ZWEITER AUFZUG
Eleganter Salon
Mit zwei Mitteltüren. Rechts eine Seitentür, links ein Fenster. In der Mitte der Bühne, jedoch mehr nach hinten zu, steht ein Billard. Zwischen den beiden Mitteltüren an der Wand befindet sich das Regal mit den Queues usw., über dem Billard hängt eine elegante brennende Lampe, welche mittels eines Schiebers ausgelöscht werden kann. Es ist gegen Abend
ERSTER AUFTRITT
Pancratius sitzt vor der offenen Tür rechts, hinter ihm die Dienerschaft des Schlosses: Bediente, Köche, Jäger, Mädchen usw. Einige von ihnen sind eingeschlafen. Später Baculus
Nr. 7 - Introduktion
PANCRATIUS UND DIENERCHOR
Nicht geplaudert! Acht gegeben!
Alles schärfe Sinn und Ohr! St!
Denn es kommt in unserm Leben
So etwas nicht wieder vor.
DIENER
Die Frau Gräfin liest vortrefflich,
Unnachahmlich, wunderschön,
Tränen möchte man vergiessen -
Schade, dass wir's nicht verstehn!
Schade!
BACULUS
tritt mit Reverenzen ein, laut
Darf ich untertänigst wagen -
ALLE
drehen die Köpfe, ihm Ruhe gebietend
Nicht geplaudert! Stille! Stille!
GRÄFIN
liest im Kabinett
»Dann lernt er wohl noch weise zu werden im Alter!«
PANCRATIUS
nach einer Pause die Tür schliessend
Die Frau Gräfin ist zu Ende.
Zur Dienerschaft, die sich erhebt
Trollt euch leise und behende.
Nun, was sagt ihr? Nun, was meint ihr?
Nun, wie ist euch? Wie?
CHOR
Die Frau Gräfin liest vortrefflich, usw.
Allmählich entfernen sich alle bis auf Baculus und Pancratius
ZWEITER AUFTRITT
Baculus. Pancratius
BACULUS
der an der Tür stehen geblieben, kommt vor
Aber was hat denn das zu bedeuten, Herr Pancratius? Weder im Hofe, noch auf der Treppe, noch im Vorzimmer eine menschliche Seele. -
PANCRATIUS
Weil alles bei der Vorlesung versammelt war, wie närr'sch.
BACULUS
Vorlesung?
PANCRATIUS
Wie ich Euch sage, und wenn das so fortgeht, so seid Ihr binnen kurzem gegen den Stallknecht ein Einfaltspinsel, denn bei uns muss jetzt alles gelehrt werden, wie närr'sch.
BACULUS
Wie versteh' ich denn das?
PANCRATIUS
Unsre gnädige Frau Gräfin nämlich - wie denn jeder Mensch sein närr'schen Einfälle hat - will mit aller Gewalt Komödie spielen, wie närr'sch. Und das wäre auch ganz hübsch, wenn sie nur recht spassige Stücke wählte, wobei man lachen könnte; aber so hat sie sich ganz alte Komödienbücher aus der Stadt mitgebracht, die man gar nicht versteht, wenn sie gelesen werden; und wenn man nicht versteht, was die Leute wollen, kann man doch nicht lachen, und bei jeder Komödie muss doch gelacht werden, wie närr'sch.
BACULUS
Je nun, mein lieber Herr Pancratius, es gibt wohl auch ernste Komödien. Mir zum Beispiel hat der Graf heute eine vorgespielt, bei der ich eher hätte in Tränen zerfliessen mögen.
PANCRATIUS
Ich weiss, ich weiss. Aber, Herr Baculus, wie ist Er auch auf den närr'schen Einfall gekommen?
BACULUS
Du lieber Gott, wie kommt der Mensch auf so manches! Meine Rangen hatten mir den Kopf warm gemacht. Um mich zu zerstreuen, nehm' ich die Flinte, mit welcher ich gewöhnlich nur Sperlinge zu vertilgen pflege, trete vor die Haustür, das Gewehr geht los, und die Kugel fliegt ...
PANCRATIUS
Na, na, doch wohl nicht ein paar Stunden weit bis in unsern Tiergarten.
BACULUS
Es ist allerdings ein vortreffliches Gewehr, aber in der Zerstreuung mochte ich mich wohl ein wenig vom Hause entfernt haben.
