ERSTER AUFZUG
Ouvertüre
Stadingers Werkstätte mit Öfen, Ambossen und sonstigen Schmiedegerätschaften
Durch die im Hintergrund befindlichen Fenster erblickt man eine reizende Landschaft nebst einem Teil der Stadt, von der Abendsonne beleuchtet. Rechts und links Seitentüren, die ins Innere des Hauses führen. Der Haupteingang ist im Hintergrund
ERSTER AUFTRITT
Der Graf
Gesellen, bei der Arbeit beschäftigt; später Georg
Nr. 1 - Introduktion
GESELLEN
Sprühe, Flamme! Glühe, Eisen!
Dass des Feuers Hammers Allgewalt
dich nach hergebrachten Weisen
fügsam mache alsobald.
Manneskraft
rüstig schafft,
was des Helden Brust beschützt;
bringt uns Ehr',
wenn die Wehr,
wenn die blanke Waffe blitzt.
Hammerschlag, Ambossklang,
unser Lied und Gesang!
GRAF
als Schmiedegeselle gekleidet
Sie liebt mich wahr und innig,
und doch quält Argwohn mich,
dass sie's auch ernstlich meine,
wenn liebeflehend ich
im Ritterschmuck erscheine.
GEORG
ebenfalls als Schmiedegeselle gekleidet, zur Haupttür hastig eintretend
He, Konrad!
GRAF
Was gibt's?
GEORG
leise zum Grafen
'ne Neuigkeit:
Nicht weit von hier,
da hält ein Wagen,
ich höre fragen
und schau hinein;
wer, denke ich, kann das wohl sein?
GRAF
So sprich: Wer war's?
GEORG
Das Fräulein von Katzenstein,
Eure Braut.
GRAF
Hol sie der Teufel!
GEORG
Sie zwingt am Ende doch
Euch noch ins Ehejoch.
GRAF
auffahrend
Wohlan, es sei beschlossen:
Geendet wird das Spiel.
Bei meinem Barte schwör ich -
GEORG
leise ihm zuflüsternd
Den habt Ihr abgeschnitten.
GRAF
Bei meines Stammes Ehre
und echtem Rittersinn:
Morgen um diese Stunde
weiss ich, woran ich bin.
EIN GESELLE
vortretend
So redet doch nur leiser;
ihr wisst ja, dass der Meister
da drinnen jetzt studiert
und Medizin traktiert.
GEORG
's wär Verbrechen, ihn zu stören;
keinen Laut mehr soll er hören.
Gehet leise an die Arbeit,
auf, dass uns kein Vorwurf trifft.
Geht leise an die Arbeit, leise!
Sie fangen mit grossem Geräusch wieder an zu hämmern
GESELLEN
Sprühe, Flamme! Glühe, Eisen!
Dass des Feuers Hammers Allgewalt
dich nach hergebrachten Weisen
fügsam mache alsobald.
Manneskraft
rüstig schafft,
was des Helden Brust beschützt;
bringt uns Ehr',
wenn die Wehr,
wenn die blanke Waffe blitzt.
Hammerschlag, Ambossklang,
unser Lied und Gesang.
ZWEITER AUFTRITT
Die Vorigen. Stadinger mit grossen Medizingläsern und Kräutertüten von der Seite
STADINGER
Bringt eilig Hut und Mantel mir,
ich muss das Haus verlassen.
Darum, Georg, befehl ich dir,
genau mir aufzupassen,
dass der Herr Ritter nicht etwa -
wie's öftermalen schon geschah -
wagt, zu verliebten Streichen
sich hier ins Haus zu schleichen.
Du treibst ihn fort; wenn er sich wehrt,
so jagst du ihn mit Lanz' und Schwert.
Nun muss ich fort, denn in der Näh'
hab ich Patienten liegen;
des Nachbars Sattelpferd ist krank
und seine beiden Ziegen.
Ich bin der einz'ge in der Stadt,
zu dem das Vieh Vertrauen hat.
Drum ruh und raste ich auch nicht
in der Erfüllung meiner Pflicht.
Tret ich vors Haus, ich will nur reden
von dem, was täglich mir passiert,
so treff ich einen Quadrupeden,
den meine Wissenschaft kuriert.
Ich flösse jedem, gross und klein,
nebst Medizin auch Achtung ein -
und alle, wo sie mich erblicken,
sie möchten mich ans Herze drücken:
Denn jegliche Physiognomie
spricht: »Du gehörst fürs liebe Vieh!«
Es schlägt sieben Uhr
DIE GESELLEN
rufen
Feierabend!
gesungen
Horch, die Feierstunde schlägt,
hinaus, hinaus ins Freie!
