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Ouvertüre

ERSTER AKT
(Platz am Canal grande mit Blick auf die Dogana (Santa Maria della Salute) und die Insel San Giorgio. Rechts vorne das in romanischem Stil gehaltene Haus Delacquas, dahinter, unmittelbar am Kanal, ein zweites Haus. Links vorne ein torartiger Schwibbogen; an diesen anschliessend der rückwärtige Teil des Palazzo Urbino (in maurischem Stil). Es wird angenommen, dass die Vorderfronten des Palazzo und des Hauses zur Rechten gegen den Kanal zu liegen, so dass auf dem Platz nur die Rückseiten der Gebäude sichtbar sind. Links, hart an dem Schwibbogen, steht der primitive Stand des Pappacoda: ein kleines, zerlumptes Zelt, darunter der mit Kohlenfeuer geschürte Makkaronikessel; daneben ein kleines Tischchen, auf dem ineinandergeschichtete Schüsseln liegen. Im Kanal sieht man manchmal eine Gondel vorbeifahren. Rechts am Ufer liegt eine Barke.)


ERSTER AUFTRITT
(Peppino, Volk, Schiffer, Orientalen, Mönche, Gondolieri, Soldaten, Matrosen, Händler aller Art. Dann Pappacoda, zuletzt Annina.)

(Wenn der Vorhang aufgeht, herrscht reges Volksleben. Es ist Feierabend. Über der Szene liegt gelblichrotes Licht, wie es der Dämmerung vorangeht. Am Ufer des Kanals legt eine Gondel an, welcher eine Dame entsteigt, die Einkäufe macht und dann weiterfährt. Aus der Barke, die am Ufer liegt, wird Holz geladen. Um Pappacodas Stand stehen und sitzen einige zerlumpte Gesellen, die Makkaroni essen. Peppino, ein kleiner, schmieriger Junge, bedient sie. Der heiter auftretende Pappacoda ist ein junger Neapolitaner: in seinem Äusseren halb Lazzaroni, halb Koch; er hat krauses Haar, braunen Teint, trägt Ohrringe und um den Hals ein Amulett, ist sehr geschwätzig und gestikuliert aufs lebhafteste.)


Nr. 1 - Introduktion

▼ALLGEMEINER CHOR▲
Wenn vom Lido sacht
Wieder Kühlung weht,
Wenn der Sonne Macht Schon zur Neige geht,
Dann strömet die Menge
In buntem Gedränge
Durch Plätze und Strassen,
Kanäle und Gassen;
Die Ufer, die Brücken
Gefüllt zum Erdrücken;
Ein Hasten, ein Laufen
Zum Kaufen, Verkaufen!
In zahllosen Weisen
Hört Waren man preisen!

▼STIMMEN DER VERKÄUFER▲
(durcheinander)

▼FISCHWEIB▲
Pesci, pesci freschi!

▼BLUMENMÄDCHEN▲
Qua la bella pianta!

▼OBSTVERKÄUFER▲
Rosse, rosse le angurie!

▼WASSERTRÄGER▲
Acqua, acqua dolce!

▼BOHNENHÄNDLER▲
Favetta, favetta!

▼TOPFENHÄNDLERIN▲
Puina, puina!

▼ALLGEMEINER CHOR▲
Welch ein Leben, welch Regen,
Welch munteres Bewegen!
Aus Gondeln die Lieder!
Vom Ufer hallt's wider
In jubelnden Sängen,
In schmetternden Klängen
Tönt es: Heil dir, heil Venezia!
Heil dir, Königin der Adria!

▼PAPPACODA▲
Signori, prego, hört, Was Pappacoda wert!
Ihr habt wohl manches Schöne hier,
Doch ohne mich, was wäret ihr?!

▼CHOR▲
Was sagt er? O hört doch! Kommet heran!
Hört den Neapolitaner an!

▼PAPPACODA▲
Kommet heran, hört mich an!

1
Ihr habet euren Markuspiatz,
Daneben die Piazzetta,
Die Rialtobriicke dann,
Die Merceria, die Loggetta!
Ihr habt des Dogen Prachtpalast,
Den schlanken Campanile,
Der Kanäle süssen Duft,
Und habt der Riva Abendkühle.
Nur eines hat gefehlt noch
Bisher euch immer hier:
Ein echter Makkaronikodi
Den habt ihr nun in mir, ja hier in mir!
Pappacoda in Person
Hat nach Venedig sich gewandt,
Erzeugt für euch die Makkaron'
Mit seiner kunstgeübten Hand!
(Tanzend) Tia, tia, tia, tia!
Drum sei glücklich, sei selig, Venezia!
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!

▼CHOR▲
(ebenso)
Sei glücklich, sei selig, Venezia!
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!

▼PAPPACODA▲
2
Preis ihm, der diese Welt
So trefflich schuf nach allen Seiten,
Er schuf Erd' und Himmelszelt,
Schuf Wolken, die vorübergleiten,
Die Vögel, das Insektenheer,
Den Walfisch, die Harpune,
Schuf auch diese Stadt im Meer
Und schuf die sandige Lagune!
Schuf Sonnenschein und Mondlicht
Und schuf zuletzt auch mich!
Nur Makkaroni schuf er nicht,
Denn diese schaff nur ich!
Die schaff nur ich!
Pappacoda in Person
Hat nach Venedig sich gewandt,
Erzeugt für euch die Makkaron'
Mit seiner kunstgeübten Hand!
(Tanzend) Tia, tia, tia, tia!
Drum sei glücklich, sei selig, Venezia,
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!

▼CHOR▲
(ebenso)
Sei glücklich, sei selig, Venezia!
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!


ZWEITER AUFTRITT
(Vorige. Enrico Piselli)

▼PAPPACODA▲
(ausrufend)
Maccheroni, Maccheroni di Napoli! Maccheroni con sugo!
Einen Denar die Schüssel! Makkaroni, so lang wie der Canal grande, mit soviel Käse wie Sand am Lido!
Makkaroni, Signori, Makkaroni!

(Einige Personen treten an den Stand)

▼ENRICO▲
(der, in einen Mantel gehüllt, schon vorher geheimnisvoll von rechts auftrat und das Haus Delacquas fixierte, halblaut).
Pappacoda!
(Stärker)
Pappacoda!

▼PAPPACODA▲
Oh, Signor Piselli!
(Stürzt zu ihm.)
Befehlen?

▼ENRICO▲
Mein Onkel zuhause?

▼PAPPACODA▲
Signor Delacqua? Nein. Der Senat hat heute Sitzung. Der Onkel sitzt mit.

▼ENRICO▲
Wirklich? Dann will ich meine Tante besuchen!
(Will ins Haus)

▼PAPPACODA▲
Man soll nie jemand besuchen, der nicht zuhause ist! Signora Delacqua ist mit Ciboletta zur Vesper nach San Marco.

▼ENRICO▲
Wie unangenehm! Pappacoda, kannst du schweigen?

▼PAPPACODA▲
Oh, Signor, eher schwatzt der Löwenrachen vor dem Dogenpalast als ich!

▼ENRICO▲
Nun denn, nimm diesen Scudo!

▼PAPPACODA▲
Ein Scudo?! Das ist gut, oh! Welche Schandtat soll ich begehen für diese Riesensumme?

▼ENRICO▲
Lass meiner Tante ein Briefchen zukommen!

▼PAPPACODA▲
Sonst nichts?

▼ENRICO▲
Nein. Aber mein Onkel darf nichts davon wissen - du begreifst?

▼PAPPACODA▲
Vollkommen!

▼ENRICO▲
Morgen ist Delacquas Geburtstag, es betrifft - eine Überraschung!

▼PAPPACODA▲
Für den Onkel? Verstehe vollkommen. Eine Überraschung!

▼ENRICO▲
Sage Signora Barbara, für heute abend bliebe es bei neun Uhr!

▼PAPPACODA▲
(der nicht versteht)
Aha! Für heute abend bleibt es bei…

▼ENRICO▲
(ungeduldig)
Neun Uhr! Ich verlasse mich auf dich, Pappacoda! Und zu keinem Menschen ein Wort!

▼PAPPACODA▲
Zu keinem Menschen ein Wort!

(Enrico geht langsam nach rechts ab)

▼ALLE▲
(zu Pappacoda, der tiefe Bücklinge macht).
Was hat er denn? Was machst du denn?

▼PAPPACODA▲
Ich freue mich! Ich bin gerührt! Wenn man sieht, wie liebevoll dieser junge Neffe mit seiner jungen Tante eine Überraschung plant für den zuwideren Onkel für neun Uhr am Vorabend seines Geburtstags!
Das geht einem förmlich zu Herzen! Braver Jüngling! Charmante Tante!
(Mit der Geste des Gehörntwerdens)
Beneidenswerter Onkel! Feine Familie!


DRITTER AUFTRITT
(Vorige. Annina)

(Annina, ein Fischermädchen, geschmückt mit Korallen und Muscheln aller Art, ein mit Frutti di mare gefülltes Netz über der Schulter tragend, entsteigt einer rückwärts anlegenden Barke)


Nr. 2 - Auftrittslied Anninas, mit Chor

▼ALLE▲
Seht, o seht!

▼ANNINA▲
Frutti di mare! Frutti di mare!
Kommt und kauft Frischeste Ware!

▼ALLE▲
Seht, Annina legt dort an,
Die immer, wenn sie Fische bringt,
Uns neue Lieder singt!
Stille, stille, hört sie an!

▼ANNINA▲
(nach vorne kommend)
1
Ich kam von Chioggia
Zu euch übers Meer
Und brachte die Barke
Mit Fischen da her!
Heut biet ich euch Austern,
So saftig und frisch,
Crevetten und Muscheln,
Das Feinste zu Tisch!
Frutti di mare! Frutti di mare!
Kommt und kauft
Frischeste Ware!

▼ALLE▲
Kauft, kauft!

▼ANNINA▲
2
Das Fischlein im Netze
Kann nicht mehr heraus,
Die Auster verkriecht sich
Und schliesset ihr Haus.
Die Fische, die fängt man,
Die Fische sind stumm,
Die Auster, die schluckt man,
Die Auster ist dumm!
Frutti di mare! Frutti di mare!
Kommt und kauft
Frischeste Ware!

▼ALLE▲
Kauft, kauft!

(Annina legt ihr Netz und einen Korb voll Austern auf die Bank vor Delacquas Haus)

▼PAPPACODA▲
Ah, schöne Annina! Also Frutti di mare?

▼ANNINA▲
Ja! Signor Pappacoda, wollt Ihr ein paar Austern schlürfen?

▼PAPPACODA▲
Aus Eurer Hand mit Haut und Haaren!

▼ANNINA▲
(öffnet gewandt mit einem vom Gürtel herab hängenden Messer einige Austern)
Also, da habt Ihr!

▼PAPPACODA▲
(essend)
Oh, delikat! Aber apropos Haare! Ich errate, was Euch herführt! Ihr seid wegen Caramello da, dem Leibbarbier des Herzogs von Urbino, der heute mit seinem Herrn hier ankommt.
Da steht der Palast des Herzogs!
(Deutet auf den Palazzo Urbino)

▼ANNINA▲
Ihr irrt Euch, Pappacoda ich bringe Barbara Delacqua, meiner Milchschwester, Fische!
Von dem Leibbarbier will ich nichts wissen.

▼PAPPACODA▲
Wie? So sprecht Ihr von Caramello, der Euch verehrt anbetet?

▼ANNINA▲
Ein Tunichtgut ist er… ein Ungeheuer ein …ein…

▼PAPPACODA▲
Also, mit einem Wort, Ihr liebt ihn noch immer!

▼ANNINA▲
Ach, sprecht mir nicht mehr von ihm! Sagt mir lieber, wie Ihr mit Ciboletta steht, der hübschen Zofe von Signora Delacqua?

▼PAPPACODA▲
(presst ihre Hand auf sein Herz)
Spürt Ihr, wie es da klopft, wenn ich diesen Balkon betrachte?
(Blickt auf Delacquas Balkon)
Wisst Ihr, was dieses Klopfen bedeutet, wenn ich zu diesem Balkon hinaufblicke?
Habt Ihr eine Ahnung, was dieser Klopfbalkon mir…

▼ANNINA▲
(hat nach links geblickt)
Still! Da kommt ihre Herrin!


VIERTER AUFTRITT
(Vorige. Barbara Delacqua).

▼ANNINA▲
(eilt auf Barbara, die von links kommt, zu)
Barbara!

▼BARBARA▲
Annina! Ach, wie schön von dir, dass du gekommen bist!

▼PAPPACODA▲
(mit einem Kratzfuss)
Meinen Respekt, Signora!

▼BARBARA▲
Grüss Euch, Pappacoda!
(Geht an ihm vorbei, will zu Annina)

▼PAPPACODA▲
(räuspert sich, dann leise zu Barbara)
Signora Barbara, auf ein Wort!
(Barbara bleibt stehen)
Signor Enrico Piselli …

▼BARBARA▲
(schnell)
Mein Neffe? Was ist's mit ihm?

▼PAPPACODA▲
… gab mir diesen Brief für seine schöne Tante.

▼BARBARA▲
Gebt her!
(Liest verstohlen den Brief)

▼PAPPACODA▲
(ironisch)
Er meinte, es handle sich um eine Überraschung für hochdero Gemahl.

▼BARBARA▲
(verwirrt)
Ja, ja, in der Tat … eine Überraschung… zu Delacquas Geburtstag!

▼PAPPACODA▲
(lauter)
Und es bliebe, wie verabredet, bei heute abend, punkt neun Uhr!

▼BARBARA▲
Pst! Schreit doch nicht so!
(leise)
Es handelt sich doch um eine Überraschung!

▼PAPPACODA▲
Ja, richtig, um eine Uberraschung!

▼ANNINA▲
Nun, Barbara!

▼BARBARA▲
Gleich, gleich!
(Will zu ihr, bleibt stehen)
Pappacoda! Sagt Ciboletta, sie solle mir melden, wenn mein Mann aus der Sitzung heimkommt!
Für Eure Botschaft besten Dank. Da, nehmt und schweigt!
(Gibt ihm ein Geldstück)
Jetzt komm, Annina, ich habe eine dringende Bitte an dich! Addio, Pappacoda!
(Mit Annina ab)

▼PAPPACODA▲
Addio, Signora, addio! Zwei Scudi! Einer von dem Neffen, einer von der Tante, Jetzt fehlt nur noch einer von dem zuwideren Onkel! Doch, wo steckt Ciboletta?
(Ruft)
Ciboletta!


FÜNFTER AUFTRITT
(Vorige. Ciboletta).

▼CIBOLETTA▲
(hinter der Szene)
Ich komme schon!
(Sie tritt nach rückwärts gehend auf und ruft, heftig gestikulierend, in die Kulisse zurück)
Addio, addio, Giovannina! Auf morgen! Hoppla!
(Sie stösst an Peppino, der eben mit einer Schüssel Makkaroni hantiert, stolpert, fällt mit der Schüssel zugleich zu Boden, bleibt sitzen und macht ein dummes Gesicht)
Bin schon da!

▼PAPPACODA▲
(hilft ihr auf)
Wo warst du denn, mein Dummerl?

▼CIBOLETTA▲
In der Vesper!

