OUVERTURE

1. SZENE
Eine ländliche Gegend. Links im Vordergrunde des Schulzen Haus. Vor demselben eine Linde, darunter ein Tisch und eine Bank. Anton. Landleute. [Sammeln sich vor dem Hause des Schulzen. Es beginnt zu tagen.]


Nr. 1. Introduktion

CHOR
Verglühet sind die Sterne,
Der Morgen graut,
Die Sonne ist nicht ferne,
Erwache, o Braut!

ANTON
Ihr Glanz wird bald bescheinen
Das hochentzückte Paar,
Auf ewig uns vereinen
Am festlichen Altar.

CHOR
Ihr Glanz wird bald bescheinen
Das hochentzückte Paar,
Auf ewig uns vereinen
Am festlichen Altar.

ANTON
Und Lieschen kann noch säumen,
Beglückte Liebe wacht,
Entsage nun den Träumen,
Da Wirklichkeit Dir lacht.

CHOR
Und Lieschen kann noch säumen,
Beglückte Liebe wacht,
Entsage nun den Träumen,
Da Wirklichkeit Dir lacht.

Verglühet sind die Sterne,
Der Morgen graut,
Die Sonne ist nicht ferne,
Erwache, o Braut!


ANTON
Freundlich weckten wir die holde Braut. Habt Dank, geliebte Freunde ! Am Hochzeitsmahle finden wir uns wieder; jetzt bin ich mir allein genug.

CHOR
Auf Wiedersehen ! [Die Landsleute entfernen sich.]

ANTON
Endlich erschien Lieschens 18. Geburtstag, der lange ersehnte Tag unsrer Verlobung.



II. SZENE
Anton, Lieschen [aus dem Hause.]

LIESCHEN
Anton!

ANTON
Lieschen! Aber so zu schlafen!

LIESCHEN
Wer sagt dir, daß ich schlief? Im Bette lag ich zwar, doch wachend, sinnend.

ANTON
Sinnend? Worüber?

LIESCHEN
Ach, Anton! Wie du noch fragen magst! Als ob eine Braut nicht allerlei zu sinnen hätte. An dich, an mich, an die Vergangenheit, an heute, an die Zukunft dachte ich und verlor mich in wunderbaren Gedanken.

ANTON
Ich bitte dich, laß die Gedanken ! Wer denkt im Glücke?


LIESCHEN
Anton, das verstehst du nicht. Muß ich nicht von morgen an an das Haus besorgen?

ANTON
Ich unterstütze dich.

LIESCHEN
Hat eine Hausfrau nicht Tag und Nacht Geschäfte?

ANTON
Ich teile die Arbeit.

LIESCHEN
Ist es nicht möglich, daß wir Gesellschaft erhalten?

ANTON
Daran zu denken finden wir Zeit. Lieschen, sieh', ich handelte. Dies Sträußchen Blumen pflückte ich der lieben, 18jährigen Braut. Ein ärmliches zwar, doch dein Herz wird die Gabe nicht verschmähen.
[Überreicht ihr ein Sträußchen.]



Nr. 2. Duett

ANTON
Vor dem Busen möge blühen,
Was die Liebe dir verehrt,
Aber in des Herzens Tiefe
Sei ein Plätzchen mir gewährt.

LIESCHEN
Wenn schon lange welkt das Sträußchen
Vor der ewig treuen Brust,
Lebe noch im Herzensgrunde
Der Geliebte, meine Lust.

LIESCHEN, ANTON
Liebe trotzt den Elementen,
Sie, die eine Welt sich schafft.
Freude lehrt sie neue Freude;
Leiden giebt sie Riesenkraft.

LIESCHEN
Seufzend zählte ich die Tage,
Ach! Die böse Zeit sie schlich;
Tage wurden mir zu Jahren,
Denn nach Stunden zählte ich.

ANTON
Seufzend zählte ich die Stunden,
Ach! Sie hatten Tagesfrist;
Jenem wachsen sie zu Jahren,
Der sie nach Sekunden mißt.

LIESCHEN, ANTON
Doch wohl uns, wir sind am Ziele
Sie verstrich, die lange Zeit.
O Himmel, jetzt gieb unsern Tagen
Dauer einer Ewigkeit.



III. SZENE
Vorige. Der Schulze [aus dem Hause.]

SCHULZE
Meine Tochter, Guten Morgen!

LIESCHEN
Guten Morgen, Mein Vater!

ANTON
Guten Morgen, Herr Schulze!

SCHULZE
Lieschen, Lieschen, schon so früh auf, meine Tochter?


