ENTR'ACT
ZWEITER AKT
Ein einfaches Zimmer in Stadingers Wohnung mit Mittel- und Seitentüren
ERSTER AUFTRITT
Graf als Schmiedegeselle. Dann Marie
GRAF
Ich weiss in der Tat nicht, wie ich mich bis zur Zeit der Entdeckung gegen Marie benehmen soll. Am besten ist's, ich plage sie mit Eifersucht, vielleicht gesteht sie mir bei der Gelegenheit, was sie gestern abend mit dem Ritter - mit mir nämlich - gesprochen hat. Da ist sie! - Frisch, Konrad, sei eifersüchtig.
MARIE
von der Seite auftretend und ängstlich auf Konrads Anrede wartend
Guten Morgen, Konrad.
GRAF
sich verdriesslich stellend
Morgen!
MARIE
Bist du schon auf, Konrad?
GRAF
Schon lange!
MARIE
Bist du heute schon ausgewesen?
GRAF
Nein!
MARIE
Du kommst doch heute hinaus auf den Weinberg?
GRAF
Möglich
MARIE
Du Brummbär, du!
Sie wendet sich schnell zum Abgehen
GRAF
Treibt Euch das böse Gewissen oder habt Ihr dem Ritter eine andere Liebesstunde gegeben?
MARIE
Konrad, mach mich nicht böse!
GRAF
Ich bin unwürdig Eures Zorns, gestrenge Rittersfrau.
MARIE
Meinen Zorn verdienst du, aber meine Liebe nicht.
GRAF
Könnt Ihr's leugnen, dass Ihr mit dem Ritter gestern eine Unterredung hattet?
MARIE
Nein, und ich werde noch recht oft mit ihm reden!
GRAF
Wie?
Nr. 5 - Duett
GRAF
Ihr wisst, dass er Euch liebt?
MARIE
Ja!
GRAF
Dass er verwegen ist -
MARIE
Ja!
GRAF
Dass er Euch auch entführen kann
gewaltsam wie durch List?
MARIE
Ja, ja, ja, ja!
GRAF
Darf ich den Ohren trauen?
MARIE
Der Ritter ist ein schöner Mann,
der Ritter ist ein reicher Mann,
der Ritter ist ein art'ger Mann,
den ich vor allen leiden kann -
denn, wenn ich mit ihm reden tu,
so hört er aufmerksam mir zu
und liegt nicht da und schläft!
Verstanden? Verstanden?
Nun geh, lass mich in Ruh'.
GRAF
Doch warum die Ärmste quälen,
ihr bereiten diese Pein?
Sie wird mich wahrlich schmälen,
mir im Ernste böse sein!
MARIE
So mit Eifersucht sich quälen,
wär ein Leben voller Pein.
Lieber niemals sich vermählen,
lieber alte Jungfer sein!
Sie setzt sich weinend an den Tisch.
So bitter die zu kränken,
die ihm ihr Herz geweiht.
GRAF
für sich
Allmählich einzulenken,
ist nun bald an der Zeit.
MARIE
Wie gern vergäb ich ihm,
bereut' er sein Vergehn.
GRAF
für sich
Ja bald, bald sollst du mich
zu deinen Füssen sehn.
MARIE
aufstehend
Ich glaub, er kommt,
das dacht ich mir.
GRAF
sich nähernd
Es tut mir leid,
ich ging zu weit:
Doch Eifersucht
kennt keine Schranken.
MARIE
beiseite
Ich glaub, er kommt Er gibt klein bei
und muss zuletzt
für gnäd'ge Strafe
sich bedanken.
GRAF
Doch warum die Ärmste quälen,
ihr bereiten diese Pein?
Sie wird mich wahrlich schmälen,
mir im Ernste böse sein!
MARIE
So mit Eifersucht sich quälen,
wär ein Leben voller Pein.
Lieber niemals sich vermählen,
lieber alte Jungfer sein!
GRAF
Was sprachst du mit dem Ritter?
Dies eine sage mir.
MARIE
Je nun, wir sprachen - vom Wetter,
von diesem und von jenem,
von ganz gleichgült'gen Dingen,
wir sprachen auch von dir.
GRAF
für sich
Die Hexe, wie sie lügt.
MARIE
für sich
Den Stich hat er verstanden.
Er schweigt, drum hoffe ich,
ist Besserung vorhanden.