STADINGER
Halt, nicht gleich so aufgeregt!
Höret, dann sich jeder freue!
Morgen ist der wicht'ge Tag,
wo vor fünfundzwanzig Jahren
grosse Ehre ich erfahren,
man zum Meister mich kreieret;
darum werd, wie sich's gebühret,
ich ein Fest auf morgen geben,
fröhlich mit Gesang und Klang.
GESELLEN
Unser Meister, er soll leben
noch viele Jahre lang!
STADINGER
Jetzt zur Sache, denn für morgen
ist noch manches zu besorgen.
Zu jedem einzeln
Du gehst sogleich hier nebenan,
den Nachbar einzuladen;
du bittst den Vetter Schneider mir
auf Wein und süssen Fladen;
du ladest mir den Richter ein
auf Käse, Brot und Butter;
du bittest den Gerichtsvogt her
mit seiner Schwiegermutter.
Die andern Gäste, gross und klein,
lud ich schon selber alle ein.
Es kommt ein ganzer Haufen
zum essen und zum -
GEORG
spricht
Aber Meister!
STADINGER
- trinken;
und alle sollen froh und fröhlich sein.
Zu einzelnen Gesellen
Du gehst zum Nachbar,
du gehst zum Schneider,
du bittst den Richter,
du den Gerichtsvogt,
du zum Nachbar,
du zum Schneider,
du zum Richter,
du zum Vogte.
Das soll ein Tag der Freude sein,
sie alle sollen tanzen, sollen singen,
sollen jubeln, sollen springen,
alle sollen fröhlich sein.
GESELLEN
Ja, gross und klein laden wir ein
zum Tanzen, zum Singen,
zum Jubeln, zum Springen!
Das soll ein Tag der Freude sein!
Stadinger zur Mitte ab. Die Gesellen zu verschiedenen Seiten
DRITTER AUFTRITT
Der Graf. Georg
GEORG
Gott sei Dank, dass wir den alten Quacksalber los sind, wir haben gar mancherlei zu besprechen. Die alte Schachtel also - wollte sagen: das Fräulein - Eure Braut -
GRAF
So schweig doch mit deiner Braut; es kam mir nie in den Sinn, mich mit ihr zu verloben.
GEORG
Was nützt das? Sie lässt Euch nicht aus dem Garne und wird alles aufbieten, Eure Pläne zu vereiteln. Sie ist bei unserem Verbündeten, dem Gastwirt, abgestiegen.
GRAF
Desto besser, so können wir durch ihn erfahren, was sie im Schilde führt.
GEORG
Herr Ritter, ich fürchte, dieser Brenner ist ein Spitzbube, er hält's mit jedem, der tüchtig zahlt.
GRAF
Immerhin. Auf jeden Fall ist es Zeit, dem tollen Treiben ein Ende zu machen.
GEORG
Nun, es freut mich, dass Ihr es selbst einseht. O Herr Ritter, Ihr seid ein entsetzlicher Mensch.
GRAF
Bursche!
GEORG
Versteht mich recht. Dass Ihr Euch in die Tochter eines Waffenschmieds verliebt habt, darin liegt nichts Entsetzliches, auch nicht, dass Ihr mich veranlasstet, meinen schlanken Leib in dies russige Wams zu stecken; aber dass Ihr mich verleitet habt, um Euretwillen meine Ehrlichkeit zum Teufel zu jagen, falsche Lehrbriefe zu schmieden, damit uns der Meister aufnehmen konnte, o Herr Ritter, diese Sünde lastet schwer auf Euch.
GRAF
Du bist ein Narr!
GEORG
Euer Kamrad bin ich und kein Narr.
GRAF
Georg!
GEORG
Lassen wir's gut sein. Nur noch das eine: Wollt Ihr das Mädchen heiraten?
GRAF
Freilich will ich das.
GEORG
Und Euer alter Adel?
GRAF
Die Liebe gleicht alles aus.
GEORG
Die Liebe? Ach, bester Herr Ritter, wie mancher böse Bube hat schon seine schlechten Streiche auf ihre Rechnung geschrieben, der in seinem Leben nicht wusste, was Liebe ist.
GRAF
will auf ihn los
Elender, du erfrechst dich?
GEORG
He, Kamrad! Du wirst doch Spass verstehen. Verzeiht, es war ein dummer Scherz. Also ernsthaft: Glück auf, Herr Ritter! Mögen sich immerhin Eure Vorfahren den Knebelbart ausraufen, Ihr macht Euch und Euer Weib glücklich. Nun aber: Euer Plan?
GRAF
Morgen tret ich vor den Alten als Graf von Liebenau und begehre offen und ehrlich seiner Tochter Hand.