▼PAPPACODA▲
Hast du gebetet, dass du ein recht gescheites Mädel wirst?

▼CIBOLETTA▲
Mein Gott, bei mir hilft ja doch nichts!

▼PAPPACODA▲
Aber was hast du denn in der Kirche gemacht, wenn du nicht gebetet hast?

▼CIBOLETTA▲
Ich hab recht bitterlich geweint weil ich in diesem Karneval noch nicht ein einziges Mal getanzt habe!

▼PAPPACODA▲
Geweint hast du? Geweint wegen Tanzen? Und so was liebt ein Mann wie ich!

▼CIBOLETTA▲
Ja liebst du mich denn wirklich?

▼PAPPACODA▲
Freilich liebe ich dich - und du - liebst du mich?

▼CIBOLETTA▲
Lieben? Was ist denn das?

▼PAPPACODA▲
Nun, wenn die da … den da … so recht von Herzen … na, du verstehst ja!
(Ciboletta schüttelt verneinend den Kopf; er spricht mit komischen Gesten weiter)
Also wenn der da … die da… so recht innig, leidenschaftlich …
(drückt sie an sich)
verstehst du?

▼CIBOLETTA▲
(nickt).
Mhm! Aber wenn die da … den da … und der da … die da … liebt, so meine ich, sollten die da und der da ein Paar werden und - heiraten!

▼PAPPACODA▲
Heiraten?

▼CIBOLETTA▲
Freilich!

▼PAPPACODA▲
Also gut, wir heiraten, sobald ich den Platz als Herrschaftskoch habe, den ich noch immer vergebens suche.
Aber sind wir einmal Mann und Frau, dann nimm dir nicht etwa ein Beispiel an deiner Herrin, die ihren Mann mit seinem Neffen betrügt!

▼CIBOLETTA▲
Ja, hast du denn einen Neffen?

▼PAPPACODA▲
Nein!

▼CIBOLETTA▲
Ich auch nicht. Mit wem soll ich dich dann betrügen?

▼PAPPACODA▲
(zum Publikum)
Gott, ist die dumm!

▼CIBOLETTA▲
Wenn ich so dumm bin - weshalb willst du mich denn dann heiraten?

▼PAPPACODA▲
Eben deshalb! Eben deshalb!

▼CIBOLETTA▲
Was? Nur deshalb? Ich hab fein noch andere Sachen, die mich begehrenswert machen!

▼PAPPACODA▲
(drückt sie an sich)
Das glaub ich - und was für Sachen du hast!

▼CIBOLETTA▲
(reisst sich los)
Lass mich, zwischen uns ist es aus!

▼PAPPACODA▲
Aber Ciboletta!

▼CIBOLETTA▲
Ich lass mir nicht immer sagen, dass ich dumm bin!

▼PAPPACODA▲
Aber Ciboletta!

▼CIBOLETTA▲
(schreiend).
Schluss!

▼PAPPACODA▲
Aber Cibo…

▼CIBOLETTA▲
Schluss!

▼PAPPACODA▲
Aber Ci…


Nr. 3 - Duett

▼CIBOLETTA▲
Heiraten, ja, das würd' mich freun, Heiraten soll sehr lustig sein!

▼PAPPACODA▲
Nur wenn man eine Stellung hat! Von Lieb' allein wird man nicht satt! Und kurz - es geht noch nicht!

▼CIBOLETTA▲
Warum?

▼PAPPACODA▲
Warum? Die Frag' ist zu dumm!

▼CIBOLETTA▲
(beleidigt)
Zu dumm? Zu dumm?

▼PAPPACODA▲
Zu dumm! Zu dumm!

▼CIBOLETTA▲
Nun denn, du kluger Mann, So hör mich einmal an!

▼PAPPACODA▲
(gesprochen)
Was wird da herauskommen?

▼CIBOLETTA▲
's ist wahr, ich bin nicht allzu klug,
Doch wär' ich, sollt' ich denken,
Als deine Frau schon klug genug,
Ich werde dir nichts schenken!
Wir beide gäben wohl ein Paar,
Ich nähm' dich mit Vergnügen
Doch willst du nicht nun denn, fürwahr,
So werd ich mich drein fügen
Und bald 'nen andern kriegen!
Ja ja! Da sorg ich mich nicht drum!
Ziehst du mich gar zu lang herum,
So mach ich kurz "Linksum"!
Halt mich nur nicht für gar so dumm!

▼PAPPACODA▲
Sei nur nicht bös gleich drum
Ich seh, du bist nicht gar so dumm,
Bist weder dumm noch stumm,
Doch nimm nur nicht gleich alles krumm!

▼CIBOLETTA▲
Du bist ein Mann, bist sehr gescheit
Und willst mir imponieren;
Doch lass ich mich nur kurze Zeit
So bei der Nase führen.
Die Mutter hat mich's schon gelehrt:
"Trau keinem! Du wirst betrogen!
Denn was ein Mann dir zehnmal schwört,
Ist elfmal schon erlogen!"
Dies Wort ist wohl erwogen!
Drum frag ich jetzt: Warum
Ziehst du so lange mich herum?
Blieb' ferner ich noch stumm,
Da wär' ich wirklich gar zu dumm!

▼PAPPACODA▲
Sei nur nicht bös gleich drum
Ich seh, du bist nicht gar so dumm,
Bist weder dumm noch stumm,
Doch nimm nur nicht gleich alles krumm!
(Beide tanzen nach rechts ab)


SECHSTER AUFTRITT
(Delacqua, Testaccio, Barbaruccio )
(drei gleich gekleidete, komisch wirkende ältere Männer,Volk im Hintergrund)

▼BARBARUCCIO▲
Puh, das war eine stürmische Sitzung heute!

▼DELACQUA▲
Eure Rede gegen den Herzog von Urbino enthielt manches Wahre!

▼BARBARUCCIO▲
(im Rednerton)
Ich opponiere gegen jeden feierlichen Empfang des Herzogs, rief ich, "wir sind Republikaner und keine Tyrannenknechte!"

▼TESTACCIO▲
Der Herzog von Urbino ist gar kein Tyrann! Er ist ein lebenslustiger Herr, der alljährlich zum Karneval nach Venedig kommt und enorm viel Geld sitzen lässt.

▼DELACQUA▲
Viel Geld aber auch ebenso viele betrogene Weiber!

▼BARBARUCCIO▲
Er hat uns Räte mit unseren Frauen zu einem Feste geladen, das er heute gibt! Ich habe den Beschluss durchgesetzt, dass unsere Frauen dies Fest nicht besuchen werden!
Dass ich nicht gehe, versteht sich von selbst, denn ich sitze links - noch linkser als links!
(Setzt sich links)

▼TESTACCIO▲
Und ich gehe zum Fest! Denn ich sitze rechts noch rechtser als rechts!
(Setzt sich rechts)

▼BARBARUCCIO▲
(Zu Delacqua)
Und Ihr?

▼DELACQUA▲
Ich lasse mich sehen, begrüsse den Herzog und verlasse das Lokal!

▼BARBARUCCIO▲
Aber Ihr wisst doch, dass der Herzog Eurem jungen Weibe im vorigen Karneval auf Schritt und Tritt nachstellte?

▼DELACQUA▲
Er hat mein Weib nie gesehen, sie war maskiert!

▼BEIDE▲
Oh!

▼DELACQUA▲
Meine Frau wird heute durch einen sicheren Gondoliere zu meiner Base, der Abtissin, gebracht. In einer halben Stunde führt sie Francesco nach Murano hinüber. Dort wird Barbara vor den tollen Streichen des Herzogs in Sicherheit sein!

▼TESTACCIO▲
Guter Gedanke!

▼BARBARUCCIO▲
Ich an Eurer Stelle ginge nicht zum Feste!

▼DELACQUA▲
Warum nicht? Der Herzog hat im Venezianischen reiche Besitzungen; sein Verwalter ist kürzlich gestorben;
Der Posten soll neu besetzt werden; ich will mich darum bewerben.

▼BEIDE▲
(erstaunt).
Ihr?

▼DELACQUA▲
Die Stelle trägt jährlich dreitausend Zechinen!

▼BEIDE▲
(erstaunt)
Dreitausend Zechinen?

▼DELACQUA▲
Ich bin kein reicher Mann und…

▼TESTACCIO▲
Hm, wenn es so ist, werde ich ebenfalls um den Posten konkurrieren!

▼DELACQUA, BARBARUCCIO▲
Ihr?

▼TESTACCIO▲
Auch ich bin kein reicher Mann und…

▼BARBARUCCIO▲
Hm, ich füge mich als überstimmt der Majorität und werde auch auf den Ball gehen.

▼DELACQUA, TESTACCIO▲
Ihr?

▼BARBARUCCIO▲
Um den Herzog wegen des Postens zu interpellieren!

▼DELACQUA▲
(heftig)
Oh, Ihr Wetterfahnen!

▼TESTACCIO▲
(heftig)
Und dieser Mann schreit fortwährend gegen Korruption!

▼BARBARUCCIO▲
(heftig zu beiden)
Wetterfahnen? Korruption? Was wollt Ihr damit sagen? Ich rufe zur Ordnung! Ich interpelliere Euch! Ich sitze links!

▼TESTACCIO▲
(schreiend)
Ich sitze rechts!

▼DELACQUA▲
(schreiend)
Und ich im Zentrum! Ich sage also: Friede! Friede! Trinkt ein Glas Wein bei mir!
Wir werden ja sehen, wer von uns die Verwalterstelle davonträgt!
(Alle drei gehen in Delacquas Haus)


SIEBENTER AUFTRITT
(Volk. Centurio. Balbi. Diener. Dann Caramello. Gondolieri.)

▼CENTURIO▲
(ein Page, tritt mit Balbi und den anderen Dienern aus dem Palazzo Urbino)
Schnell, schnell, ihr Leute, bald wird der Herzog hier sein! Hisst die Flaggen! Rollt diesen Teppich hier auf!
(Die Diener rollen einen Laufteppich vom Palast zum Kanal. Centurio blickt nach rechts rückwärts)
Da kommt schon eine Gondel mit Caramello, des Herzogs Leibbarbier! Da ist der Herzog auch nicht weit!

(Caramello fährt in einer Gondel an, steigt aus)


Nr. 4 - Auftrittslied Carame!Ios

▼CHOR▲
Evviva, Caramello! Des Herzogs Barbier! Er ist es, er ist es! Er kommt als Kurier!

▼CARAMELLO▲
(ist ausgestiegen; mit karrikierter Würde sich in die Brust werfend)
Willkommen, alte Freunde!
Gegrüsst seid alle mir!
Ja, staunet nur, betrachtet
Mich wie ein Wundertier!
In hoher Ehrenstellung
Seht ihr mich Wieder hier!
Ich bin zwar nicht der Herzog,
Doch bin ich sein Barbier!

▼CHOR▲
Evviva, Caramello!
Des Herzogs Barbier!

▼CARAMELLO▲
Der Herzog von Urbino
Ich sag's Euch con sordino
Er liebt die schönen Fraun,
Hat manche kleine Schwächen
Ich weiss davon zu sprechen,
Ich hab ja sein Vertraun!
Ich leb dort wie im Himmel,
Er nennt mich: "Tölpel! Lümmel!"
Das ist so seine Art!
Doch mir wird alles möglich,
Ich gehe ja tagtäglich
Dem Herzog um den Bart!
(Mit der Geste des Einseifens)
Er liebt den Scherz, das Lachen,
Er liebt die Pracht, den Glanz
Und andre gute Sachen,
Liebt Wein, Gesang und Tanz!
Und alle diese Dinge
Studiert' ich fleissig drum!
Die Müh' war nicht geringe,
Doch bracht' es mich nicht um!
Ich mag mich selbst nicht loben,
Doch geh ich gleich euch Proben
Von ein'gem, was ich kann,
Und mit mir rufet dann:
Hoch Caramello, die seltne Perl',
Er ist doch und bleibt doch ein ganzer Kerl!

▼CHOR▲
Hoch Caramello, die seltne Perl',
Er ist doch und bleibt doch ein ganzer Kerl!

▼CARAMELLO▲
(gesprochen)
He! Was steht ihr denn da und gafft? Es ist doch Karneval - tanzt doch! Tanzt!
(Weitersingend mit Tanzbewegungen, in welche die Umstehenden allmählich übergehen)
Eine neue Tarantelle
Zeig ich hier euch auf der Stelle!
Gebet acht, ihr lernt sie schnelle,
Auf dem Raume einer Elle!
Auf und nieder wie die Welle,
Hin und her wie die Libelle,
Blank und schnell wie die Sardelle,
Rasch und flink wie die Forelle!
Vorwärts bis zur Morgenhelle
Klinge Tamburin und Schelle
Immer stärker schwelle, schwelle!
Schlaget Löcher in die Felle,
Das ist alles Bagatelle!
Wer nicht singen kann, der belle,
Dass es in die Ohren gelle!
Dreht euch wie ein Karusselle,
Wie berauscht vom Götterquelle.
Schnelle! Schnelle! Schnelle!
Ja, Caramello, das ist ein ganzer Kerl!
Hoch soll er leben, Preis dieser Per!'!
(Allgemeiner Tanz)

▼ALLE▲
Caramello ist fürwahr ein ganzer Kerl,
Ein Kleinod, eine seltne Perl'!

(Centurio und Balbi ziehen sich zurück)


ACHTER AUFTRITT
(Vorige. Pappacoda.)

▼PAPPACODA▲
(drängt sich durch die Menge, freudig die Arme ausbreitend).
Ca … Ca … Caramello!

▼CARAMELLO▲
(ebenso)
Pa … Pa … Pappacoda!

▼PAPPACODA▲
Lass dich umarmen!

▼CARAMELLO▲
Pappacoda, alter Makkaronikessei, wie geht es deinen Makkaroni?

▼PAPPACODA▲
Danke, gut! Wie geht es deinem alten Barbierpinsel? Ich muss dir etwas sagen! Ich habe Annina gesehen!

▼CARAMELLO▲
Wo ist sie?

▼PAPPACODA▲
Eben ging sie in Delacquas Haus!

▼CARAMELLO▲
Was macht denn der alte Delacqua?

▼PAPPACODA▲
Er ist eifersüchtiger denn je!

▼CARAMELLO▲
Und Barbara, sein schönes Weib?

▼PAPPACODA▲
Schöner denn je!

▼CARAMELLO▲
Das wird den Herzog freuen! Er schickt mich voraus, das Terrain zu sondieren!
Du weisst, im Vorjahr hat ihm der alte Delacqua die Geschichte verpatzt und er konnte die schöne Barbara nur maskiert sehen!

▼PAPPACODA▲
Und mir scheint, heuer will er dem Herzog wieder einen Strich durch die Rechnung machen, denn soviel ich weiss, soll Signora Delacqua nach Murano fahren!

▼CARAMELLO▲
Delacqua weiss, dass der Herzog der schönen Barbara nachsteigt?

▼PAPPACODA▲
Ja und er will sie in Sicherheit bringen. Schlag neun Uhr kommt Francesco mit der Gondel und singt als Zeichen das Lied.

▼CARAMELLO▲
Welches Lied?

▼PAPPACODA▲
Weiss ich's?

