DRITTER AKT
Das Eiland "Elysium". Die Bühne macht den Eindruck eines paradiesischen Gartens. Ganz im Hintergrunde, vom Zuschauer links, verschwommen, die Konturen der Stadt Genua und der in Abendbeleuchtung erglänzende Meeresspiegel. Vom Zuschauer rechts steigt die Bühne sanft an; an einer Stelle, mehr dem Hintergrunde zu, soll sie, in felsiges Gestein übergehend, jäh in die Höhe streben. Eine Art Felsweg führt zu einem Steig, hinter diesem schimmern die satten Farben einer dichten Rosenhecke. Die Mitte der Bühne ist bis weit nach rückwärts Rasen, üppig wuchern hohe Farne und Blumen in oft grellen Farben. Aus dichtem Gebüsch blinken kleine Kioske von phantastischen Formen und Marmorgruppen, die zumeist erotische Szenen der griechischen Sage darstellen. Fontainen, die mit Einbruch der Nacht zu Leuchtbrunnen werden, werfen hohe Garben. Hie und da lugt aus dem Gebüsch, als hätte sich der tote Marmor belebt, die Gestalt eines Fauns. Gruppen von Najaden schweben durch den Plan, ein Zug Bacchanten eilt mit schrillem Getön vorüber. Schon zeigen sich die ersten Besucher. Stumm staunend schreiten sie zwischen den Wundern. Da ertönt von fern, aus der Stadt herüber das Angelusläuten.
Der heidnische Spuk verschwindet solange es währt, die Bürger knien nieder und entblössen das Haupt. Mittlerweile ist es finster geworden. Von der fernen Stadt leuchtet ein dunkelroter, dunstiger Lichtstreifen herüber. Die Meeresfläche ist wie von tausenden kleinen Lichtern besät - die kleinen Schiffe der näherkommenden Besucher des Festes. Die Fontainen beginnen zu leuchten. Da und dort im Gebüsch flackern, Glühkäfern gleich, Funken auf. Eine Blumendolde wirft grünes Licht über eine Steingruppe, ein brünstig verschlungenes Paar darstellend. Kühner wird das heidnische Gelichter und ein Elfenkind überschüttet einen ehrsamen Bürger der genuesischen Stadt mit einem Blütenregen.
Blasender Faun auf der Szene. Angelockt kommen andere Faunsgestalten näher, gruppieren sich um den die Syrinx blasenden Faun. - Ein Zug Najaden schwebt vorüber, die Faune verfolgen ihn. - Musik aus der Stadt; der Faun lauscht. - Es zeigen sich die ersten Bürger, Volk aus der Stadt. - Der Zug Najaden flieht, gejagt von den Faunen, in entgegengesetzter Richtung neuerlich vorüber. Erschrecktes Staunen des zaghaft in kleinen Gruppen ankommenden Volkes. - Ein Faun erhascht eine Nymphe. Szene zwischen beiden: Werbung - Abwehr - heftiges Drängen - endliches Gewähren. - Steigerung des Spiels bis zu wilder Leidenschaft (ein Zug Baccganten tollt im Hintergrunde der Bühne mit schrillem Getön vorüber) - und seligem Ermatten. - Rückkehr der Faune und Najaden in einzelnen Paaren. Liebesspiel, Lagerung im Wiesenplan und den seitlichen Gebüschen. Wieder bläst der Faun. Abendstimmung. - Glockenläuten aus der Stadt (Angelus) sehr entfernt, kaum vernehmbar. Die Bürger knien nieder, entblössen das Haupt. Die heidnischen Gestalten ziehen sich zurück, solange das Glockenläuten währt - und kehren wieder. Diskretes Spiel mit dem Volke, das sich, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, abwehrend verhält, sich wiederholt bekreuzigt. Dieses Spiel dauert in unaufdringlicher Weise an, bis etwa zum Eintritt der zweiten Szene. Dann darf die Aufmerksamkeit durch nichts mehr abgelenkt werden. Nur hie und da lugt eine Najade oder ein Faun neugierig aus einem Gebüsch oder hinter einer Säule hervor. Hin und wieder geht lustwandelnd im Hintergrunde Volk über die Bühne.
ERSTE SZENE
ERSTER BÜRGER
Bei den Gebeinen
des heil'gen Andreas -
ZWEITER BÜRGER
mit gefalteten Händen
Da heisst's ganz
ehrfürchtig sein.
ERSTER BÜRGER
Wenn die lockern
Geister nicht wären,
möcht' ich sagen:
's ist's Paradies.
EIN KLEINER BUB
Wer weiss, Vater,
ob das nicht Engel sind?
VATER
Ho, Engel! Dummer Bub!
Die Mutter stösst ihn, da besinnt er sich.
Natürlich sind's Engel.
MUTTER
Was meinst Du, Alter -
beim Angelusläuten -
war Dir nicht auch -
so 'n bisschen bang?
Die gehörnten Kerle - -
DRITTER BÜRGER
wichtig
Seht, Frau - das
versteht Ihr nicht:
Das ist - "Kunst"!
Unter dem sel'gen
Dogen Francesco
Sforza - Gott geb'
ihm Ruh 's war
ein strenger Herr -
da hab' ich mal
mitgeholfen bei
so 'nem Bilde -
ERSTER BÜRGER
leise
Er hat die Gerüste
gestellt für die Maler -
ein Tischler ist's.
ZWEITER BÜRGER
Ha - ha - ha!
DRITTER BÜRGER
argwöhnisch
Was sagt Ihr da?
MUTTER
Erzählt nur weiter -
DRITTER BÜRGER
beruhigt
Na, also. - Wie ich da
'rein kam und alles
sah, da dacht' ich wieder
an das Gemälde -
's gibt im Palast
dort deren viele -
doch dies hier
er deutet auf die Umgebung
wahrlich, ist noch
viel schöner.
MUTTER
Weil alles lebt - -
ZWEITER BÜRGER
Und duftet - -
ERSTER BÜRGER
Und das viele Licht! - -
Anmerkung für den Regisseur:
Es muss auf der Bühne hell sein, wie am Tag.