GEORG
Das lasst Euch vergehen.
GRAF
Warum?
GEORG
Weil der alte Pferdedoktor alles hasst, was Ritter heisst.
GRAF
Du meinst die Geschichte mit seinem Weibe?
GEORG
Nun freilich. Sie liess sich eines schönen Abends von einem Geharnischten entführen, daher seine Wut.
GRAF
Ich werde mein Heil versuchen! Heute abend will ich als Ritter die Treue meines Mädchens noch einmal auf die Probe stellen; denn betrügt sie den Schmiedegesellen Konrad, so betrügt sie auch den Ritter Liebenau.
GEORG
Ist denn das nicht einerlei, ob sie Euch als Ritter oder als Schmied liebt?
GRAF
Sie liebt mich als Ritter und als Schmied, folglich zwei, und ein Weib soll nur einen lieben.
GEORG
Sie liebt ja auch nur einen.
GRAF
Das verstehst du nicht.
GEORG
Es scheint mir auch so.
GRAF
Ich gehe, mich zu verwandeln, es ist spät.
lächelnd
Du wirst mich doch nicht mit Lanz' und Schwert empfangen, wenn ich zurückkehre?
GEORG
achselzuckend
Des Meisters Gebot -
GRAF
Du Spitzbube! Bin ich erst am Ziele meiner Wünsche -
GEORG
Dann, Herr Ritter -?
GRAF
Dann sollst du mich erkenntlich finden!
Er geht durch die Mitte ab
VIERTER AUFTRITT
Georg allein
GEORG
Das will ich auch hoffen, denn obwohl ich meiner Profession nach eigentlich vom Amboss stamme, so möchte ich doch all die Strapazen nicht umsonst mitgemacht haben! Jetzt will ich erst anfangen zu leben, zu geniessen! Das heisst aber: mit Verstand, nicht wild in den Tag hinein! Ich will mir das Leben schon angenehm machen!
Nr. 2 - Arie
Man wird ja einmal nur geboren,
darum geniesse jedermann
das Leben, eh es noch verloren,
so viel als er nur immer kann.
Doch muss man, wahrhaft froh zu leben,
sich mit Verstand der Lust ergeben.
Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:
Man lebt nur einmal in der Welt!
Der keusche Joseph in der Bibel -
ich führ ihn nur als Beispiel an -
er war von Aussehn gar nicht übel
und ein gar tugendhafter Mann.
Doch seine Keuschheit ganz alleine
hätt nimmer ihn mit Ruhm bedeckt -
die Schlauheit half ihm auf die Beine!
Drum hab ich vor dem Mann Respekt.
Er lebt in Freuden,
von allen Seiten
ward Gold und Weihrauch ihm gestreut.
Er war gescheit!
Man wird ja einmal nur geboren,
darum geniesse jedermann
das Leben, eh es noch verloren,
so viel als er nur immer kann.
Doch muss man, wahrhaft froh zu leben,
sich mit Verstand der Lust ergeben.
Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:
Man lebt nur einmal in der Welt!
Man hat schon in den frühsten Tagen
durch List und Schlauheit viel erreicht;
wenn auch die Leute immer sagen,
den Dummen sei das Glück geneigt.
Die Dummheit bietet selten Zinsen,
sonst leistete ja Esau nicht
für eine Schüssel dicker Linsen
auf seine Erstgeburt Verzicht.
Viel Leute leben ohne Sorgen
so grad nur in den Tag hinein;
ich will geniessen,
jedoch auch wissen,
warum ich mich der Lust geweiht.
Darum gescheit!
Nur stets gescheit!
Man wird ja einmal nur geboren,
darum geniesse jedermann
das Leben, eh es noch verloren,
so viel als er nur immer kann.
Doch muss man, wahrhaft froh zu leben,
sich mit Verstand der Lust ergeben.
Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:
Man lebt nur einmal in der Welt!
Er geht ab
FÜNFTER AUFTRITT
Brenner, den Ritter Adelhof hereinführend
BRENNER
Belieben Euer hochfreiherrlichen Gnaden nur hereinzuspazieren.
ADELHOF
Hier also wohnt der Waffenschmied?
BRENNER
Hans Stadinger, berühmter Waffenschmied und ausgezeichneter Tierarzt; wollen Euer Gnaden von seinen Talenten Gebrauch machen - von seinen Waffen und Harnischen - meine ich.
ADELHOF
Dazu kann Rat werden. Eigentlich aber bin ich aus andern Gründen da - Er ist verwandt mit dem Waffenschmied?