▼CARAMELLO▲
Ah, der Schlag muss pariert werden! Pappacoda, höre mich an! Schaffe mir sofort den Gondoliere Francesco her.
In der Gondel, die die schöne Barbara entführen soil, werde ich den Gondoliere spielen!

▼PAPPACODA▲
Ja, aber ich muss…

▼CARAMELLO▲
Halt jetzt deine Pappacoda und komm!

(Zieht ihn rasch mit sich fort)


NEUNTER AUFTRITT
(Barbara. Annina.)

▼BARBARA▲
(kommt mit Annina aus dem Hause)
Also, hast du mich verstanden?

▼ANNINA▲
Ich weiss, ich weiss, ich soll maskiert an deiner Steile nach Murano fahren, um neun Uhr wird Francesco kommen und das alte Lied singen: "Komm in die Gondel, mein Liebchen

▼BARBARA▲
(blickt sich vorsichtig)
Um Gotteswillen, still!

▼ANNINA▲
Aber, wozu denn das alles? Hast du ein Stelldichein?
(Schelmisch lächelnd)
Vielleicht mit Enrico?

▼BARBARA▲
Ja. Enrico und seine Freunde wollen meinem Manne ein Ständchen bringen und während des Tumults soll ich entwischen.

▼ANNINA▲
Du Glückliche!

▼BARBARA▲
Also willst du mir helfen?

▼ANNINA▲
Aber gerne!

▼BARBARA▲
Ich danke dir! Ich richte dir einstweilen den Domino her! Komm nicht zu spät!

▼ANNINA▲
Keine Angst!

(Barbara geht ins Haus, Annina will ab)


ZEHNTER AUFTRITT
(Annina. Caramello.)

(Caramello kommt von links, bemerkt Annina und pfeift.
Annina blickt sich um, wendet sich aber sofort entrüstet ab.)

▼CARAMELLO▲
Annina!

▼ANNINA▲
(kalt).
Mein Herr?

▼CARAMELLO▲
Ja, was ist denn das für ein Empfang?
(Will zu ihr)

▼ANNINA▲
Halt! Komm mir nicht in die Nähe!

▼CARAMELLO▲
Was soll denn das heissen?

▼ANNINA▲
Das soll heissen: Strafe muss sein! Damit ist alles gesagt!
Vor einem Jahr war ich dein Alles, dein Täubchen von San Marco, dein Leckerbissen, dein Engel! Halunke! Und heuer?

▼CARAMELLO▲
Heuer kann ein Paar aus uns werden!

▼ANNINA▲
Das ist das sechste Heiratsversprechen, das du mir gibst…
Fünf hast du nicht gehalten… windiger Geselle!

▼CARAMELLO▲
Stürmisch, stürmisch vielleicht aber nicht windig!
Diesmal ist's Ernst. Wenn es glückt, werde ich Verwalter der venezianischen Güter meines Herzogs!

▼ANNINA▲
(spöttisch)
Die armen Güter!

▼CARAMELLO▲
Die armen Güter?
(Tritt ganz nahe zu ihr)
Und wenn ich eine schöne Verwalterin zur Seite hätte
(macht die Geste des Stehlens)
die mir verwalten hilft?!

▼ANNINA▲
Meinst du mich?

▼CARAMELLO▲
Freilich! Seien wir doch wieder gut!

▼ANNINA▲
Nein!


Nr. 5 - Duett

▼CARAMELLO▲
Annina!

▼ANNINA▲
Caramello!

▼CARAMELLO▲
Du fliegst nicht in meinen Arm?

▼ANNINA▲
Ich fliegen? Nein, mein Lieber!

▼CARAMELLO▲
Einst liebtest du mich treu und warm!

▼ANNINA▲
Die Zeiten sind vorüber!

▼CARAMELLO▲
Und nicht ein Küsschen zum Empfang? Ist das die Liebe unermessen?

▼ANNINA▲
Du liessest Zeit dir gar zu lang,
Da hab ich auf die Lieb' vergessen!
Ach! Als meine Barke
Glitt übers Meer,
Da flogen zwei Schwalben
Hinter mir her
Und sangen leise
Mir meine Weise:
Pellegrina rondinella!

▼CARAMELLO▲
Hör mich, Annina!

▼ANNINA▲
Rondineila pellegrina!
Pellegrina rondinella!
Dein Lied von Lieb' und Treue
Hat einen falschen Ton,
Du hast es mir gesungen,
Doch als es kaum verklungen,
War's auch vergessen schon!
Pellegrina rondinella,
Rondinella pellegrina!
Lockrer Vogel Caramello,
Nimmer traut dir Annina!

▼BEIDE▲
Peliegrina rondinella,
Rondinella pellegrina!

▼CARAMELLO▲
Immer treu blieb ich Annina!

▼ANNINA▲
Nimmer trau ich dir!

▼CARAMELLO▲
Glaub, o glaub doch mir!
Lass frei mich dir's gestehen,
Dass ich fern von dir,
Wie das so oft pflegt zu gehen,
Manch schöne Frau gesehen,
Doch keine so wie dich!

▼ANNINA▲
Pellegrina rondinella,
Rondinella pellegrina!
Lockrer Vogel Caramello,
Nimmer traut dir Annina!

▼BEIDE▲
Pellegrina rondinella,
Roridinella pellegrina!

▼CARAMELLO▲
Immer treu blieb ich Annina!

▼ANNINA▲
Nimmer trau ich dir!

▼CARAMELLO▲
Glaub, o glaub doch mir!

(Komischer Tanz. Er will sie küssen, sie reisst sich los,macht lachend eine lange Nase und eilt links ab. )
(Caramello folgt ihr komisch resigniert, die Hände in den Hosentaschen)


ELFTER AUFTRITT
(Annina. Ciboletta. Caramello. Pappacoda.)

▼PAPPACODA▲
(kommt mit Ciboletta von rechts)
Nein, nein, nein, es geht absolut nicht! Unmöglich!
Mit zwei elenden Scudi in der Tasche kann ich kein Kostüm ausleihen!

▼CIBOLETTA▲
(weinerlich)
Aber ich bringe dir einen alten Anzug meines Herrn!

▼PAPPACODA▲
Wenn auch, es geht nicht! Hier Makkaroni kochen … am Markuspiatz tanzen - das geht nicht!

▼CIBOLETTA▲
(weint komisch)
Hihihihihi!

▼PAPPACODA▲
(weint auch)
Hahahahaha!

▼CARAMELLO▲
(kommt mit Annina von links)
Höre dir das Duett an!
(zu Pappacoda)
Was hat sie denn? Warum heult sie denn?

▼PAPPACODA▲
Sie will tanzen!

▼CARAMELLO▲
So lass sie tanzen!

▼PAPPACODA▲
Wir haben kein Geld!

▼CARAMELLO▲
Ich hab auch kein Geld und tanze doch!
In der Früh' mache ich's so …
(macht die Geste des Einseifens)
…und abends mache ich's so …
(macht einige Tanzschritte)
Ich habe eine prächtige Idee! Mein Herzog gibt heute ein Maskenfest

▼ANNINA▲
(freudig)
Und da gehen wir alle hin!
(Stolziert wie im Ballsaal)

▼CARAMELLO▲
(spottet ihr nach)
Und da gehen wir alle hin!" Habt ihr schon so etwas gesehen? So willst du zum Herzog gehen?
(Zeigt auf ihr Netz)
Du hast ja lauter Löcher!
(Greift in die Tasche und zieht ein Paket Einladungskarten heraus)
Also hört mich an! Ich soll diese Karten für die Fürstlichkeiten austragen,
Aber auf eine oder zwei kommt es nicht an! Da hast du eine und du und du …
(Verteilt die Karten)
Überhaupt, was soll ich erst viel herumlaufen? Pappacoda, nimm die ganzen Karten und gib sie deinen Freunden! Für Maskenanzüge werde ich sorgen!

▼CIBOLETTA▲
Dafür muss ich ihm einen Kuss geben!
(Zu Pappacoda)
Du erlaubst schon!
(Küsst Caramello)

▼PAPPACODA▲
Auch ich muss ihr einen Kuss geben.
(zu Caramello)
Du erlaubst schon!
(Will zu Annina, Caramello stellt ihm das Bein vor)

▼ANNINA▲
Halt, küsst nicht zu früh!
Ich bin leider verhindert! Ich muss noch heute nach Chioggia der Vater wartet!

▼CARAMELLO▲
Der Vater wartet! Lass ihn warten! Übrigens wenn sie nicht kann, werde ich mir halt eine andere Tänzerin suchen!

▼ANNINA▲
(heftig)
Was hast du gesagt?

▼CARAMELLO▲
Dass ich mir eine andere Tänzerin suchen werde!

▼ANNINA▲
So? Nun geh ich grade mit!
(Für sich)
Ich kann von Murano in einer Stunde zurück sein!

▼CARAMELLO▲
Ich hab's ja gewusst!

▼ANNINA▲
(hebt ihren Rock und spreizt ein Bein vor)
Unsereins hat doch auch Füsse!

▼PAPPACODA▲
Und was für Füsse!


Nr. 6 - Quartett

▼ALLE VIER▲
Alle maskiert, alle maskiert
Cospetto, wie amüsant das wird!
In der Menge
Buntem Gedränge
Sich verstecken
Und necken!
Hier entweichen,
Dort erreichen,
Bald sich finden,
Bald verschwinden!
Alle maskiert, alle maskiert,
Wo Spass und wo Tollheit und Lust regiert!
Ganz ungeniert alle maskiert
Cospetto, wie amüsant das wird!

▼ANNINA▲
Alles sehen ungesehen
Kann man dort bequem!

▼CIBOLETTA▲
Auch kann man im Tanz sich drehen
Und weiss nie mit wem!

▼CARAMELLO▲
Das Geplauder zu belauschen
Unbemerkt und stumm!

▼PAPPACODA▲
Schlechte Witze auszutauschen
Bald gescheit, bald dumm!

▼ALLE VIER▲
Alle maskiert, alle maskiert,
Wo Spass, wo Tollheit und Lust regiert!
Ganz ungeniert, alle maskiert
Cospetto, wie amüsant das wird!

▼ANNINA▲
Wenn ihr Männer intrigiert habt
Und euch schliesslich demaskiert habt,
Sehen wir armen Frauen klar,
Dass einer wie der andre war!

▼CARAMELLO▲
Und wir Männer, die den Frauen
Gingen gläubig auf den Leim,
Kommen endlich statt in Masken
Nur mit langen Nasen heim.

▼PAPPACODA▲
Dass du dieses nicht begriffen,
Zeigt der Ausdruck des Gesichts!

▼CIBOLETTA▲
Ich versteh nichts von den Kniffen,
Tanzen will ich, weiter nichts!

▼DIE ÜBRIGEN▲
Tanzen will sie, weiter nichts!

▼ALLE VIER▲
Alle maskiert, alle maskiert
Wo Spass, wo Tollheit und Lust regiert!
Ganz ungeniert, alle maskiert!
Cospetto, wie amüsant das wird!
(dann tanzen alle vier nach rückwärts ab)


ZWÖLFTER AUFTRITT
(Herzog. Gefolge. Volk. Gondolieri.)

▼CENTURIO▲
(kommt gelaufen)
Der Herzog! Der Herzog! Caramello, der Herzog!
(Eilt in den Palast)

(Der Herzog fährt in einer Gondel an; zwei Kavaliere sind ihm beim Aussteigen behilflich und fahren dann in der Gondel weiter)

▼DER HERZOG▲
(blickt auf seinen Palast und dann auf die ganze Umgebung)
Endlich sehe ich dich wieder! Du Stadt der Liebe! Du Stadt der Freude! Mein herrliches Venedig!


Nr. 6a - Auftrittslied des Herzogs

Sei mir gegrüsst, du holdes Venezia!
Ich stehe träumend da, dir so nah!
Zur Liebe dich Natur erkor,
In deinen Mauern wohnt das Glück!
Schon mancher hier sein Herz verlor,
Bekam dafür ein anderes zurück!
Wir fliegen dir zu, wie Falter zum Licht,
Zur Stadt, die uns allen Liebe verspricht!
Mein Herz ruft dir zu:
O Königin du,
Sei mir gegrüsst, du holdes Venezia!
Ich stehe träumend da, dir so nah!
Du holde Zauberin,
Spielst mit den Herzen,
So nimm sie hin!
Die Schmerzen
Sei'n dir verziehn!
Keiner kann dir entfliehn!
Die Menschen, sie flüstern dir zu,
Du holdes Venezia, du!
Du Wunder dort im Weltenraum,
Sei mir gegrüsst, sei mir gegrüsst!

(Ab in den Palast)


DREIZEHNTER AUFTRITT
(Herzog. Caramello. Die drei Senatoren)

▼CARAMELLO▲
(kommt aufgeregt gelaufen)
Der Herzog! Wo ist der Herzog?
(Er erblickt den wieder auftretenden Herzog und macht tiefe Bücklinge)

▼HERZOG▲
Nun, hast du Barbara gesprochen?

▼CARAMELLO▲
Nein, unmöglich der Mann ist zu Hause! Er geht ihr nicht von der Seite! Ein ekelhafter Kerl!
(Delacqua, Barbaruccio und Festaccio sind aus dem Hause gekommen)
Da kommt er ja!

▼DELACQUA▲
(bemerkt den Herzog, für sich)
Zum Teufel!
(Eilt zur Tür seines Hauses und sperrt sie ab)

▼CARAMELLO▲
(leise zum Herzog)
Er hat die Tür versperrt!

▼HERZOG▲
(lachend)
Ja, ich habe es gesehen!

▼DELACQUA▲
(sich verbeugend)
Hoheit!

▼BARBARUCCIO▲
(ebenso)
Hoheit!

▼TESTACCIO▲
(ebenso)
Hoheit!

▼HERZOG▲
Ich begrüsse Venedigs Senat in seinen würdigsten Vertretern! Heute abend beim Feste hoffe ich die Herren zu sehen!

▼DELACQUA, BARBARUCCIO, TESTACCIO▲
Gewiss, gewiss, gewiss!

▼HERZOG▲
(betonend)
Selbstverständlich erwarte ich Sie mit ihren Damen!

▼TESTACCIO▲
(leise zu Barbaruccio)
Und der Senatsbeschluss?

▼BARBARUCCIO▲
(stotternd)
Leider, Hoheit, ist meine Gattin verhindert

▼TESTACCIO▲
So wie die meine!

▼HERZOG▲
Und Signora Delacqua?

▼DELACQUA▲
(stotternd)
Auch meine Gattin kann nicht kommen… sie ist bei einer sterbenskranken Tante die einmal sterben wird … in Treviso!

▼BARBARUCCIO▲
(einfältig)
Sagtet Ihr nicht, in Murano?

▼DELACQUA ▲
(tritt Barbaruccio wütend auf den Fuss)
Nein! Nein! Treviso! Ihr habt schlecht gehört!

▼CARAMELLO▲
(leise zum Herzog)
Sie soll heute abend nach Murano in Sicherheit gebracht werden! Ich werde aber seinen Plan vereiteln!

▼HERZOG▲
Bravo! Bravo!
(Zu Delacqua)
Signora Delacqua ist also nicht in Venedig?