ANTON
Ich weckte sie.

SCHULZE
Wirklich?

LIESCHEN
Ja, Vater! Allerliebst weckte mich Anton.

SCHULZE
Ei, ei ! Allerliebst?

ANTON
Ein Ständchen brachte ich ihr vor dem Fenster.

SCHULZE
Durch eine Mauer hast du sie aufgeweckt? Gut, das mag hingehen.

LIESCHEN
Und durch die Mauer flog ich ihm entgegen. Mein 18. Geburtstag wollte gar nicht erscheinen.

SCHULZE
Dein Verlobungstag, willst du sagen.

ANTON
Ein bißchen Eigensinn war es denn doch, daß Ihr uns 18 Jahre warten ließet.

SCHULZE
Die Pflicht gebot mir, so zu handeln und auf Pflicht soll Obrigkeit halten. Hört, Kinder : Heute vor 18 Jahren wurde mir meine Tochter geboren. Da tritt mein Nachbar, der junge Spiess, zu mir und spricht : "Freund, heute werde ich großjährig, und da ich entschlossen bin, die Welt zu durchlaufen, gehe ich noch diesen Abend fort, meinen Zwillingsbruder aufzusuchen. Schulze! Laß meinen Abzug durch eine löbliche Handlung bezeichnen. Ich will Patenstelle bei deinem Töchterlein vertreten und tausend Thaler als Brautschatz für die Kleine gerichtlich hinterlegen mit dem Beding, daß, wenn ich binnen 18 Jahren zurückkehre, selbe meine Gattin werde, versteht sich, wenn ich Gefallen an dem Mädchen finde."

ANTON
Ach, am Gefallen würde es nicht fehlen.

LIESCHEN
Aber zurückgekommen ist er nicht.

SCHULZE
Und wird auch wahrscheinlich nie zurückkehren; denn, wie ich zuverlässige Nachrichten habe, sind beide Spiesse im französischen Kriegsdienste geblieben.

LIESCHEN
So ist doch der Krieg zu etwas gut!

SCHULZE
Lieschen!

ANTON
Nichts steht also unsrer Verbindung entgegen.

SCHULZE
Heute ist eure Verlobungstag. Anton kommt jetzt mit mir zum Amtmann, um die Erhebung der tausend Thaler einzuleiten. Obgleich das Mädchen noch ein Kind ist! Komm, Anton.
[Beide ab].

LIESCHEN
[allein]
Wie war das ? Kind soll ich noch sein ? Vater, du irrst!



Nr. 3 Arie

LIESCHEN

Der Vater mag wohl immer Kind mich nennen,
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;
Wo wäre denn mein kindlich froher Sinn?
Der Busen glüht, die Wange fühl' ich brennen,
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;

Sonst flog ich, kaum von Vögeln zu erreichen
Und sang mein Lied wie sie aus froher Brust.
Doch jetzt, der Schnecke gleich, sieht man mich schleichen,
Und Seufzer schwellen mir die Brust;
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;

Sonst hörte ich mein Taubenpärchen girren,
Ich sah die Zärtlichen und freute mich.
Doch jetzt, ihr süßes Spiel kann mich verwirren;
Ich fühle, o was fühle ich?

Diese Sehnsucht, dieses Ahnen,
Dieses Brennen, dies Wohl und Weh
Fühlt nicht des Kindes froher Sinn.

Der Vater mag wohl immer Kind mich nennen,
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin.
Kind?
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;



IV. SZENE
Franz Spiess [tritt auf.]

FRANZ
Endlich bin ich am Ziele ! Die Hitze, der Staub, die Steine und erst diese verdammten Berge ! Nur Narren können Fußreisen loben. Wie ganz anders reist man auf dem Meere, wenn dienstfertige Winde die Segel schwellen, und...- Wohl mir, am Ziele bin ich nun.- Ein freundliches, liebes Dörfchen!


V. SZENE
Franz. Der Schulze [kommt in Gedanken.]

SCHULZE
Guten Morgen!

FRANZ
[schlägt dem Schulze auf die Achsel.]
Guten Morgen! Schulze ! Nun, was staunst du so? Erkennst du mich nicht mehr? Hab' ich dich doch gleich erkannt. Franz Spiess heiße ich. Schulze, hast du die Sprache verloren?


SCHULZE
Überrascht bin ich, Herr Spiess. Die Nachrichten haben gelogen; man glaubte Sie tief im Meere vergraben.

FRANZ
Doch bin ich glücklich und wohlbehalten, nur ohne mein rechtes Auge.

