ERSTER AKT
Ein hoher Saal im Palaste des Alviano Salvago. Vormittag.
ERSTE SZENE
Alviano Salvago, Guidobald Usodimare, Menaldo Negroni, Michelotto Cibo, Gonsalvo Fieschi, Julian Pinelli, Paolo Calvi.
ALVIANO
hässlicher Mann von ungefähr 30 Jahren, bucklig, grosse leuchtende Augen, hastig.
Lasst! - Genug - - !
Ich will nichts mehr hören!
Es widert mich an -
entsetzt mich - !
Und doch - ich - der's ersonnen,
ausgebrütet in Nächten -
in Nächten - ah! -
Ihr ahnt nicht!
Euch ist's ein Spiel -
würzend - was sonst
das Leben
Euch willig bietet.
Doch mir - ! Ein Durstender!
Einer, nah dem Verschmachten -
gehöhnt, gehetzt, geschunden
von Qualen die - ah - !
kurz, scharf
Teufel, was gab die Natur -
mir - mit diefer Fratze
und diesem Höcker,
solch ein Fühlen, solch eine Gier -
MENALDO
geflüstert
Ich bitte dich - still!
Der Ordnung Hüter sind auf -
und voll Ehrgeiz.
Hinter den Türen lauern -
bestochen - die Diener;
in den Gärten bergen sich
Schergen - -
GONSALVO
Du übertreibst, mein Freund.
Es sind allzutiefe Skrupel
fürwahr nicht am Platze -
MENALDO
Dass wir mit Bauerndirnen
und Mägden, Krämertöchtern
und Freudenmädchen uns nicht
begnügen, dass wir die Feinsten
und Schönsten erwählen
ist ein Zeichen für unsern Geschmack.
PAOLO
Wie nur war die Losung,
die Du uns gabst
vor wenigen Wochen?
"Die Schönheit sei Beute des Starken!
Alle Pracht der Erde
erliege der Macht
des Geistes, und des
Bezwingenden Glorie
strahle heller und dringe
tiefer, sehrender in die
Seelen, als jener Glanz,
der das Auge nur blendet!"
ALLE
durcheinander
Sehr wahr! So sprachst Du.
Und seither - ? Was Du schufst,
meidest Du! Fliehst uns selbst!
Kein's jener heimlichen Feste
noch grüsste Dich!
GONSALVO
Weil ein paar Väter
die Hände ringen -
MENALDO
- und ein paar Mütter
herzbrechend schluchzen!
GUIDOBALD
Glaub nur nicht, dass
die Schönen selber -
GONSALVO
dass sie uns zürnen - !
MICHELOTTO
Gestern - Alissa - die
kleine Jüdin - hei -
was die für Augen machte!
Und die reizende Tochter
des Biparello -
JULIAN
- des Dichters, wahrlich -
sie war entzückend!
ALLE
durcheinander, ekstatisch
Ihrer Liebsten
alltagbeschwerten Armen
entreissen wir sie!
Dem Gatten, unerfahren
in Liebeskünsten,
weint keine Träne
die "Unverstand'ne"!
Aus engen Zimmern
in weite mystische Räume - -
düftegeschwängert von
Fackeln durchloht!
Alle Märchen werden lebendig!
Alle Träume verschwiegener
Nächte - Morgenlandsträume
von Schauern geboren,
gehn in Erfüllung!
Was sich keine gesteht,
und jede ersehnt - jählings
ward's zur Wirklichkeit!
ALVIANO
gepresst, ein wenig spöttisch und mit herbem Ausdruck
Ganz recht - ganz recht!
Es ist überzeugend.
Jedoch in einem Punkt -
verzeiht - stimmt mir's
nicht ganz. - Ihr sprecht stets
von Euch nur. Von Euch - die
ihr wohlgestalt seid, und
mit Anmut begabt, - und
vergesst mich, - den Krüppel.
Käm der zu den Festen,
so wie Ihr begehrt -
er vergällte sie Euch -
und statt der Lust
zög das Grausen ein!
PAOLO
Du überschätzt, mein Freund -
so will mir scheinen -
gewaltig der Frauen Schönheitsempfinden.