▼DELACQUA▲
(stotternd)
Nein… Sie ist nicht inwendig… in Venedig!

▼HERZOG▲
(lachend)
Also auf ein andermal, ihr Herren! Arrivederci!

▼CARAMELLO▲
(den Herzog kopierend)
Arrivederci!

▼BARBARUCCIO▲
Eine kleine Interpellation, Hoheit! Der Posten Eures Verwalters ist neu zu besetzen ich konkurriere darum…

▼TESTACCIO▲
Ich ebenfalls!

▼DELACQUA▲
Ich ebenfalls!

▼BARBARUCCIO▲
Also dieser Posten.

▼HERZOG▲
(fällt ihm ins Wort).
Ist noch nicht besetzt und wird demjenigen zuerkannt, der sich meine Gunst zu erringen weiss! Addio, Signori!
(Ab in den Palast)

▼DELACQUA, BARBARUCCIO, TESTACCIO▲
Es lebe der Herzog!

▼CARAMELLO▲
(gravitätisch, den Herzog parodierend)
Der Posten ist noch nicht besetzt und wird demjenigen zuerkannt, der sich meine Gunst zu erringen weiss!

▼DELACQUA▲
Frecher Schlingel!

▼CARAMELLO▲
(weitersprechend)
… hat der Herzog gesagt! Meine Herren, dieser Posten ist noch frei!
(Zeigt auf den Makkaroniofen, drückt Delacqua Makkaroni in die Hand und eilt dann in den Palast ab)

▼DELACQUA▲
(wirft ihm zornig die Makkaroni nach)
Ich protestiere gegen eine solche Behandlung!

(Barbaruccio und Testaccio gehen ab)


VIERZEHNTER AUFTRITT
(Barbara. Delacqua. Pappacoda)

▼DELACQUA▲
(zu Pappacoda, der rückwärts aufgetreten ist)
Pappacoda, hast du gehört, was der Herzog gesagt hat?

▼PAPPACODA▲
(während er die Makkaroni aufhebt und in den Ofen wirft, ohne Interesse)
Jawohl, er hat ja laut genug gesprochen!

▼DELACQUA▲
Er hat gesagt: "Der Posten wird dem zuerkannt, der sich meine Gunst zu erwerben weiss!"

▼PAPPACODA▲
Ihre Gunst?

▼DELACQUA▲
Seine Gunst! Das bezieht sich auf den Herzog! Das ganze bezieht sich auf Barbara, meine Frau, bezieht sich auf das Fest! Verstehst du?

▼PAPPACODA▲
Nein, aber auf jeden Fall, es bezieht sich!

▼DELACQUA▲
Was mache ich denn nur?

▼PAPPACODA▲
Das weiss ich nicht - das geht mich auch nichts an!

▼DELACQUA▲
Der Herzog hat meine Frau nie gesehen … Wie wäre es, wenn ich ihm eine falsche Barbara vorstellen würde?

▼PAPPACODA▲
Eine Gemeinheit!

▼DELACQUA▲
(empört)
Frecher Geselle, mach dass du weiterkommst!
(Während Pappacoda seinen Makkaroniofen zusammenräumt und fortträgt)
Ja, das ist eine famose Idee … aber erst die richtige Barbara in Sicherheit gebracht!
(Ruft zum Balkon)
Barbara! Barbara! Weibchen!

(Barbara erscheint auf dem Balkon)

▼BARBARA▲
(mit gespielter Zärtlichkeit)
Ja, mein geliebtes Männchen?

▼DELACQUA▲
(ebenso)
Mein Schätzchen, nimm dein Reisetäschchen, dein Kapüzchen, nimm ein Lärvchen vor…

▼BARBARA▲
(betreten)
Schon jetzt? Es ist doch noch Zeit!

▼DELACQUA▲
Du fährst doch gern nach Murano zu Tantchen ins Klösterchen?

▼BARBARA▲
(wie oben)
Gewiss, gewiss!

▼DELACQUA▲
Recht so, mein Herzchen, beeile dich nur! Das Gondelchen wird gleich da sein! Leb wohl, mein Herzchen!
(Eilt ab)

▼BARBARA▲
(blickt nervös suchend umher)
Wo nur Annina bleibt?
(Erblickt Annina hinter der Szene, ruft)
Annina! Annina!


FÜNFZEHNTER AUFTRITT
(Annina. Barbara).

▼ANNINA▲
(kommt atemlos über die Brücke, trägt in einem Tuch einen Domino aus roter Seide)
Ich komme ja schon! Ich lief bis zum Arsenal, wo Enrico eben seine Freunde zur Serenade für deinen verehrten Herrn Gemahl drillt! Einen Domino habe ich dir auch mitgebracht!
(Zeigt den Domino)
Rot die Farbe der Liebe! Ist die Luft rein?

▼BARBARA▲
Ja, komm rasch!

▼ANNINA▲
(will in das Haus)
Es ist ja zugesperrt!

▼BARBARA▲
Warte… da hast du das Schlüsselchen!
(Wirft einen sehr grossen Schlüssel vom Balkon herab)
Jetzt komm nur rasch!
(Verschwindet)

▼ANNINA▲
Ich komme schon!
(Sperrt das Haustor auf und eilt ab)


SECHZEHNTER AUFTRITT
(Caramello. Herzog)

▼HERZOG▲
(hat einen grossen Mantel umgeworfen, kommt lachend mit Caramello)
Deine Idee ist ausgezeichnet! Und bist du des Gondoliere sicher?

▼CARAMELLO▲
(in einem gestreiften Mantel, mit einem grossen Schlapphut)
Ich bestach ihn mit zehn Zechinen!

▼HERZOG▲
Zehn Zechinen? Ist das nicht zu wenig?

▼CARAMELLO▲
Ich habe ihm so nur acht gegeben! In der Gondel, welche Deiacqua mietet, in der die schöne Barbara entführt werden soll, werde also ich den Gondoliere spielen.

▼HERZOG▲
Ausgezeichnet!

▼CARAMELLO▲
Natürlich werde ich Signora Barbara in den Kanälen nur etwas spazieren führen, um sie schliesslich von der Wasserseite aus in den Palast Eurer Hoheit zu bringen.

▼HERZOG▲
(reibt sich vergnügt die Hände)
Famos! Wenn sie so schön ist, wie sie im vergangenen Jahr geistreich war als Maske, so ist dein Glück gemacht! Nun ans Werk!
(Caramello will ab)
Halt! Wie wird Signora Barbara deine Gondel erkennen?

▼CARAMELLO▲
Das alte Lied
(singend)
Komm in die Gondel, mein Liebchen! O steige nur ein das ist das verabredete Zeichen!

▼HERZOG▲
Gut! Gut! Jetzt mach, dass du fortkommst!

(Caramello geht ab)


SIEBZEHNTER AUFTRITT

Nr. 7 - Finale

(Der Herzog. Dann Barbara und Annina. Später Pappacoda und Ciboletta)

▼HERZOG▲
(allein)
Hier ward es still
Benützen will Ich diesen Augenblick
Ich locke sie mit Melodie,
Vielleicht lacht mir das Glück!

Der Mond hat schwere Klag' erhoben
Und vor Gericht es kundgemacht:
Er will nicht länger stehn da droben
Du hast ihn um den Glanz gebracht!
Als er die Sterne jüngst gezählt,
Hat's an der vollen Zahl gefehlt!
Ja, zwei der schönsten nahmst du fort,
Es sind die beiden Augen dort!
(Annina und Barbara erscheinen am Balkon; der Herzog versteckt sich. Herzog für sich)
Dort regt sich's schon Auf dem Balkon!

▼BARBARA▲
(leise zu Annina)
Den Domino gib mir!

(Annina gibt ihr den roten Domino)

▼HERZOG▲
Bei meiner Treu, Das scheinen zwei!

▼ANNINA▲
(leise)
Nur schnell, bald ist er hier!

▼BARBARA▲
(ebenso)
Horch! Wer schleicht da herum?

▼HERZOG▲
(zum Balkon)
Pst! Pst! Pst! Pst!

▼ANNINA▲
(leise)
Einerlei, wir bleiben stumm,
Bis aus der Gondel das Lied erklingt!

▼HERZOG▲
Sie zaudert, doch List bald den Sieg erringt!
Sei mir willkommen Du holde Nacht!
Zum Herzenstehlen Wie gemacht!
Bin zwar kein Räuber, Bin kein Dieb,
Zum Herzenstehlen Treibt mich die Lieb'!

(Pappacoda und Ciboletta kommen von rückwärts, tragen zwei Bündel)

▼ANNINA, BARBARA▲
Schon rückt sie näher, Die holde Nacht!
Unser Beginnen Weckt nicht Verdacht!

▼ANNINA▲
Ich lass entführen mich, Ihr zulieb!
Ihrer indessen harrt schon ein Dieb!

▼BARBARA▲
Sie lässt entführen sich!
Mir zulieb harrt schon ein Dieb!

▼PAPPACODA▲
Schon rückt sie näher, Die holde Nacht,
Drum auf mein Zeichen Habe wohl acht!

▼CIBOLETTA▲
Komm, Pappacoda, Du Herzensdieb,
Ich spitz die Ohren, Dein Zeichen gib!

▼PAPPACODA▲
Hast du mir ein Kostüm gebracht?
Für unsre heutige Faschingsnacht?

▼CIBOLETTA▲
Von meinem Herren brachte ich
Dies alte Staatskleid mit für dich!

▼HERZOG▲
Mit Vorsicht jetzt hinausgeblickt,
Ob uns das Abenteuer glückt!

▼ANNINA, BARBARA, PAPPACODA, CIBOLETTA, HERZOG▲
Mit Vorsicht jetzt hinausgeblickt,
Ob uns das Abenteuer glückt!

(Alle ziehen sich zurück. Delacqua eilt von links über die Szene zu seinem Hause, schliesst auf und verschwindet darin)

▼CARAMELLO▲
(hinter der Szene)
Hoaho! Hoaho!

▼HERZOG▲
's ist Caramello Als Gondolier!
Ich hör sein Singen Schon in der Näh'!

(Zieht sich wieder zurück)


ACHTZEHNTER AUFTRITT
(Caramello)

▼CARAMELLO▲
(fährt in einer Gondel ans Ufer, steigt aus und singt, dem Balkon zugewandt)

Komm in die Gondel, mein Liebchen!
O steige nur ein,
Allzu lang schon fahr ich trauernd so ganz allein!
Hab ich an Bord dich, dann stosse ich freudig vom Land,
Führe eilig dich hinüber zum schönen Strand,
Der dort lockend winkt,
Fern im Mondlicht blinkt;
Wo uns deckt Dunkel der Nacht,
Wo kein Späherauge wacht!
Dort sollst du mir sagen
Ein süsses beglückendes Wort!
Sehnsüchtig Klagen
Findet Erhörung dort!
Hoaho! Hoaho!


NEUNZEHNTER AUFTRITT
(Delacqua. Annina. Caramello. Herzog)

(Delacqua, mit einer grossen brennenden Laterne in der Hand, führt die sorgsam verhüllte Annina, die er für seine Frau hält, aus dem Haus)

▼DELACQUA▲
Komm nur, liebes Kind!

▼ANNINA▲
Mir ist so bang!

(Der Herzog tritt aus dem Dunkel und beobachtet genau den Vorgang; dann zieht er sich aufs neue zurück)

▼DELACQUA▲
Nach Murano, liebes Kind,
Trägt die Gondel dich geschwind;
Steig nur ein, lebe wohl,
Bis von dort ich dich hol!

(Er führt Annina zu dem an der Gondel harrenden Caramello. Im selben Augenblick stürzen Ciboletta und Pappacoda zu Delacqua, packen ihn von beiden Seiten und drängen ihn tanzend nach vorne)


ZWANZIGSTER AUFTRITT
(Vorige. Pappacoda. Ciboletta)

▼PAPPACODA▲
Messer Delacqua!

▼CIBOLETTA▲
Messer Delacqua!

▼PAPPACODA▲
Was soll das heissen?

▼CIBOLETTA▲
Jetzt Euch entfernen?

▼PAPPACODA▲
Seht sie dort kommen…

▼CIBOLETTA▲
Mit den Laternen

▼PAPPACODA▲
Die Serenade…

▼CIBOLETTA▲
Euch zu Ehren!

▼PAPPACODA▲
's wär' doch schade

▼CIBOLETTA▲
Sie nicht zu hören.

▼PAPPACODA, CIBOLETTA▲
(drängen ihn zu seiner Tür)
Hinein! Hinein!
Ihr könnt Euch freun!

▼DELACQUA▲
(zu Annina)
Leb wohl, es muss sein!
(Annina winkt ihm stumm)
Du sagst gar kein Wort?
(Will zu ihr)

▼PAPPACODA, CIBOLETTA▲
(halten ihn fest).
Sie kommen schon dort!

▼DELACQUA▲
Wohlan denn, hinein!
(Ab)

▼PAPPACODA, CIBOLETTA▲
Hinein! Hinein!
Ihr könnt Euch freun!

▼HERZOG▲
Hinein! Hinein!
Du kannst dich freun!
Bald soll sie bei mir
In Sicherheit sein!
(Verschwindet im Palast)

▼CARAMELLO▲
(fährt mit Annina fort).
Hoaho! Hoaho!


EINUNDZWANZIGSTER AUFTRITT
(Vorige, ohne Caramello und Annina. Dann Enrico. Matrosen. Schiffsjungen. Volk. Zuletzt Barbara)

(Matrosen und Schiffsjungen, von Enrico geführt, kommen von rechts rückwärts in einem Zuge tanzend vor Delacquas Haus und stellen sich dem Balkon gegenüber. Die Schiffsjungen haben bunte Laternen, die Matrosen haben Mandolinen usw. Von allen Seiten drängt sich Volk hinzu.)

▼VOLK▲
Schnell zur Serenade!

CHOR der MATROSEN und SCHIFFSJUNGEN
Du, den wir hochverehren,
Bist morgen sechzig Jahr'!
Du wurdest grau in Ehren
Du seltnes Exemplar!
Oft konnt'st du Ruhm dir holen,
Und hast es nicht getan;
Dass Herzen du gestohlen,
Man nicht behaupten kann!
Dies Lied sei dir empfohlen,
Hab die Gnad' und hör es an!

1
Mit der Würde, die dir eigen,
Hüllst du weise dich in Schweigen;
Andre schwatzen, du bleibst stumm da,
O Delacqua qua qua qua qua!
Wenn die andern debattieren,
Opponieren, sich blamieren,
Sagst du gar nichts oder nickst:
"Ja!' O Delacqua qua qua qua qua!
Deine grössten Gedanken,
Du hältst sie in Schranken,
In sicherem Verschluss,
Du bist ein Pfiffikus!
Solche Perlen des Geistes
Sind kostbar, du weisst es,
Du trägst sie versteckt,
Wo sie kein Mensch entdeckt!
Vivat!