DRITTER BÜRGER
Und am Himmel die Sterne!
Sie gehen weiter.
ZWEITE SZENE
EIN JÜNGLING
ärmlich gekleidet mit seinem Freunde auftretend
Mir ist elend zu Mut.
Einem Orte wie dieser,
sollt' man nur nah'n in
prächt'gen Gewändern,
festlich gestimmt -
SEIN FREUND
- und mit sattem Magen.
DER JÜNGLING
Ach, das verschlüg' nichts - -
Gehen weiter.
DRITTE SZENE
MARTUCCIA
auf eine Gruppe zu
Ich bitt' Euch, Leute,
habt Ihr nicht geseh'n,
meinen Herrn Alviano? -
ERSTER
Euern Herrn Alviano?
ZWEITER
Freilich sah'n wir ihn!
DRITTER
Gleich links vom
Eingang, dort
bei der Säule -
seht dort - stand
er vor einer Weil'
mit vielen andern -
's dürften wohl
Künstler gewesen sein.
Die Gruppe entfernt sich langsam.
MARTUCCIA
Ach Gott, ach Gott -
jetzt such' ich ihn schon
eine Stunde lang -
will verzweifelt fort.
VIERTE SZENE
EIN FAUN (Pietro)
leise
He, Martuccia!
MARTUCCIA
sehr erschrocken
Was ist das für 'n Ding?
War mir doch grade -
PIETRO
Ich bin 's - Pietro -
MARTUCCIA
Ah, meine Ahnung!
Er hat ihn geholt,
der Böse! Drum stand
heute Nacht plötzlich
still die Uhr und im
Zimmer des Herrn
tat's einen Krach -
PIETRO
So schweig doch, Närrin!
Siehst Du denn nicht, dass ich lebe?
MARTUCCIA
erbost
Was? Du lebst?
O, Du Schurke!
PIETRO
verdriesslich
Schon recht!
Doch sag' rasch:
sieht sich vorsichtig um
Was macht - meine
Schöne?
MARTUCCIA
ausbrechend, verzweifelt
Das ist's ja!
Das ist's ja!
O heiliger Josef!
Sie ist mir entwischt -
PIETRO
Verfluchte Kröte!
MARTUCCIA
Was Du uns da
eingebrockt hast -
Du Satan!
PIETRO
Sagt ich Dir nicht,
Du sollst sie dem
Ritter Menaldo -
MARTUCCIA
jammernd
Mein armer Herr
Alviano - !
giftig
Und ich weiss,
wer sie war - :
Ginevra Scotti - sie
sagt es mir selbst -
und die Stadt ist
voll von dem Raub.
Du hast sie entführt,
und nun wird man
glauben, mein Herr
und ich - kaum war
sie fort, so waren
schon da die Schergen -
die Häscher der "Acht"
und suchten den Herrn.
Ach - fänd' ich ihn nur -
ich unglücklich' Weib -
ich gesteh' ihm alles,
ich will ihn warnen -
und dich lass' ich
rädern, Du Schuft!
PIETRO
pfeift leise zwischen den Zähnen
Geduld - alte Hexe!
Eine Schar Faune stürzen sich auf Martuccia, knebeln sie, ehe sie einen Schrei auszustossen vermag und schleppen sie rasch fort ins Gebüsch. Pietro ab.
FÜNFTE SZENE
ALVIANO
mit dem Podestà von seitwärts auftretend
War mir doch - als
hört' ich Martuccias Stimme!
lächelnd
Ich höre seit gestern
überall Stimmen.
In den Lüften Singen
und Raunen im Busch -
vorhin Carlottas
silbernes Lachen,
doch war das wohl
Täuschung. Ach, Herr,
wie bin ich seit jenem
Tage, da ihr zum
ersten Male mein
Haus betratet,
verwandelt und glücklich!
Wie ist Eure Tochter,
warm
so bald nun mein Weib,
doch unsagbar herrlich,
so milde und schön,
so voll tiefer Güte.
Doch ihr seid schweigsam,
was ist Euch, Podestà?
PODESTÀ
ein wenig ausweichend
Ich bin verwirrt -
und geblendet.
Was Ihr mir eben
zeigtet - - es ist
so unfassbar, dass
eines einzelnen
Menschen Gehirn
auszusinnen vermochte
dies Reich des Zaubers!
AKVIANO
Es halfen mir Viele.
Die Künstler wirkten -
ich gab nur - die Sehnsuchtl
PODESTÀ
Doch gabt ihr - so fürcht' ich,
o Herr - zu viel, Ihr -
und die Künstler. All
die hungrigen Seelen,
die durstigen Augen,
die in Verzückung sich
weiden werden an
dieser Orgie von Farben,
Düften, Tönen und
holden Gestalten - bedrückt
und verloren sieht sie
der Alltag wieder, dem
Ihr sie entfremdet.
Ihr zeigt uns den Himmel,
so nah und berückend,
dass wir unfroh werden
der Erde und ihrer Macht,
die uns hält und den
Aufstieg uns wehrt,
in die sel'ge Region
ew'ger Freude. -
Trotzdem ich sie hasse
und ihre Tücke heute noch
fürchte - fühl' ich mich eins
mit den adligen Neidern,
wenn ich mich frage:
Wird Eure Grossmut
Segen bringen uns
allen - oder Verderbnis?
ALVIANO
So fragt' ich mich auch -
und Zweifel bedrängten
mich hart. Doch ich war
mir bewusst einer Schuld,
eines frevlen Gedankens,
der Früchte zeitigte, die ich
verdammte und deren
Gift an der Seele mir frass.
Diele Schuld zu löhnen, hab'
ich das Liebste, das - damals
noch - meinem Herzen lebte,
das einzige Glück meiner
freudlosen Tage geopfert,
ohn' dass ich's bereu',
denn unverdient hoher Lohn ist
mir geworden. Dies
nehm' ich als Omen. Und
trotzend dem Warner
Adorno, der mir sagen
liess, er würd' Einspruch
erheben heut' Abend, vor
allem Volk und ihn be-
gründen, vertrau' ich dem
güt'gen Geschick und dem
Lenker da droben,
der endlich auch mir
gab von seiner Gnade.