SCHULZE
Vortrefflich! Erzählen Sie ! Reisebeschreibungen sind mein Element. Sagen Sie, fanden Sie Ihren Zwillingsbruder, den lieben Friedrich wieder?

FRANZ
Ach, meinen Bruder ! Umsonst suchte ich ihn in ganz Frankreich. Mit seinem Regimente war ins Feld gegangen. Und da nahm auch ich Kriegsdienste an und mein Regiment wurde eingeschifft. Zehn Stürme und drei Schiffbrüche erlebte ich.

SCHULZE
Und sind nicht ertrunken?

FRANZ
Ach! Es fehlte nicht viel. Unser Schiff war entmastet, zwei Korsaren verfolgten uns und an Verteidigung war nicht zu denken. Da warf unser Kapitän - ein braver Bursche!- die brennende Lunte in die Pulverkammer - Puff! Paff! donnerte es fürchterlich und wie ein Ball flog ich in die Luft.

SCHULZE
Und sind nicht erstickt?

FRANZ
Es fehlte nicht viel. Ich stürzte in die See und ein verdammter Stück von Steuerruder traf mich unsanft am Haupte und tot war ich, mausetot!

SCHULZE
Aber nun leben Sie wieder?

FRANZ
Ja, ja! Die Teufelskorsaren fischten mich aus dem Meer, brachten mich ins Leben zurück und verkauften mich in Algier.


SCHULZE
Lieber Himmel, auch diesen Räubern entkamen Sie glücklich? Sie sollten ewig auf dem Meere bleiben, während wir gewöhnliche Menschen im Trocknen uns vergraben.

FRANZ
Feige Memme! Eine herrliche Lust ist es um eine solche Seereise !

SCHULZE
Wenn es stürmt ?

FRANZ
Dann geht's im Fluge!

SCHULZE
Wenn es blitzt?

FRANZ
Dann wird's hell!

SCHULZE
Wenn es donnert?

FRANZ
Himmlische Musik!


Nr. 4. Arie

FRANZ

Mag es stürmen, donnern, blitzen,
Öffnen mag die See den Schlund.
Auf der Wasserberge Spitzen
Und des Meeres tiefstem Grund
Zeigt der Schiffer hohen Mut,
Trotzen der erzürnten Flut.

Schwankend, doch mit Pfeilesschnelle
Fliegt das leichte Bretterhaus.
Auf die schaumbedeckte Welle
Blickt der Seeheld kühn hinaus;
Und befiehlt mit festem Wort,
Steuert in den sichern Port.


FRANZ
Und nun sage mir, Freund : wo ist deine Tochter, meine Braut? Alle Wetter! Du solltest doch nicht wortbrüchig geworden sein?

SCHULZE
Wertester Herr Spiess, mein Wort ist mir heilig. Meine Tochter ist bis zur Stunde noch ledig.

FRANZ
Wohlan, führe mich zu ihr.

SCHULZE
Halt ! Das arme Mädchen muß erst vorbereitet werden; sie könnte ohnmächtig werden vor Freude.

FRANZ
Keine Ausflüchte ! Wo ist sie?

SCHULZE
Herr Spiess ! Lieber Herr Spiess!

FRANZ
Lieschen!


VI. SZENE
Vorige. Lieschen [aus dem Hause].

LIESCHEN
Welch Getöse ! Wer ruft?

FRANZ
Ich, liebes Kind!

LIESCHEN
[verlegen]
Vater-

SCHULZE
[ebenso]
Tochter-

FRANZ
Alle Wetter, schön bist du geworden! Du gefällst mir. Komm her, laß dich küssen.
[Er will sie küssen, Lieschen sträubt sich.]



VII. SZENE
Vorige. Anton [eilt rasch herbei und stürzt sich zwischen Beide.]

ANTON
Heda! Was geschieht?

FRANZ
Was sehr Natürliches. Meine Braut will ich küssen.

ANTON
Seine Braut?!

SCHULZE
Ja, so ist es. Herr Spiess kommt zurück, aus der Luft, aus dem Wasser, aus dem Meer, aus Algier-

FRANZ
Jetzt beginne ich zu begreifen! Jetzt erkläre ich mir die Ohnmacht!


Nr. 5. Quartett

FRANZ
Zu rechter Zeit bin ich gekommen,
Zu spät vielleicht, es scheint zu spät.

SCHULZE
Er deute sich zu seinem Frommen,
Was warnend ihm vor Augen steht.

LIESCHEN
Ich stehe, wie vom Blitz getroffen,
Der böse Spiess, weh' uns, er kam.