PANCRATIUS
Und was gedenkt Ihr denn jetzt zu tun, Herr Baculus?
BACULUS
Seht, man sagt: Der Herr Graf sähe die hübschen Weiber gern.
PANCRATIUS
Na - wie närr'sch.
BACULUS
Da habe ich denn meine Braut mitgebracht - sie wartet unten im Park -, und die, hoffe ich, soll ihn herumbringen.
PANCRATIUS
So kriege ich doch seine Herzliebste bei der Gelegenheit auch einmal zu Gesicht.
BACULUS
Und dann, was meint Ihr, sollte denn die Frau Gräfin keine Gewalt über den Herrn haben und ein gutes Wort für mich einlegen können?
PANCRATIUS
Es käme darauf an; sie hat nur jetzt für nichts anderes Sinn als für die alte Komödie, die morgen aufgeführt werden soll, wie närr'sch - Da fällt mir etwas ein! Ihr seid doch ein Gelehrter?
BACULUS
I nun - so ein Stück davon allerdings, wenn nicht zuviel verlangt wird.
PANCRATIUS
Ich wüsste etwas,
wodurch Ihr die Frau Gräfin gewinnen könntet.
BACULUS
Heraus damit.
PANCRATIUS
Kennt Ihr den Sophoklex?
BACULUS
Den Sophoklex?
PANCRATIUS
Das ist nämlich der Poet, der die Komödie gemacht hat - vor langer Zeit - wie der Teufel noch ein kleiner Junge war, wie närr'sch.
BACULUS
So? Ich habe noch nichts von ihm gehört.
PANCRATIUS
Ich höre die Frau Gräfin. - Kommt mit hinunter, Ihr müsst mir etwas davon erzählen.
BACULUS
Vom Sophoklex? Den kannte ich ja gar nicht.
PANCRATIUS
Kommt nur mit.
BACULUS
Wenn ich ihn aber doch nicht kenne!
Beide ab
DRITTER AUFTRITT
Gräfin und Baron im Gespräch aus der Seitentür tretend
GRÄFIN
Nein, nein, Herr Stallmeister, Sie sind nicht recht im klaren. Erst nachdem Ödipus König von Thebä geworden, ermählte er sich mit Jokaste, der Tochter des Menökeus.
BARON
Sie mögen recht haben, Frau Gräfin. Doch entschuldigen Sie mich, wenn ich Sie jetzt verlasse, eine plötzliche Migräne verhindert mich, klar zu denken.
GRÄFIN
Ei, ei, Herr Stallmeister, gestehen Sie vielmehr, dass Sie heute für die hehre Sage des griechischen Altertums ganz unempfänglich sind.
BARON
Sie tun mir unrecht, Frau Gräfin; wer bei Ihrem seelenvollen Vortrage nicht davon begeistert würde, müsste geistig und körperlich krank sein, und beides -
GRÄFIN
Scheint bei Ihnen der Fall zu sein. Nun, mein geistig und körperlich kranker Herr Stallmeister, welch hartes Schicksal ruht denn auf Ihnen? Wurden Sie, ein zweiter Polyneikes, von den Ihrigen verstossen, oder sind Sie ein trostloser Hämon, den Verlust der verbundenen Braut beklagend?
BARON
für sich
Meine Frau Schwester setzt mir Daumschrauben an; ich kann ihr doch unmöglich sagen, dass ich mich in ein Bauernmädchen verliebt habe.
GRÄFIN
Sie schweigen? Hab' ich's erraten?
BARON
Schöne Gräfin, Sie martern mich. So hören Sie denn ein Geständnis, welches schon lange auf meinen Lippen schwebt.
GRÄFIN
beiseite
Was werde ich hören?
BARON
Nach manchen Stürmen des Lebens glaubte ich hier endlich unter edlen Menschen eine Freistatt gefunden zu haben - zu meinem Unglück fand ich nicht bloss Edelmut - auch die höchste Liebenswürdigkeit.
GRÄFIN
Herr Stallmeister, Sie vergessen -
BARON
Sie haben recht, ich bin strafbar und möchte mich, gleich dem Ödip, selbst des Augenlichts berauben, um mein Verbrechen zu büssen; darum vergönnen Sie mir, dass ich sofort mich aus Ihrem Hause entferne.
