PROLOG
EIN TIERBÄNDIGER
in zinnoberrotem Frack, weisser Krawatte, weissen Beinkleidern und Stulpstiefeln, in der Linken eine Hetzpeitsche, in der Rechten einen Revolver, tritt aus dem Vorhang, der einen Zelteingang vortäuscht.
Hereinspaziert in die Menagerie,
Ihr stolzen Herren, Ihr lebenslust'gen Frauen,
Mit heisser Wollust und mit kaltem Grauen
Die unbeseelte Kreatur zu schauen,
Gebändigt durch das menschliche Genie.
Was seht Ihr in den Lust- und Trauerspielen?! -
Haustiere, die so wohl gesittet fühlen,
An blasser Pflanzenkost ihr Mütchen kühlen
und schwelgen in behaglichem Geplärr,
wie jene andern - unten im Parterre. -
Das wahre Tier, das wilde, schöne Tier,
Das - meine Damen! - seh'n Sie nur bei mir.
Sie seh'n den Tiger, der gewohnheitsmässig,
Was in den Sprung ihm läuft, hinunterschlingt,
Den Bären, der von Anbeginn gefrässig,
Beim späten Nachtmahl tot zu Boden sinkt!
Sie seh'n den kleinen amüsanten Affen
Aus Langeweile seine Kunst verpaffen;
Er hat Talent, doch fehlt ihm jede Grösse,
Drum kokettiert er frech mit seiner Blösse.
Sie sehn in meinem Zelte, meiner Seel',
Sogar gleich hinterm Vorhang ein Kamel!
Sie seh'n auch das Gewürm aus allen Zonen:
Reptile, Molche, die in Klüften wohnen. -
Sie seh'n das Krokodil und and'res mehr..
er lüftet den Vorhang und ruft in die Bühne
He, Aujust! Bring mir uns're Schlange her!
Ein schmerbäuchiger Bühnenarbeiter trägt die Darstellerin der Lulu in ihrem Pierrotkostüm der nächten Szene vor den Vorhang und setzt sie vor dem Tierbändiger nieder.
Sie ward geschaffen, Unheil anzustiften,
Zu locken, zu verführen, zu vergiften -
Zu morden - ohne dass es einer spürt.
Lulu am Kinn krausend
Mein süsses Tier, sei ja nur nicht geziert!
Du hast kein Recht, uns durch Miaun und Pfauchen
Die Urgestalt des Weibes zu verstauchen
zum Publikum
Es ist jetzt nichts Besond'res dran zu sehn',
Doch warten Sie, was später wird gescheh'n:
Hopp, Aujust!. Marsch! Trag sie an ihren Platz
Der Arbeiter nimmt Lulu quer auf die Arme; der Tierbändiger tätschelt ihr die Hüften
Die süsse Unschuld - meinen grössten Schatz!
Der Arbeiter trägt Lulu auf die Bühne
Und nun bleibt noch das Beste zu erwähnen:
Mein Schädel zwischen eines Raubtiers Zähnen.
Wisst Ihr den Namen, den dies Raubtier führt? - -
Verehrtes Publikum - Hereinspaziert!!
Er tritt hinter den Vorhang zurück, worauf sich der Vorhang öffnet