ANTON
Verzage nicht, o laß uns hoffen,
Dein Anton bleibt dein Bräutigam.

LIESCHEN, ANTON
Im Sturme laß uns mutig steh'n.
Wer trennt treue Herzen?

FRANZ
Wie zärtlich dort die Täubchen stehen;
Bin ich der Bräutigam, ist's er?

SCHULZE
Wie wird es mit der Hochzeit geh'n?
Ist jener Bräutigam, 'ist's er?

LIESCHEN, ANTON
Daß wir uns lieben, mag er ja sehen,
Der Störenfried, der Satan der.

FRANZ
Wie mitleidsvoll sie auf mich sehen,
Die Schelmin die, der Satan der.

SCHULZE
In Luft und Meer kann er besteh'n,
Aus Algier kommt er glücklich her.


LIESCHEN
Mein Vater!

FRANZ
Nun ist meine Geduld am Ende! Lauf' ich über Berg und Tal wie ein Narr daher, um solchen Spektakel zu erblicken? Man sehe nur! Fest, wie auf einer Sandbank steht sie, und der Bursche sponsiert mit ihr, als wäre sie gar nicht meine Braut.


ANTON
Das soll, das wird sie auch nicht werden!

LIESCHEN
Nein, gewiß nicht.

SCHULZE
Ruhig, Kinder! Freund Spiess, mäßigen Sie sich. Sie liebt jenen jungen Menschen und er liebt sie wieder.


FRANZ
Das hätte ich auch mit einem halben Auge gesehen.

SCHULZE
Heute Abend sollte Verlobung sein-

FRANZ
Alle Wetter, die wird auch sein ! Der Bräutigam ist da.

SCHULZE
Freund ! Bedenken Sie, Sie sind ein Invalide.

FRANZ
Aber ein rüstiger.

SCHULZE
Und haben, verzeihen Sie, nur noch ein Auge.

FRANZ
Um so besser, so brauch ich nur eines zudrücken. Sie gefällt mir, und ich bestehe auf meinem Rechte. Mein Bruder ist tot, und die Spiesse sollen nicht hierzulande aussterben. Nun könnt ihr Abschied nehmen, rührenden Abschied! (Zum Schulzen) Du besorgst das Frühstück. Ich gehe mit dem Amtmann Rechnung pflegen über die Verwaltung unserer Wirtschaft. Nun seufzt und weint, so viel ihr wollt. [Ab.]



VIII. SZENE
Vorige, ohne Franz.

LIESCHEN
Der Häßliche!

ANTON
Der Abscheuliche!

LIESCHEN
Vater, lieber Vater! Wie wird die Sache enden?

SCHULZE
Ich denke- ich fürchte- mit deiner und Herrn Spiesses Hochzeit.

LIESCHEN
Unmöglich!

ANTON
Nein, Abschied nehme ich nicht, der Herr Spiess soll an den Abschied denken!
Den Hals breche ich ihm! Ich erwürge ihn!


SCHULZE
Hör' auf! Haifische verlieren bei seinem Anblick den Appetit und grimmige Seeräuber fürchten ihn. Vielleicht, daß Güte ihn zähmt.

ANTON
Kann aber nichts den Unmenschen erweichen, so muß das ganze Dorf sich erheben; denn Lieschen und ich, wir können nicht Abschied nehmen. [Geht ins Dorf ab.]

LIESCHEN
Lieber sterben! [Mit dem Vater ins Haus ab.]



IX. SZENE
Friedrich Spiess [tritt auf.]


Nr. 6. Arie

FRIEDRICH

Liebe, teure Muttererde,
Sieh' dein Kind, es kehrt zurück,
Nur am heimatlichen Herde
Fühlt man ganz des Lebens Glück.

Hütten, Hügel, Sträuche, Bäume,
Alte Freunde, steht ihr hier;
Himmelswonne, süße Träume,
Meine Jugend zeigt ihr mir.

Wo dem neugebor'nen Knaben
Einst die Sonne hat gelacht,
Hier soll man auch mich begraben,
Ist mein Tagewerk vollbracht.


FRIEDRICH
Meine Hoffnung hat mich nicht betrogen. Als ich, schwer verwundet, in Feindes Hand geriet, in langer, harter Gefangenschaft schmachtete, hat sie allein mich erhalten. Zwar wird die Gedanken an meine verlorene Gattin, an meinen geliebten Zwillingsbruder Franz manche Stunde mir trüben, doch der Anblick der wiedergefundenen Heimat wird die Wehmut verscheuchen.
OUVERTURE

1. SZENE
Eine ländliche Gegend. Links im Vordergrunde des Schulzen Haus. Vor demselben eine Linde, darunter ein Tisch und eine Bank. Anton. Landleute. [Sammeln sich vor dem Hause des Schulzen. Es beginnt zu tagen.]