GRAF
Du sagtest ihm - du sagtest ihm -
MARIE
Dass ich mein Herz bereits verschenkt
an einen Undankbaren,
der mich nur quält und kränkt
und den ich dennoch liebe,
und wenn er mich auch quält -
das hab ich ihm erzählt.
GRAF
sich vor ihr niederwerfend
Marie, süsses Leben,
o kannst du mir vergeben
das unbedachte Wort?
MARIE
Da liegt er ja, das wusste ich,
das musste auch so kommen.
Mit Pathos
Seid wiederum, Herr Waffenschmied,
in Gnaden angenommen.
GRAF
Du zürnst nicht mehr?
MARIE
Ich denk nicht dran!
GRAF
Du wirst mein Weib?
MARIE
Und du mein Mann!
GRAF
Ich bin so arm -
MARIE
Bin ich denn reich?
GRAF
Dein Vater doch -
MARIE.
Das bleibt sich gleich.
Und wär ich noch so hochgestellt,
Besäss ich alles Gut der Welt -
Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin
für dich und deine Liebe!
GRAF
für sich
Aha, das ist von mir!
MARIE
Für dich und deine Liebe!
BEIDE
sich umarmend
Wo der Liebe Flammen brennen,
stellt auch Eifersucht sich ein;
doch soll keine Macht uns trennen,
keine Zwietracht uns entzwein.
ZWEITER AUFTRITT
Die Vorigen. Irmentraut
IRMENTRAUT
All ihr Heiligen! Was muss ich sehen?
GRAF und MARIE
O weh!
IRMENTRAUT
So, mein feines Jüngferchen, wo es sich um Ihre Zukunft, Ihr Glück handelt, spielt Sie die Spröde, die Zimperliche, lässt sich aber von den Gesellen Ihres Vaters herzen und küssen, dass es eine Freude ist.
GRAF und MARIE
Aber liebe Irmentraut!
IRMENTRAUT
Jungfrau Dorothea Scholastika Irmentraut bin ich für Ihn, Er küsseriger Schmiedegeselle. Und Sie, Jüngferchen, macht mir Vorwürfe, weil ich ein Verständnis begünstige, das Ihr nur Glanz und Ehre bringen kann, und nun muss ich sehen, dass Sie sich wegwirft! He? Und ich soll nicht Zeter schrein!
MARIE
verletzt
Wegwirft?
GRAF
Ruhig, Marie! - Liebe Jungfrau Irmentraut!
Halb für sich
Wenn ich nur Geld bei mir hätte!
IRMENTRAUT
plötzlich besänftigt
Was sagt Er vom Gelde?
GRAF
Leider hab ich keins!
IRMENTRAUT
laut
Und ich soll nicht schrein? Meister Stadinger, Euer Kind wird verführt!
GRAF
Vergebe Sie mir nur diesmal meine Verwegenheit, ich habe Sie so lieb - Sie glaubt es nicht.
IRMENTRAUT
Das tu ich auch nicht, denn Er hat mir nie einen Beweis davon gegeben. Warum, wenn Er mich wirklich lieb hat - küsst Er mich denn nicht? Ich bin ein gesetzter, solider Gegenstand und weiss mich dabei zu benehmen.
GRAF
Das will ich ja gern, wenn Sie mich nur diesmal nicht verraten will.
IRMENTRAUT
Das lässt sich hören, denn - einen Kuss in Ehren kann niemand wehren. Also - da: küss Er mir die Hand.
GRAF
Mit tausend Freuden.
Er tut es
IRMENTRAUT
So! - Nun küss Er mir auch den Mund.
GRAF
O weh!
MARIE
Ach, du armer Konrad!
GRAF
Was will ich machen?
Er küsst Irmentraut mit Widerwillen
DRITTER AUFTRITT
Die Vorigen. Georg
GEORG
Guten Appetit!
IRMENTRAUT
sich böse stellend
Das probier Er noch einmal, Er Schlingel, mich mit Gewalt zu küssen. Oh, man ist vor den Zudringlichkeiten der Männer nirgends sicher!
VIERTER AUFTRITT
Die Vorigen. Stadinger
STADINGER
Was ist denn hier für ein Geschrei? - He, Konrad, was war's?
GRAF
Ich weiss nicht.
STADINGER
Jawohl! - Er weiss nie etwas. Georg, sprich du.