GRÄFIN
für sich
Der junge Mann spricht gut! Laut. Herr Stallmeister, ich sollte Ihnen zürnen, doch - »vernehm' es Zeus, der stets Allsehende« - ich bin kein König Laïos, Sie dem Verderben preiszugeben.
BARON
Wie? Sie verzeihen?
GRÄFIN
Ihre Leidenschaft ist eine Schwäche, und ich habe kein Gedächtnis für Schwächen; fragen Sie den delphischen Apollo - Ihren Verstand - er wird Ihnen das Rechte sagen, aber - bleiben Sie.
BARON
O Gräfin, was muten Sie mir zu? Ich bin nur ein schwacher Mensch.
GRÄFIN
rezitierend
»Vieles Gewaltige lebt, doch nichts ist gewaltiger als der Mensch -« Sie sind ein Mann von Erziehung; ich weiss das zu schätzen, und darum habe ich Sie ausgezeichnet. Sie mögen bleiben - »nicht mitzuhassen pfleg' ich, mitzulieben nur«.
Reicht ihm die Hand zum Kuss
BARON
schnell
Mitzulieben?
GRÄFIN
So sagt Antigone. Sie sollen bleiben.
BARON
küsst ihr die Hand
O himmlische Güte! Wohlan, ich will versuchen, den Kampf zu bestehen, aber ich werde unterliegen.
Nr. 8 - Duett und Kavatine
BARON
Bleiben soll ich und stets sie sehen,
Für die mein liebend Herz erglüht!
Werd' ich vor Schmerzen nicht vergehen,
Wenn keine Hoffnung mir erblüht?
Bei Gott, viel lieber stürzte ich,
Gleich jener Sphinx, vom Felsen mich.
GRÄFIN
beiseite
Oh, er spricht gut, oh, er spricht gut!
Doch wenn mein Gemahl es hörte,
Drohte sicher ihm Gefahr!
BARON
beiseite
Das Gesicht nur will ich sehen,
Wenn es später ihr wird klar,
Dass, der schmachtend sie verehrte,
Ihr leibhafter Bruder war!
GRÄFIN
Oh, er spricht gut, sehr gut, sehr gut!
BARON
zu ihr
Schweigen soll ich, wenn bittre Leiden
Mir trüben den sonst heitern Blick,
Wenn dieses Lebens schönste Freuden
Sich wenden scheu von mir zurück!
Wenn diese Brust presst süsses Weh,
Wie Hämon um Antigone?
BARONIN
hinter der Szene
Auf dem Lande will ich bleiben,
Auf dem Lande ist's so schön!
GRÄFIN
beiseite
Oh, er spricht gut, sehr gut!
BARON
beiseite
Was ist das?
stutzt und horcht auf
Welche Stimme!
BARONIN
Auf dem Lande will ich bleiben!
BARON
's ist der nämliche Gesang,
Der von jenen schönen Lippen
Mächtig mir zum Herzen drang!
laut
Mich fasst der Schmerz, ich kann's nicht tragen,
In ihrer Näh' nicht ferner sein;
Den Abendlüften will ich klagen
Meines Herzens herbe Pein.
Ich kann's nicht tragen!
BARONIN
Auf dem Lande ist's so schön!
BARON
nach dem Fenster lauschend
Aus dem Parke erklingen liebliche Töne,
Ja, sie ist es selbst, die ländliche Schöne!
Ich will sie sehen, ihr Liebe gestehen,
In Wonne vergehen und seliger Lust,
Wenn mir es gelinget, ihr Herz zu gewinnen!
Sie ist meiner wert, ich täusche mich nicht,
Nein, nein! Ich werde glücklich sein!
sich plötzlich wieder zur Gräfin wendend, die ihn erstaunt betrachtet
Ja, den Lüften will ich klagen
Meines Busens herbe Pein.
BARONIN
Auf dem Lande ist's so schön!
BARON
Aus dem Park erklingen die lieblichen Töne, usw.
zur Gräfin
Ach, ach!
beiseite
Ich werde glücklich sein.
stürzt ab
VIERTER AUFTRITT
Gräfin allein
GRÄFIN
Der junge Mann macht mir Angst; entweder ist er krank, oder seine Leidenschaft für mich ist wirklich der Art, dass -
sie tritt unwillkürlich vor den Spiegel
warum auch nicht! Als Ödipus um Jokaste warb, zählte sie gewiss auch bereits - ja, ja, so alt wie ich!
sich im Spiegel musternd
Ich glaube, ich habe Ähnlichkeit mit Jokaste; sie muss sehr liebenswürdig gewesen sein!
plötzlich ernst
Aber sie besass auch Stolz und Grundsätze! Als sie die grässliche Gewissheit vernahm, dass ihr Gatte ihr Sohn sei, erhing sie sich! - Wohlan, Eleonore, Gräfin von Eberbach, spiegle dich an jenem erhabenen Vorbilde! Wahre deinen Stolz, deine Grundsätze wie sie - aber hänge dich nicht auf!