Nr. 1. Introduktion

CHOR
Verglühet sind die Sterne,
Der Morgen graut,
Die Sonne ist nicht ferne,
Erwache, o Braut!

ANTON
Ihr Glanz wird bald bescheinen
Das hochentzückte Paar,
Auf ewig uns vereinen
Am festlichen Altar.

CHOR
Ihr Glanz wird bald bescheinen
Das hochentzückte Paar,
Auf ewig uns vereinen
Am festlichen Altar.

ANTON
Und Lieschen kann noch säumen,
Beglückte Liebe wacht,
Entsage nun den Träumen,
Da Wirklichkeit Dir lacht.

CHOR
Und Lieschen kann noch säumen,
Beglückte Liebe wacht,
Entsage nun den Träumen,
Da Wirklichkeit Dir lacht.

Verglühet sind die Sterne,
Der Morgen graut,
Die Sonne ist nicht ferne,
Erwache, o Braut!


ANTON
Freundlich weckten wir die holde Braut. Habt Dank, geliebte Freunde ! Am Hochzeitsmahle finden wir uns wieder; jetzt bin ich mir allein genug.

CHOR
Auf Wiedersehen ! [Die Landsleute entfernen sich.]

ANTON
Endlich erschien Lieschens 18. Geburtstag, der lange ersehnte Tag unsrer Verlobung.



II. SZENE
Anton, Lieschen [aus dem Hause.]

LIESCHEN
Anton!

ANTON
Lieschen! Aber so zu schlafen!

LIESCHEN
Wer sagt dir, daß ich schlief? Im Bette lag ich zwar, doch wachend, sinnend.

ANTON
Sinnend? Worüber?

LIESCHEN
Ach, Anton! Wie du noch fragen magst! Als ob eine Braut nicht allerlei zu sinnen hätte. An dich, an mich, an die Vergangenheit, an heute, an die Zukunft dachte ich und verlor mich in wunderbaren Gedanken.

ANTON
Ich bitte dich, laß die Gedanken ! Wer denkt im Glücke?


LIESCHEN
Anton, das verstehst du nicht. Muß ich nicht von morgen an an das Haus besorgen?

ANTON
Ich unterstütze dich.

LIESCHEN
Hat eine Hausfrau nicht Tag und Nacht Geschäfte?

ANTON
Ich teile die Arbeit.

LIESCHEN
Ist es nicht möglich, daß wir Gesellschaft erhalten?

ANTON
Daran zu denken finden wir Zeit. Lieschen, sieh', ich handelte. Dies Sträußchen Blumen pflückte ich der lieben, 18jährigen Braut. Ein ärmliches zwar, doch dein Herz wird die Gabe nicht verschmähen.
[Überreicht ihr ein Sträußchen.]



Nr. 2. Duett

ANTON
Vor dem Busen möge blühen,
Was die Liebe dir verehrt,
Aber in des Herzens Tiefe
Sei ein Plätzchen mir gewährt.

LIESCHEN
Wenn schon lange welkt das Sträußchen
Vor der ewig treuen Brust,
Lebe noch im Herzensgrunde
Der Geliebte, meine Lust.

LIESCHEN, ANTON
Liebe trotzt den Elementen,
Sie, die eine Welt sich schafft.
Freude lehrt sie neue Freude;
Leiden giebt sie Riesenkraft.

LIESCHEN
Seufzend zählte ich die Tage,
Ach! Die böse Zeit sie schlich;
Tage wurden mir zu Jahren,
Denn nach Stunden zählte ich.

ANTON
Seufzend zählte ich die Stunden,
Ach! Sie hatten Tagesfrist;
Jenem wachsen sie zu Jahren,
Der sie nach Sekunden mißt.

LIESCHEN, ANTON
Doch wohl uns, wir sind am Ziele
Sie verstrich, die lange Zeit.
O Himmel, jetzt gieb unsern Tagen
Dauer einer Ewigkeit.



III. SZENE
Vorige. Der Schulze [aus dem Hause.]

SCHULZE
Meine Tochter, Guten Morgen!

LIESCHEN
Guten Morgen, Mein Vater!

ANTON
Guten Morgen, Herr Schulze!

SCHULZE
Lieschen, Lieschen, schon so früh auf, meine Tochter?


ANTON
Ich weckte sie.