BRENNER
Euer Gnaden aufzuwarten, sein leiblicher Schwager. Seine Frau nämlich -
ADELHOF
Schon gut! Der Waffenschmied hat eine schöne Tochter! He?
BRENNER
Oh! Ein wahrer Apollo, wie die Gelehrten sagen.
ADELHOF
Befindet sich unter den Gesellen hier im Hause einer namens Konrad?
BRENNER
Konrad? Ganz recht! Für sich. Wo will denn das hinaus?
ADELHOF
Es soll ein hübscher Bursche sein?
BRENNER
Das will ich meinen. Für sich. Dahinter steckt etwas!
ADELHOF
Der Bursche und das Mädchen lieben sich?
BRENNER
Ja - ich weiss nicht - man munkelt so etwas.
ADELHOF
Ich hab's für gewiss gehört. Sie sollen sich heiraten.
BRENNER
Wie? Sie sollen -?
ADELHOF
Ich bin beauftragt, die Verbindung zustande zu bringen.
BRENNER
Ausserst schmeichelhaft für das junge Paar, aber wie versteh ich denn -
ADELHOF
Ich will mich deutlicher ausdrücken, damit Ihm die Sache klar wird. Ich bin der Ritter Adelhof aus Schwaben.
BRENNER
Ah, sehr erfreut; schöne Gegend! Das Schwaben meine ich.
ADELHOF
Die Dame, die ich begleite, ist das Fräulein von Katzenstein; meine Zukünftige.
BRENNER
Gratuliere untertänigst.
ADELHOF
Und diese meine Braut ist es, welche die Heirat wünscht.
BRENNER
Das gnädige Fräulein haben also die Passion, herumzureisen, um junge Paare glücklich zu machen.
ADELHOF
Das wohl auch nebenbei, aber - Er scheint mir eine ehrliche Haut, mit Ihm kann man von der Leber weg reden.
vertraulich
Kennt Er den Grafen von Liebenau?
BRENNER
für sich
Aha!
laut
Versteht sich, wer wird den nicht kennen.
ADELHOF
Nun, sieht Er, der hatte früher auf mein Fräulein -
BRENNER
Jawohl, ich erinnere mich -
ADELHOF
etwas stutzig
Was?
BRENNER
verlegen
Nun, er hatte früher - auf das Fräulein geschimpft.
ADELHOF
Im Gegenteil, er hatte ein Auge auf sie.
BRENNER
Richtig, so war's.
ADELHOF
Das Fräulein aber gab ihm einen Korb.
BRENNER
für sich
Umgekehrt wird ein Schuh draus.
ADELHOF
Was sagt Er vom Schuh?
BRENNER
Ich sage: mein Nachbar, der Schuster, hat mir die Geschichte erzählt.
ADELHOF
Nun hat das Fräulein erfahren, dass der Ritter Liebenau dem jungen Mädchen hier im Hause nachstellt; ein leichtsinniger Zeisig soll er sein -
BRENNER
Dafür bekannt.
ADELHOF
Mein Fräulein aber, die Sittenhaftigkeit selbst, kann solchen Unfug nicht zugeben, darum wünscht sie, dass der Geselle Konrad -
BRENNER
Eiligst und schleunigst das Mädchen heirate, verstehe. - Ist das Fräulein auch aus Schwaben?
ADELHOF
Nein. Warum?
BRENNER
Ich meine nur. Die Sache ist wirklich äusserst schlau ausspekuliert; denn wenn der Geselle Konrad das Mädchen heiratet, so ist der Ritter -
ADELHOF
lachend
Geprellt!
BRENNER
ebenso
Und wie! Er muss mit langer Nase abziehen. -
Beide lachen
Die Hauptsache ist aber nun, dass wir den Alten für die Heirat gewinnen.
ADELHOF
Deswegen bin ich ja hier. Und wenn Er meine Sache unterstützen will, so gibt Ihm das Fräulein hier im voraus -
Er gibt ihm eine Börse
BRENNER
Die edle Dame besitzt eine ausgezeichnete Bildung - untertänigsten Dank - Wollen Eure Gnaden sich hier etwas auswählen, während ich den Alten rufe -
ADELHOF
wendet sich nach dem Hintergrunde, die Waffenstücke musternd
Sieh, sieh! Die Ware scheint nicht schlecht!
BRENNER
im Vordergrunde für sich
Nun bin ich im klaren. Das Fräulein ist aus Eifersucht unserm Grafen nachgereist, und, um sich seinen Besitz zu sichern, soll nun - die Sache ist sehr komisch - hahaha! - Und dieser schlaue Kundschafter - o guter Schwabe, du scheinst mir ein sehr dummer Schwabe.
Er will lachend zur Seite ab.