GEORG
Ich sah nur, wie die Jungfer Irmentraut -
IRMENTRAUT
Wie die Jungfer Irmentraut dazu kam, als der Mosje Konrad Seiner Tochter einen Kuss applizierte.
STADINGER
Wie? Was? Ist das wahr?
GRAF
Wenn's denn nicht anders ist - ja, ich kann's nicht leugnen.
MARIE
Ich brachte ihm sein Frühstück und da -
GEORG
Glaubt's nicht, Meister. Die Jungfer hat den Konrad geküsst.
STADINGER
Meine Tochter?
GEORG
auf Irmentraut zeigend
Nein, die da!
MARIE
Ja, Vater, ich hab's gesehen!
IRMENTRAUT
Abscheuliche Verleumdung. Ich brachte ihm neulich vom Markte 'nen süssen Fladen mit, und da-
STADINGER
Küsste er sie heut dafür? Ich glaube, der Mensch küsst ums tägliche Brot.
Auf Irmentraut
Hier hab ich ihm nichts zu verbieten, denn der Geschmack ist verschieden in der Welt; aber bei meiner Tochter drück Er seinen Dank künftig anders aus, sonst marschiert Er aus dem Haus. Das muss Ihm aber nicht unangenehm sein.
FÜNFTER AUFTRITT
Die Vorigen. Adelhof
ADELHOF
Kann ich den berühmten Waffenschmied Hans Stadinger sprechen?
STADINGER
Was ist denn das für eine Figur?
GEORG
leise zum Grafen
Das ist der Kundschafter des Fräuleins.
GRAF
Still!
STADINGER
Ihr seht den Herrn des Hauses vor Euch. Was steht zu Euren Diensten?
ADELHOF
Fürs erste erlaubt, dass ich mich setze. Man gibt ihm einen Stuhl. Für sich. Ich muss die Sache schlau einfädeln. Laut. Ihr seid doch derselbe, der sich um das Wormser Tierreich so verdient gemacht hat?
STADINGER
geschmeichelt
Man sagt so. Ich habe allerdings eine bedeutende Praxis. Erst gestern habe ich bei meinem Nachbar zwei Ziegen -
ADELHOF
Ganz recht.
Für sich
Das schmeichelt ihm. Nur immer schlau.
Laut
Ihr habt ja auch eine schöne Tochter?
STADINGER
Ei, wie kommt denn der Herr mit einmal von des Nachbars Ziegen auf meine Tochter?
ADELHOF
Das soll Euch gleich klarwerden -
Für sich
Nur schlau.
Laut
Kennt Ihr den Ritter Liebenau?
STADINGER
Aha! Will's da hinaus?
MARIE und GRAF
Was werd ich hören?
GEORG
Aha!
STADINGER
Nun, was soll's mit dem?
ADELHOF
Der stellt Eurer Tochter nach.
STADINGER
lachend
Was Ihr mir sagt! - Das ist mir etwas ganz Neues.
ADELHOF
Ich bin daher gekommen, um Euch zu warnen, denn der Ritter ist ein liederlicher Lump.
IRMENTRAUT und MARIE
Das ist nicht wahr!
GRAF
auffahrend
Höll' und Teufel!
GEORG
leise
Herr Ritter, mässigt Euch.
GRAF
laut
Wer hat ihn Euch so geschildert?
STADINGER
Ruhig, was geht denn das dich an?
ADELHOF
den Grafen musternd
Aha! Das ist ja wohl am Ende der Bewusste.
GRAF
für sich
Wär ich verraten?
STADINGER
Wollt Ihr mir nicht vor allen Dingen erklären, was Euch meine Tochter und mein Haus angehen?
ADELHOF
Damit kann ich dienen. Ich will Eure Tochter verheiraten, denn ich habe einen Mann für sie.
ALLE
ausser Adelhof
Was ist das?
Nr. 6 - Sextett
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF, GEORG und STADINGER
Der Mann scheint nicht bei Sinnen,
er tritt zur Tür herein
und will, seltsam Beginnen,
des Hauses Vormund sein.
ADELHOF
beiseite.
Man hält mich für von Sinnen,
kaum trete ich hier ein,
will ich, seltsam Beginnen,
des Hauses Vormund sein.
STADINGER
Erklärt vor allem mir genau:
Was tut hierher Euch führen?
ADELHOF
Der Ritter Graf von Liebenau
will Euer Kind verführen.
GRAF
vortretend
Das ist nicht wahr.