SCHULZE
Wirklich?

LIESCHEN
Ja, Vater! Allerliebst weckte mich Anton.

SCHULZE
Ei, ei ! Allerliebst?

ANTON
Ein Ständchen brachte ich ihr vor dem Fenster.

SCHULZE
Durch eine Mauer hast du sie aufgeweckt? Gut, das mag hingehen.

LIESCHEN
Und durch die Mauer flog ich ihm entgegen. Mein 18. Geburtstag wollte gar nicht erscheinen.

SCHULZE
Dein Verlobungstag, willst du sagen.

ANTON
Ein bißchen Eigensinn war es denn doch, daß Ihr uns 18 Jahre warten ließet.

SCHULZE
Die Pflicht gebot mir, so zu handeln und auf Pflicht soll Obrigkeit halten. Hört, Kinder : Heute vor 18 Jahren wurde mir meine Tochter geboren. Da tritt mein Nachbar, der junge Spiess, zu mir und spricht : "Freund, heute werde ich großjährig, und da ich entschlossen bin, die Welt zu durchlaufen, gehe ich noch diesen Abend fort, meinen Zwillingsbruder aufzusuchen. Schulze! Laß meinen Abzug durch eine löbliche Handlung bezeichnen. Ich will Patenstelle bei deinem Töchterlein vertreten und tausend Thaler als Brautschatz für die Kleine gerichtlich hinterlegen mit dem Beding, daß, wenn ich binnen 18 Jahren zurückkehre, selbe meine Gattin werde, versteht sich, wenn ich Gefallen an dem Mädchen finde."

ANTON
Ach, am Gefallen würde es nicht fehlen.

LIESCHEN
Aber zurückgekommen ist er nicht.

SCHULZE
Und wird auch wahrscheinlich nie zurückkehren; denn, wie ich zuverlässige Nachrichten habe, sind beide Spiesse im französischen Kriegsdienste geblieben.

LIESCHEN
So ist doch der Krieg zu etwas gut!

SCHULZE
Lieschen!

ANTON
Nichts steht also unsrer Verbindung entgegen.

SCHULZE
Heute ist eure Verlobungstag. Anton kommt jetzt mit mir zum Amtmann, um die Erhebung der tausend Thaler einzuleiten. Obgleich das Mädchen noch ein Kind ist! Komm, Anton.
[Beide ab].

LIESCHEN
[allein]
Wie war das ? Kind soll ich noch sein ? Vater, du irrst!



Nr. 3 Arie

LIESCHEN

Der Vater mag wohl immer Kind mich nennen,
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;
Wo wäre denn mein kindlich froher Sinn?
Der Busen glüht, die Wange fühl' ich brennen,
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;

Sonst flog ich, kaum von Vögeln zu erreichen
Und sang mein Lied wie sie aus froher Brust.
Doch jetzt, der Schnecke gleich, sieht man mich schleichen,
Und Seufzer schwellen mir die Brust;
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;

Sonst hörte ich mein Taubenpärchen girren,
Ich sah die Zärtlichen und freute mich.
Doch jetzt, ihr süßes Spiel kann mich verwirren;
Ich fühle, o was fühle ich?

Diese Sehnsucht, dieses Ahnen,
Dieses Brennen, dies Wohl und Weh
Fühlt nicht des Kindes froher Sinn.

Der Vater mag wohl immer Kind mich nennen,
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin.
Kind?
Ich weiß, daß ich kein Kind mehr bin;



IV. SZENE
Franz Spiess [tritt auf.]

FRANZ
Endlich bin ich am Ziele ! Die Hitze, der Staub, die Steine und erst diese verdammten Berge ! Nur Narren können Fußreisen loben. Wie ganz anders reist man auf dem Meere, wenn dienstfertige Winde die Segel schwellen, und...- Wohl mir, am Ziele bin ich nun.- Ein freundliches, liebes Dörfchen!


V. SZENE
Franz. Der Schulze [kommt in Gedanken.]

SCHULZE
Guten Morgen!

FRANZ
[schlägt dem Schulze auf die Achsel.]
Guten Morgen! Schulze ! Nun, was staunst du so? Erkennst du mich nicht mehr? Hab' ich dich doch gleich erkannt. Franz Spiess heiße ich. Schulze, hast du die Sprache verloren?


SCHULZE
Überrascht bin ich, Herr Spiess. Die Nachrichten haben gelogen; man glaubte Sie tief im Meere vergraben.

FRANZ
Doch bin ich glücklich und wohlbehalten, nur ohne mein rechtes Auge.