(Delacqua am Balkon seines Hauses, verneigt sich, ringt nach Worten)

2.
Güt'ger Himmel, sei uns gnädig,
In dem Rate von Venedig
Lass ihn sitzen noch recht lang da,
Den Delacqua qua qua qua qua!
Was die Rechte sich wohl dachte,
Was die Linke sich wohl dünke,
Selbst das Zentrum geht ihm nicht nah,
Dem Delacqua quaqua quaqua!
Wie im Rat du gesessen,
Kann niemand vergessen,
Der je dich dort sah,
Heil Delacqua qua qua!
Drum bald lauter, bald leiser
Ertönt's, bis wir heiser,
Bald fern und bald nah:
Heil Delacqua qua qua!
Vivat!

DELACQUA
(gerührt)
Signori, Ihre Huldigung ehrt mich wie schade, dass meine Frau nicht zu Hause ist! Tausend Dank!
(Windet sein Taschentuch aus, wovon Pappacoda, der unter dem Balkon steht, ganz nass wird; dann ab ins Haus)

(Barbara, im roten Domino, ist inzwischen aus der Haustür getreten, wird von Enrico begrüsst und, von Laternenträgern gedeckt, durch den Schwibbogen fortgeführt.)

CHOR
Herrlicher Spass!
Er ist ganz enchantiert!
Eilet, dass den Moment ihr nicht verliert
Schnell, macht euch fort, noch eh' er die Sache spürt!

CARAMELLO
(hinter der Szene)
Hoaho! Hoaho!

CHOR
Nur stille und lauschet! Die Gondel, sie rauschet, Es tönet der Gesang!

CARAMELLO
(wie oben)
Kaum dass mein Liebchen
Die schaukelnde Gondel entführt,
Hat auch bald sich's umfangen vom Schlaf gespürt!
Schwankende Wogen, sie lullen leise dich ein
Und mein Lied klingt dir süss in den Traum hinein!
Hoaho! Hoaho!

CHOR
(hat sich zum Ufer gewendet)
Aus den Gondeln holde Sänge,
Von Balkonen Liebeslieder!
Herzbestrickend hallt es wider,
Übet Zaubermacht!
Kosen und Lauschen
Bei flüsterndem Rauschen In Mondstrahles Pracht
Das ist Venedigs Nacht!

(Bei den letzten Takten hat sich der Chor ganz leise zurückgezogen. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer. Das Licht des eben aufgegangenen Monds beleuchtet die Szene. Caramello fährt, mit der schlafenden Annina in der Gondel, vorbei und sieht sich lachend nach dem Hause Delacquas um.)

(Der Vorhang fällt langsam)
Ouvertüre

ERSTER AKT
Platz am Canal grande mit Blick auf die Dogana (Santa Maria della Salute) und die Insel San Giorgio. Rechts vorne das in romanischem Stil gehaltene Haus Delacquas, dahinter, unmittelbar am Kanal, ein zweites Haus. Links vorne ein torartiger Schwibbogen; an diesen anschliessend der rückwärtige Teil des Palazzo Urbino (in maurischem Stil). Es wird angenommen, dass die Vorderfronten des Palazzo und des Hauses zur Rechten gegen den Kanal zu liegen, so dass auf dem Platz nur die Rückseiten der Gebäude sichtbar sind. Links, hart an dem Schwibbogen, steht der primitive Stand des Pappacoda: ein kleines, zerlumptes Zelt, darunter der mit Kohlenfeuer geschürte Makkaronikessel; daneben ein kleines Tischchen, auf dem ineinandergeschichtete Schüsseln liegen. Im Kanal sieht man manchmal eine Gondel vorbeifahren. Rechts am Ufer liegt eine Barke.


ERSTER AUFTRITT
Peppino, Volk, Schiffer, Orientalen, Mönche, Gondolieri, Soldaten, Matrosen, Händler aller Art. Dann Pappacoda, zuletzt Annina.

Wenn der Vorhang aufgeht, herrscht reges Volksleben. Es ist Feierabend. Über der Szene liegt gelblichrotes Licht, wie es der Dämmerung vorangeht. Am Ufer des Kanals legt eine Gondel an, welcher eine Dame entsteigt, die Einkäufe macht und dann weiterfährt. Aus der Barke, die am Ufer liegt, wird Holz geladen. Um Pappacodas Stand stehen und sitzen einige zerlumpte Gesellen, die Makkaroni essen. Peppino, ein kleiner, schmieriger Junge, bedient sie. Der heiter auftretende Pappacoda ist ein junger Neapolitaner: in seinem Äusseren halb Lazzaroni, halb Koch; er hat krauses Haar, braunen Teint, trägt Ohrringe und um den Hals ein Amulett, ist sehr geschwätzig und gestikuliert aufs lebhafteste.


Nr. 1 - Introduktion

ALLGEMEINER CHOR
Wenn vom Lido sacht
Wieder Kühlung weht,
Wenn der Sonne Macht Schon zur Neige geht,
Dann strömet die Menge
In buntem Gedränge
Durch Plätze und Strassen,
Kanäle und Gassen;
Die Ufer, die Brücken
Gefüllt zum Erdrücken;
Ein Hasten, ein Laufen
Zum Kaufen, Verkaufen!
In zahllosen Weisen
Hört Waren man preisen!

STIMMEN DER VERKÄUFER
(durcheinander)

FISCHWEIB
Pesci, pesci freschi!

BLUMENMÄDCHEN
Qua la bella pianta!

OBSTVERKÄUFER
Rosse, rosse le angurie!

WASSERTRÄGER
Acqua, acqua dolce!

BOHNENHÄNDLER
Favetta, favetta!

TOPFENHÄNDLERIN
Puina, puina!

ALLGEMEINER CHOR
Welch ein Leben, welch Regen,
Welch munteres Bewegen!
Aus Gondeln die Lieder!
Vom Ufer hallt's wider
In jubelnden Sängen,
In schmetternden Klängen
Tönt es: Heil dir, heil Venezia!
Heil dir, Königin der Adria!

PAPPACODA
Signori, prego, hört, Was Pappacoda wert!
Ihr habt wohl manches Schöne hier,
Doch ohne mich, was wäret ihr?!

CHOR
Was sagt er? O hört doch! Kommet heran!
Hört den Neapolitaner an!

PAPPACODA
Kommet heran, hört mich an!

1
Ihr habet euren Markuspiatz,
Daneben die Piazzetta,
Die Rialtobriicke dann,
Die Merceria, die Loggetta!
Ihr habt des Dogen Prachtpalast,
Den schlanken Campanile,
Der Kanäle süssen Duft,
Und habt der Riva Abendkühle.
Nur eines hat gefehlt noch
Bisher euch immer hier:
Ein echter Makkaronikodi
Den habt ihr nun in mir, ja hier in mir!
Pappacoda in Person
Hat nach Venedig sich gewandt,
Erzeugt für euch die Makkaron'
Mit seiner kunstgeübten Hand!
Tanzend Tia, tia, tia, tia!
Drum sei glücklich, sei selig, Venezia!
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!

CHOR
ebenso
Sei glücklich, sei selig, Venezia!
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!

PAPPACODA
2
Preis ihm, der diese Welt
So trefflich schuf nach allen Seiten,
Er schuf Erd' und Himmelszelt,
Schuf Wolken, die vorübergleiten,
Die Vögel, das Insektenheer,
Den Walfisch, die Harpune,
Schuf auch diese Stadt im Meer
Und schuf die sandige Lagune!
Schuf Sonnenschein und Mondlicht
Und schuf zuletzt auch mich!
Nur Makkaroni schuf er nicht,
Denn diese schaff nur ich!
Die schaff nur ich!
Pappacoda in Person
Hat nach Venedig sich gewandt,
Erzeugt für euch die Makkaron'
Mit seiner kunstgeübten Hand!
Tanzend Tia, tia, tia, tia!
Drum sei glücklich, sei selig, Venezia,
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!

CHOR
ebenso
Sei glücklich, sei selig, Venezia!
Pappacoda, Pappacoda, Pappacoda ist da!


ZWEITER AUFTRITT
Vorige. Enrico Piselli

PAPPACODA
ausrufend
Maccheroni, Maccheroni di Napoli! Maccheroni con sugo!
Einen Denar die Schüssel! Makkaroni, so lang wie der Canal grande, mit soviel Käse wie Sand am Lido!
Makkaroni, Signori, Makkaroni!

Einige Personen treten an den Stand

ENRICO
der, in einen Mantel gehüllt, schon vorher geheimnisvoll von rechts auftrat und das Haus Delacquas fixierte, halblaut.
Pappacoda!
Stärker
Pappacoda!

PAPPACODA
Oh, Signor Piselli!
Stürzt zu ihm.
Befehlen?

ENRICO
Mein Onkel zuhause?

PAPPACODA
Signor Delacqua? Nein. Der Senat hat heute Sitzung. Der Onkel sitzt mit.

ENRICO
Wirklich? Dann will ich meine Tante besuchen!
Will ins Haus

PAPPACODA
Man soll nie jemand besuchen, der nicht zuhause ist! Signora Delacqua ist mit Ciboletta zur Vesper nach San Marco.

ENRICO
Wie unangenehm! Pappacoda, kannst du schweigen?

PAPPACODA
Oh, Signor, eher schwatzt der Löwenrachen vor dem Dogenpalast als ich!

ENRICO
Nun denn, nimm diesen Scudo!

PAPPACODA
Ein Scudo?! Das ist gut, oh! Welche Schandtat soll ich begehen für diese Riesensumme?

ENRICO
Lass meiner Tante ein Briefchen zukommen!

PAPPACODA
Sonst nichts?

ENRICO
Nein. Aber mein Onkel darf nichts davon wissen - du begreifst?

PAPPACODA
Vollkommen!

ENRICO
Morgen ist Delacquas Geburtstag, es betrifft - eine Überraschung!

PAPPACODA
Für den Onkel? Verstehe vollkommen. Eine Überraschung!

ENRICO
Sage Signora Barbara, für heute abend bliebe es bei neun Uhr!

PAPPACODA
der nicht versteht
Aha! Für heute abend bleibt es bei…

ENRICO
ungeduldig
Neun Uhr! Ich verlasse mich auf dich, Pappacoda! Und zu keinem Menschen ein Wort!

PAPPACODA
Zu keinem Menschen ein Wort!

Enrico geht langsam nach rechts ab

ALLE
zu Pappacoda, der tiefe Bücklinge macht.
Was hat er denn? Was machst du denn?

PAPPACODA
Ich freue mich! Ich bin gerührt! Wenn man sieht, wie liebevoll dieser junge Neffe mit seiner jungen Tante eine Überraschung plant für den zuwideren Onkel für neun Uhr am Vorabend seines Geburtstags!
Das geht einem förmlich zu Herzen! Braver Jüngling! Charmante Tante!
Mit der Geste des Gehörntwerdens
Beneidenswerter Onkel! Feine Familie!


DRITTER AUFTRITT
Vorige. Annina

Annina, ein Fischermädchen, geschmückt mit Korallen und Muscheln aller Art, ein mit Frutti di mare gefülltes Netz über der Schulter tragend, entsteigt einer rückwärts anlegenden Barke


Nr. 2 - Auftrittslied Anninas, mit Chor

ALLE
Seht, o seht!

ANNINA
Frutti di mare! Frutti di mare!
Kommt und kauft Frischeste Ware!

ALLE
Seht, Annina legt dort an,
Die immer, wenn sie Fische bringt,
Uns neue Lieder singt!
Stille, stille, hört sie an!

ANNINA
nach vorne kommend
1
Ich kam von Chioggia
Zu euch übers Meer
Und brachte die Barke
Mit Fischen da her!
Heut biet ich euch Austern,
So saftig und frisch,
Crevetten und Muscheln,
Das Feinste zu Tisch!
Frutti di mare! Frutti di mare!
Kommt und kauft
Frischeste Ware!

ALLE
Kauft, kauft!

ANNINA
2
Das Fischlein im Netze
Kann nicht mehr heraus,
Die Auster verkriecht sich
Und schliesset ihr Haus.
Die Fische, die fängt man,
Die Fische sind stumm,
Die Auster, die schluckt man,
Die Auster ist dumm!
Frutti di mare! Frutti di mare!
Kommt und kauft
Frischeste Ware!

ALLE
Kauft, kauft!

Annina legt ihr Netz und einen Korb voll Austern auf die Bank vor Delacquas Haus

PAPPACODA
Ah, schöne Annina! Also Frutti di mare?

ANNINA
Ja! Signor Pappacoda, wollt Ihr ein paar Austern schlürfen?

PAPPACODA
Aus Eurer Hand mit Haut und Haaren!

ANNINA
öffnet gewandt mit einem vom Gürtel herab hängenden Messer einige Austern
Also, da habt Ihr!

PAPPACODA
essend
Oh, delikat! Aber apropos Haare! Ich errate, was Euch herführt! Ihr seid wegen Caramello da, dem Leibbarbier des Herzogs von Urbino, der heute mit seinem Herrn hier ankommt.
Da steht der Palast des Herzogs!
Deutet auf den Palazzo Urbino

ANNINA
Ihr irrt Euch, Pappacoda ich bringe Barbara Delacqua, meiner Milchschwester, Fische!
Von dem Leibbarbier will ich nichts wissen.

PAPPACODA
Wie? So sprecht Ihr von Caramello, der Euch verehrt anbetet?

ANNINA
Ein Tunichtgut ist er… ein Ungeheuer ein …ein…

PAPPACODA
Also, mit einem Wort, Ihr liebt ihn noch immer!

ANNINA
Ach, sprecht mir nicht mehr von ihm! Sagt mir lieber, wie Ihr mit Ciboletta steht, der hübschen Zofe von Signora Delacqua?

PAPPACODA
presst ihre Hand auf sein Herz
Spürt Ihr, wie es da klopft, wenn ich diesen Balkon betrachte?
Blickt auf Delacquas Balkon
Wisst Ihr, was dieses Klopfen bedeutet, wenn ich zu diesem Balkon hinaufblicke?
Habt Ihr eine Ahnung, was dieser Klopfbalkon mir…

ANNINA
hat nach links geblickt
Still! Da kommt ihre Herrin!


VIERTER AUFTRITT
Vorige. Barbara Delacqua.

ANNINA
eilt auf Barbara, die von links kommt, zu
Barbara!

BARBARA
Annina! Ach, wie schön von dir, dass du gekommen bist!

PAPPACODA
mit einem Kratzfuss
Meinen Respekt, Signora!

BARBARA
Grüss Euch, Pappacoda!
Geht an ihm vorbei, will zu Annina

PAPPACODA
räuspert sich, dann leise zu Barbara
Signora Barbara, auf ein Wort!
Barbara bleibt stehen
Signor Enrico Piselli …

BARBARA
schnell
Mein Neffe? Was ist's mit ihm?

PAPPACODA
… gab mir diesen Brief für seine schöne Tante.

BARBARA
Gebt her!
Liest verstohlen den Brief

PAPPACODA
ironisch
Er meinte, es handle sich um eine Überraschung für hochdero Gemahl.

BARBARA
verwirrt
Ja, ja, in der Tat … eine Überraschung… zu Delacquas Geburtstag!

PAPPACODA
lauter
Und es bliebe, wie verabredet, bei heute abend, punkt neun Uhr!

BARBARA
Pst! Schreit doch nicht so!
leise
Es handelt sich doch um eine Überraschung!

PAPPACODA
Ja, richtig, um eine Uberraschung!

ANNINA
Nun, Barbara!