PODESTÀ
tritt auf ihn zu, legt ihm beide Hände auf die Schultern und sieht ihm gütig ernst in die Augen.
Ich will nicht fragen,
welcher Art Eu'r Vergeh'n,
doch sicher scheint's mir
ALVIANO
Ihr werdet 's erfahren -
später einmal und mich -
ich weiss es - entsühnen.
Von einem der seitwärts einmündenden Wege kommend tauchen, für die beiden im Abgehen Begriffenen unsichtbar, Carlotta und Adorno auf. Wie Carlotta Alviano erblickt, prallt sie zurück ud bemüht sich, nicht bemerkt zu werden.
Doch wo bleibt Carlotta - ?
PODESTÀ
Kommt, wir wollen sie suchen.
Beide ab, dem Hintergrund zu.
SECHSTE SZENE
ADORNO
Hörtet Ihr nicht? Man
sucht Euch, Donna Carlotta;
und Ihr - verbergt Euch,
flieht zurück in den Schatten,
so flieht Ihr - Euren Verlobten?
CARLOTTA
Ach, denkt nicht schlecht
von mir, Herzog;
weiss ich doch selbst nicht,
was mit mir ist. -
Als ich euch gestern
mein "Nein" gab,
für Graf Vitelozzo,
fühlt' ich mich stolz
und sicher und gross
und beglückt - -
und doch - seit ich
das Bild vollendet,
das Euch so sehr gefiel,
das Bild Alvianos -
ist mir, als wär'
da innen etwas
erschlafft, als wär'
meine Liebe nicht
mehr dieselbe.
Nicht ärmer -
versteht mich -
doch - als hätt' er mir
nun sein Alles - sein Höchstes
gegeben und ich nichts
mehr, gar nichts mehr
zu erwarten. Und dann -
doch ich weiss nicht,
ob einer Frau
zwiespältig Fühlen
Eure Teilnahme weckt
und nicht etwa Spott
in Euch wachruft.
Herzog?
ADORNO
Ich bitt' Euch, vertraut mir,
wie seid Ihr doch echt und wahr
Signorina!
SIEBENTE SZENE
Im Hintergrund treten auf Gonsalvo. Guidobald, Michelotto: das Paar erblickend, bleiben sie jäh stehen und flüstern, heftig gestikulierend, miteinander. Das Gespräch des Herzogs mit Carlotta links seitwärts (oder rechts) zuerst unhörbar, dann erregter werdend.
GONSALVO
Blickt dort hinüber!
GUIDOBALD
Der Herzog - und
des Podestà Tochter!
MICHELOTTO
Ein unsich'rer Herr!
GUIDOBALD
Mir schwant nichts Gutes!
CARLOTTA
Ich betrat dies Eiland
voll heimlicher Angst!
GONSALVO
Seid auf Eurer Hut!
MICHELOTTO
Und lockert, Ihr Herren,
in der Scheide die Degen!
GUIDOBALD
Vitelozzo lässt sich nicht blicken -
GONSALVO
Kein gutes Zeichen!
MICHELOTTO
Kommst Du?
GONSALVO
Ich komme - .
MICHELOTTO
Und Du - ?
GUIDOBALD
Wir alle!
Gehen nach verschiedenen Seiten ab.
ACHTE SZENE
CARLOTTA
Als hätt' ich Wein getrunken,
schwer und vermischt mit
behexenden Kräutern,
oder jenen seltsamen Trank
aus Herzblut einer
liebtollen Jungfrau
gebraut - ! Es ist der Schönheit
furchtbarer Zauber, gebunden
sonst, halb verborgen den Sinnen -
und nun entfesselt, preisgegeben
dem Tage und lüsternen Blicken.
Wie eines herrlichen Weibes Glieder,
schamvoll verhüllt in den Jahren der Sehnsucht,
plötzlich in Nacktheit sich räkelnd, tausend
Reize entfaltend, vor des liebenden
Jünglings glücktrunk'nem Auge!
NEUNTE SZENE
MenaIdo mit einer verschleierten Dame und Graf Julian.
JULIAN
Ihr habt Euch getröstet,
Ritter Menaldo -
ich seh's mit Vergnügen.
Carlotta mit Adorno promenieren im Gespräch weiter und kehren erst gegen Ende dieser Szene wieder.
MENALDO
So wisst Ihr denn,
wo Ginevra ist?
JULIAN
Wüsst' ich's, würd' ich
nicht einsam wandeln
in diesen Gärten
verzückter Begierden.
MENALDO
spöttisch
Doch wie nun, wenn
diese verschleierte Schöne
an meinem Arm wäre
Eure Ersehnte?
JULIAN
Dass sie's nicht ist,
dafür bürgt mir
Ginevra's Liebe - .
erhobenen Tones
Und wenn sie's wäre .
jäh
stäch' ich Euch nieder.
Adorno und Carlotta werden hier wieder sichtbar und kommen nach vorne.
MENALDO
macht eine Bewegung zum Degen und einen Schritt zurück, besinnt sich
Zu schön zum Kampfe
ist diese Nacht, sonst
büsstet Ihr, Graf,
Euer freches Wort.
JULIAN
Wir sehn uns wieder,
Ritter Menaldo!
Julian, Menaldo mit der Dame ab.
ZEHNTE SZENE
CARLOTTA
Dazu das lockende Lied,
das Ihr sangt, von des
schönen Knaben Tamare
unglücklicher Liebe,
und seinem wilden Verlangen,
nicht scheuend Gewalt und das
Opfer des Lebens für einen
Kuss meiner roten Lippen.