STADINGER
Was weisst denn du?
GEORG
zum Grafen
So schweigt doch!
MARIE und IRMENTRAUT.
Konrad hat recht.
STADINGER
zu Marie
Du bist ganz stille zu Irmentraut und du auch.
zu Adelhof
Wer sendet Euch denn, sprecht?
ADELHOF
Das, lieber, guter Mann,
geht Euch hier gar nichts an.
STADINGER
Den Teufel auch geht's mich was an.
MARIE, STADINGER
Ha, das begreife, wer es kann.
IRMENTRAUT
Ha, das begreife, wer es kann.
GRAF, GEORG
Ha, das begreife, wer es kann.
ADELHOF
Nun ist ein Bursch' in Eurem Haus,
er soll sich Konrad nennen
und lange schon für Euer Kind
in heisser Lieb' entbrennen.
MARIE, GRAF und GEORG.
O weh!
STADINGER
Zum Kuckuck, ist das wahr?
ADELHOF
Ja, ja, die Sach' ist richtig.
STADINGER
Wie? Was?
MARIE, GRAF und GEORG
zu Adelhof
Was wisst denn Ihr?
IRMENTRAUT
zu Stadinger
Er hat ganz recht,
lest ihm den Text nur tüchtig.
STADINGER
Ich werde stumm.
MARIE, GRAF und GEORG
Was weisst denn du?
ADELHOF
Sie lieben sich.
IRMENTRAUT
Sie lieben sich.
STADINGER
Vor Wut möcht ich ersticken!
ADELHOF
Sie küssen sich.
IRMENTRAUT
Sie küssen sich.
STADINGER
Und hinter meinem Rücken!
Sehr nett, sehr fein,
mein sittsam Töchterlein!
Doch halt, ich red ein Wörtchen drein.
Alles im stillen so nett abgekartet,
Mordelement, darauf hätt ich gewartet!
Daraus wird nichts, daraus wird nichts!
Da hab ich einen andern Plan.
MARIE, GRAF und ADELHOF
Lasst Euch bedeuten, lasst Euch bedeuten,
seid nicht so wild und höret uns an.
IRMENTRAUT und GEORG
Was soll das heissen? Was soll das heissen?
Er sagt, es gilt einen andern Plan?
ADELHOF
Lasst Euch bewegen, gebt Euren Segen,
Konrad muss ihr Gatte sein.
MARIE, GRAF und GEORG
Lasst Euch bewegen, gebt Euren Segen,
lieber Vater willigt ein.
lieber Meister willigt ein.
IRMENTRAUT
Gebt meinetwegen Ihr Euren Segen,
lieber Meister, willigt ein!
STADINGER
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein!
Ich sage nein für immerdar, nein, nein, nein, nein!
ADELHOF
ärgerlich
Ei, so hol dich doch der Teufel,
eigensinn'ger alter Narr!
STADINGER
ausser sich
Alter Narr! Ein Wormser Bürger!
Mir das in meinem eignen Haus!
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF und GEORG
O weh, o weh, nun ist es aus.
STADINGER
Er hat die Wahl, nun fliegt Er gleich
zur Türe oder zum Fenster hinaus,
zum Fenster oder zur Türe hinaus,
wo Er will!
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF und GEORG
Seinen Zorn so heftig zu erregen,
war gefehlt und unbedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Darum Mut und Vertraun,
ist auch das Ziel noch weit.
Wahre Lieb' kein Opfer scheut!
ADELHOF
Seinen Zorn so heftig zu erregen
hätt ich nimmer mir gedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Glaubte schon, die Sache wär
sogleich in Richtigkeit -
doch vom Ziel bin ich noch weit!
STADINGER
für sich
Meinen Zorn so heftig zu erregen,
war sehr dumm und unbedacht;
mag er sich nun auch auf's Bitten legen,
alles bleibt, wie ich's gesagt.
Glaubet wohl, die Sache wär'
sogleich in Richtigkeit -
draus wird nichts in Ewigkeit!
ADELHOF
Hört mich nur an -
STADINGER
Ich will nicht, nein.
ADELHOF
Es gilt ja Eures Kindes Glück -
MARIE UND GRAF
Es gilt mein Glück -
Es gilt ihr Glück -
STADINGER
Die Sorg' ist mein!
Entfernet Euch im Augenblick.
ADELHOF
Ihr seid so grob -
STADINGER
Nicht so wie Ihr.