BARBARA
Gleich, gleich!
Will zu ihr, bleibt stehen
Pappacoda! Sagt Ciboletta, sie solle mir melden, wenn mein Mann aus der Sitzung heimkommt!
Für Eure Botschaft besten Dank. Da, nehmt und schweigt!
Gibt ihm ein Geldstück
Jetzt komm, Annina, ich habe eine dringende Bitte an dich! Addio, Pappacoda!
Mit Annina ab

PAPPACODA
Addio, Signora, addio! Zwei Scudi! Einer von dem Neffen, einer von der Tante, Jetzt fehlt nur noch einer von dem zuwideren Onkel! Doch, wo steckt Ciboletta?
Ruft
Ciboletta!


FÜNFTER AUFTRITT
Vorige. Ciboletta.

CIBOLETTA
hinter der Szene
Ich komme schon!
Sie tritt nach rückwärts gehend auf und ruft, heftig gestikulierend, in die Kulisse zurück
Addio, addio, Giovannina! Auf morgen! Hoppla!
Sie stösst an Peppino, der eben mit einer Schüssel Makkaroni hantiert, stolpert, fällt mit der Schüssel zugleich zu Boden, bleibt sitzen und macht ein dummes Gesicht
Bin schon da!

PAPPACODA
hilft ihr auf
Wo warst du denn, mein Dummerl?

CIBOLETTA
In der Vesper!

PAPPACODA
Hast du gebetet, dass du ein recht gescheites Mädel wirst?

CIBOLETTA
Mein Gott, bei mir hilft ja doch nichts!

PAPPACODA
Aber was hast du denn in der Kirche gemacht, wenn du nicht gebetet hast?

CIBOLETTA
Ich hab recht bitterlich geweint weil ich in diesem Karneval noch nicht ein einziges Mal getanzt habe!

PAPPACODA
Geweint hast du? Geweint wegen Tanzen? Und so was liebt ein Mann wie ich!

CIBOLETTA
Ja liebst du mich denn wirklich?

PAPPACODA
Freilich liebe ich dich - und du - liebst du mich?

CIBOLETTA
Lieben? Was ist denn das?

PAPPACODA
Nun, wenn die da … den da … so recht von Herzen … na, du verstehst ja!
Ciboletta schüttelt verneinend den Kopf; er spricht mit komischen Gesten weiter
Also wenn der da … die da… so recht innig, leidenschaftlich …
drückt sie an sich
verstehst du?

CIBOLETTA
nickt.
Mhm! Aber wenn die da … den da … und der da … die da … liebt, so meine ich, sollten die da und der da ein Paar werden und - heiraten!

PAPPACODA
Heiraten?

CIBOLETTA
Freilich!

PAPPACODA
Also gut, wir heiraten, sobald ich den Platz als Herrschaftskoch habe, den ich noch immer vergebens suche.
Aber sind wir einmal Mann und Frau, dann nimm dir nicht etwa ein Beispiel an deiner Herrin, die ihren Mann mit seinem Neffen betrügt!

CIBOLETTA
Ja, hast du denn einen Neffen?

PAPPACODA
Nein!

CIBOLETTA
Ich auch nicht. Mit wem soll ich dich dann betrügen?

PAPPACODA
zum Publikum
Gott, ist die dumm!

CIBOLETTA
Wenn ich so dumm bin - weshalb willst du mich denn dann heiraten?

PAPPACODA
Eben deshalb! Eben deshalb!

CIBOLETTA
Was? Nur deshalb? Ich hab fein noch andere Sachen, die mich begehrenswert machen!

PAPPACODA
drückt sie an sich
Das glaub ich - und was für Sachen du hast!

CIBOLETTA
reisst sich los
Lass mich, zwischen uns ist es aus!

PAPPACODA
Aber Ciboletta!

CIBOLETTA
Ich lass mir nicht immer sagen, dass ich dumm bin!

PAPPACODA
Aber Ciboletta!

CIBOLETTA
schreiend.
Schluss!

PAPPACODA
Aber Cibo…

CIBOLETTA
Schluss!

PAPPACODA
Aber Ci…


Nr. 3 - Duett

CIBOLETTA
Heiraten, ja, das würd' mich freun, Heiraten soll sehr lustig sein!

PAPPACODA
Nur wenn man eine Stellung hat! Von Lieb' allein wird man nicht satt! Und kurz - es geht noch nicht!

CIBOLETTA
Warum?

PAPPACODA
Warum? Die Frag' ist zu dumm!

CIBOLETTA
beleidigt
Zu dumm? Zu dumm?

PAPPACODA
Zu dumm! Zu dumm!

CIBOLETTA
Nun denn, du kluger Mann, So hör mich einmal an!

PAPPACODA
gesprochen
Was wird da herauskommen?

CIBOLETTA
's ist wahr, ich bin nicht allzu klug,
Doch wär' ich, sollt' ich denken,
Als deine Frau schon klug genug,
Ich werde dir nichts schenken!
Wir beide gäben wohl ein Paar,
Ich nähm' dich mit Vergnügen
Doch willst du nicht nun denn, fürwahr,
So werd ich mich drein fügen
Und bald 'nen andern kriegen!
Ja ja! Da sorg ich mich nicht drum!
Ziehst du mich gar zu lang herum,
So mach ich kurz "Linksum"!
Halt mich nur nicht für gar so dumm!

PAPPACODA
Sei nur nicht bös gleich drum
Ich seh, du bist nicht gar so dumm,
Bist weder dumm noch stumm,
Doch nimm nur nicht gleich alles krumm!

CIBOLETTA
Du bist ein Mann, bist sehr gescheit
Und willst mir imponieren;
Doch lass ich mich nur kurze Zeit
So bei der Nase führen.
Die Mutter hat mich's schon gelehrt:
"Trau keinem! Du wirst betrogen!
Denn was ein Mann dir zehnmal schwört,
Ist elfmal schon erlogen!"
Dies Wort ist wohl erwogen!
Drum frag ich jetzt: Warum
Ziehst du so lange mich herum?
Blieb' ferner ich noch stumm,
Da wär' ich wirklich gar zu dumm!

PAPPACODA
Sei nur nicht bös gleich drum
Ich seh, du bist nicht gar so dumm,
Bist weder dumm noch stumm,
Doch nimm nur nicht gleich alles krumm!
Beide tanzen nach rechts ab


SECHSTER AUFTRITT
Delacqua, Testaccio, Barbaruccio
drei gleich gekleidete, komisch wirkende ältere Männer,Volk im Hintergrund

BARBARUCCIO
Puh, das war eine stürmische Sitzung heute!

DELACQUA
Eure Rede gegen den Herzog von Urbino enthielt manches Wahre!

BARBARUCCIO
im Rednerton
Ich opponiere gegen jeden feierlichen Empfang des Herzogs, rief ich, "wir sind Republikaner und keine Tyrannenknechte!"

TESTACCIO
Der Herzog von Urbino ist gar kein Tyrann! Er ist ein lebenslustiger Herr, der alljährlich zum Karneval nach Venedig kommt und enorm viel Geld sitzen lässt.

DELACQUA
Viel Geld aber auch ebenso viele betrogene Weiber!

BARBARUCCIO
Er hat uns Räte mit unseren Frauen zu einem Feste geladen, das er heute gibt! Ich habe den Beschluss durchgesetzt, dass unsere Frauen dies Fest nicht besuchen werden!
Dass ich nicht gehe, versteht sich von selbst, denn ich sitze links - noch linkser als links!
Setzt sich links

TESTACCIO
Und ich gehe zum Fest! Denn ich sitze rechts noch rechtser als rechts!
Setzt sich rechts

BARBARUCCIO
Zu Delacqua
Und Ihr?

DELACQUA
Ich lasse mich sehen, begrüsse den Herzog und verlasse das Lokal!

BARBARUCCIO
Aber Ihr wisst doch, dass der Herzog Eurem jungen Weibe im vorigen Karneval auf Schritt und Tritt nachstellte?

DELACQUA
Er hat mein Weib nie gesehen, sie war maskiert!

BEIDE
Oh!

DELACQUA
Meine Frau wird heute durch einen sicheren Gondoliere zu meiner Base, der Abtissin, gebracht. In einer halben Stunde führt sie Francesco nach Murano hinüber. Dort wird Barbara vor den tollen Streichen des Herzogs in Sicherheit sein!

TESTACCIO
Guter Gedanke!

BARBARUCCIO
Ich an Eurer Stelle ginge nicht zum Feste!

DELACQUA
Warum nicht? Der Herzog hat im Venezianischen reiche Besitzungen; sein Verwalter ist kürzlich gestorben;
Der Posten soll neu besetzt werden; ich will mich darum bewerben.

BEIDE
erstaunt.
Ihr?

DELACQUA
Die Stelle trägt jährlich dreitausend Zechinen!

BEIDE
erstaunt
Dreitausend Zechinen?

DELACQUA
Ich bin kein reicher Mann und…

TESTACCIO
Hm, wenn es so ist, werde ich ebenfalls um den Posten konkurrieren!

DELACQUA, BARBARUCCIO
Ihr?

TESTACCIO
Auch ich bin kein reicher Mann und…

BARBARUCCIO
Hm, ich füge mich als überstimmt der Majorität und werde auch auf den Ball gehen.

DELACQUA, TESTACCIO
Ihr?

BARBARUCCIO
Um den Herzog wegen des Postens zu interpellieren!

DELACQUA
heftig
Oh, Ihr Wetterfahnen!

TESTACCIO
heftig
Und dieser Mann schreit fortwährend gegen Korruption!

BARBARUCCIO
heftig zu beiden
Wetterfahnen? Korruption? Was wollt Ihr damit sagen? Ich rufe zur Ordnung! Ich interpelliere Euch! Ich sitze links!

TESTACCIO
schreiend
Ich sitze rechts!

DELACQUA
schreiend
Und ich im Zentrum! Ich sage also: Friede! Friede! Trinkt ein Glas Wein bei mir!
Wir werden ja sehen, wer von uns die Verwalterstelle davonträgt!
Alle drei gehen in Delacquas Haus


SIEBENTER AUFTRITT
Volk. Centurio. Balbi. Diener. Dann Caramello. Gondolieri.

CENTURIO
ein Page, tritt mit Balbi und den anderen Dienern aus dem Palazzo Urbino
Schnell, schnell, ihr Leute, bald wird der Herzog hier sein! Hisst die Flaggen! Rollt diesen Teppich hier auf!
Die Diener rollen einen Laufteppich vom Palast zum Kanal. Centurio blickt nach rechts rückwärts
Da kommt schon eine Gondel mit Caramello, des Herzogs Leibbarbier! Da ist der Herzog auch nicht weit!

Caramello fährt in einer Gondel an, steigt aus


Nr. 4 - Auftrittslied Carame!Ios

CHOR
Evviva, Caramello! Des Herzogs Barbier! Er ist es, er ist es! Er kommt als Kurier!

CARAMELLO
ist ausgestiegen; mit karrikierter Würde sich in die Brust werfend
Willkommen, alte Freunde!
Gegrüsst seid alle mir!
Ja, staunet nur, betrachtet
Mich wie ein Wundertier!
In hoher Ehrenstellung
Seht ihr mich Wieder hier!
Ich bin zwar nicht der Herzog,
Doch bin ich sein Barbier!

CHOR
Evviva, Caramello!
Des Herzogs Barbier!

CARAMELLO
Der Herzog von Urbino
Ich sag's Euch con sordino
Er liebt die schönen Fraun,
Hat manche kleine Schwächen
Ich weiss davon zu sprechen,
Ich hab ja sein Vertraun!
Ich leb dort wie im Himmel,
Er nennt mich: "Tölpel! Lümmel!"
Das ist so seine Art!
Doch mir wird alles möglich,
Ich gehe ja tagtäglich
Dem Herzog um den Bart!
Mit der Geste des Einseifens
Er liebt den Scherz, das Lachen,
Er liebt die Pracht, den Glanz
Und andre gute Sachen,
Liebt Wein, Gesang und Tanz!
Und alle diese Dinge
Studiert' ich fleissig drum!
Die Müh' war nicht geringe,
Doch bracht' es mich nicht um!
Ich mag mich selbst nicht loben,
Doch geh ich gleich euch Proben
Von ein'gem, was ich kann,
Und mit mir rufet dann:
Hoch Caramello, die seltne Perl',
Er ist doch und bleibt doch ein ganzer Kerl!

CHOR
Hoch Caramello, die seltne Perl',
Er ist doch und bleibt doch ein ganzer Kerl!

CARAMELLO
gesprochen
He! Was steht ihr denn da und gafft? Es ist doch Karneval - tanzt doch! Tanzt!
Weitersingend mit Tanzbewegungen, in welche die Umstehenden allmählich übergehen
Eine neue Tarantelle
Zeig ich hier euch auf der Stelle!
Gebet acht, ihr lernt sie schnelle,
Auf dem Raume einer Elle!
Auf und nieder wie die Welle,
Hin und her wie die Libelle,
Blank und schnell wie die Sardelle,
Rasch und flink wie die Forelle!
Vorwärts bis zur Morgenhelle
Klinge Tamburin und Schelle
Immer stärker schwelle, schwelle!
Schlaget Löcher in die Felle,
Das ist alles Bagatelle!
Wer nicht singen kann, der belle,
Dass es in die Ohren gelle!
Dreht euch wie ein Karusselle,
Wie berauscht vom Götterquelle.
Schnelle! Schnelle! Schnelle!
Ja, Caramello, das ist ein ganzer Kerl!
Hoch soll er leben, Preis dieser Per!'!
Allgemeiner Tanz

ALLE
Caramello ist fürwahr ein ganzer Kerl,
Ein Kleinod, eine seltne Perl'!

Centurio und Balbi ziehen sich zurück


ACHTER AUFTRITT
Vorige. Pappacoda.

PAPPACODA
drängt sich durch die Menge, freudig die Arme ausbreitend.
Ca … Ca … Caramello!

CARAMELLO
ebenso
Pa … Pa … Pappacoda!

PAPPACODA
Lass dich umarmen!

CARAMELLO
Pappacoda, alter Makkaronikessei, wie geht es deinen Makkaroni?

PAPPACODA
Danke, gut! Wie geht es deinem alten Barbierpinsel? Ich muss dir etwas sagen! Ich habe Annina gesehen!

CARAMELLO
Wo ist sie?

PAPPACODA
Eben ging sie in Delacquas Haus!

CARAMELLO
Was macht denn der alte Delacqua?

PAPPACODA
Er ist eifersüchtiger denn je!

CARAMELLO
Und Barbara, sein schönes Weib?

PAPPACODA
Schöner denn je!

CARAMELLO
Das wird den Herzog freuen! Er schickt mich voraus, das Terrain zu sondieren!
Du weisst, im Vorjahr hat ihm der alte Delacqua die Geschichte verpatzt und er konnte die schöne Barbara nur maskiert sehen!

PAPPACODA
Und mir scheint, heuer will er dem Herzog wieder einen Strich durch die Rechnung machen, denn soviel ich weiss, soll Signora Delacqua nach Murano fahren!

CARAMELLO
Delacqua weiss, dass der Herzog der schönen Barbara nachsteigt?