O Herzog, der Ihr das Leben
kennt und die Frauen, Ihr
habt gesündigt an Alviano,
doch mehr noch er an sich selbst;
denn nun - wie ich ihn sah -
da, an dieser Stelle, mit meinem
Vater, in all' dieser Pracht, die er
geschaffen mit seines Geistes
lodernder Kraft; wie ich ihn sah,
den Ärmsten, der selbst zerrissen
die gütigen Schleier, in die Mitleid
uns hüllt und die seltsame Macht,
die die Sinne bändigt, da fiel mir
ein ein Wort, das der Unsel'ge
sprach in seiner einz'gen glücklichen
Stunde: "Doch wenn Ihr an einem
prangenden Tage,
in einem Beete voll
schönster Blumen, fändet
irgend ein scheussliches Untier - "
ADORNO
Um Gott, Jungfrau -
CARLOTTA
Lasst mich, Herzog!
ADORNO
Beruhigt Euch doch -
die einzige glückliche
Stunde - Ihr sagtet es selbst -
er verdankt sie Euch;
dies mag Euch trösten.
CARLOTTA
Ihr sollt mich nicht trösten!
Ich will keine Gnade.
Marter und Hass sind
was ich verdiene -
Verzweiflung und Tod!
ADORNO
stark
So hört ein Letztes:
mit Nachdruck
Er war nicht würdig
und wert Eurer Liebe.
Er ist nicht der Edle,
für den Ihr ihn hält.
Von bösen Gelüsten
ist er besessen und
heut' noch ereilt ihn -
CARLOTTA
exaltiert
Ich will nichts hören.
Ihr wollt' ihn verleumden;
doch er ist gut und
gross und erhaben
und ich bin elend,
verworfen und schlecht.
Ich hasse mich und
die Welt und Euch.
mit furchtbar lüsternem Ausdruck
Nur die Nacht, diese Nacht
lieb' ich und ihre Schatten -
ADORNO
So gnade Euch Gott -
doch kommt, ich führ' Euch
zu Eurem Vater!
CARLOTTA
hastig
Geht, geht! - Doch lasst mich!
Sie geht wiegenden Ganges in das seltsam glitzernde Dunkel einer rechts vom Zuschauer liegenden Waldanlage. Adorno langsam ab.
ELFTE SZENE
CARLOTTA
Ah, welche Nacht!
Welch eine glühende Sommernacht!
In ihr schwärzliches Licht
will ich tief mich verkriechen,
eintauchen tief in ihr
leuchtendes Dunkel!
Mit Sternen tanz' ich
den Sommernachtsreigen,
doch mit Kobolden
schlaf' ich im Busch.
GESANG
zuerst leise, dann immer stärker, in, langgezogenen schwingenden Akkorden, von allen Seiten des Eilands zusammenströmend. Es ist als pflanze sich das Echo des Liedes Carlottas fort und finde immer stärkeren Widerhall. Ein wirrer furchterregender Chor, der sich bis zu orgiastischen Ausbrüchen steigert im Laufe seiner Wiederholungen.
"Ah, welche Nacht - !
Welch eine glühende Sommernacht!
Mit Sternen tanz' ich
den Sommernachtsreigen,
doch mit Kobolden
schlaf' ich im Busch."
ZWÖLFTE SZENE
DIE MUTTER
von früher
Ach gehn wir, Alter,
arg wird das Gedränge!
VATER
Wo hast Du das Kind?
MUTTER
Es riss sich von mir -
VATER
O, Du Unglücksweib!
MUTTER
Einem Falter jagte es nach
einem silbernen Falter -
VATER
sie fortziehend
Komm, Frau, so komm doch!
DREIZEHNTE SZENE
Senatoren treten auf.
ERSTER SENATOR
Wir habens versäumt.
ZWEITER SENATOR
Zu spät.
DRITTER SENATOR
Wie sollen wir nun,
in dem tollen Trubel,
mit Würde und Ruhe
vollziehen den Akt
der Eröffnung?
ERSTER SENATOR
Ach, lasst die Leute!
ZWEITER SENATOR
Was sollen die Formalitäten?
DRITTER SENATOR
Das Volk ist im Taumel!
ERSTER SENATOR
Doch meine Rede!
ZWEITER SENATOR
Das Feuerwerk!
DRITTER SENATOR
Die Huldigung für Salvago!
Sie lauschen dem Gesang.
GESANG
stärker, eindringlicher
Ah, welche Nacht!
Welch eine glühende Sommernacht!
Mit Sternen tanz' ich den
Sommernachtsreigen,
doch mit Kobolden
schlaf' ich im Busch.
ERSTER SENATOR
Es wird bedenklich!
ZWEITER SENATOR
Ich sagte es gleich -
das heidnische Zeug,
die nackten Weiber
und Bocksgehörnten!
DRITTER SENATOR
Und die Alberghi
mischen sich unter
das arglose Volk;
mit geilen Reden
stacheln sie auf
uns're Söhn' und
Töchter zu tollen Streichen.
DIE SENATOREN
durcheinander
Wo ist der Podestà?
Wo ist Alviano?
Gebietet Einhalt -
Einige Senatoren gehen oder drängen durch das aufgeregte Volk.
VIERZEHNTE SZENE
DER JÜNGLING
von früher
Bleibt, Schönste!
Seht, ich liege zu
Euren Füssen,
erhört mich!
DAS MÄDCHEN
Nein, Ihr seid
allzu kühn, Signor!
DER JÜNGLING
Erhört mich!
DAS MÄDCHEN
Nein, nein,
ich kann nicht,
lasst mich, Signor!
DER JÜNGLING
ausser sich
Ich morde mich,
wenn Ihr mich
von Euch stösst!
Bin ich nicht schön?
Mein Haar, fühlt nur,
ist weich wie Seide.
DAS MÄDCHEN
hart
Ha, ha! Ihr schön?
Zerlumpt seid Ihr
wie ein Bettler,
wahrhaftig, so dass
ich mich schäme, sieht
man mit Euch mich -
Der gesamte Chor versammelt sich auf der Bühne und kommt später ganz nach vorne.
DER JÜNGLING
ekstatisch aufspringend
Nein, schämt Euch nicht!
er zieht einen Dolch
Gern will ich sterben!
Purpurnes Blut
wirkt ein leuchtend Kleid!
Er will sich den Dolch in die Brust stossen.