ALVIANO
verhalten
Es gab - Frühlingsnächte.
Bei offenen Fenstern
tanzt es herein - alle
schwülen Zauber - Blumen-
geruch, schwer und betäubend.
Und ich musste fort, geschüttelt
von Fiebern - hinaus in
einsame Gassen. Und suchte
ein Dirnchen, so recht ein verkomm'nes -
sprach es an - bot ihr Gold -
viel Gold und fühlte mich doch
dem Bettler gleich, der
Almosen heischt - - -.
Im Schein der Laterne
mustert sie meine arme
Gestalt, mit einem Blick -
- einem Lächeln so
schmachvoll, dass mir das
Blut in den Adern gerann.
Da - wirkte das Gold!
Auf geschminkten Lippen
spiegelt sein Gleissen,
all meines Elends
furchtbare Not; unflät'ge
Worte verhiessen Gewähr - -
doch mir fehlte die Kraft,
mich selbst zu bespei'n und
zu entweih'n die Lenznacht.
- - - - -
EIN DIENER
meldend
Gnäd'ger Herr - der Notar -
MENALDO, JULIAN, GONSALVO
bestürzt
Mensch - Alviano -
Du bist im Stande -
Was soll der Notar - ?
ALVIANO
traurig lächelnd
Seid unbesorgt!
zum Diener
Ich lasse ihn bitten,
sich kurze Zeit zu gedulden -!
ALLE
Alviano bestürmend
Was soll's - was hast Du vor?
ALVIANO
ruhig
Ich vergass - es Euch
zu vertrau'n:
zuerst stockendenTones
Mein Eiland "Elysium",
mit all' seinen Bauten,
Wasserspielen und
prangenden Gärten,
mit all' seinen unerhörten
Wundern der Kunst
und selt'nen Schätzen
freigeb'ger Natur -
zum Geschenk vermacht
für ew'ge Zeiten -
hab' ich's der Stadt.
Verblüffung.
PAOLO
ausbrechend
Du bist von Sinnen!
GUIDOBALD
Weisst nicht, was Du tust!
MENALDO
Das Werk Deines Lebens!
MICHELOTTO
Dein halbes Vermögen
wandtest Du dran,
es sorglos verschwendend -
ALVIANO
Morgen Abend, nach Einbruch
der Dämm'rung, im Beisein
des hohen Senates und des Podestà,
mit grossem Gepräng
geb' ich's preis allem Volk.
Ihr Herren, Ihr seid geladen.
PAOLO
Ja, aber Mensch - vergisst Du
denn ganz -
ALVIANO
Hab' alles bedacht.
MENALDO
Du lieferst uns aus.
JULIAN
eindringlich
Der Zugang zum unterirdischen Saal -
ALVIANO
mit Bedeutung
Scheut Ihr der Entdeckung Gefahr -
so meidet ihn künftig;
doch jetzt - verzeiht - ! Die Herr'n
vom Rat erwart' ich und mit
dem Notar obliegt mir noch
festzusetzen der Schenkung
Wortlaut und Paragraphe.
Ab.
ZWEITE SZENE
GUIDOBALD
Es gilt zu handeln.
MICHELOTTO
Wo nur Vitelozzo bleibt?
PAOLO
Dieser Narr Alviano!
GONSALVO
All' uns're Pläne -
herrlich und kühn ersonnen -
JULIAN
Meine süsse Ginevra - !
Krank bin ich vor Sehnsucht.
Und dieser Bube Pietro
zögert - weiss die Madonna,
welch schurkische Gründe ihn -
MENALDO
Ein gefährlicher Kerl!
Doch gut zu brauchen,
geschickt und verschlagen.
PAOLO
Mein Argwohn steht fest:
Mit frecher Hand streift
der Bandit von so mancher
Blüte, eh' wir sie brechen -
MICHELOTTO
Verflucht, Du meinst -
PAOLO
Ich weiss, was ich sage.
Stimmen draussen vernehmbar.
JULIAN
Ist das nicht - Tamare?
ALLE
Halloh! Vitelozzol
DRITTE SZENE
Vitelozzo Tamare hastig hereinstürmend.