PAPPACODA
Ja und er will sie in Sicherheit bringen. Schlag neun Uhr kommt Francesco mit der Gondel und singt als Zeichen das Lied.

CARAMELLO
Welches Lied?

PAPPACODA
Weiss ich's?

CARAMELLO
Ah, der Schlag muss pariert werden! Pappacoda, höre mich an! Schaffe mir sofort den Gondoliere Francesco her.
In der Gondel, die die schöne Barbara entführen soil, werde ich den Gondoliere spielen!

PAPPACODA
Ja, aber ich muss…

CARAMELLO
Halt jetzt deine Pappacoda und komm!

Zieht ihn rasch mit sich fort


NEUNTER AUFTRITT
Barbara. Annina.

BARBARA
kommt mit Annina aus dem Hause
Also, hast du mich verstanden?

ANNINA
Ich weiss, ich weiss, ich soll maskiert an deiner Steile nach Murano fahren, um neun Uhr wird Francesco kommen und das alte Lied singen: "Komm in die Gondel, mein Liebchen

BARBARA
blickt sich vorsichtig
Um Gotteswillen, still!

ANNINA
Aber, wozu denn das alles? Hast du ein Stelldichein?
Schelmisch lächelnd
Vielleicht mit Enrico?

BARBARA
Ja. Enrico und seine Freunde wollen meinem Manne ein Ständchen bringen und während des Tumults soll ich entwischen.

ANNINA
Du Glückliche!

BARBARA
Also willst du mir helfen?

ANNINA
Aber gerne!

BARBARA
Ich danke dir! Ich richte dir einstweilen den Domino her! Komm nicht zu spät!

ANNINA
Keine Angst!

Barbara geht ins Haus, Annina will ab


ZEHNTER AUFTRITT
Annina. Caramello.

Caramello kommt von links, bemerkt Annina und pfeift.
Annina blickt sich um, wendet sich aber sofort entrüstet ab.


CARAMELLO
Annina!

ANNINA
kalt.
Mein Herr?

CARAMELLO
Ja, was ist denn das für ein Empfang?
Will zu ihr

ANNINA
Halt! Komm mir nicht in die Nähe!

CARAMELLO
Was soll denn das heissen?

ANNINA
Das soll heissen: Strafe muss sein! Damit ist alles gesagt!
Vor einem Jahr war ich dein Alles, dein Täubchen von San Marco, dein Leckerbissen, dein Engel! Halunke! Und heuer?

CARAMELLO
Heuer kann ein Paar aus uns werden!

ANNINA
Das ist das sechste Heiratsversprechen, das du mir gibst…
Fünf hast du nicht gehalten… windiger Geselle!

CARAMELLO
Stürmisch, stürmisch vielleicht aber nicht windig!
Diesmal ist's Ernst. Wenn es glückt, werde ich Verwalter der venezianischen Güter meines Herzogs!

ANNINA
spöttisch
Die armen Güter!

CARAMELLO
Die armen Güter?
Tritt ganz nahe zu ihr
Und wenn ich eine schöne Verwalterin zur Seite hätte
macht die Geste des Stehlens
die mir verwalten hilft?!

ANNINA
Meinst du mich?

CARAMELLO
Freilich! Seien wir doch wieder gut!

ANNINA
Nein!


Nr. 5 - Duett

CARAMELLO
Annina!

ANNINA
Caramello!

CARAMELLO
Du fliegst nicht in meinen Arm?

ANNINA
Ich fliegen? Nein, mein Lieber!

CARAMELLO
Einst liebtest du mich treu und warm!

ANNINA
Die Zeiten sind vorüber!

CARAMELLO
Und nicht ein Küsschen zum Empfang? Ist das die Liebe unermessen?

ANNINA
Du liessest Zeit dir gar zu lang,
Da hab ich auf die Lieb' vergessen!
Ach! Als meine Barke
Glitt übers Meer,
Da flogen zwei Schwalben
Hinter mir her
Und sangen leise
Mir meine Weise:
Pellegrina rondinella!

CARAMELLO
Hör mich, Annina!

ANNINA
Rondineila pellegrina!
Pellegrina rondinella!
Dein Lied von Lieb' und Treue
Hat einen falschen Ton,
Du hast es mir gesungen,
Doch als es kaum verklungen,
War's auch vergessen schon!
Pellegrina rondinella,
Rondinella pellegrina!
Lockrer Vogel Caramello,
Nimmer traut dir Annina!

BEIDE
Peliegrina rondinella,
Rondinella pellegrina!

CARAMELLO
Immer treu blieb ich Annina!

ANNINA
Nimmer trau ich dir!

CARAMELLO
Glaub, o glaub doch mir!
Lass frei mich dir's gestehen,
Dass ich fern von dir,
Wie das so oft pflegt zu gehen,
Manch schöne Frau gesehen,
Doch keine so wie dich!

ANNINA
Pellegrina rondinella,
Rondinella pellegrina!
Lockrer Vogel Caramello,
Nimmer traut dir Annina!

BEIDE
Pellegrina rondinella,
Roridinella pellegrina!

CARAMELLO
Immer treu blieb ich Annina!

ANNINA
Nimmer trau ich dir!

CARAMELLO
Glaub, o glaub doch mir!

Komischer Tanz. Er will sie küssen, sie reisst sich los,macht lachend eine lange Nase und eilt links ab.
Caramello folgt ihr komisch resigniert, die Hände in den Hosentaschen


ELFTER AUFTRITT
Annina. Ciboletta. Caramello. Pappacoda.

PAPPACODA
kommt mit Ciboletta von rechts
Nein, nein, nein, es geht absolut nicht! Unmöglich!
Mit zwei elenden Scudi in der Tasche kann ich kein Kostüm ausleihen!

CIBOLETTA
weinerlich
Aber ich bringe dir einen alten Anzug meines Herrn!

PAPPACODA
Wenn auch, es geht nicht! Hier Makkaroni kochen … am Markuspiatz tanzen - das geht nicht!

CIBOLETTA
weint komisch
Hihihihihi!

PAPPACODA
weint auch
Hahahahaha!

CARAMELLO
kommt mit Annina von links
Höre dir das Duett an!
zu Pappacoda
Was hat sie denn? Warum heult sie denn?

PAPPACODA
Sie will tanzen!

CARAMELLO
So lass sie tanzen!

PAPPACODA
Wir haben kein Geld!

CARAMELLO
Ich hab auch kein Geld und tanze doch!
In der Früh' mache ich's so …
macht die Geste des Einseifens
…und abends mache ich's so …
macht einige Tanzschritte
Ich habe eine prächtige Idee! Mein Herzog gibt heute ein Maskenfest

ANNINA
freudig
Und da gehen wir alle hin!
Stolziert wie im Ballsaal

CARAMELLO
spottet ihr nach
Und da gehen wir alle hin!" Habt ihr schon so etwas gesehen? So willst du zum Herzog gehen?
Zeigt auf ihr Netz
Du hast ja lauter Löcher!
Greift in die Tasche und zieht ein Paket Einladungskarten heraus
Also hört mich an! Ich soll diese Karten für die Fürstlichkeiten austragen,
Aber auf eine oder zwei kommt es nicht an! Da hast du eine und du und du …
Verteilt die Karten
Überhaupt, was soll ich erst viel herumlaufen? Pappacoda, nimm die ganzen Karten und gib sie deinen Freunden! Für Maskenanzüge werde ich sorgen!

CIBOLETTA
Dafür muss ich ihm einen Kuss geben!
Zu Pappacoda
Du erlaubst schon!
Küsst Caramello

PAPPACODA
Auch ich muss ihr einen Kuss geben.
zu Caramello
Du erlaubst schon!
Will zu Annina, Caramello stellt ihm das Bein vor

ANNINA
Halt, küsst nicht zu früh!
Ich bin leider verhindert! Ich muss noch heute nach Chioggia der Vater wartet!

CARAMELLO
Der Vater wartet! Lass ihn warten! Übrigens wenn sie nicht kann, werde ich mir halt eine andere Tänzerin suchen!

ANNINA
heftig
Was hast du gesagt?

CARAMELLO
Dass ich mir eine andere Tänzerin suchen werde!

ANNINA
So? Nun geh ich grade mit!
Für sich
Ich kann von Murano in einer Stunde zurück sein!

CARAMELLO
Ich hab's ja gewusst!

ANNINA
hebt ihren Rock und spreizt ein Bein vor
Unsereins hat doch auch Füsse!

PAPPACODA
Und was für Füsse!


Nr. 6 - Quartett

ALLE VIER
Alle maskiert, alle maskiert
Cospetto, wie amüsant das wird!
In der Menge
Buntem Gedränge
Sich verstecken
Und necken!
Hier entweichen,
Dort erreichen,
Bald sich finden,
Bald verschwinden!
Alle maskiert, alle maskiert,
Wo Spass und wo Tollheit und Lust regiert!
Ganz ungeniert alle maskiert
Cospetto, wie amüsant das wird!

ANNINA
Alles sehen ungesehen
Kann man dort bequem!

CIBOLETTA
Auch kann man im Tanz sich drehen
Und weiss nie mit wem!

CARAMELLO
Das Geplauder zu belauschen
Unbemerkt und stumm!

PAPPACODA
Schlechte Witze auszutauschen
Bald gescheit, bald dumm!

ALLE VIER
Alle maskiert, alle maskiert,
Wo Spass, wo Tollheit und Lust regiert!
Ganz ungeniert, alle maskiert
Cospetto, wie amüsant das wird!

ANNINA
Wenn ihr Männer intrigiert habt
Und euch schliesslich demaskiert habt,
Sehen wir armen Frauen klar,
Dass einer wie der andre war!

CARAMELLO
Und wir Männer, die den Frauen
Gingen gläubig auf den Leim,
Kommen endlich statt in Masken
Nur mit langen Nasen heim.

PAPPACODA
Dass du dieses nicht begriffen,
Zeigt der Ausdruck des Gesichts!

CIBOLETTA
Ich versteh nichts von den Kniffen,
Tanzen will ich, weiter nichts!

DIE ÜBRIGEN
Tanzen will sie, weiter nichts!

ALLE VIER
Alle maskiert, alle maskiert
Wo Spass, wo Tollheit und Lust regiert!
Ganz ungeniert, alle maskiert!
Cospetto, wie amüsant das wird!
dann tanzen alle vier nach rückwärts ab


ZWÖLFTER AUFTRITT
Herzog. Gefolge. Volk. Gondolieri.

CENTURIO
kommt gelaufen
Der Herzog! Der Herzog! Caramello, der Herzog!
Eilt in den Palast

Der Herzog fährt in einer Gondel an; zwei Kavaliere sind ihm beim Aussteigen behilflich und fahren dann in der Gondel weiter

DER HERZOG
blickt auf seinen Palast und dann auf die ganze Umgebung
Endlich sehe ich dich wieder! Du Stadt der Liebe! Du Stadt der Freude! Mein herrliches Venedig!


Nr. 6a - Auftrittslied des Herzogs

Sei mir gegrüsst, du holdes Venezia!
Ich stehe träumend da, dir so nah!
Zur Liebe dich Natur erkor,
In deinen Mauern wohnt das Glück!
Schon mancher hier sein Herz verlor,
Bekam dafür ein anderes zurück!
Wir fliegen dir zu, wie Falter zum Licht,
Zur Stadt, die uns allen Liebe verspricht!
Mein Herz ruft dir zu:
O Königin du,
Sei mir gegrüsst, du holdes Venezia!
Ich stehe träumend da, dir so nah!
Du holde Zauberin,
Spielst mit den Herzen,
So nimm sie hin!
Die Schmerzen
Sei'n dir verziehn!
Keiner kann dir entfliehn!
Die Menschen, sie flüstern dir zu,
Du holdes Venezia, du!
Du Wunder dort im Weltenraum,
Sei mir gegrüsst, sei mir gegrüsst!

Ab in den Palast


DREIZEHNTER AUFTRITT
Herzog. Caramello. Die drei Senatoren

CARAMELLO
kommt aufgeregt gelaufen
Der Herzog! Wo ist der Herzog?
Er erblickt den wieder auftretenden Herzog und macht tiefe Bücklinge

HERZOG
Nun, hast du Barbara gesprochen?

CARAMELLO
Nein, unmöglich der Mann ist zu Hause! Er geht ihr nicht von der Seite! Ein ekelhafter Kerl!
Delacqua, Barbaruccio und Festaccio sind aus dem Hause gekommen
Da kommt er ja!

DELACQUA
bemerkt den Herzog, für sich
Zum Teufel!
Eilt zur Tür seines Hauses und sperrt sie ab

CARAMELLO
leise zum Herzog
Er hat die Tür versperrt!

HERZOG
lachend
Ja, ich habe es gesehen!

DELACQUA
sich verbeugend
Hoheit!

BARBARUCCIO
ebenso
Hoheit!

TESTACCIO
ebenso
Hoheit!

HERZOG
Ich begrüsse Venedigs Senat in seinen würdigsten Vertretern! Heute abend beim Feste hoffe ich die Herren zu sehen!

DELACQUA, BARBARUCCIO, TESTACCIO
Gewiss, gewiss, gewiss!

HERZOG
betonend
Selbstverständlich erwarte ich Sie mit ihren Damen!

TESTACCIO
leise zu Barbaruccio
Und der Senatsbeschluss?

BARBARUCCIO
stotternd
Leider, Hoheit, ist meine Gattin verhindert

TESTACCIO
So wie die meine!

HERZOG
Und Signora Delacqua?

DELACQUA
stotternd
Auch meine Gattin kann nicht kommen… sie ist bei einer sterbenskranken Tante die einmal sterben wird … in Treviso!

BARBARUCCIO
einfältig
Sagtet Ihr nicht, in Murano?

DELACQUA
tritt Barbaruccio wütend auf den Fuss
Nein! Nein! Treviso! Ihr habt schlecht gehört!

CARAMELLO
leise zum Herzog
Sie soll heute abend nach Murano in Sicherheit gebracht werden! Ich werde aber seinen Plan vereiteln!

HERZOG
Bravo! Bravo!
Zu Delacqua
Signora Delacqua ist also nicht in Venedig?

DELACQUA
stotternd
Nein… Sie ist nicht inwendig… in Venedig!

HERZOG
lachend
Also auf ein andermal, ihr Herren! Arrivederci!

CARAMELLO
den Herzog kopierend
Arrivederci!

BARBARUCCIO
Eine kleine Interpellation, Hoheit! Der Posten Eures Verwalters ist neu zu besetzen ich konkurriere darum…

TESTACCIO
Ich ebenfalls!

DELACQUA
Ich ebenfalls!

BARBARUCCIO
Also dieser Posten.

HERZOG
fällt ihm ins Wort.
Ist noch nicht besetzt und wird demjenigen zuerkannt, der sich meine Gunst zu erringen weiss! Addio, Signori!
Ab in den Palast

DELACQUA, BARBARUCCIO, TESTACCIO
Es lebe der Herzog!

CARAMELLO
gravitätisch, den Herzog parodierend
Der Posten ist noch nicht besetzt und wird demjenigen zuerkannt, der sich meine Gunst zu erringen weiss!

DELACQUA
Frecher Schlingel!