DAS MÄDCHEN
zitternd, ihm in den Arm fallend und die Waffe entwindend
Bei der Madonna -
was tut Ihr -
so haltet doch ein!
Ach - ach - Ihr seid -
verzeiht mir! - Kommt, kommt!
Sie eilen verschlungen, jubelnd in den mächtig einherbrausenden Gesang einstimmend in die Nacht hinaus.
CHOR
Welch eine Nacht!
Welch eine glühende Sommernacht!
Von hier ab zerstreut sich der Chor nach verschiedenen Richtungen, bis auf einzelne Paare, die im Hintergrunde der Bühne bleiben.
Wir tauchen tief in ihr leuchtendes
Dunkel und tanzen mit Sternen
den Sommernachtsreigen - eiah -
Sommernachtsreigen - - -
neckend spöttische Frauenstimmen
Doch mit Kobolden
schlaf' ich im Busch!
FÜNFZEHNTE SZENE
Aufgeregte Rufe Alvianos (entfernt)
ALVIANO
Wo ist sie, meine Braut?
Sah niemand Carlotta?
Von hier ab entwickelt sich ein grotesk grossartiger Maskenzug, die Vereinigung der Antike mit der damaligen Zeit - die Renaissance - allegorisch darstellend.
- Herolde Im Stile der Zeit; Faune blasen dazu auf der Syrinx die Fanfare.
- Faune, einer imposanten Künstlererscheinung und seiner Egeria huldigend - karikiert - eine Art wilder Reigentanz.
- Herolde, mit Abzeichen oder Fahnen der schönen Künste.
- Langsamer Aufzug Apollos im Sonnenwagen, als Symbol des Ruhmes. Blendendes Licht umgibt ihn, das mit seinem Näherkommen grösser und strahlender wird. In seinem Gefolge die Musen und berühmte Künstler der Renaissance. Stillstand im Reigen der Gruppe 2. Der Künstler gebannt von Apollos Erscheinung, strebt dieser zu. Seine Schöne umschlingt ihn und versucht, ihn neuerlich dem Reigen zu gewinnen. Der Künstler widerstrebt, wehrt sich, immer mehr Apollo zugewandt. Die Faune verstricken ihn, der dagegen kämpft, in immer tolleren Reigen. Der Wagen Apollos ist ganz nach vorn gekommen. Hier reisst sich der Künstler mit einer gewaltigen Bewegung los, und sinkt vor dem Wagen Apollos, huldigend in die Knie. Apollo hebt ihn zu sich in den Wagen, die Musen bekränzen seine Stirn, des Künstlers Egeria breitet sehnend schmerzvoll die Arme nach ihm aus und verhüllt sich, von dem grellen Licht geblendet, die Augen. Die Fauns bemächtigen sich ihrer mit wilder Gier und schleppen die sich angstvoll Wehrende mit brutaler Gewalt fort. Die Gruppe des Apollo folgt ihnen mit jubelnden Bewegungen. Der Künstler steht ernst und gedankenvoll, hoch aufgerichtet im Wagen.
- Auftritt der Venus mit glänzendem Gefolge. Gestalten aus 1001 Nacht. Märchen, Najaden, die Edlen (Menaldo, Julian etc.). Knaben und Mädchen. Die Gruppe soll etwas erhaben Orgiastisches versinnbildlichen.
- Ein Bacchantenzug. Rufe: "Evoe Bacche". Wild zügellos, in krasser Realistik zu inszenieren. In seiner Mitte Carlotta. Ihr zur Seite, sie verfolgend ein maskierter Edelmann: Graf Vitelozzo Tamare. Hier hören die Rufe ,,Evoe Bacche" auf der Bühne auf. Entfernt vernimmt man noch das Tosen und Stampfen des dahin brausenden Zuges. Der Graf hat Carlotta erhascht, umfängt sie in toller Leidenschaft, küsst sie, sie wehrt sich, doch gibt sie sich wiederholt, dem süssen Taumel erliegend, willig seinen Küssen hin, um ihn dann wieder plötzlich von sich zu stossen.
TAMARE
Was fliehst Du vor mir?
CARLOTTA
Nein, ich fliehe Euch nicht.
TAMARE
So kennst Du mich denn?
CARLOTTA
Weiss nicht, wer Ihr seid.
TAMARE
heiss
Doch wenn's einer wär',
der Dich, Schönste, liebt?
CARLOTTA
Ihr liebt mich? S' ist gut.
Doch lasst mich blicken
durch Eure Maske,
ob hell sind Eure Augen -
oder trübe.
Seid Ihr Alviano?
Nein, Ihr seid 's nicht.
Schön von Gestalt,
ein schmucker Knabe!
TAMARE
O schönste Carlotta,
wie sprichst Du seltsam!
CARLOTTA
mit ganz veränderter Stimme
Seltsam, mein Liebling?
Gib Deine Hand -
ah, sie ist weich und heiss
und wohlig fühlt sie sich an;
da - spürst Du mein Herz
wie es heftig schlägt?
Dir entgegen - mein Süsser!
Doch höre, Knabe - mit
Deinen Händen, so weich
und linde, hältst Du es sanft,
und darfst 's nicht quälen;
hältst es umspannt, ganz
lind und leise.
Hopla, mein Süsser!
CARLOTTA und TAMARE
Komm, lass uns eilen!
Kurz ist die Nacht
und der Morgen nah.
Die Beiden erklimmen den Felsweg; hinter der Rosenhecke leuchtet ein intensiver blauer Schein.
SECHZEHNTE SZENE
ALVIANO
wie gehetzt
Ihre Stimme hör' ich - !
Sie schallt mir aus Höh'n,
und Klüften - vertausendfacht!
Gesang aus den Lüften, ein
Spottlied aus Tiefen der Hölle - !
Ihre Gestalt tanzt vor mir, -
lugt aus Gebüschen und Hecken -
da und dort glitzert ihr Kleid -
wie ein Irrwisch hetzt sie mich,
bergauf und talab, in den
Äther - in Sümpfe - und
ich hielt sie doch - sie war
ja doch mein! - - Oder
war sie's nicht?