SCHULZE
Vortrefflich! Erzählen Sie ! Reisebeschreibungen sind mein Element. Sagen Sie, fanden Sie Ihren Zwillingsbruder, den lieben Friedrich wieder?

FRANZ
Ach, meinen Bruder ! Umsonst suchte ich ihn in ganz Frankreich. Mit seinem Regimente war ins Feld gegangen. Und da nahm auch ich Kriegsdienste an und mein Regiment wurde eingeschifft. Zehn Stürme und drei Schiffbrüche erlebte ich.

SCHULZE
Und sind nicht ertrunken?

FRANZ
Ach! Es fehlte nicht viel. Unser Schiff war entmastet, zwei Korsaren verfolgten uns und an Verteidigung war nicht zu denken. Da warf unser Kapitän - ein braver Bursche!- die brennende Lunte in die Pulverkammer - Puff! Paff! donnerte es fürchterlich und wie ein Ball flog ich in die Luft.

SCHULZE
Und sind nicht erstickt?

FRANZ
Es fehlte nicht viel. Ich stürzte in die See und ein verdammter Stück von Steuerruder traf mich unsanft am Haupte und tot war ich, mausetot!

SCHULZE
Aber nun leben Sie wieder?

FRANZ
Ja, ja! Die Teufelskorsaren fischten mich aus dem Meer, brachten mich ins Leben zurück und verkauften mich in Algier.


SCHULZE
Lieber Himmel, auch diesen Räubern entkamen Sie glücklich? Sie sollten ewig auf dem Meere bleiben, während wir gewöhnliche Menschen im Trocknen uns vergraben.

FRANZ
Feige Memme! Eine herrliche Lust ist es um eine solche Seereise !

SCHULZE
Wenn es stürmt ?

FRANZ
Dann geht's im Fluge!

SCHULZE
Wenn es blitzt?

FRANZ
Dann wird's hell!

SCHULZE
Wenn es donnert?

FRANZ
Himmlische Musik!


Nr. 4. Arie

FRANZ

Mag es stürmen, donnern, blitzen,
Öffnen mag die See den Schlund.
Auf der Wasserberge Spitzen
Und des Meeres tiefstem Grund
Zeigt der Schiffer hohen Mut,
Trotzen der erzürnten Flut.

Schwankend, doch mit Pfeilesschnelle
Fliegt das leichte Bretterhaus.
Auf die schaumbedeckte Welle
Blickt der Seeheld kühn hinaus;
Und befiehlt mit festem Wort,
Steuert in den sichern Port.


FRANZ
Und nun sage mir, Freund : wo ist deine Tochter, meine Braut? Alle Wetter! Du solltest doch nicht wortbrüchig geworden sein?

SCHULZE
Wertester Herr Spiess, mein Wort ist mir heilig. Meine Tochter ist bis zur Stunde noch ledig.

FRANZ
Wohlan, führe mich zu ihr.

SCHULZE
Halt ! Das arme Mädchen muß erst vorbereitet werden; sie könnte ohnmächtig werden vor Freude.

FRANZ
Keine Ausflüchte ! Wo ist sie?

SCHULZE
Herr Spiess ! Lieber Herr Spiess!

FRANZ
Lieschen!


VI. SZENE
Vorige. Lieschen [aus dem Hause].

LIESCHEN
Welch Getöse ! Wer ruft?

FRANZ
Ich, liebes Kind!

LIESCHEN
[verlegen]
Vater-

SCHULZE
[ebenso]
Tochter-

FRANZ
Alle Wetter, schön bist du geworden! Du gefällst mir. Komm her, laß dich küssen.
[Er will sie küssen, Lieschen sträubt sich.]



VII. SZENE
Vorige. Anton [eilt rasch herbei und stürzt sich zwischen Beide.]

ANTON
Heda! Was geschieht?

FRANZ
Was sehr Natürliches. Meine Braut will ich küssen.

ANTON
Seine Braut?!

SCHULZE
Ja, so ist es. Herr Spiess kommt zurück, aus der Luft, aus dem Wasser, aus dem Meer, aus Algier-

FRANZ
Jetzt beginne ich zu begreifen! Jetzt erkläre ich mir die Ohnmacht!


Nr. 5. Quartett

FRANZ
Zu rechter Zeit bin ich gekommen,
Zu spät vielleicht, es scheint zu spät.

SCHULZE
Er deute sich zu seinem Frommen,
Was warnend ihm vor Augen steht.

LIESCHEN
Ich stehe, wie vom Blitz getroffen,
Der böse Spiess, weh' uns, er kam.