TAMARE
Ich bin verspätet.
GUIDOBALD
Wir merkens!
GONSALVO
Und ausser Atem!
TAMARE
überschwänglich
Ihr Freunde -
ALLE
Was gibt's?
TAMARE.
Ich bin fassungslos -
MENALDO
Sancta Maria, was ist gescheh'n?
TAMARE
Ergriffen -
JULIAN
O Gott!
MENALDO
Unsel'ger!
TAMARE
Von soviel Schönheit -
GUIDOBALD
Ach!
PAOLO
Dacht ich's doch!
TAMARE
Ein Weib!
PAOLO
Natürlich!
TAMARE
begeistert
Nein - -
GUIDOBALD
Eine Göttin!
MICHELOTTO
Ein Engel!
JULIAN
Eine Blume!
MENALDO
Wir kennen das!
GONSALVP
Ich bitte Dich schweig!
TAMARE
empört, Geste
- - - - - - -
MENALDO
Wir kennen die ganze
Epistel.
GUIDOBALD
's gibt Wicht'geres.
TAMARE
wütend
Wer sagt das? Was
wisst denn Ihr -
PAOLO
So sprich mit Pietro!
TAMARE
ernst
Nennt nicht den Schurken!
Ihr besudelt der
Göttlichen Namen.
MICHELOTTO
Wie heisst sie?
TAMARE
Ja, wenn ich's wüsst!
Doch - wüsst ich's, ich
würde mich hüten, ihn
Euch zu verraten,
Ihr - Mädchenräuber!
ALLE
verblüfft durcheinander
Was - ? Du hast's nötig!
Ganz ausgezeichnet!
PAOLO
Wo sahst Du die Schöne?
TAMARE
Am Municipium
ritt ich vorbei - ; da
fuhren eben, zu irgend
'ner Gasterei oder
Festivität, der Stadt
Väter in goldnen Karossen
MENALDO
zu den anderen
Ob da nicht - was meint Ihr -
TAMARE
In einer derselben -
so hört doch! -
GONSALVO
- ein Zusammenhang -
DIENER
meldend
Der hohe Rat - und
der vieledle Herr Podestà!
TAMARE
verblüfft
Teufel noch mal - !
JULIAN
lachend
Das heiss' ich Glück!
VIERTE SZENE
Von der einen Seite der Podestà und Senatoren, sowie die Frau des Podestà und Carlotta, von der andern Seite Alviano Salvago und der Notar.
ALVIANO
Meinen Gruss, Signori,
und Dank, dass mein schlichtes
Haus gewürdigt ward,
des Besuch's so illustrer Gäste,
PODESTÀ
sehr herzlich
Euer schlichtes Haus!
O edler Signor Salvago,
Ihr seid zu bescheiden.
Die Pracht der Räume,
die wir durchschritten,
hat wahrlich nicht ihres-
gleichen in Genua.
ALVIANO
Euer Lob beglückt mich -
doch wollt gestatten:
vorstellend
Hier
meine Freunde - Blüte
Genuas Ritterschaft -
von ihren Stirnen lest
Ihr die Namen erlauchter
Geschlechter -
PODESTÀ
sich verneigend, dann
Und hier mein Weib
und mein Kind,
meine vielliebe Tochter
Carlotta
vertraulich
Ich fürchte, Signor,
allzufreien Sinn's mögt
Ihr sie finden; sie achtet -
sehr mir zuleide - gering
der Gesellschaft Normen.
Bewund'rung Eurer
Hochherzigkeit und
schmunzelnd
eine
ganz besondere Bitte,
die sie an Euch -
ALVIANO
nicht ohne Verlegenheit
Ich heisse die Damen
willkommen und
wär's mir vergönnt,
zu erfüllen der
Signorina Verlangen -
ich priese mich glücklich!
PODESTÀ
Doch nun, so's Euch genehm,
wollen wir
auf die Senatoren weisend
delegieret
vom hohen Senate, Euch
überbringen Dank
und freud'ges Erstaunen
der hohen Versammlung.