SIEBZEHNTE SZENE
DAS VOLK
ihn gewahrend und umdrängend
Hoch Alviano Salvago! Der Freudenbringer!
Der Zaub'rer, der König des Festes!
ALVIANO
wild
Was wollt Ihr von mir?
Was höhnt Ihr mich da?
Saht Ihr Carlotta?
PODESTÀ
Getrost, Alviano!
Ich sandt' ihre Frauen aus,
Diener suchen sie allenthalben -
bald ist sie gefunden!
DAS VOLK
Hoch Alviano Salvago!
Der uns die Freude gab!
Bringer der Schönheit!
Vater des Volkes!
ALVIANO
Was wollt Ihr?
Schweigt doch -
mit tief schmerzlichem Ausdruck
Ich bin kein König.
Ein Narr, ein Krüppel!
Ein Bettler, ein Scheusal!
in atemloser Hast
Wo ist meine Braut?
He, schafft sie mir!
Ich will Euch danken -
ich geb' Euch alles - mein
Hab und Gut. Dann bin
ich Fürst, ein König, ein Gott!
mit verzweifelter Eindringlichkeit
Doch schafft mir Carlotta -
ah, ich bin müde, gehetzt -
meine Kraft - geht zu Ende -
Er sinkt in sich zusammen.
DAS VOLK
Hoch Alviano - Apollo!
Der Freund der Musen!
Der König! Krönt ihn!
Wo habt Ihr die Krone,
die Rosenkranzkrone?
Hebt ihn hoch - den
Freund des Volkes - krönt
ihn mit Rosen - hoch Alviano!
sie heben den halb Bewusstlosen empor, setzen ihm einen Rosenkranz aufs Haupt
ALVIANO
schwach
Lasst - lasst -
Man zeigt ihn dem Volke, dieses bricht in betäubendes Hoch und Beifallsgeschrei aus.
ACHTZEHNTE SZENE
Acht vermummte Gestalten brechen sich Bahn durch das Volk. an ihrer Spitze ein hochgewachsener Mann, der Capitaneo di Giustizia (reisst das Volk zurück). Abflauen des Geschreis, das Volk weicht scheu vor dem Capitaneo zurück; um die "Acht" bildet sich ein freier Raum - das Volk im Halbkreis zurückgedrängt. Kopf an Kopf, etwas weiter vorn die Gestalten des Podestà und der Senatoren. Alviano zuerst am Boden liegend, wohin man ihn sanft gesenkt - dann sich aufrichtend.
CAPITANEO DI GIUSTIZIA
Halt ein, genuesisches Volk!
Haltet ein, Betörte!
Wahnsinnige, die Ihr seid!
Ihr krönt mit Blüten
den, der da Eure Töchter geraubt,
Eure Kinder verführt, geschändet -
gemordet vielleicht - - !
Beispielloses Entsetzen, alles steht erstarrt.
GEMURMEL
Was ist das? Was meint er
damit? Die Acht! Entsetzlich!
Er? Alviano?
RUFE
Glaubt ihm nicht! Aha!
Die Alberghi, die Füchse!
Schlau ist's gemacht!
Die vertrackten Neider!
Verleumdung! Hoch Alvianol
Seid still! Schweigt!
Höret die Acht!
DER CAPITANEO
Durch die heilige Acht
erhebt der Herzog Adorno,
des Volk's Beschützer
und wahrer Freund,
die Anklag' gegen den
Ritter Alviano Salvago.
Er zeiht ihn des Mädchenraubs,
der Verführung und Schändung,
begangen an zücht'gen Jungfrauen -
ALVIANO
auffahrend und in die Ferne horchend
War da nicht - ein Schrei?
Hörtet Ihr nicht - einen Schrei?
DER CAPITANEO
aufmerksam auf Alviano schauend, dadurch abgelenkt, diese Phrase schwächer bringend
Der Kuppelei und Verleitung
zu solcher. Kraft uns'rer Macht
als Richter und Wahrer des Rechts,
dehnen wir aus die Anklag', gegen
den Ritter Alviano Salvage,
und zeihen ihn, der besessen vom
bösen Geist, verfallen des Satans
und böser Dämonen Gewalt,
der Behexung des Volks.
Wir legen den Bann auf das
Eiland "Elysium", verheert
soll es werden durch Feuer, als
eine Brutstatt des Lasters und
teuflischer Sünde. Ritter
Salvago, Ihr seid - -
Volk stellt sich vor Alviano.
DROHENDES GEMURMEL
Seht Ihr, darauf läuft's
hinaus! Man bestiehlt uns!
Gönnt uns die Freude nicht!
Verfluchte Räuber! Bestien!
Stärkeres Gemurmel
Nieder Adorno! Tod den Alberghi!
Erschlagt sie, die Schufte! Alles Lüge!
Er soll sich verteid'gen! Alviano
soll reden! Alviano - rede!
Verteid'ge Dich! Wir glauben Dir!
Wir steh'n zu Dir! Wir schützen Dich!
ALVIANO
lauschend
Hört Ihr denn nicht? -
Musik: Cimbeln, Flöten, Harfen,
und wilden Gesang?
CAPITANEO
Ihr seht - er ist besessen,
aus ihm spricht der Dämon!
PODESTÀ
eindringlich
Alviano, Mann,
es geht um Dein Leben,
verteidige Dich!
CAPITANEO
Man wird ihn peinlich befragen;
führt ihn hinweg!
EIN RIESIGER BÜRGER
Halt! Rührt ihn nicht an!
Wir glauben ihm mehr,
der er schweigt, als Euch,
die Ihr redet. Er tat uns
Gutes -
drohend, gesteigert
wollt Ihr ihn haben
- so gebt uns Beweise!
STÜRMISCHE RUFE
Beweise, Beweisel
CAPITANEO
Bringt jene Frau!
Einer der Vermummten führt eine verschleierte Frau nach vorne.
Entschleiert Euch, Signorina!
die Frau lüftet den Schleier.
