den Melkstuhl gepackt, dass sie taumelt und hinschlägt! Muss halt ein Heu -
behäbig schmunzelnd
in der Nähe dabei sein.
OCTAVIAN
platzt lachend heraus
MARSCHALLIN
Nein, Er agiert mir gar zu gut! Lass Er mir doch das Kind!
BARON
sehr ungeniert zu Octavian
Weiß mich ins engste Versteck zu bequemen, weiß im Alkoven galant mich zu benehmen. Hätte Verwendung für tausend Gestalten, tausend Jungfern festzuhalten. Wäre mir keine zu junge, zu herbe, keine zu niedrige, keine zu derbe! Tät’ mich für keinem Versteck nicht schämen, seh’ ich was Liebs: ich muss mir’s nehmen.
[楽譜: Weiß mich in Heu und Stroh zu bequemen, weiß in Alkoven galant mich zu benehmen. Hätte Verwendung für tausend Gestalten, tausend Jungfern festzuhalten. Hirsche und Hahnen geben mir Laune, seh’ ich Fasanen sauber sich paaren, juckt’s mich, gefiedert dazwischen zu fahren. Tät’ auf’m Baum und im Korn mich bequemen, seh’ ich was Lieb’s, ich muss mir’s nehmen.]
OCTAVIAN
sofort wieder in seiner Rolle
Na, zu dem Herrn, da ging i net, da hätt’ i an Respekt, na was mir da passieren könnt’, da wir i gar zu g’schreckt. I wass net, was er meint, i wass net, was er will. Aber was z’viel is, das is zu viel. Das is ja net zum sagen, zu so an Herrn da ging i net, mir tat’s die Red’ verschlagen. Da tät’ sich unsereins mutwillig schaden.
zur Marschallin
Ich hab’ solche Angst vor ihm fürstliche Gnaden.
MARSCHALLIN
Nein, Er agiert mir gar zu gut! Er ist ein Rechter! Er ist der Wahre! Lass Er mir doch das Kind. Er ist ganz wie die andern dreiviertel sind. Wie ich Ihn so sehe, so seh ich hübsch viele. Das sind halt die Spiele, die euch convenieren! Und wir, Herr Gott! Wir leiden den Schaden, wir leiden den Spott, und wir haben’s halt auch net anders verdient.
mit gespielter Strenge
Und jetzt sakerlott, jetzt lass Er das Kind.
BARON
nimmt wieder würdevolle Haltung an
Geben mir Euer Gnaden den Grasaff’ da zu meiner künft’gen Frau Gemahlin Bedienung.
MARSCHALLIN
Wie, meine Kleine da? Was sollte die? Die Fräulein Braut wird schon versehen sein und nicht ansteh’n auf Euer Liebden Auswahl.
BARON
Das ist ein feines Ding! Kreuzsakerlott! Da ist ein Tropf gutes Blut dabei.
OCTAVIAN
für sich
Ein Tropf gutes Blut!
MARSCHALLIN
Euer Liebden haben ein scharfes Auge!
BARON
Geziemt sich.
vertraulich
Find’ in der Ordnung, dass Personen von Stand in solcher Weise von adeligem Blut bedient werden. Führ selbst ein Kind meiner Laune mit mir.
OCTAVIAN
stets sehr belustigt zuhörend, für sich
Ein Kind seiner Laune?
MARSCHALLIN
Wie? Gar ein Mädel? Das will ich nicht hoffen.
BARON
stark
Nein, einen Sohn.
OCTAVIAN
Einen Sohn?
MARSCHALLIN
Einen Sohn?
BARON
Trägt lerchenauisches Gepräge im Gesicht. Halt’ ihn als Leiblakai.
MARSCHALLIN
lachend
Als Leiblakai!
OCTAVIAN
Als Leiblakai!
BARON
Wenn Euer Gnaden dann werden befehlen, dass ich die silberne Rose darf Dero Händen übergeben, wird er es sein, der sie heraufbringt.
MARSCHALLIN
Soll mich recht freu’n. Aber wart’ Er einmal.
Octavian winkend
Mariandel!
BARON
Geben mir Euer Gnaden das Zofel! Ich lass nicht locker.
MARSCHALLIN
Ei! geh’ Sie nur und bring’ Sie das Medaillon her.
OCTAVIAN
leise
Theres, Theres, gib acht!
MARSCHALLIN
ebenso
Bring’s nur schnell. Ich weiß schon, was ich tu’!
BARON
Octavian nachsehend
Könnt’ eine junge Fürstin sein.
dann, im Konversationston
Hab’ vor, meiner Braut eine getreue Kopie meines Stammbaums zu spendieren - nebst einer Locke vom Ahnherrn Lerchenau, der ein grosser Klosterstifter war und Oberst-Erblandhofmeister in Kärnten und in der windischen Mark.
OCTAVIAN
bringt das Medaillon
MARSCHALLIN
Wollen Euer Gnaden leicht den jungen Herren da als Bräutigamsaufführer haben?
BARON
Bin ungeschauter einverstanden!
MARSCHALLIN
etwas zögernd
Mein junger Vetter, der Graf Octavian.
BARON
stets sehr verbindlich
Wüsste keinen vornehmeren zu wünschen. Wär’ in Devotion dem jungen Herrn sehr verbunden.
MARSCHALLIN
schnell
Seh’ Er ihn an!
hält ihm das Medaillon hin
BARON
sieht bald auf das Medaillon, bald auf die Zofe
Die Ähnlichkeit!
MARSCHALLIN
Ja, ja.
BARON
Wie aus dem Gesicht geschnitten!
MARSCHALLIN
Hat mir auch schon Gedanken gemacht.
auf das Medaillon deutend
Rofrano, des Herrn Marchese zweiter Bruder.
BARON
Octavian? Rofrano! Da ist man wer, wenn man aus solchem Haus,
mit Beziehung auf die Zofe
und wär’s auch bei der Domestikentür!
MARSCHALLIN
Darum halt’ ich sie auch wie was Besonderes.
BARON
Geziemt sich.
MARSCHALLIN
Immer um meine Person.
BARON
Sehr wohl.
MARSCHALLIN
Jetzt aber geh’ Sie, Mariandel, mach’ Sie fort.
BARON
Wie denn? Sie kommt doch wieder?
MARSCHALLIN
überhört den Baron absichtlich
Und laß’ Sie die Antichambre herein!
OCTAVIAN
geht gegen die Flügeltür rechts
BARON
ihm nach
Mein schönstes Kind!
OCTAVIAN
an der Tür rechts
Derfts eina geh’!
BARON
Ich bin ihr Serviteur. Geb’ Sie doch einen Augenblick Audienz!
OCTAVIAN
schlägt dem Baron die kleine Tür vor der Nase zu
I komm glei.