Euer Schreiben von gestern
kündet uns eine Schenkung,
so gross und bedeutend,
so unerwartet und selten
in diese Zeiten.
Schwer nur wahrt sich
der Bürger die kärgliche Habe;
unter den Händen zerrinnt
ihm das Gold, mühselig
erworben und immer noch
mehren sich drückend die
Steuern und Lasten.
Wir haben's getragen,
geduldig zumeist und
nur selten murrend;
blieb uns als Hort doch
unsrer Familie Heiligkeit
und der Glaube an die Madonna.
Doch da bricht's ein wie
der Wolf in die Herde,
raubt uns die Frauen,
stiehlt frech uns die Töchter
und machtlos - hilflos -
sich besinnend
doch verzeiht, o Herr,
wenn das volle Herz, bedrängt
von der Schmach dieser letzten Wochen,
das Freud'ge so rasch vergisst
und des Unglücks wieder
gewahr wird. Euch unsre Sorgen
zu klagen, ist wahrlich nicht
unsrer Sendung Zweck.
Den ersten Lichtstrahl nach
bangen Tagen -
ihn danken wir Euch!
Des Eilands glückkündenden
Namen, wir nehmen ihn
als ein gutes Omen.
erhobenen Tones
So mög' denn - gestützt
durch die Kraft, die Recht
verleiht und die Macht
des Besitzes -
ERSTER SENATOR
Signor Podestà, es gäb
zu bedenken vielleicht, und
es waren Stimmen -
ZWEITER SENATOR
ein wenig zögernd
Der Form zu g'nügen
und den Vertragen müssten
wir wohl - des Herzogs
Adorno Genehm'gung -
PODESTÀ
Ah - bei der Madonna -
bald hätt' ich's vergessen!
Alviano beiseite ziehend, gedämpft
Edler Signor Alviano -
MICHELOTTO
zu den Edlen
Die Geschichte hat -
so scheint's -
noch 'nen Haken.
Die Edlen bilden in eifrig flüsternden Gespräch eine abseits stehende Gruppe.
TAMARE
bei Carlotta
Erinnert Ihr Euch, Signorina,
an einen Reiter, heut' früh -
dess' Rappe scheute beim
Anblick der gold'nen Karossen -
PODESTÀ
bei Alviano, halblaut
Der Herzog Antonio Adorno -
- - - das Recht des Einspruchs -
- - - abhängig sind wir - -
ALVIANO
ebenso, jedoch zerstreut
Was könnt' er dagegen - -
TAMARE
bei Carlotta
Der Reiter aber sah
in zwei blitzende Augen;
vergass darob, verwirrt und
geblendet, zu zügeln das Ross -
CARLOTTA
lachend
- und hätt' beinah' mit
unfreiwill'gem Fussfall gehuldigt
der Schönen - das wart also Ihr?
PODESTÀ
Ein tapf'rer Herr, doch ängstlich
bedacht auf Beliebtheit beim Volk,
nicht grade böse, doch eifersüchtig
und eitel in hohem Masse,
selbst gern fetiert, sieht er's nur ungern -
CARLOTTA
Ich habe mich sehr amüsiert.
TAMARE
Ihr seid grausam.
Und wenn nun - vom
Pferde gestürzt -
gebrochen Arm oder Bein -
CARLOTTA
Ist's Euch ein Blick meiner
Augen nicht wert?
TAMARE
heiss
Das Leben gäb' ich gern
für Euch hin - doch -
CARLOTTA
Und wenn's grade das wär',
was ich wollt'? Ihr seid so
gross, so mächtig und stark -
so hoch über mir. - Ich muss
mich strecken - seht - Euch
nur in die,
spöttisch
ach, so sieges-
gewissen Augen zu blicken - !
Mit veränderter Stimme, wie ein bittendes verzogenes Kind.
Und säh' Euch gern klein und
niedrig und arm, tief unter
mir, meinen Füssen erreichbar -
TAMARE
finster
Die Toten sind arm.
CARLOTTA
Aber tot und stumrn.
Und ich liebe die Seele, die
ringt und sich quält, sich
opfert und leidet um Minnelohn.