FÜNFTER AUFTRITT
Gräfin. Pancratius
PANCRATIUS
Frau Gräfin, ich habe untertänigst zu melden, dass -
GRÄFIN
»Was gibt es Neues, hoher Greis Teiresias?« Wo ist mein Gemahl?
PANCRATIUS
Der Herr Gemahl sind auf Ihrem Zimmer und liegen auf dem Kanapee, wie närr'sch.
GRÄFIN
Ich lasse ihn bitten, wenn er ausgeruht, zu mir zu kommen.
PANCRATIUS
Ganz wohl, Frau Gräfin.
GRÄFIN
Ist für den morgenden Tag alles geordnet?
PANCRATIUS
Alles, wie närr'sch; nur mit einem bin ich in Schwulität.
GRÄFIN
Schwulität? »Was ist es? Schauder fasst mich an bei diesem Wort!«
PANCRATIUS
Die Musikanten, welche wir aus der Stadt verschrieben, haben absagen lassen.
GRÄFIN
O weh mir! »Gibt es wohl ein Übel, das von Ödipus forterbend, uns nicht Zeus erschuf?« Was beginnen wir nun?
PANCRATIUS
Ich wollte Euer Gnaden eben einen untertänigen Vorschlag machen: mein Gevatter, der Schulmeister Baculus, ein äusserst gelehrter Mann, ist da. Er spielt das Klavier, wie närr'sch, und würde sich eine Ehre daraus machen.
GRÄFIN
Das liesse sich hören. Der Mann ist hier?
PANCRATIUS
Im Vorzimmer, wie närr'sch; er hat ausserdem Euer Gnaden eine Bitte vorzutragen.
GRÄFIN
So lass Er ihn eintreten. Noch eins: hat Er den Herrn Stallmeister gesehen?
PANCRATIUS
Er lief soeben in den Park hinunter, wie närr'sch. Die Vorlesung von Euer Gnaden muss ihn gewaltig ergriffen haben.
GRÄFIN
Meint Er?
selbstgefällig
Mein Vortrag ist ergreifend, wie?
Ich lese gut!
PANCRATIUS
Oh, wie ärr'sch -
sich erschrocken auf den Mund schlagend
GRÄFIN
stutzt
Wie?
PANCRATIUS
sich verbessernd
Oh, göttlich! Erschrecklich!
GRÄFIN
Schon gut; herein mit dem Schulmeister.
PANCRATIUS
verbeugt sich und lässt Baculus eintreten
Nur herein, Herr Baculus,
die gnädige Frau will die Gnade haben.
ab
SECHSTER AUFTRITT
Gräfin. Baculus
GRÄFIN
Einen Augenblick, Herr Schulmeister, ich bin gleich wieder hier.
Ab in ihr Zimmer
BACULUS
allein
Nun, lieber Gott, bitte ich dich, lass einen armen Schlucker nicht im Stich. Zieht einen Zettel hervor. Mein Freund Pancratius hat in der Geschwindigkeit aus dem Zimmer der Frau Gräfin das Komödienbuch wegstibitzt, und ich habe mir daraus einige Redensarten auf ein Zettelchen notiert; gebe Gott, dass ich mich damit nicht blamiere. Courage, Sebastian, es handelt sich hier um Amt und Brot! - Sie kommt. Aufgepasst und ihr gleich eine faustdicke Phrase ins Gesicht geworfen.
GRÄFIN
im Eintreten
Unerklärlich, ich liess doch das Buch auf dem Tisch liegen.
BACULUS
hat den Zettel in den Hut gelegt und hineingesehen, deklamierend
»Strahl der Sonne, du schönstes Licht,
Das je dieses Thebanervolks -«
GRÄFIN
erstaunt
Was höre ich?
BACULUS
fortfahrend, nachdem er jedesmal in den Hut gesehen
»Siebentoriger Stadt erschien!«
GRÄFIN
Sie überraschen mich; also kennen Sie dies erhabene Gedicht des grauen Altertums?