DAS VOLK
Ginevra Scotti! Ginevra Scotti!l
STIMME JULIANS
aus dem Hintergrunde
Ah - Ginevra!
ALVIANO
fieberhaft
Um Himmelswillen,
so lasst mich fort!
CAPITANEO
Sagt ohne Scheu, Ginevra Scotti:
Wo war't Ihr verborgen, eh' Ihr,
Hilfe heischend, floht zu Herzog Adorno?
GINEVRA
Im Haus des Alviano Salvago!
GEMURMEL
Ah! Hört! Hört doch!
STIMME JULIANS
Verdammt - lasst mich nach vorn!
RUFE
Ruhe! Wer ist das? Hört doch!
ALVIANO
zum Podestà dringend
Was steht Ihr da - ?
Was rührt Ihr Euch nicht?
Alter Mann, seid barm-
herzig und lasst mich fort!
Es dämmert mir auf,
furchtbar deutlich und klar -
CAPITANEO
Sagt ohne Scheu, Signorina
Scotti: Wer war's, der Euch
raubte Freiheit und Ehre?
GINEVRA
Ein Edelmann, der sich
nannte Menaldo Negroni!
MENALDO
aus dem Hintergrund
Diese Frau lügt!
EIN ZWEITER RUF (Julian)
Zieh, Schurke!
Kampfgetümmel im Hintergrunde.
VOLK
in grosser Bewegung
Aha! Die Alberghi!
Seht! Seht! Hört nur! Doch was
ist's mit Salvago? Heraus mit
der Wahrheit!
ALVIANO
verzweifelt
Alter Mann, sie ist in
Gefahr. Die Zusammenhänge
seh' ich vor mir -
CAPITANEO
stark
Das Haupt einer Horde
wüster Gesellen, adliger
Räuber ist Alviano Salvago.
Verraten hat alles dem Herzog -
Graf Vitelozzo Tamare.
ALVIANO
fährt herum, wie von einer Tarantel gestochen
Wer sprach den Namen?
Wer riss ihn mir aus dem Hirn?
Der ist's! Er hat sie geraubt.
Er stellte ihr nach. Er warb um
sie - ich weis es - weiss es -
CAPITANEO
Redet Ihr irre?
Ginevra - raubte Graf Vitelozzo?
ALVIANO
in fliehender Hast
Wer spricht von Ginevra?
Wer ist sie? Nichts weiss ich von ihr!
mit höchstem, verzweifelten Ausdruck
Carlotta!
schreiend
Carlotta!
NEUNZEHNTE SZENE
Dienerinnen der Carlotta herbeistürmend.
DIENERINNEN
durcheinander
O Herr! Podestà!
Sie ist verschwunden!
Wir finden sie nicht,
Eure Tochter! Sie ist
verschwunden, als hätt'
sie verschlungen die Erde!
PODESTÀ
verzweifelt
Vielleicht - verliess sie
das Eiland - und fuhr -
DIENERINNEN
Niemand verliess es.
Soldaten stehen rings
um die Insel, es sah sie
keiner! Doch - Einer!
Es war ihm, als hätt' er
in einer Schar Bacchanten,
an eines verlarvten Ritters
Seite erkannt die Herrin!
Wahnsinniges Lachen Alvianos
ALVIANO
mit furchtbarer Stimme
Ha, ha, ha - ; o Du, Hund!
Du Wüstling! Du Tier!
Hätt' ich Dich da - ich zerfleischte
Dich, Bestie, mit meinen
Zähnen.
mit gebrochener, heiserer Stimme
Kommt, ich führe
Euch! Seht Ihr - dort oben
den blauen Schein? Hört Ihr? -
Lauscht doch - ist's nicht Musik?
immer erregter
Toll und verrucht - Schreie und
Jauchzen? Volk von Genua!
Ich will dich führen!
Zu deinen geschändeten
Töchtern! Zu meiner -
mit verzweifelt wehvollem Ausdruck, fast weinend
armen, verlorenen Braut!
Starke Bewegung im Volke
Dann steh' ich dir Rede und
Du sollst - richten. Doch -
wehe - den Andern!
VOLK
Wehe, wehe!
Der Tod über sie!
Der Chor entfernt sich mit Geheul, Getöse, rach davonstürmend, der Lärm wird bald schwächer, bis vollständige Ruhe eintritt.
ZWANZIGSTE SZENE
Ein unterirdisches Gewölbe. Viele Nischen, aus welchen verschieden farbiges Licht strahlt. Blumengewinde. Schwere Tierfelle. Räucherpfannen, aus welchen Rauch aufsteigt, der den ganzen Raum erfüllt. Diener mit roten Fackeln. Soldaten mit Arkebusen. In den Nischen verstörte, junge Frauen. Zerbrochene Pokale, Blumenblätter, zerrissene Gewänder deuten auf eine gestörte orgiastische Szene; ein Toter seitwärts links vorne, zerbrochene Degen, auf einen stattgehabten Kampf. Gonsalvo, Guidobald, Vitelozzo, Michelotto und andere Edle gefesselt. Seitwärts rechts vom Publikum ein Rosenlager, auf dem Carlotta, wie in einer Ohnmacht schlafend, liegt. Alviano, der Podestà, der Capitaneo, Volk.
ALVIANO
heiser
Du lügst!
TAMARE
finster
Du irrst -
ich spreche die Wahrheit.
ALVIANO
Höre Du - es könnte wohl sein -
dass sie nicht mehr - erwachte -
dass sie - hinüberschliefe - in
die - and're Welt. Und sieh - für mich
war's - so viel - - ich habe nichts
and'res - gehabt. In meinem
ganzen Leben - war diese Frau -
das einzig Grosse - das einzig Schöne.