Seid Ihr 'mal gestorben,
was nützt Euch dann -
meine Liebe?
TAMARE
rauh, hervorgestossen, in höchstem Unbehagen.
Ihr seid des Teufels, Jungfrau!
Die Antwort -
ich will sie bedenken
mit Bedeutung
und
geb sie Euch morgen.
Will ab.
GUIDOBALD
Halt, Vitelozzo, was eilst du?
Sie umringen Tamare im Hintergrunde der Bühne und sprechen auf ihn ein.
MENALDO, JULIAN, GONSALVO, MICHELOTTO, PAOLO
durcheinander
So hör' doch! Wir sind in Gefahr. Er liefert uns aus - diesen lumpigen Bürgern!
Der Eingang zum
unterirdischen Saal!
Wir müssen's hindern - - !
TAMARE
man hält ihn
Bei der Madonna, so lasst mich -
reisst sich los
GUIDOBALD
eindringlich
Sprich mit Adorno -
TAMARE
sehr aufgeregt
Tut was Ihr wollt -
lasst mich aus dem Spiel!
MENALDO
Aber Du - ein Wort!
TAMARE
zornig
Ich weiss nichts, ich will nichts - -
ich bin verliebt - ich liebe -
hört Ihr? Die Pest in Euch!
Ab.
PODESTÀ
mit Alviano nach vorne kommend
So bleibt es dabei! Ihr
verzieht einen Tag noch.
Der Senat erbittet
vorher die Genehm'gung
des Herzogs - - -
Lakaien öffnen die Flügeltür im Hintergrunde, ein zweiter Saal mit einer festlich angerichteten Tafel wird sichtbar.
und heut abend seid Ihr
mein lieber Gast -
ALVIANO
Wie Ihr nun der meine.
Ich bitte die edlen Gäste,
meine Einladung nicht
zu verschmäh'n, ein
einfaches Mahl!
gehaucht
Signorina - Euren Arm!
Er reicht Carlotta ein wenig befangen seinen Arm. Der Podestà bietet den Arm seiner Frau. Die Anderen folgen. Die Lakaien schliessen wieder die Tür.
FÜNFTE SZENE
Martuccia. Pietro.
PIETRO
in heftigem Streit begriffen, beschwichtigend
Holde Martuccia!
MARTUCCIA
mit einer Schürze, sehr echauffiert, alte Jungfer
Du Lump! Gauner! Verbrecher! Lass mich!
PIETRO
erschrocken
Ich bitt' Dich, schweig still!
Ich mag nicht erkannt sein.
Dein Gebieter, der kleine
Krüppel, den bösen Blick
fürcht' ich an ihm wie die Pest -
MARTUCCIA
Du Ungeheuer! Betrüger!
Du Dieb! Wenn Du nicht hältst
Dein gottloses Maul
und den Herrn beschimpfst,
geh' ich Dir zu Leibe,
Du Elender, Du! Du Ehrvergessner!
Die ganze Nacht hab' ich geharrt,
den roten Shawl liess ich weh'n
im Wind vergeblich bis früh
weicher
und einen Schinken
hab ich bereitet -
PIETRO
gerührt
Einen Schinken - o Gott - !
Doch wenn Du erst hörst,
was mir widerfahren
MARTUCCIA
wieder wütend, scharf akzentuiert
Und jetzt - wo das
Haus voller Gäst', ich alle
Händ' voll zu tun - kommt er
daher, der - -
PIETRO
entsetzt
Das Haus voller Gäst?
Wer ist da?
MARTUCCIA
Zittere, Bube - der hohe Senat!
PIETRO
erleichtert
Der Senat! Doch die Ritter?
MARTUCCIA
Sind da!
PIETRO
entgeistert
Sind da!
MARTUCCIA
Und ich schwatz' mit dem Kerl -
statt -
PIETRO
Ich muss fort.
MARTUCCIA
Aha!
PIETRO
dringend
Doch hör', Martuccia -
hör', ich beschwör' Dich:
nahe bei ihr
Ich bin in Bedrängnis.
In dieser Stadt ist
ein anständ'ger Mensch
seines Lebens nicht sicher.