BACULUS
Durch und durch, Eure gräflichen Gnaden, durch und durch.
GRÄFIN
setzt sich
Oh, Sie entzücken mich, nehmen Sie Platz!
BACULUS
setzt sich
Wenn ich es wagen dürfte -
GRÄFIN
Wie freut es mich, einen Lehrer vor mir zu sehen, der die alten Meisterwerke kennt und schätzt. Leider wird dieser Zweig der Wissenschaft in den Schulen so gänzlich vernachlässigt.
BACULUS
Oh, es ist abscheulich; aber ich versichere Euer Gnaden, dass in meiner Schule -
GRÄFIN
Wie, Sie kultivieren diese Wissenschaft?
BACULUS
Tagtäglich. Morgens Abc, nachmittags Sophokles.
GRÄFIN
Oh, Sie sind mir von Gott gesendet!
BACULUS
Wenn ich eine untertänige Bitte -
GRÄFIN
So sind Sie ohne Zweifel auch vertraut mit der Einrichtung der griechischen Schaubühne?
BACULUS
beiseite
O weh! Laut. Ich habe zwar noch keine gesehen, aber doch viel davon gehört -
GRÄFIN
Und gelesen?
BACULUS
Versteht sich, gelesen.
GRÄFIN
Herrlich! Also Ihre Meinung? Ich bin nämlich wegen des Arrangements der Bühne zur Vorstellung, welche zu Ehren des Grafen morgen abend stattfindet, noch etwas im Zweifel. Stand der Altar mehr nach hinten oder in der Mitte der Orchestra?
BACULUS
konfus
Wo drin?
GRÄFIN
Ich frage Sie, ob der Altar des Bacchus in der Mitte stand?
BACULUS
Wahrscheinlich; allerdings. Ich würde ihn jedenfalls in die Mitte setzen.
GRÄFIN
Ganz meine Ansicht. Und - nicht wahr - drei Türen im Hintergrunde?
BACULUS
Versteht sich, auch in die Mitte.
GRÄFIN
Wie? Die Seitentüren auch?
BACULUS
Alles in die Mitte, das ist altgriechisch.
GRÄFIN
beiseite
Der Mann ist wirklich nicht uninteressant.
BACULUS
beiseite
Wenn ich nur erst mit meinem Anliegen zustande kommen könnte!
GRÄFIN
laut
Nun aber ein Übelstand: wir haben keinen Chor.
BACULUS
Wenn ich untertänigst meine Schuljugend offerieren dürfte -
GRÄFIN
Sie scherzen - Kinder!
BACULUS
Es befinden sich schon passable Pflanzen darunter.
GRÄFIN
So sind ihnen doch immer diese Chöre unbekannt. Wie erhebend ist gleich der erste: »Strahl der Sonne, du schönstes Licht« und so weiter.
BACULUS
Vielleicht liesse sich statt dessen der schöne Choral verwenden: »Wie schön leucht't uns der Morgenstern.«
GRÄFIN
Doch wohl nicht, Herr Schulmeister; ich weiss keinen andern Ausweg, als das Ganze melodramatisch zu behandeln.
BACULUS
Auch sehr gut, sehr zweckmässig.
GRÄFIN
Ich hoffe, durch diese Vorstellung den Grafen ganz für die griechische Tragödie zu gewinnen.
BACULUS
hat in den Hut gesehen
»Dann lernt er wohl noch weise zu werden im Alter.«
GRÄFIN
Gar nicht übel! Beiseite. Der Mann hat auch Witz.
BACULUS
beiseite
Ich mache meine Sache ja prächtig! Laut. Wenn ich es jetzt wagen dürfte, Euer Gnaden Gnade in Anspruch zu nehmen, so -
SIEBENTER AUFTRITT
Die Vorigen. Graf
Nr. 9 - Quintett
GRAF
Baculus erblickend
Was seh' ich? Mir aus den Augen!
Diese Kühnheit geht zu weit!
Soll ich Gewalt noch gebrauchen?
BACULUS
ist aufgesprungen
Ach, gnäd'ger Herr, Barmherzigkeit!
GRÄFIN
Diesen Mann so zu beleid'gen!
Ich bin starr!
GRAF
Dieser Mann ist nicht zu verteid'gen.