Begreife - wenn Du mir sagst - :
"Ich hab' sie geraubt - mit Gewalt
genommen - ich konnte nicht anders -
weil ich sie - liebte - -", so muss ich
Dich hassen - und muss Dich - verfluchen -
weil du einem Armen - wie mir,
zerstört hast - genommen - was er -
besass. Aber da innen - tief - bliebe
ja doch - so etwas - versteh'
mich - wie ein - weher Trost
mehr und mehr unfähig, die mächtige Erregung zu unterdrücken
Doch wenn Du mir sagst: "Sie hat sich
mir gegeben - sie, Carlotta - frei-
willig - in Liebe - und sie war
glücklich" - ja, wahrhaftig - Du sagtest -
glücklich, - ja dann - dann - -
dann hab' ich ja nichts - gehabt, - -
dann hast Du mir - ja nichts - -
genommen - - dann bin ich ja -
wieder - ganz so elend - wie ich -
war - zurückgestossen - in's Nichts -
ins Nichts - - -
TAMARE
düster
Und wenn Du mich mordest -
ich weiss Dir nichts and'res
zu sagen. Nur eins:
Verfallen war mir diese Frau,
vom ersten Tag, da ich sie erschaut -
nach dem Wort, das Du selbst,
Alviano, einst sprachst: "Die Schönheit
sei Beute des Starken". Stark
wähntest Du Dich - eine Stunde
lang - doch Du warst es nicht.
Die Freude bot sich Dir dar - da
wich'st Du ihr aus, zitternd und
feige. Du sahst nur das Dunkle,
die Schatten, Gefahr und Sünde.
Allzu herbe gezeichnet vom Schicksal,
wardst Du flügellahm, unfrei,
verzagt. Für Deinesgleichen lebt
nur in Träumen die kostbare
Blume; doch blüht sie grell und
verlockend am Tage, dünkt's euch
Traum, Trugbild, nächtlicher
Spuk. - Denn, bot sich
Dir, Alviano - sagtest Du nicht - auch Carlotta? -
Was nahmst Du sie nicht - ?
ALVIANO
fassungslos
Weil - weil -
ausbrechend
o Du Teufel - verlange nicht, dass -
eh' zur Hölle Du fährst, ich enthülle
vor aller Welt ein Verbrechen -
so grausig - - - weil ich
in Tiefen blicke, die Du nicht ahnst -
weil ich ein Mensch bin - und Du -
TAMARE
Weiss nicht, wer da tiefer blickt
von uns Beiden! Weiss nicht, was
da, höher zu werten ist - ein freudlos
Leben, ein langsam Siechen -
oder ein Tod in Rausch und Verklärung,
in brünst'ger Umarmung ein selig Sterben!
Gemurmel unter den Umstehenden.
ALVIANO
entsetzt
Wie ist mir denn - ?
Seiner Worte Sinn - - - das ist ja .
nicht möglich -
TAMARE
mehr und mehr in Ekstase geratend
Ihre Lippen baten um Schonung;
stammelten wirr das uralte
Lied angstvollen Sich-Wehrens.
Doch ihre Augen flehten um Lust.
Aus ihrem Munde rang sich los
ein qualvoll Bekenntnis;
Angst und Entsetzen - doch in den
Augen, wild unbändig, sprühten
die Funken entfachter Begierde.
Endlich brach es sich Bahn: Grösser
als Du - schuf sie sich frei.
Dem glitzernden Tanz in den
lachenden Augen gesellte sich wild
ihrer Lippen toll trunkener Sang:
"Gib Tod" jauchzte ihr Blick -
"Gib Glück!" gierte ihr Wort.
Wachsende Bewegung unter den Umstehenden.
ALVIANO
Entsetzlich! Wissend hast Du, Unsel'ger - ?
TAMARE
Ha, ha, - rollt nur die Augen,
fletscht die Zähne und ballt die Fäuste!
Meine seligste Stunde - die raubt
mir Keiner - .
ALVIANO
heiser
So sprich ein Gebet!
TAMARE
Ihr habt mir nichts an - was wollt Ihr?
in ausbrechender Todesangst
Auf einer Kirchweih'
ein buckliger Fiedler,
der spielte auf
eine feine Weis'.
Die Schönste der Schönen,
das war seine Liebste.
Ich griff sie heraus
aus dem tanzenden Schwarm
und trug sie davon.
Er stürzte mir nach -
so stand er vor, mir
wie der da;
auf Alviano weisend
verzerrt die Züge -
verzerrt und voll Hass!
drohend
Mit seiner Fiedel -
hab' ich ihn erschlagen.
Kommt mir nur an -
mit meinen Händen
er zerrt und reisst an seinen Fesseln
erwürg' ich Euch alle. -
er zerreisst seine Fesseln.
ALVIANO
ersticht ihn
So stirb, Verruchter!
TAMARE
grässlich aufschreiend
Ah - - - !
CARLOTTA
sich langsam, geisterhaft aufrichtend
Wer schrie da?
War das nicht - mein Liebster?
ALVIANO
vor sie hinstürzend
Nein, nein - sieh mich -
- Alviano - Carlotta, Geliebte -
ich bin - bei Dir - er log - log - log!
CARLOTTA
ihn von sich stossend, mit dem Ausdruck höchsten Grauens, furchtbarster Angst
Fort - fort! Ein Alb - ! Ein Nachtgesicht!
Helft - helft! Hu - wie das drückt!
Und das rote Licht - weh, weh - !
schwach
Gebt mir Wasser -
zitternd
nein - gebt mir - Wein - - und mein -
Liebster - soll kommen -
mein Schöner, - Süsser - ich will
Vitelozzo eh' - eh' ich - sterbe - - -
Sie seufzt tief und liegt plötzlich still und starr. Schweigen.
ALVIANO
mit ganz veränderter Stimme und irrem Ausdruck, als ob er etwas suchte
- - Ich will - ich will - ja wo -
ist nur - die Fiedel - ich muss -
ja doch endlich - zur Kirchweih! - Und
meine Kappe - meine schöne - Kappe -
rot und mit - silbernen Schellen -
sah niemand - die Kappe - - ?
Lasst mich -
ich muss - ja doch endlich -
er stolpert über Tamares Leichnam
halt - was war das - - ?
Da liegt - ja Einer
ihr guten Leute - da liegt ja -
- ein Toter - - .
Er taumelt durch die Menge dem Hintergrunde zu; alles macht ihm scheu Platz.
Vorhang