ANTON
Verzage nicht, o laß uns hoffen,
Dein Anton bleibt dein Bräutigam.

LIESCHEN, ANTON
Im Sturme laß uns mutig steh'n.
Wer trennt treue Herzen?

FRANZ
Wie zärtlich dort die Täubchen stehen;
Bin ich der Bräutigam, ist's er?

SCHULZE
Wie wird es mit der Hochzeit geh'n?
Ist jener Bräutigam, 'ist's er?

LIESCHEN, ANTON
Daß wir uns lieben, mag er ja sehen,
Der Störenfried, der Satan der.

FRANZ
Wie mitleidsvoll sie auf mich sehen,
Die Schelmin die, der Satan der.

SCHULZE
In Luft und Meer kann er besteh'n,
Aus Algier kommt er glücklich her.


LIESCHEN
Mein Vater!

FRANZ
Nun ist meine Geduld am Ende! Lauf' ich über Berg und Tal wie ein Narr daher, um solchen Spektakel zu erblicken? Man sehe nur! Fest, wie auf einer Sandbank steht sie, und der Bursche sponsiert mit ihr, als wäre sie gar nicht meine Braut.


ANTON
Das soll, das wird sie auch nicht werden!

LIESCHEN
Nein, gewiß nicht.

SCHULZE
Ruhig, Kinder! Freund Spiess, mäßigen Sie sich. Sie liebt jenen jungen Menschen und er liebt sie wieder.


FRANZ
Das hätte ich auch mit einem halben Auge gesehen.

SCHULZE
Heute Abend sollte Verlobung sein-

FRANZ
Alle Wetter, die wird auch sein ! Der Bräutigam ist da.

SCHULZE
Freund ! Bedenken Sie, Sie sind ein Invalide.

FRANZ
Aber ein rüstiger.

SCHULZE
Und haben, verzeihen Sie, nur noch ein Auge.

FRANZ
Um so besser, so brauch ich nur eines zudrücken. Sie gefällt mir, und ich bestehe auf meinem Rechte. Mein Bruder ist tot, und die Spiesse sollen nicht hierzulande aussterben. Nun könnt ihr Abschied nehmen, rührenden Abschied! (Zum Schulzen) Du besorgst das Frühstück. Ich gehe mit dem Amtmann Rechnung pflegen über die Verwaltung unserer Wirtschaft. Nun seufzt und weint, so viel ihr wollt. [Ab.]



VIII. SZENE
Vorige, ohne Franz.

LIESCHEN
Der Häßliche!

ANTON
Der Abscheuliche!

LIESCHEN
Vater, lieber Vater! Wie wird die Sache enden?

SCHULZE
Ich denke- ich fürchte- mit deiner und Herrn Spiesses Hochzeit.

LIESCHEN
Unmöglich!

ANTON
Nein, Abschied nehme ich nicht, der Herr Spiess soll an den Abschied denken!
Den Hals breche ich ihm! Ich erwürge ihn!


SCHULZE
Hör' auf! Haifische verlieren bei seinem Anblick den Appetit und grimmige Seeräuber fürchten ihn. Vielleicht, daß Güte ihn zähmt.

ANTON
Kann aber nichts den Unmenschen erweichen, so muß das ganze Dorf sich erheben; denn Lieschen und ich, wir können nicht Abschied nehmen. [Geht ins Dorf ab.]

LIESCHEN
Lieber sterben! [Mit dem Vater ins Haus ab.]



IX. SZENE
Friedrich Spiess [tritt auf.]


Nr. 6. Arie

FRIEDRICH

Liebe, teure Muttererde,
Sieh' dein Kind, es kehrt zurück,
Nur am heimatlichen Herde
Fühlt man ganz des Lebens Glück.

Hütten, Hügel, Sträuche, Bäume,
Alte Freunde, steht ihr hier;
Himmelswonne, süße Träume,
Meine Jugend zeigt ihr mir.

Wo dem neugebor'nen Knaben
Einst die Sonne hat gelacht,
Hier soll man auch mich begraben,
Ist mein Tagewerk vollbracht.


FRIEDRICH
Meine Hoffnung hat mich nicht betrogen. Als ich, schwer verwundet, in Feindes Hand geriet, in langer, harter Gefangenschaft schmachtete, hat sie allein mich erhalten. Zwar wird die Gedanken an meine verlorene Gattin, an meinen geliebten Zwillingsbruder Franz manche Stunde mir trüben, doch der Anblick der wiedergefundenen Heimat wird die Wehmut verscheuchen.


最終更新:2013年11月05日 00:10