CARAMELLO
weitersprechend
… hat der Herzog gesagt! Meine Herren, dieser Posten ist noch frei!
Zeigt auf den Makkaroniofen, drückt Delacqua Makkaroni in die Hand und eilt dann in den Palast ab

DELACQUA
wirft ihm zornig die Makkaroni nach
Ich protestiere gegen eine solche Behandlung!

Barbaruccio und Testaccio gehen ab


VIERZEHNTER AUFTRITT
Barbara. Delacqua. Pappacoda

DELACQUA
zu Pappacoda, der rückwärts aufgetreten ist
Pappacoda, hast du gehört, was der Herzog gesagt hat?

PAPPACODA
während er die Makkaroni aufhebt und in den Ofen wirft, ohne Interesse
Jawohl, er hat ja laut genug gesprochen!

DELACQUA
Er hat gesagt: "Der Posten wird dem zuerkannt, der sich meine Gunst zu erwerben weiss!"

PAPPACODA
Ihre Gunst?

DELACQUA
Seine Gunst! Das bezieht sich auf den Herzog! Das ganze bezieht sich auf Barbara, meine Frau, bezieht sich auf das Fest! Verstehst du?

PAPPACODA
Nein, aber auf jeden Fall, es bezieht sich!

DELACQUA
Was mache ich denn nur?

PAPPACODA
Das weiss ich nicht - das geht mich auch nichts an!

DELACQUA
Der Herzog hat meine Frau nie gesehen … Wie wäre es, wenn ich ihm eine falsche Barbara vorstellen würde?

PAPPACODA
Eine Gemeinheit!

DELACQUA
empört
Frecher Geselle, mach dass du weiterkommst!
Während Pappacoda seinen Makkaroniofen zusammenräumt und fortträgt
Ja, das ist eine famose Idee … aber erst die richtige Barbara in Sicherheit gebracht!
Ruft zum Balkon
Barbara! Barbara! Weibchen!

Barbara erscheint auf dem Balkon

BARBARA
mit gespielter Zärtlichkeit
Ja, mein geliebtes Männchen?

DELACQUA
ebenso
Mein Schätzchen, nimm dein Reisetäschchen, dein Kapüzchen, nimm ein Lärvchen vor…

BARBARA
betreten
Schon jetzt? Es ist doch noch Zeit!

DELACQUA
Du fährst doch gern nach Murano zu Tantchen ins Klösterchen?

BARBARA
wie oben
Gewiss, gewiss!

DELACQUA
Recht so, mein Herzchen, beeile dich nur! Das Gondelchen wird gleich da sein! Leb wohl, mein Herzchen!
Eilt ab

BARBARA
blickt nervös suchend umher
Wo nur Annina bleibt?
Erblickt Annina hinter der Szene, ruft
Annina! Annina!


FÜNFZEHNTER AUFTRITT
Annina. Barbara.

ANNINA
kommt atemlos über die Brücke, trägt in einem Tuch einen Domino aus roter Seide
Ich komme ja schon! Ich lief bis zum Arsenal, wo Enrico eben seine Freunde zur Serenade für deinen verehrten Herrn Gemahl drillt! Einen Domino habe ich dir auch mitgebracht!
Zeigt den Domino
Rot die Farbe der Liebe! Ist die Luft rein?

BARBARA
Ja, komm rasch!

ANNINA
will in das Haus
Es ist ja zugesperrt!

BARBARA
Warte… da hast du das Schlüsselchen!
Wirft einen sehr grossen Schlüssel vom Balkon herab
Jetzt komm nur rasch!
Verschwindet

ANNINA
Ich komme schon!
Sperrt das Haustor auf und eilt ab


SECHZEHNTER AUFTRITT
Caramello. Herzog

HERZOG
hat einen grossen Mantel umgeworfen, kommt lachend mit Caramello
Deine Idee ist ausgezeichnet! Und bist du des Gondoliere sicher?

CARAMELLO
in einem gestreiften Mantel, mit einem grossen Schlapphut
Ich bestach ihn mit zehn Zechinen!

HERZOG
Zehn Zechinen? Ist das nicht zu wenig?

CARAMELLO
Ich habe ihm so nur acht gegeben! In der Gondel, welche Deiacqua mietet, in der die schöne Barbara entführt werden soll, werde also ich den Gondoliere spielen.

HERZOG
Ausgezeichnet!

CARAMELLO
Natürlich werde ich Signora Barbara in den Kanälen nur etwas spazieren führen, um sie schliesslich von der Wasserseite aus in den Palast Eurer Hoheit zu bringen.

HERZOG
reibt sich vergnügt die Hände
Famos! Wenn sie so schön ist, wie sie im vergangenen Jahr geistreich war als Maske, so ist dein Glück gemacht! Nun ans Werk!
Caramello will ab
Halt! Wie wird Signora Barbara deine Gondel erkennen?

CARAMELLO
Das alte Lied
singend
Komm in die Gondel, mein Liebchen! O steige nur ein das ist das verabredete Zeichen!

HERZOG
Gut! Gut! Jetzt mach, dass du fortkommst!

Caramello geht ab


SIEBZEHNTER AUFTRITT

Nr. 7 - Finale

Der Herzog. Dann Barbara und Annina. Später Pappacoda und Ciboletta

HERZOG
allein
Hier ward es still
Benützen will Ich diesen Augenblick
Ich locke sie mit Melodie,
Vielleicht lacht mir das Glück!

Der Mond hat schwere Klag' erhoben
Und vor Gericht es kundgemacht:
Er will nicht länger stehn da droben
Du hast ihn um den Glanz gebracht!
Als er die Sterne jüngst gezählt,
Hat's an der vollen Zahl gefehlt!
Ja, zwei der schönsten nahmst du fort,
Es sind die beiden Augen dort!
Annina und Barbara erscheinen am Balkon; der Herzog versteckt sich. Herzog für sich
Dort regt sich's schon Auf dem Balkon!

BARBARA
leise zu Annina
Den Domino gib mir!

Annina gibt ihr den roten Domino

HERZOG
Bei meiner Treu, Das scheinen zwei!

ANNINA
leise
Nur schnell, bald ist er hier!

BARBARA
ebenso
Horch! Wer schleicht da herum?

HERZOG
zum Balkon
Pst! Pst! Pst! Pst!

ANNINA
leise
Einerlei, wir bleiben stumm,
Bis aus der Gondel das Lied erklingt!

HERZOG
Sie zaudert, doch List bald den Sieg erringt!
Sei mir willkommen Du holde Nacht!
Zum Herzenstehlen Wie gemacht!
Bin zwar kein Räuber, Bin kein Dieb,
Zum Herzenstehlen Treibt mich die Lieb'!

Pappacoda und Ciboletta kommen von rückwärts, tragen zwei Bündel

ANNINA, BARBARA
Schon rückt sie näher, Die holde Nacht!
Unser Beginnen Weckt nicht Verdacht!

ANNINA
Ich lass entführen mich, Ihr zulieb!
Ihrer indessen harrt schon ein Dieb!

BARBARA
Sie lässt entführen sich!
Mir zulieb harrt schon ein Dieb!

PAPPACODA
Schon rückt sie näher, Die holde Nacht,
Drum auf mein Zeichen Habe wohl acht!

CIBOLETTA
Komm, Pappacoda, Du Herzensdieb,
Ich spitz die Ohren, Dein Zeichen gib!

PAPPACODA
Hast du mir ein Kostüm gebracht?
Für unsre heutige Faschingsnacht?

CIBOLETTA
Von meinem Herren brachte ich
Dies alte Staatskleid mit für dich!

HERZOG
Mit Vorsicht jetzt hinausgeblickt,
Ob uns das Abenteuer glückt!

ANNINA, BARBARA, PAPPACODA, CIBOLETTA, HERZOG
Mit Vorsicht jetzt hinausgeblickt,
Ob uns das Abenteuer glückt!

Alle ziehen sich zurück. Delacqua eilt von links über die Szene zu seinem Hause, schliesst auf und verschwindet darin

CARAMELLO
hinter der Szene
Hoaho! Hoaho!

HERZOG
's ist Caramello Als Gondolier!
Ich hör sein Singen Schon in der Näh'!

Zieht sich wieder zurück


ACHTZEHNTER AUFTRITT
Caramello

CARAMELLO
fährt in einer Gondel ans Ufer, steigt aus und singt, dem Balkon zugewandt

Komm in die Gondel, mein Liebchen!
O steige nur ein,
Allzu lang schon fahr ich trauernd so ganz allein!
Hab ich an Bord dich, dann stosse ich freudig vom Land,
Führe eilig dich hinüber zum schönen Strand,
Der dort lockend winkt,
Fern im Mondlicht blinkt;
Wo uns deckt Dunkel der Nacht,
Wo kein Späherauge wacht!
Dort sollst du mir sagen
Ein süsses beglückendes Wort!
Sehnsüchtig Klagen
Findet Erhörung dort!
Hoaho! Hoaho!


NEUNZEHNTER AUFTRITT
Delacqua. Annina. Caramello. Herzog

Delacqua, mit einer grossen brennenden Laterne in der Hand, führt die sorgsam verhüllte Annina, die er für seine Frau hält, aus dem Haus

DELACQUA
Komm nur, liebes Kind!

ANNINA
Mir ist so bang!

Der Herzog tritt aus dem Dunkel und beobachtet genau den Vorgang; dann zieht er sich aufs neue zurück

DELACQUA
Nach Murano, liebes Kind,
Trägt die Gondel dich geschwind;
Steig nur ein, lebe wohl,
Bis von dort ich dich hol!

Er führt Annina zu dem an der Gondel harrenden Caramello. Im selben Augenblick stürzen Ciboletta und Pappacoda zu Delacqua, packen ihn von beiden Seiten und drängen ihn tanzend nach vorne


ZWANZIGSTER AUFTRITT
Vorige. Pappacoda. Ciboletta

PAPPACODA
Messer Delacqua!

CIBOLETTA
Messer Delacqua!

PAPPACODA
Was soll das heissen?

CIBOLETTA
Jetzt Euch entfernen?

PAPPACODA
Seht sie dort kommen…

CIBOLETTA
Mit den Laternen

PAPPACODA
Die Serenade…

CIBOLETTA
Euch zu Ehren!

PAPPACODA
's wär' doch schade

CIBOLETTA
Sie nicht zu hören.

PAPPACODA, CIBOLETTA
drängen ihn zu seiner Tür
Hinein! Hinein!
Ihr könnt Euch freun!

DELACQUA
zu Annina
Leb wohl, es muss sein!
Annina winkt ihm stumm
Du sagst gar kein Wort?
Will zu ihr

PAPPACODA, CIBOLETTA
halten ihn fest.
Sie kommen schon dort!

DELACQUA
Wohlan denn, hinein!
Ab

PAPPACODA, CIBOLETTA
Hinein! Hinein!
Ihr könnt Euch freun!

HERZOG
Hinein! Hinein!
Du kannst dich freun!
Bald soll sie bei mir
In Sicherheit sein!
Verschwindet im Palast

CARAMELLO
fährt mit Annina fort.
Hoaho! Hoaho!


EINUNDZWANZIGSTER AUFTRITT
Vorige, ohne Caramello und Annina. Dann Enrico. Matrosen. Schiffsjungen. Volk. Zuletzt Barbara

Matrosen und Schiffsjungen, von Enrico geführt, kommen von rechts rückwärts in einem Zuge tanzend vor Delacquas Haus und stellen sich dem Balkon gegenüber. Die Schiffsjungen haben bunte Laternen, die Matrosen haben Mandolinen usw. Von allen Seiten drängt sich Volk hinzu.

VOLK
Schnell zur Serenade!

CHOR der MATROSEN und SCHIFFSJUNGEN
Du, den wir hochverehren,
Bist morgen sechzig Jahr'!
Du wurdest grau in Ehren
Du seltnes Exemplar!
Oft konnt'st du Ruhm dir holen,
Und hast es nicht getan;
Dass Herzen du gestohlen,
Man nicht behaupten kann!
Dies Lied sei dir empfohlen,
Hab die Gnad' und hör es an!

1
Mit der Würde, die dir eigen,
Hüllst du weise dich in Schweigen;
Andre schwatzen, du bleibst stumm da,
O Delacqua qua qua qua qua!
Wenn die andern debattieren,
Opponieren, sich blamieren,
Sagst du gar nichts oder nickst:
"Ja!' O Delacqua qua qua qua qua!
Deine grössten Gedanken,
Du hältst sie in Schranken,
In sicherem Verschluss,
Du bist ein Pfiffikus!
Solche Perlen des Geistes
Sind kostbar, du weisst es,
Du trägst sie versteckt,
Wo sie kein Mensch entdeckt!
Vivat!

Delacqua am Balkon seines Hauses, verneigt sich, ringt nach Worten

2.
Güt'ger Himmel, sei uns gnädig,
In dem Rate von Venedig
Lass ihn sitzen noch recht lang da,
Den Delacqua qua qua qua qua!
Was die Rechte sich wohl dachte,
Was die Linke sich wohl dünke,
Selbst das Zentrum geht ihm nicht nah,
Dem Delacqua quaqua quaqua!
Wie im Rat du gesessen,
Kann niemand vergessen,
Der je dich dort sah,
Heil Delacqua qua qua!
Drum bald lauter, bald leiser
Ertönt's, bis wir heiser,
Bald fern und bald nah:
Heil Delacqua qua qua!
Vivat!

DELACQUA
gerührt
Signori, Ihre Huldigung ehrt mich wie schade, dass meine Frau nicht zu Hause ist! Tausend Dank!
Windet sein Taschentuch aus, wovon Pappacoda, der unter dem Balkon steht, ganz nass wird; dann ab ins Haus

Barbara, im roten Domino, ist inzwischen aus der Haustür getreten, wird von Enrico begrüsst und, von Laternenträgern gedeckt, durch den Schwibbogen fortgeführt.

CHOR
Herrlicher Spass!
Er ist ganz enchantiert!
Eilet, dass den Moment ihr nicht verliert
Schnell, macht euch fort, noch eh' er die Sache spürt!

CARAMELLO
hinter der Szene
Hoaho! Hoaho!

CHOR
Nur stille und lauschet! Die Gondel, sie rauschet, Es tönet der Gesang!

CARAMELLO
wie oben
Kaum dass mein Liebchen
Die schaukelnde Gondel entführt,
Hat auch bald sich's umfangen vom Schlaf gespürt!
Schwankende Wogen, sie lullen leise dich ein
Und mein Lied klingt dir süss in den Traum hinein!
Hoaho! Hoaho!

CHOR
hat sich zum Ufer gewendet
Aus den Gondeln holde Sänge,
Von Balkonen Liebeslieder!
Herzbestrickend hallt es wider,
Übet Zaubermacht!
Kosen und Lauschen
Bei flüsterndem Rauschen In Mondstrahles Pracht
Das ist Venedigs Nacht!

Bei den letzten Takten hat sich der Chor ganz leise zurückgezogen. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer. Das Licht des eben aufgegangenen Monds beleuchtet die Szene. Caramello fährt, mit der schlafenden Annina in der Gondel, vorbei und sieht sich lachend nach dem Hause Delacquas um.

Der Vorhang fällt langsam
最終更新:2022年07月22日 21:03