ADELHOF
Drum gehe ich.
STADINGER
Da ist die Tür. In meinem Hause duld ich nicht,
dass man von alten Narren spricht.
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF und GEORG
Seinen Zorn so heftig zu erregen,
war gefehlt und unbedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Darum Mut und Vertraun,
ist auch das Ziel noch weit.
Wahre Lieb' kein Opfer scheut.
ADELHOF
Seinen Zorn so heftig zu erregen
hätt ich nimmer mir gedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Glaubte schon, die Sache wär
sogleich in Richtigkeit -
doch vom Ziel bin ich noch weit!
STADINGER
für sich
Meinen Zorn so heftig zu erregen,
war sehr dumm und unbedacht;
mag er sich nun auf's Bitten legen -
alles bleibt, wie ich gesagt.
Glaubte wohl, die Sache wär
sogleich in Richtigkeit -
draus wird nichts in Ewigkeit!
STADINGER
treibt den Ritter zur Mitte und Marie und Irmentraut zur Seite ab. Er selbst entfernt sich durch die Mitte
SECHSTER AUFTRITT
Graf. Georg
GEORG
Nun, gestrenger Herr Ritter, so weit hätten wir es denn gebracht; Ihr seid von morgen ausquartiert, und ich, als Euer getreuer Schlafkamerad, muss gehorsamerweise Euer Schicksal teilen.
GRAF
Aber wie kam der Ritter nur auf den Gedanken?
GEORG
Das ist Euch nicht klar? Ach, werter Herr Ritter, ich glaube, die Liebe und der Schmiedehammer haben Euch stumpfsinnig gemacht. Ein Kunststückchen von Eurer Braut. Sie hat erfahren, dass Ihr in Worms verborgen seid, und will Euch das Mädchen vor der Nase weg verheiraten. Unglücklicherweise oder auch glücklicherweise trifft sie gerade den rechten Mann.
GRAF
Verdammt, dass der Alte so halsstarrig ist. So war ich mit eins am Ziel meiner Wünsche.
GEORG
Hörtet Ihr nicht, was er sagte: er hätte mit dem Mädchen einen andern Plan? Was mag er damit gemeint haben?
GRAF
Einerlei! - Nimm diesen Brief, worin ich als Ritter noch einmal um die Hand seiner Tochter bitte.
GEORG
Vergebene Müh!
GRAF
Ich will alle mögliche Güte versuchen, damit ich mir später nichts vorzuwerfen habe.
GEORG
pfiffig
Herr Ritter, ich habe einen Einfall, ein Plänchen, das liesse sich prächtig beim heutigen Feste ausführen.
GRAF
Lass hören!
GEORG
Still! Der Alte!
SIEBENTER AUFTRITT
Die Vorigen. Stadinger
STADINGER
Habe ich mich nicht geärgert!
Konrad erblickend
Gut, dass ich dich sehe, du hast deinen Laufpass. Ich kann keinen Gesellen brauchen, der in meiner Familie besser Bescheid weiss als in meiner Werkstatt.
GRAF
So hört mich nur einmal an.
STADINGER
Kein Wort, es bleibt dabei. - Georg, mit dir habe ich zu reden.
GEORG
Zu Befehl, Meister. Zuvor aber nehmt den Brief.
STADINGER
Ich will keinen. Es soll sich kein Mensch unterstehen, an mich zu schreiben.
GEORG
Warum denn nicht?
STADINGER
Weil ich Geschriebenes nicht lesen kann. - Wer hat ihn gebracht?
GEORG
Ein Knappe in einem prächtigen Waffenrock.
STADINGER
Lies ihn.
GEORG
Meister, ich kann auch nicht lesen.
STADINGER
Du bist mein Mann, das freut mich.
Zum Grafen, der sich zurückgezogen hatte
He - du - du bist ja ein gelehrter Schmied - lies den Brief, aber deutlich, dass ich dich verstehe - Von wem ist er?
GRAF
Ich will ihn gleich erbrechen. Er erbricht ihn.
STADINGER
Kann man das nicht so sehen?
GRAF
Nein. - Er ist vom Grafen Liebenau.
STADINGER
Von dem Mädchenjäger? Was will er schon wieder?
GRAF
liest
»Edler Bürger, berühmter Meister, hochgelahrter Doktor!«
STADINGER
Eine gute Erziehung hat der Mensch! - Weiter!
