DRITTER AKT
PEACHUM
Guten Morgen, Brown.
BROWN
Jetzt wird durchgegriffen, Herr Bettlers Freund. Ich räuchere einfach Ihr ganzes Nest aus. Und sperre alles ein wegen Straßenbettel! Da kannst du was lernen.
Musik setzt ein.
Was ist denn das?
PEACHUM
Das Lied von der Unzulänglichkeit. Kennen Sie nicht? Da können Sie was lernen.
Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens
PEACHUM
Der Mensch lebt durch den Kopf
Sein Kopf reicht ihm nicht aus
Versuch es nur, von deinem Kopf
Lebt höchstens eine Laus.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlau genug,
Niemals merkt er eben
Diesen Lug und Trug.
Ja, mach nur einen Plan
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch 'nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlecht genug.
Doch sein höh'res Streben
Ist ein schöner Zug.
Ja, renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht anspruchslos genug
Drum ist all sein Streben
Nur ein Selbstbetrug.
Sie sagen wahrscheinlich, die Polizei wird mit uns armen Leuten fertig werden. Aber wie wird es aussehen, wenn anläßlich der Krönung sechshundert arme Krüppel mit Knütteln niedergehauen werden müssen? Schlecht würde es aussehen. Ekelhaft sieht es aus. Zum Übelwerden ist es.
Der Mensch ist gar nicht gut
Drum hau ihn auf den Hut.
Hast du ihn auf den Hut gehaut
Dann wird er vielleicht gut.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht gut genug
Darum haut ihn eben
Ruhig auf den Hut.
AUSRUFER
Mackie Messer, der abermals zu den Huren gegangen ist, ist abermals von den Huren verraten worden.
Salomon-Song
JENNY
Ihr saht den weisen Salomon
Ihr wißt, was aus ihm wurd!
Dem Mann war alles sonnenklar.
Er verfluchte die Stunde seiner Geburt
Und seht, daß alles eitel war.
Wie groß und weis war Salomon!
Und seht, da war es noch nicht Nacht
Da sah die Welt die Folgen schon:
Die Weisheit hatte ihn so weit gebracht —
Beneidenswert, wer frei davon!
Ihr saht die schöne Kleopatra
Ihr wißt, was aus ihr wurd!
Zwei Kaiser fielen ihr zum Raub.
Da hat sie sich zu Tod gehurt
Und welke hin und wurde Staub.
Wie schön und groß war Babylon!
Und seht, da war es noch nicht Nacht
Da sah die Welt die Folgen schon:
Die Schönheit hatte sie so weit gebracht —
Beneidenswert, wer frei davon!
Ihr saht den kühnen Cäsar dann
Ihr wißt, was aus ihm wurd!
Der saß wie 'n Gott auf 'nem Altar
Und wurde ermordet, wie ihr erfuhrt!
Und zwar, als er am größten war.
Wie schrie er laut: >>Auch du, mein Sohn!<<
Und seht, da war es noch nicht Nacht
Da sah die Welt die Folgen schon:
Die Kühnheit hatte ihn so weit gebracht —
Beneidenswert, wer frei davon!
Und nun seht ihr Macheath und mich
Gott weiß, was aus uns wird.
So groß war unsre Leidenschaft!
Wo haben wir uns hinverirrt,
Daß man ihn jetzt zum Galgen schafft.
Da seht ihr unsrer Sünde Lohn.
Und seht, da war es noch nicht Nacht
Da sah die Welt die Folgen schon:
Die Leidenschaft hat uns so weit gebracht —
Beneidenswert, wer frei davon!
AUSRUFER
Ruf aus der Gruft.
Ruf aus der Gruft
MACHEATH
Nun hört die Stimme, die um Mitleid ruft.
Macheath liegt hier nicht unterm Hagedorn
Nicht unter Buchen, nein, in einer Gruft!
Hierher verschlug ihn des Geschickes Zorn.
Geb Gott, daß ihr sein letztes Wort noch hört!
Die dicksten Mauern schließen ihn jetzt ein!
Fragt ihr denn gar nicht, Freunde, wo er sei?
Ist er gestorben, kocht euch Eierwein
Solang er aber lebt, steht ihm doch bei!
Wollt ihr, daß seine Marter ewig sei?
Jetzt kommt und seht, wie es ihm dreckig geht!
Jetzt ist er wirklich, was man pleite nennt.
Die ihr als oberste Autorität
Nur eure schmierigen Gelder anerkennt
Seht, daß er euch nicht in die Grube fährt!
Ihr müßtet gleich zur Königin und in Haufen
Und müßtet mit ihr über ihn was sprechen
Wie Schweine eines hinterm andern laufen:
Ach, seine Zähne sind schon lang wie Rechen!
Wollt ihr, daß seine Marter ewig währt?
AUSRUFER
Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet.