BACULUS
Hören Sie mich ruhig an.
GRAF
Er ist ein Wilddieb!
BACULUS
Oh, ich bitte!
GRÄFIN
Er, ein Wilddieb?
GRAF
Darum eben
Finde ein Exempel statt.
BACULUS
Jeder Mensch in seinem Leben
Mal 'nen Bock geschossen hat.
GRÄFIN
Und mir gestand er frei,
Dass er Schulmeister sei.
GRAF
Das ist er auch.
BACULUS
Das bin ich auch.
GRÄFIN
Und Wilddieb? Unerhört!
GRAF
Das ist es ja.
BACULUS
Das ist es ja.
GRÄFIN
Und Gnade er begehrt?
GRAF
Nein, es soll ihm nicht gelingen,
Sich Gnade zu erzwingen.
Drum möge Strenge walten;
Mein Wort, ich werd' es halten.
Geht in den Hintergrund; die Gräfin, ihn besänftigend, ihm nach
BACULUS
für sich
Meine Weisheit ist zu Ende;
Helfen muss nun der Studente,
Denn es scheint, bei dem Prozess
Hilft mir nichts der Sophokles.
geht an das Fenster und ruft hinunter
Studente, herauf! Studente, herauf! -
vom Fenster weggehend
Denn kann der sein Herz nicht rühren,
Darf ich getrost das Bündel schnüren.
GRAF
vortretend
Fort! Ich will nichts weiter hören,
Fühle meines Willens Kraft;
Mir das Jagdvergnügen stören,
Bleibet nimmer ungestraft.
GRÄFIN
Er will nichts von Gnade hören,
Allzusehr tobt Leidenschaft;
Ihm das Jagdvergnügen stören,
Bleibet nimmer ungestraft.
BACULUS
Er will nichts von Gnade hören,
Allzusehr tobt Leidenschaft;
Doch ich hoffe zu zerstören
Seines starren Willens Kraft.
ACHTER AUFTRITT
Die Vorigen. Baron
BARON
Ich höre, dass hier oben
Sich ein Streit erhoben.
Man rief aus jenem Fenster.
Was - konnt' ich nicht verstehn.
GRAF
Man rief aus jenem Fenster?
Herr, was fällt Ihnen ein?
Sie träumten wohl Gespenster?
BARON
Ich träumte wachend, ja,
Ich will es eingestehn,
Von Wünschen, die vielleicht
Nie in Erfüllung gehn.
GRÄFIN
für sich
Er träumt' von mir, von seiner Schönen,
Vergehet schier vor Liebessehnen,
Gestehet frei, ohn' alle Scheu,
Dass er verliebet sei;
Doch in wen, darf er nicht eingestehn.
GRAF
beiseite
Er träumt' von ihr, der holden Schönen,
Vergehet schier vor Liebessehnen,
Gesteht frei, ohn' alle Scheu
Dass er verliebet sei;
Doch in wen, darf er nicht eingestehn.
BARON
beiseite
Ich sprach mit ihr, der holden Schönen,
Vergehe schier vor Liebessehnen,
Gestände frei, ohn' alle Scheu,
Dass ich verliebt aufs neu';
Doch in wen, darf ich nicht eingestehn.
BACULUS
für sich
Wär' ich bei ihr, bei meiner Schönen!
Doch nichts hilft mir mein Liebesstöhnen
Die Schelmerei quält mich aufs neu';
Vor Angst werd' ich dabei,
Noch vergehn, das darf ich eingestehn.
NEUNTER AUFTRITT
Die Vorigen. Baronin, schüchtern eintretend
GRAF
Wen seh' ich?
BARON
beiseite
Was will sie hier?
GRAF
Es ist das schöne Kind vom Lande!
GRÄFIN
Was willst du, liebes Kind?
BARONIN
Ach, Sie verzeihn,
Dass ich so frei hier trete ein;
Ich komm', für meinen Bräutigam
Zu bitten beim Herrn Grafen.
GRAF, BARON
schnell
Du wärest Braut?
BARONIN
Ach ja, zu dienen.
GRÄFIN
Ei, meine Herrn, missfällt das Ihnen?
BARONIN
Nun sagt man von dem gnäd'gen Herrn,
Er säh' die hübschen Mädchen gern -
GRÄFIN
Ei, ei!
GRAF
Wer sagt das?
BARONIN
Alle Welt!