SECHSTER AUFTRITT
Die Vorigen. Irmentraut
IRMENTRAUT
Brenner entgegen und sehr geschwätzig
Schönsten guten Abend, verehrtester Herr Brenner. Er sucht den Meister Stadinger, aber alles ausgeflogen, alles ins Freie. Der Abend ist zu schön, kein Wölkchen am Himmel, kein Lüftchen weht, ich ginge gar zu gern auch noch ein wenig ins Grüne, aber du lieber Gott, man hat zu viel zu tun, der letzte Tag in der Woche, das ganze Hauswesen ruht auf mir - morgen ist Sonntag -
ADELHOF
leise zu Brenner
Ist dies die Tochter vom Hause?
BRENNER
Das weniger.
IRMENTRAUT
fortfahrend
Morgen ist Sonntag, dazu das Fest, welches er morgen veranstaltet draussen auf dem Weinberge -
zu Brenner
ach, Er war wohl lange nicht draussen - der Weinberg ist viel grösser - der Alte kaufte doch im vorigen Jahre -
BRENNER
Ja, doch, Jungfrau Irmentraut, ich kenne die ganze Geschichte. - Also mein Schwager ist nicht daheim?
IRMENTRAUT
Nicht daheim! Die Unpässlichkeit der lieben Tiere macht ihm jetzt viel zu schaffen. Des Herrn Nachbars ganze Familie vierfüssigerseite befindet sich -
BRENNER
zu Adelhof
Ja, Euer Gnaden, da bleibt uns nichts andres übrig als wiederzukommen.
ADELHOF
Dumm, dumm, dumm! Ich hätte so gern dem Fräulein heute schon -
BRENNER
Morgen ist auch noch ein Tag.
IRMENTRAUT
Ei freilich, morgen ist auch noch ein Tag und welcher Tag; es heisst freilich, was du heute tun kannst, verschiebe nicht auf morgen, aber wenn die Notwendigkeit -
BRENNER
Eben deshalb - Guten Abend, Jungfrau Irmentraut. - Wenn es Euer Gnaden gefällig wäre -
IRMENTRAUT
Euer Gnaden sind gewiss ein Fremder,wollen die Merkwürdigkeiten unsrer Stadt in Augenschein nehmen - oh, Sie werden überrascht sein. Wir haben sechstausend Einwohner, die Gegend ist etwas sumpfig, aber fruchtbar. Hier in der Nähe der Liebfrauenkirche der edle Wein, Liebfrauenmilch genannt, Euer Edlen werden ihn wohl kennen -
ADELHOF
im Abgehen
Die Person hat ja ein beispielloses Mundwerk.
BRENNER
ebenso
Also auf Wiedersehen! Bis morgen, bis morgen!
Adelhof und Brenner gehen ab
SIEBENTER AUFTRITT
Irmentraut allein
IRMENTRAUT
Das ist ein recht ungehobelter Klotz, dieser Herr Euer Gnaden; hat er nur ein einziges freundliches Wörtchen mit mir gesprochen? Was haben die Männer jetzt für Sitten, wenn sie einer zarten Jungfrau gegenüberstehen! Wie anders waren sie zu meiner Zeit - vor einigen Jahren noch, will ich sagen - aber es ist, als ob sich die Welt rein umgedreht hätte.
Nr. 3 - Ariette
Welt, du kannst mir nicht gefallen,
hast dich förmlich umgekehrt,
von den heut'gen Männern allen
ist auch keiner etwas wert.
Ich trete ein
mit Schüchternheit,
doch sie verliert sich mehr und mehr;
der grobe Mann
sieht mich nicht an,
als ob ich alt und hässlich wär.
Ich sag ihm
und sehr gemessen,
was man hier Sehenswertes nennt;
er dankt mir nicht,
läuft wie besessen
zur Tür, als ob der Kopf ihm brennt.
O holde Schwestern ihr,
die ihr Gefühl gleich mir,
heisst das nun Achtung, sprecht,
vorm zarteren Geschlecht?
O Welt, o Welt!
Welt, du kannst mir nicht gefallen,
hast dich förmlich umgekehrt,
von den heut'gen Männern allen
ist auch keiner etwas wert. -
In früheren Zeiten
naht man bescheiden
stets einer zarten Jungfrau sich,
und man war selig,
entspann allmählich
sich ein Gespräch fein sittiglich.
Man sprach vom Wetter,
von teuren Zeiten,
und nach und nach, jedoch ganz fein,
wusst man gar zart
vorzubereiten
von Lieb' ein einzig winzig Wörtelein.