Man interessiert sich für mich, -
allzu sehr, wie mir scheint -
und zu alldem verfolgt
mich seit Tagen - ein Weib -
MARTUCCIA
Was?
PIETRO
Jawohl, eine Dame - eine
wirft sich in die Brust
vornehme Dame - ;
das heisst - nicht mich -
sondern den - für den sie
- mich hält - und sie glaubt,
ich sei - der Ritter Menaldo.
MARTUCCIA
starr, ihn musternd
Nein - diese Frechheit - !
PIETRO
Da hast Du recht, eine
freche Person -
MARTUCCIA
wütend
Nein! Du! Du! Du Schuft -
nachäffend
"Der Ritter Menaldo !"
sie lacht grimmig
PIETRO
Sie hat sich's nun in den
Kopf gesetzt, mich, das
heisst - den Ritter Menaldo,
zu verklagen bei Herzog
Adorno - und geht nicht
von mir und Iässt mich
nicht aus - und sperr' ich
sie ein in meinen Palazzo
da drauss' vor den Toren -
wie leicht könnt's gescheh'n - -
die Polizei - neu'stens auf
Mädchenräuber erpicht -
hält mich für einen - hält
mich für einen - und
knüpft mich auf!
MARTUCCIA
sehr erschrocken
Oh - !
PIETRO
Das kannst Du nicht wollen.
Du - die Du mich liebst!
Nimm' sie auf bei Dir! -
MARTUCCIA
Was - ? wen? -
PIETRO
Sie ist hier!
MARTUCCIA
perplex
Wer - wo?
PIETRO
Das Frauenzimmer - die
Dame - bewahr' sie dem
Ritter - Menaldo - ich fliehe!
Doch - heute Nacht - geheim
und verstohlen - ich schwör'
es - bin ich bei Dir -
Rasch ab, jedoch bei einer andern Tür, als er gekommen.
MARTUCCIA
ratlos
Heute Nacht -
jammernd
Ah - ah - ah - der Verbrecher!
Was fang ich nur an!
Oh - oh - !
ab
Draussen vermischt sich ihre Stimme mit einer zweiten Frauenstimme, die zuerst aufgeregt auf sie einredet; man hört den Namen "Adorno". Die Stimmen besänftigen sich dann, werden schwächer und verlieren sich.
SECHSTE SZENE
CARLOTTA
sich das Lachen verbeissend, aus dem Saal
Ihr seid köstlich, Signor
Alviano - nein wirklich -
ALVIANO
ihr folgend
So ist Euch schon besser?
CARLOTTA
lacht, ihr Lachen klingt unnatürlich, übertrieben
ALVIANO
Ich erschrak -, Ihr grifft
Euch plötzlich ans Herz
und wurdet ganz blass - .
CARLOTTA
schwer atmend
Ach - Kindskopf -
mir ist wohl wie
dem Fisch im Wasser,
Doch sagt' Euch mein Vater
nicht von einer Bitte?
ALVIANO
Ja, - freilich.
CARLOTTA
So rasch vergesst Ihr
solch' wichtige Sachen?
ALVIANO
verlegen
Nein - doch -
CARLOTTA
Nun seht - vor den vielen
Leuten - es wär' nicht
gegangen! Und da all'
mein Blinzeln, verstohlenes
Winken, mein Fragen, ob
Ihr nicht hättet in Eurem Besitz
ein Bild, eine selt'ne
Skulptur, mir zu zeigen -
nichts half, verfiel ich darauf -
ALVIANO
befremdet, errötend
Ah - wahrlich! Für einen
Tölpel müsst Ihr mich halten,
lebensunkundig, einfältig
und albern. - Doch selten nur
blüht mir Umgang mit schönen
Frauen - so kommt's - dass -
begreift Ihr - ?
CARLOTTA
Ich begreife - doch hört nun!
Ich male. Ja, wahrhaftig, - blickt nicht
so erstaunt - ich male Bilder.
Tiere und Menschen,
Bäume und Seen -
den Himmel, das Licht -
doch am liebsten
male ich -
still
Seelen.
ALVIANO
Und könnt Ihr das -
ich meine - gelingt's Euch -
Seelen zu malen?