GRAF
Sieh, wie mich die zum Narren hält.
BARONIN
Der Herr will ohne Fragen
auf Baculus zeigend
Ihn nun vom Amte jagen.
GRAF, BARON
überrascht
Wer ist der Bräutigam?
BARONIN
Der!
GRAF
Der?
BARON
Der?
GRÄFIN
Der?
GRAF, BARON, GRÄFIN, BARONIN
Der?!
BACULUS
beiseite
Darüber wundern sie sich sehr.
GRAF, BARON
Nein, es ist kaum zu glauben,
Dass dieses Monstrum hier
Imstande wär', zu rauben
Der Mädchen schönste Zier!
Und diese Rosenwangen,
Sie sollten vor Verlangen
Für diesen Alten glühn?
Erdrosseln möcht' ich ihn!
GRÄFIN
Was soll ich davon glauben?
Die Nachricht scheinet mir
Die Laune schnell zu rauben
Dem Herrn Gemahle hier.
Dass diese Rosenwangen
In bräutlichem Verlangen
Für einen, Alten glühn -
Fürwahr, das ärgert ihn.
BARONIN
Sie scheinen nicht zu glauben,
Dass dieser Alte hier
Imstande wär' zu rauben
Des Herzens Neigung mir.
Vor heimlichem Verlangen
Erglühen ihre Wangen,
Es möchten beide kühn
Erdrosseln lieber ihn.
BACULUS
Man sollte es nicht glauben,
Dass der Studente hier
Imstand wär', so zu schrauben
Die beiden Herren hier.
Wüsst' ihr, nach welchen Wangen
Ihr traget solch Verlangen,
So würde eure Mien'
Gewaltig sich verziehn.
GRÄFIN
Der Herr wird gnädig sein!
Doch habt Ihr falsch vertraut,
Wenn Ihr der Meinung seid,
Dass er Euch nur verzeiht,
Weil schön ist Eure Braut.
GRAF
Das mein' ich auch.
GRÄFIN
Beweis, dass Ihr den Herrn nicht kennt.
BACULUS
Die Leute sagten so,
Da meinte der Student -
GRÄFIN, GRAF, BARON
Student? Student?
BACULUS
sich verbessernd
Mein Vetter, wollt' ich sagen.
BARONIN
Schwatzt nicht so dummes Zeug.
Schweigt lieber!
GRÄFIN
Student? Student?
GRAF, BARON
Vergiften möchte ich den Alten auf der Stelle?
BACULUS
Mein Vetter!
GRÄFIN
den Grafen und Baron beobachtend
Wie Verdruss sich malt in ihren Zügen!
Baronin macht währenddessen Baculus leise Vorwürfe
GRÄFIN
Wie? Zank? Ich will nicht hoffen -
Geschwind, geschwind, vertragt euch!
GRAF, BARON
zur Gräfin
Die Leute sind betroffen!
GRÄFIN
Versöhnung! Umarmt euch!
BARONIN
Ach, das ist gar nicht nötig.
GRAF
zur Gräfin
Es schämen sich die Leute.
BARON
ebenso
Ja wahrlich, sie genieren sich.
BACULUS
Ich bin dazu erbötig.
BARONIN
für sich
Gott, was beginn' ich nur!
BARON
Boshafte Kreatur!
GRAF
für sich
Mich ärgern will sie nur.
GRÄFIN
Ein Kuss! Gleich auf der Stelle!
GRAF, BARON
Oh, wär' er in der Hölle!
BACULUS
zur Baronin
So komm Er einmal her!
GRÄFIN, GRAF, BARON
Er! Er! Was soll das heissen?
Ist er verrückt?
Was soll zur Unzeit dieser Scherz?
BARONIN
Der Tölpel! Der Tölpel!
BACULUS
verbessernd
Ein Scherz, ein Scherz!
Es war ein gar unschuld'ger Scherz!
BARONIN
beiseite sich drein ergebend
In Gottes Namen denn,
Die Augen zugedrückt!
Baculus gibt ihr einen derben Schmatz. Graf und Baron stampfen vor Wut mit den Füssen
GRÄFIN
Was soll ich davon glauben, usw.
GRAF, BARON
Nein, es ist kaum zu glauben, usw.
BARONIN
Sie scheinen nicht zu glauben, usw.
BACULUS
Man sollte es nicht glauben, usw.
Der Graf führt die Gräfin in den Speisesaal