GRAF
»Da Ihr mir auf mein Begehren Eure edle Tochter Marie ohne Ursach' abgeschlagen habt -«
STADINGER
Ohne Ursach'? Ist das nicht Ursach' genug: er ist ein Ritter.
GRAF
»So frage ich Euch zum letztenmal, ob Ihr sie mir gutwillig zu meinem Eheweib geben wollt; oder ob ich mit Macht und Ansehn sie Euch entreissen soll! Nehmt mich zu Eurem Feind - was mir aber lieber ist - zu Eurem Sohn an. Graf und Ritter Liebenau.«
STADINGER
Ei, so wollte ich doch, dass du ersticktest. Das ist eine ganz neue Art, von dem Vater die Tochter zu begehren. Wenn das Mode würde, möchte der Teufel Vater sein. Wenn dir das gelingt, so will ich keinen Tropfen mehr trinken. Der Himmel verzeihe mir den hohen Schwur. Aber da will ich einen Riegel vorschieben.
Zum Grafen
Du gehst hinaus, ich habe mit Georg allein zu reden.
GRAF
geht ab, nachdem er sich mit Georg noch durch Zeichen verständigt
GEORG
für sich
Was will er denn von mir? Mir wird ganz unheimlich zumute!
STADINGER
Georg, ich habe mit meinem Schwager Brenner um drei Ohm Hochheimer gewettet, dass der Ritter Liebenau nie mein Tochtermann wird, und diese Wette muss ich gewinnen. Georg, du bist mein Trost! Wie alt bist du?
GEORG
Das weiss ich nicht gewiss, es sind achtzehn Jahre, dass ich die Blattern hatte, und ich weiss nicht, war ich damals zehn oder zwanzig Jahre alt.
STADINGER
Tut nichts. Zum Heiraten bist du alt genug.
GEORG
beiseite
Heiliger Bonifazius! Nun geht mir ein Licht auf.
STADINGER
Also - du wirst die Ehre zu schätzen wissen - ich mache dich zu meinem Schwiegersohn; es muss dir aber nicht unangenehm sein.
GEORG
beiseite
Nun, das ist nicht übel! - Laut.Meister, was fällt Euch ein? Ich bin zum Heiraten verdorben.
STADINGER
Wieso?
GEORG
Mit mir hält's keine aus.
STADINGER
Warum nicht?
GEORG
Ich habe zuviel Fehler.
STADINGER
Fehler hat jeder Mensch, die lassen sich abgewöhnen; hab ich mir zum Beispiel mein dummes Sprichwort abgewöhnt -
GEORG
I nun, es kommt noch oft genug.
STADINGER
Du sollst mich darauf aufmerksam machen, so oft ich's sagen will.
GEORG
Soll geschehen, Meister -
STADINGER
Es muss dir aber nicht unange -
GEORG
Meister!
STADINGER
sich vor den Mund schlagend
Dass dich das Wetter! - Na, ruf mir gleich zu, ich lass es schon. - Also wiederum zur Hauptsache zu kommen!
Nr. 7 - Duett
STADINGER
Du bist ein arbeitsamer Mensch,
bist brav, gesund und derb;
drum geb ich meine Tochter dir
und später mein Gewerb'.
GEORG
Ihr spasst wohl, Meister!
STADINGER
's ist mein Ernst,
mit so was spass ich nicht.
Mein Mädel ist ein gutes Kind,
hat auch ein hübsch Gesicht.
GEORG
Der Antrag ist sehr ehrenvoll -
STADINGER
Besinn dich drum nicht lang.
GEORG
beiseite
Ich weiss nicht, was ich sagen soll -
es wird mir angst und bang.
STADINGER
Greif zu geschwind!
GEORG
Ich fürchte mich!
STADINGER
Geh, sei kein Hasenfuss.
GEORG
Das ist 'ne Sache, die man sich
erst überlegen muss.
BEIDE
für sich
Das Mädel hat ein hübsch Gesicht,
drum wär der Spass so übel nicht,
schnappt ich / sie meinem Ritter / dem Herrn keck
so grade vor der Nase weg.
Das wär ein guter Spass!
GEORG
Es geht nicht, Meister.
STADINGER
Was ist das?
GEORG
Ich sag's Euch grade hin,
dass ich mich nicht vermählen kann,
weil ich Leibeigner bin.
STADINGER
Ich kauf dich los.