CARLOTTA
Weiss nicht, ob ich's kann -
und wenn's nicht gelingt -
liegt's, so dünkt mich, nicht
immer an mir; man
findet so schwer - die Modelle,
Nur einmal - da schien
es geglückt; das Bild erstand,
so wundersam fein -
nur ein hässlicher Schatten,
zwischen Kinn und Mund -
sehet - da - und wie ich auch
sann und mich bastelnd mühte -
er kam immer wieder.
Schon glaubt' ich ihn fort und für
immer gebannt - da -
unversehens - tückisch schleicht's
aus den Pinseln und setzt sich fest!
Das Bild gab ich auf; hab' dann
lang nichts versucht mehr - -
doch
faszinierend
Euch - Euch möcht' ich
gern - malen.
ALVIANO
wie von einer Tarantel gestochen
Mich - ? Alle Teufel -
seid Ihr von Sinnen?
giftig
Ganz recht! - So musst's
kommen. Glaubt' ich doch
schon - Ihr nähmet mich ernst, -
wär't anders, als wie die Andern -
die Schlangen, mit sanften Gesichtern,
lockenden Augen und Herzen
wie Teufel - doch eben -
erkannt ich's - derselbe Blick
CARLOTTA
sehr erschreckt
Urn Gotteswillen -
besinnt Euch - !
ALVIANO
scharf, schneidend
Vielleicht als Narr
in einem Gemälde, unter
schönen Herren und Frauen,
wirksam als Kontrast -
mit 'ner Kappe und Schellen -
der Buckel passte nicht schlecht -
zum Gespött der Leute -
verewigt für alle Zeiten!
CARLOTTA
stark
Jetzt schweigt! Vergesst
nicht, dass mit einer Dame
Ihr sprecht. Ihr tut mir -
unrecht - hört mich zu Ende!
ALVIANO
setzt sich mit verbissenem Lachen in eine Ecke.
CARLOTTA
Dort, wo die Stadt weit wird,
und der Blick sich auftut
auf die Campagna - hab' ich
als Werkstatt ein kleines
Häuschen. In zeit'ger Frühe,
wenn einsam und leer
noch die Gassen und Plätze,
das bIass-fahle Licht des frühen
Morgens matt und milde
die Leinwand umspielt,
dünkt's mich zur Arbeit die
rechte Zeit. An meinem
Häuschen vorbei führt ein
Weg, gesäumt von hohen Zypressen -
den kennt Ihr wohl -
Ihr schrittet ihn oft.
Scheu und gebückt
in Gedanken versunken -
plötzlich misstrauisch musternd
die Fenster, deren Gardinen
die Späherin bargen -
doch Ihr saht sie nicht.
Da stieg auf, purpurn glühend -
Schleier in tausend Farben,
schillernd, leuchtende Nebel,
gespenstischen Herolden
gleich, zogen, ihr Nahen
kündend, voran - - die Sonne.
Und ein zweites Wunder
geschah - : Ich sah - wie der
kleine, armsel'ge Wand'rer
sein Haupt hob. Jeder Muskel
spannte sich straff in dem
schmächtigen Körper - die
Arme stiegen an, hoch
zum Himmel gebreitet.
So schritt er hinein in den
Glast, der Sonne entgegen;
und grösser und grösser
sah ich ihn werden -
riesenhaft wuchs die Gestalt, -
mir klopfte das Herz - .
So malte ich Euch, Signor
Alviano. So malte ich Eure
Gestalt, entgegenschreitend
der Sonne. Doch mir fehlt noch
das Antlitz, und - mir fehlt
noch das trunkene Auge,
darin all die Schönheit sich
spiegelt.
ALVIANO
zitternd
- - - Ich bin beschämt -
ich weiss nicht - - verzeiht mir -
mir war noch nie so - zu Mut -
im Leben - - !
CARLOTTA
zart
Wollt Ihr kommen - in meine
Werkstatt - dass ich - das Bild -
vollende - - ?
ALVIANO
sich über ihre Hand beugend, leise
Ich will - gern kommen.
Der Vorhang fällt langsam.