Man reichte abgewandt
dem Flehenden die Hand;
er drückte, küsste sie,
sank vor uns auf die Knie,
und dann - und dann -
Verschämt ihre Schürze vor die Augen haltend
Welt, du kannst mir nicht gefallen,
hast dich förmlich umgekehrt,
von den heut'gen Männern allen
ist auch keiner etwas wert.
ACHTER AUFTRITT
Irmentraut. Marie
MARIE
Irmentraut, bist du allein?
IRMENTRAUT
Ja doch, mein Herzchen, komm nur.
MARIE
Ist der Ritter noch nicht hier?
IRMENTRAUT
Heutzutage sind die Liebhaber nicht mehr wie sonst. Aber er kommt gewiss, er hat mir's sagen lassen.
MARIE
Ich hätte doch nicht einwilligen sollen.
IRMENTRAUT
Nicht einwilligen sollen, da muss ich lachen! Ich weiss, wie wir Mädchen sind, ich habe mich oft gesträubt, aber es hat nichts geholfen. Das weiss ich besser.
MARIE
Du weisst immer alles besser. Weisst du, warum ich den Ritter noch einmal sprechen will?
IRMENTRAUT
Ihm ein Liebeszeichen zu geben, ein Ringelchen oder so etwas dergleichen, und - das wird ihm gar nicht unangenehm sein, wie dein Vater immer zu sagen pflegt.
MARIE
Nicht doch, den Abschied will ich dem Ritter geben, denn er ist ein böser Mensch, der keine guten Absichten haben kann.
IRMENTRAUT
Aber Engelskind, will er dich denn nicht heiraten? Kann ein Mann bessere Absichten haben?
MARIE
Mein Vater will mich ihm aber nicht geben - und ich habe mir's wohl überlegt, der Vater hat recht.
IRMENTRAUT
Aber der Ritter ist ein so schöner, artiger Herr!
MARIE
Schön? Und hast ihn, wie ich, nur immer nachts gesehen.
IRMENTRAUT
Still! - Das ist des Ritters Tritt! Freudig.
Er kommt, er kommt!
Sie eilt ihm entgegen und öffnet ihm die Tür
MARIE
Ach, lieber Gott, mir wird angst und bang!
NEUNTER AUFTRITT
Die Vorigen. Der Graf als Ritter in einen Mantel gehüllt
Nr. 4 - Finale
GRAF
Bei nächt'gem Dunkel
schleich ich herein,
Dank, holdes Mädchen,
du harrest mein.
Was darf ich hoffen,
was fürchten, sprich:
Schlägt, Heissgeliebte,
dein Herz für mich?
MARIE
beiseite
Ich weiss vor Angst kein Wort zu sagen.
Ich zittre wie ein Espenlaub.
GRAF
Du schweigst?
IRMENTRAUT
leise zum Grafen
Nur stille, ich will fragen!
zu Marie
So hör doch, Kind, bist du denn taub?
MARIE
mit tiefem Knicks
Herr Graf -
IRMENTRAUT
Nicht gar so untertänig.
GRAF
Ein süsses Wort der Liebe nur.
IRMENTRAUT
leise zum Grafen
Es kommt, sie ziert sich nur ein wenig,
das liegt in unserer Natur,
das liegt uns Mädchen in der Natur.
MARIE
Ich weiss vor Zagen
kein Wort zu sagen,
wenn auch sein Mund mir Treue schwört.
Soll ich bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem mein Herz gehört?
GRAF
Sie weiss vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch mein Mund ihr Treue schwört.
Möcht sie bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem ihr Herz gehört?
IRMENTRAUT
Sie weiss vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch sein Mund ihr Treue schwört.
Nur frisch bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem dein Herz gehört.
's wird besser euch vom Munde fliessen,
wenn ihr allein -
MARIE
Nein, nein, du bleibst da.
IRMENTRAUT
Ich will ja Öl nur auf die Lampe giessen.
MARIE
Ich schreie: Feuer! Feuer!
IRMENTRAUT
Ja doch, ja.
GRAF
Ihr bleibt!
IRMENTRAUT
Ja doch, ich will nicht weichen.
GRAF
Marie, teures Mädchen, sprich
und ende dieses bange Schweigen!
IRMENTRAUT
zu Marie
Sei doch nicht gar so zimperlich.
MARIE
leise zu Irmentraut
Sag ihm -
IRMENTRAUT
Was denn?
MARIE
Er soll gewähren
ein Zeichen seiner Liebe mir -
IRMENTRAUT
eilt zum Grafen
MARIE
Bleib doch!
IRMENTRAUT
leise zum Grafen
Sie will sich mir erklären.
GRAF
Im Ernst?
IRMENTRAUT
Ich stehe gut dafür.