Grabschrift
MACHEATH
Ihr Menschenbrüder, die ihr nach uns lebt
Laßt euer Herz nicht gegen uns verhärten
Und lacht nicht, wenn man uns zum Galgen hebt
Ein dummes Lachen hinter euren Bärten.
Und flucht auch nicht, und sind wir auch gefallen
Seid nicht auf uns erbost wie das Gericht:
Gesetzten Sinnes sind wir alle nicht —
Ihr Menschen, lasset allen Leichtsinn fallen
Ihr Brüder, laßt euch uns zur Lehre sein
Und bittet Gott, er möge mir verzeihn.
Der Regen wäscht uns ab und wäscht uns rein
Und wäscht das Fleisch, das wir zu gut genährt
Und die zuviel gesehn und mehr begehrt:
Die Raben hacken eure Augen ein.
Und niemals sind wir fest gehängt und wiegen
Bald hin, bald her, ganz wie aus Übermut
Zerpickt von einer gierigen Vögelbrut
Wie Pferdeäpfel, die am Wege liegen.
Ach Brüder, laßt euch uns zur Warnung sein
Und bittet Gott, er möge uns verzeihn.
Die Mädchen, die die Brüste zeigen
Um leichter Männer zu erwischen
Die Strolche, die nach ihnen äugen
Um ihren Sündenlohn zu fischen
Die Lumpen, Huren, Hurentreiber
Die Tagediebe, Vogelfrein
Die Mordgesellen, Abtrittsweiber
Ich bitte sie, mir zu verzeihn.
Nicht so die Polizistenhunde
Die jeden Abend, jeden Morgen
Nur Rinde ließen meinem Munde
Auch sonst verursacht Müh'n und Sorgen
Ich könnte sie ja jetzt verfluchen
Doch heute will ich nicht so sein:
Um weitere Händel nicht zu suchen
Bitt ich auch sie, mir zu verzeihn.
Man schlage ihnen ihre Fressen
Mit schweren Eisenhämmern ein.
Im übrigen will ich vergessen
Und bitte sie, mir zu verzeihn.
Gang zum Galgen
PEACHUM
Verehrtes Publikum, wir sind so weit
Und Herr Macheath wird aufgehängt
Denn in der ganzen Christenheit
Da wird dem Menschen nichts geschenkt.
Damit ihr aber nun nicht denkt
Das wird von uns auch mitgemacht
Wird Herr Macheath nicht aufgehängt
Sondern wir haben uns einen anderen Schluß ausgedacht.
Damit ihr wenigstens in der Oper seht
Wie einmal Gnade vor Recht ergeht.
Und darum wird, weil wir's gut mit euch meinen
Jetzt der reitende Bote des Königs erscheinen.
AUSRUFER
Drittes Dreigroschen-Finale.
Drittes Dreigroschen-Finale
CHOR
Horch, wer kommt!
Des Königs reitender Bote kommt!
Hoch zu Roß erscheint Brown als reitender Bote.
BROWN
Anläßlich ihrer Krönung befiehlt die Königin
Daß der Captn Macheath sofort freigelassen wird.
Alle jubeln.
Gleichzeitig wird er hiermit in den erblichen Adelsstand erhoben
Und ihm das Schloß Marmarel
Und eine Rente von zehntausend Pfund
Bis zu seinem Lebensende überreicht.
Den anwesenden Brautpaaren läßt die Königin
Ihre königlichen Glückwünsche senden.
MACHEATH
Gerettet, gerettet!
Ja, ich wußte es:
Wenn die Not am höchsten
Ist die Rettung am nächsten.
POLLY
Gerettet, mein lieber Macheath ist gerettet.
Ich bin sehr glücklich.
FRAU PEACHUM
So wendet alles sich am End zum Glück.
So leicht und friedlich wäre unser Leben
Wenn die reitenden Boten des Königs immer kämen.
PEACHUM
Darum bleibt alle stehen, wo ihr stehet
Und singt den Choral der Ärmsten der Armen
Deren schwieriges Leben ihr heute dargestellt habt
Denn in Wirklichkeit ist grade ihr Ende schlimm.
Die reitenden Boten des Königs kommen sehr selten
Und die getreten werden, treten wieder.
Darum sollte man das Unrecht nicht zu sehr verfolgen.
ALLE
Verfolgt das Unrecht nicht zu sehr, in Bälde
Erfriert es schon von selbst, denn es ist kalt.
Bedenkt das Dunkel und die große Kälte
In diesem Tale, das von Jammer schallt.
Schlußstrophen des Dreigroschenfilms
Und so kommt zum guten Ende
Alles unter einen Hut.
Ist das nötige Geld vorhanden
Ist das Ende meistens gut.
Daß er nur im Trüben fische
Hat der Hinz den Kunz bedroht.
Doch zum Schluß vereint am Tishce
Essen sie des Armen Brot.
Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln siet man nicht.