Die hab ich, die paar Dreier!
Wo bist du her?
GEORG
Ach Gott, das weiss ich gar nicht mehr!
STADINGER
Verflucht, da wird es teuer.
GEORG
Nicht wahr?
STADINGER
Doch koste es auch, was es will,
ich zahle die Dukaten.
GEORG
Mir steht der Angstschweiss auf der Stirn.
verzweifelt
Ich will gar nicht heiraten.
STADINGER
Du willst nicht?
GEORG
Nein!
STADINGER
Du musst!
GEORG
Oho! Für sich. Nun wird's mir bald zu toll.
STADINGER
Willst du, dass meine Wette ich
etwa verlieren soll?
GEORG
Wenn mich das Mädchen nun nicht will -
STADINGER
Sie muss dich woll'n, jetzt schweigst du still.
GEORG
Was will sie denn mit einem Mann,
der ihr nicht einmal sagen kann,
wer seine Eltern sind.
Ich bin ein Findelkind;
ich bin auch, glaub ich, nicht getauft,
die Schriften, die man bei mir fand,
ich habe sie verloren.
STADINGER
die Hände zusammenschlagend
Am Ende ist der ganze Kerl
noch nicht einmal geboren!
Doch das ficht alles mich nicht an,
du wirst mein Tochtermann.
BEIDE
Das Mädel hat ein hübsch Gesicht,
drum wär der Spass so übel nicht,
schnappt ich sie meinem Ritter keck
schnappt er sie dem Herrn keck
so grade vor der Nase weg.
Das wär ein guter Spass!
STADINGER
Nun schweigst du still, sprichst nicht mehr drein.
Du findst beim heut'gen Fest dich ein;
dort wird, wie sich's gebührt,
Verlobung deklariert.
GEORG
Warum nicht gar.
STADINGER
Es bleibt dabei!
Zum Teufel mit der Ziererei!
GEORG
Ich komm nicht los, ich armer Mann!
STADINGER
Was gilt's, er stellt sich nur so an.
GEORG
Ich weiss mir nicht zu raten,
er peinigt mich zu Tod!
Mein Herr durch kühne Taten
hilft mir wohl aus der Not.
Man zwingt in Hymens Tempel
mich mit Gewalt hinein;
ich muss doch ein Exempel
von einem Eh'mann sein!
STADINGER
Ein hübsches Weibchen, ein gut Gewerbe
und in die Hand noch bares Geld,
zu hoffen einst ein nettes Erbe,
was gibt es Schön'res auf der Welt?
Das kann dem Menschen schon behagen
und liesse, dächt ich, sich ertragen;
doch der Verstand wird zu seinem Frommen
ihm schon noch kommen,
er wird mir danken und ein Exempel
von einem guten Eh'mann sein!
Georg geht ab
ACHTER AUFTRITT
Stadinger. Adelhof
ADELHOF
erhitzt
Gut, dass ich Euch noch treffe! Ich habe Wichtiges mit Euch zu reden.
STADINGER
Wollt Ihr etwa schon wieder in meinem Hause jemand verheiraten?
ADELHOF
Allerdings. - Eure Tochter! Aber nicht mit dem Gesellen Konrad, sondern - habt Ihr nicht auch einen namens Georg in Eurem Hause?
STADINGER
Sehr richtig.
ADELHOF
Der muss Eure Tochter heiraten - es war ein Missverständnis.
STADINGER
So? Es ist mir nur lieb, dass Ihr mich gleich darüber aufklärt. - Mein lieber Herr Ritter aus Schwaben, ich muss Euch rundheraus sagen, dass ich Herr in meinem Hause bin und die Hand meiner Tochter gebe, wem ich will. Verstanden? Bekümmert Euch also ferner weder um meine Tochter noch um ihren Zukünftigen.
ADELHOF
Aber, lieber Meister -
STADINGER
Aber, lieber Herr Ritter, dabei bleibt's. Es muss Euch aber nicht unangenehm sein.
Er ruft
He, Marie, Marie!
NEUNTER AUFTRITT
Die Vorigen. Brenner
BRENNER
eilig
Finde ich Euch endlich, Herr Ritter, ich sucht Euch überall. Das Fräulein erwartet Euch, sie hat Euch Wichtiges zu verkünden. Guten Tag, Schwager.
STADINGER
Guten Tag.
ADELHOF
Aber ich komme ja im Augenblick von ihr her.