MARIE
leise zu Irmentraut
Hör doch! Will er mir das gewähren,
so soll er mich verlassen gleich.
IRMENTRAUT
Wie?
GRAF
zu Irmentraut
Nun?
IRMENTRAUT
Sie ist noch beim Erklären,
bald ist sie fertig, freuet Euch!
GRAF
für sich
Mein Argwohn schwindet.
Dies Schweigen kündet,
dass sie nur einen, einen liebt.
MARIE
Ich weiss vor Zagen
kein Wort zu sagen,
wenn auch sein Mund mir Treue schwört.
Soll ich bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem mein Herz gehört?
GRAF
Sie weiss vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch mein Mund ihr Treue schwört.
Möcht sie bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem ihr Herz gehört?
IRMENTRAUT
Sie weiss vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch sein Mund ihr Treue schwört.
Nur frisch bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem dein Herz gehört.
MARIE
sich ein Herz fassend
Herr Graf, ich muss Euch frei gestehen -
IRMENTRAUT
zum Grafen
Es kommt, es kommt.
zu Marie
Nur dreist und nicht verzagt.
MARIE
Ich darf Euch ferner nicht mehr sehen -
mein Herz - mein Herz ist schon versagt.
IRMENTRAUT
Kind, bist du toll? Was fällt dir ein?
GRAF
Willst du mich der Verzweiflung weihn?
Du lässt mich kalt von hinnen scheiden,
misstraust der Treue Schwur?
O gönne mir als Trost im Leiden
den Schein der Hoffnung nur!
Verschmähst du, weil ich vornehm bin,
nur meines Herzens Triebe?
Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin
für dich, für deine Liebe!
ZEHNTER AUFTRITT
Die Vorigen. Georg eilig
GEORG
Der Meister!
MARIE
Der Vater!
IRMENTRAUT
Der Meister!
GEORG
Dass ihn der Teufel hol!
MARIE UND IRMENTRAUT
zum Grafen
Entfernt Euch! Entfernt Euch!
GRAF
zu Marie
Das letzte Lebewohl!
MARIE
reicht ihm die Hand
IRMENTRAUT, MARIE und GEORG.
Entfernt Euch! Fort! Fort!
STADINGER
stösst von aussen den Fensterladen auf
Alle Teufel! Der Ritter!
He, Konrad! Georg!
Wo stecken die Schlingel?
GRAF
entfernt sich durch die Seitentür
GEORG
nimmt eine lange Lanze und sticht überall herum, als ob er den Grafen verfolge
Reisst aus! Reisst aus!
Ich spiess Euch auf!
STADINGER und GESELLEN
kommen von verschiedenen Seiten
ELFTER AUFTRITT
Die Vorigen ohne Graf. Stadinger. Gesellen
GESELLEN
Was ist geschehen? Was soll das Schrein?
Fangt auf den Dieb! Fangt auf, fangt auf!
STADINGER
zu Georg
Hagel und Wetter!
Du dummer Tölpel,
du liessest den Ritter
ja doch hinein.
GEORG
Er kam soeben -
MARIE und IRMENTRAUT
Er kam soeben.
STADINGER
ihnen nachäffend
Er kam soeben -
Er kam soeben -
Gesindel, wollt ihr wohl ruhig sein?
Er ist nicht hinaus -
durchsucht das Haus -
rührt eure Beine!
Nicht so faul!
DIE GESELLEN
teilen sich nach verschiedenen Seiten
MARIE
Ach, lieber Vater!
IRMENTRAUT
Ach, lieber Meister!
STADINGER
Still, altes Plappermaul!
IRMENTRAUT
ausser sich
Plappermaul!
STADINGER
zu Marie
Du kommst ins Kloster!
MARIE
Ach, lieber Vater!
STADINGER
zu Irmentraut
Sie aus dem Haus!
IRMENTRAUT
gekränkt
Ein altes Plappermaul!
MARIE
leise zu Georg
Wo ist der Ritter?
IRMENTRAUT
ebenso
Ist er hinaus?
GEORG
ebenso
Zum Fenster.
MARIE
Gott sei Dank!
Nein, nun darf er nie mehr wagen,
dieser Pforte kühn zu nahn.
IRMENTRAUT
Ach, nun wird er nie mehr wagen,
dieser Pforte kühn zu nahn.
GEORG
Doch er wird sich ohne Zagen
bald der Pforte wieder nahn.
STADINGER
Ha, er soll es nie mehr wagen,
dieser Pforte kühn zu nahn.
DIE GESELLEN
sammeln sich wieder
STADINGER
Nichts gefunden?
GESELLEN
Keine Maus!