BRENNER
Einerlei! Ihr sollt sogleich zurückkehren.
ADELHOF
Das weiss der Teufel!
Sie gehen gegen den Hintergrund und reden miteinander
STADINGER
an der Seitentür
Nun, zum Henker, wo steckt denn das Mädchen?
ZEHNTER AUFTRITT
Die Vorigen. Irmentraut
IRMENTRAUT
Ihr habt mich gerufen?
STADINGER
Heisst Sie denn Marie? Ich rief nach meiner Tochter.
IRMENTRAUT
Ich hörte Euch »Mädchen« rufen.
STADINGER
Sie alte Schachtel! Wenn ich »Mädchen« rufe, werd ich Sie doch nicht meinen.
IRMENTRAUT
Aber, Meister Stadinger -
STADINGER
Doch da Sie nun einmal da ist, so ist mir's auch recht. Sind die Körbe hinausgeschafft?
IRMENTRAUT
Ja, Meister.
STADINGER
Der Wein, das Essen?
IRMENTRAUT
Ja, Meister.
STADINGER
Die Humpen, die Becher?
IRMENTRAUT
Ja, Meister.
STADINGER
Gut. -
Zu Adelhof
Herr Ritter, ich kann nicht nachtragen. Wollt Ihr mir die Ehre geben, mich heut auf meinem Weinberg zu besuchen, ich feiere ein kleines Fest.
ADELHOF
Wenn es meine Zeit erlaubt -
STADINGER
Soll mir lieb sein.
Zu Irmentraut
Ich gehe jetzt voraus, Sie kommt mit Marien nach. Dass ihr mir aber keine Schleichwege macht, sonst -
IRMENTRAUT
Behüte mich der Himmel! Noch eins, Meister. Nennt mich draussen vor den Gästen nur nicht alte Irmentraut oder alte Schachtel, ich bitte Euch.
STADINGER
Ich werde immer sagen: Du liebes, kleines, junges Ding -
IRMENTRAUT
freudig
Ach ja, Meister!
STADINGER
lachend
Es muss Ihr aber nicht unangenehm sein. - Auf Wiedersehn, Herr Ritter! Leb wohl, Schwager!
Er geht mit Irmentraut ab
ELFTER AUFTRITT
Adelhof. Brenner
BRENNER
Also das Fräulein -
ADELHOF
Wie ich Ihm sage: ich glaubte meinen Auftrag recht schlau ausgeführt zu haben, da rief sie wütend: »Der Konrad darf nun und nimmermehr des Mädchens Gatte werden.«
BRENNER
Fragtet Ihr nicht, weshalb?
ADELHOF
Nun freilich, aber sie meinte, den Grund würde ich später erfahren. Welcher Teufel mag nur so plötzlich ihren Sinn geändert haben?
BRENNER
beiseite
Der Teufel war ich.
Laut. Das ist mir unbegreiflich.
ADELHOF
Nun soll der Georg sie heiraten.
BRENNER
Wirklich höchst seltsam! Aber Ihr vergesst, dass Euch das Fräulein erwartet.
ADELHOF
Ich gehe schon. Am Ende ist ihr der Georg jetzt auch nicht recht. O Katzenstein, wenn deine Goldgulden nicht wären, so liesse ich dich sitzen, aber so - Verstand hab ich, aber kein Geld.
BRENNER
für sich
Mit dem letzteren bin ich -
ADELHOF
Wie?
BRENNER
laut
Ganz einverstanden.
ADELHOF
Nun will ich einmal sehn, was sie von mir will. Er geht ab.
BRENNER
allein
Lauf nur, guter Schwabe, du wirst noch mehr Lauferei haben. Die Sache ist ganz einfach. Der Graf Liebenau bezahlt mich, dass ich ihm zu dem Mädchen verhelfe. Das reiche Fräulein bezahlt mich, dass ich ihm nicht zu dem Mädchen verhelfe. Da ist Verdienst auf beiden Seiten - und als Familienvater! - Jetzt hab ich ihr gesteckt, dass der Schmiedegeselle Georg und der Knappe des Grafen eine Person wäre. Das trug etwas ein. - Nun entdecke ich ihr wieder, dass der Schmiedegeselle Konrad und der Graf eine Person sind, da setzt's wieder etwas, und so opfert man sich für die Menschheit auf, um nur einigermassen redlich durch die Welt zu kommen.
Er geht ab