STADINGER
Wo ist der Konrad?
GESELLEN
Nicht zu Haus!
GEORG
sich stellend, als ob er eben erst von der Seite aufträte
Der liegt schon längst in süsser Ruh'.
STADINGER
verwundert
Er schläft?
MARIE UND GESELLEN
Er schläft?
STADINGER
Schlafmütze du!
Ich will nun auch zur Ruhe gehn,
um mit dem Frühsten aufzustehn
und meinem Hause Ruh' zu schaffen
vor diesem Liebenauer Grafen.
GESELLEN
spöttisch
Graf Liebenau? Schau, schau!
MARIE
O verzeiht nur einmal noch.
STADINGER
zu Marie und Irmentraut
Marsch zu Bett!
IRMENTRAUT
Plappermaul!
STADINGER
zu den Gesellen
Gute Nacht!
GESELLEN
Gute Nacht!
ALLE
entfernen sich nach verschiedenen Seiten. Die Bühne bleibt eine Zeitlang leer und dunkel
MARIE
öffnet dann leise die Seitentür und tritt mit der Lampe leise wieder herein
ZWÖLFTER AUFTRITT
Marie allein
Rezitativ und Arie
MARIE
schleicht nach Konrads Kammer und horcht
Er schläft! Wir alle sind in Angst und Not,
und er kann schlafen, das begreif ich nicht.
Ach, er fühlt nicht wie ich, sonst müsst er ahnen,
dass ich ihm nahe bin, dass ich mich sehne,
ne gute Nacht aus seinem Mund zu hören.
Er ist so gut, so brav und bieder,
sein redlich Herz find't man nicht mehr;
wie er beglückt mich keiner wieder,
und wenn's der König selber wär!
Reichtum allein tut's nicht auf Erden,
das ist nun einmal weltbekannt;
mit Konrad kann ich glücklich werden,
er gilt mir mehr als Kron' und Land.
Wie wär's, wenn ich ihn weckte? Gar zu gern
möcht ich ein süsses Wort mit ihm noch plaudern.
Sie geht an die Tür, klopft und ruft leise
Konrad!
lauter
Konrad!
ärgerlich und laut rufend
Konrad! Du Murmeltier!
Sie erschrickt
Wie unvorsichtig! Wenn man mich gehört!
Sie schleicht auf den Zehen zu den anderen Türen und horcht
Nein, Gott sei Dank, 's ist alles still geblieben.
Ob wohl der Ritter glücklich heimgekehrt?
Sie öffnet leise den Fensterladen im Hintergrunde. Man erblickt die Gegend im Mondenschein.
O schöne Nacht, wie hell die Sternlein flimmern!
Sie erschrickt
Täusch ich mich nicht, so stehet dort am Baume
der Ritter noch, im Mantel eingehüllt.
Sie riegelt schnell den Laden zu und stellt sich mit dem Rücken dagegen, als wolle sie ein Eindringen verhüten, dann sieht sie durch die Spalte
Ein art'ger Herr ist's freilich, schlank und fein,
und zu beneiden mag die Dame sein,
die er zur Gattin sich erwählt.
's mag freilich nicht so übel sein,
zu wohnen in 'nem schönen Schloss,
zu sagen: Feld und Wald sind mein,
und mir gehorcht der Diener Tross.
Zu thronen beim Turniere
inmitten schöner Fraun
und hoch von dem Altane
voll Huld hinab zu schaun,
wie sie die Lanzen brechen
beim Schalle der Trompeten,
wie sie sich hauen, stechen,
bis einer Sieger ist;
man winket dann dem Tapfern
mit wohlgefäll'ger Mien'
und reicht mit schönen Worten
den Ehrenkranz ihm hin.
Man spricht - man spricht:
Hier, lieber tapfrer Rittersmann,
sei Euch mein schönster Dank gebracht,
ich schaut Euch mit Vergnügen an,
Ihr habt's recht gut gemacht.
Dann zum Bankett,
zum reichen Mahl
im goldnen Saal
beim Kerzenschein!
Das muss 'ne wahre Wonne sein!
Pause
Was ficht dich an, du töricht Mädchen?
Dein kind'scher Sinn führt dich zu weit!
Reichtum allein tut's nicht auf Erden,
das ist nun einmal weltbekannt;
mit Konrad kann ich glücklich werden,
er gilt mir mehr als Kron' und Land.
Sie nimmt die Lampe, und sich nach seiner Tür wendend, singt sie im Abgehen
So schlummre sanft, du Trauter, du,
dir wünscht dein Liebchen süsse Ruh'!
Schlummre sanft! Schlummre sanft!
Der Vorhang fällt langsam