ZWEITER AUFZUG
(Vorraum zu einem öffentlichen Ballsaal, prunkvoll im Geschmack der 1860er Jahre. Logenartige Räume, aus Säulen und Draperien, links und rechts. In der Mitte Treppe zu einer Estrade, Die in den Ballsaal führt. Arabella und hinter ihr Adelaide steigen herab. Waldner und Mandryka stehen unten, seitwärts beide im Frack.)
MANDRYKA
Das ist ein Engel, der vom Himmel niedersteigt!
WALDNER
Na, endlich! immer eine halbe Stunde zu spät!
MANDRYKA
O Waldner, Waldner!
WALDNER
Wenn du meine Hand so druckst,
werd’ ich drei Tage lang keine Karten
halten können. Jetzt komm!
Ich stell’ dich vor!
Was gehst du denn zurück!
(Adelaide und Arabella sind unten angelangt und treten etwas links.)
ADELAIDE
(leise zu Arabella)
Dort steht er. Findest du ihn elegant?
Hab ich zuviel gesagt?
ARABELLA
(ohne daß sie hinzusehen scheint)
Mama –
das ist jetzt wirklich die Entscheidung!
ADELAIDE
Du bist sehr blaß! Ist dir nicht wohl, mein Kind?
Willst du dich setzen? Willst du fort?
ARABELLA
Nein, laß, Mama.
Nur einen Augenblick
laß mich allein.
(Adelaide geht auf die beiden Herren zu)
WALDNER
(irh entgegen)
Was ist denn?
ADELAIDE
Laß ihr einen Augenblick!
WALDNER
Zu was denn?
ADELAIDE
Eine plötzliche Beklommenheit.
Du kennst ihre Natur.
WALDNER
Jetzt ist nicht Zeit für solche Faxen!
Hier stell’ ich dir vor Herrn von Mandryka.
(Adelaide reicht Mandryka die Hand, die er küßt.)
ARABELLA
(zu ihnen gehend)
Mama, da bin ich.
WALDNER
(vorstellend)
Meine Tochter Arabella.
(Mandryka verneigt sich tief. Adelaide zieht Waldner beiseite. Sie verschwinden rechts. Mandryka sieht Arabella an, ohne ein Wort herauszubringen.)
ARABELLA
Sie seh’n nicht aus wie jemand,
den das alles da interessiert.
Was führt Sie denn hierher?
MANDRYKA
Nach Wien?
ARABELLA
Hier auf diesen Ball!
MANDRYKA
Sie fragen mich, was mich hierherführt,
Gräfin Arabel!a?
(Dominik kommt von rückwärts: zu Arabella)
DOMINIK
Darf ich vielleicht um einen Walzer bitten?
ARABELLA
(zu Dominik)
Später, jetzt sprech’
ich hier mit diesem Herrn.
(Dominik ab in den Ballsaal nach links. Er sieht seitlich Mandryka und mit einigen Verachtung)
MANDRYKA
So hat Ihr Vater Ihnen nichts gesagt?
ARABELLA
(setzt sich und winkt ihm mit dem Fächer, sich neben sie zu setzen)
Was hätte er mir sagen sollen?
ELEMER
(kommt von rückwärts zu Arabella)
Darf ich vielleicht um diesen Walzer bitten?
ARABELLA
Später. Jetzt bleib’ ich hier!
(Elemer verneigt sich und geht. Sie nähert sich Mandrika)
Was hätte mir mein Vater sagen sollen?
MANDRYKA
Sie wissen nichts von mir?
(Arabella schüttelt den Kopf.)
Ich habe eine Frau gehabt,
sehr schön, sehr engelsgut.
Sie ist zwei Jahre nur bei mir geblieben.
Dann hat der Herrgott sie zu sich
gerufen schnell. Zu jung war ich
und noch nicht gut
genug für solchen Engel.
(Er senht den Kopf)
ARABELLA
Ist es das, was mein Vater mir erzählen sollte?
MANDRYKA
(sehr ernst und schwer)
Verzeihen Sie, ich bin ein halber Bauer, bei mir geht alles langsam, aber stark.
(wie mit plötzlichen Entschluß)
Sie sind schön, Arabella – Ihr schönes Gesicht –
auch auf dem Bild verbrennt es schon die Seele!
ARABELLA
(mit einem Stirnrunzeln)
Wie kommt man eigentlich da drunten
in Slawonien zu einem Bild von mir?
MANDRYKA
Wie man zu einem Bild – das ist ja gleich! –
So schön sind Sie –
eine Gewalt ist in Ihren Zügen,
sich einzudrücken in die Seele wie weiches Wachs!
den einfachen Menschen, den Felder und Wälder umgeben, ist eine solche Gewalt sehr groß,
und er wird wie ein Träumer, wie ein Besessener wird er,
und er faßt den Entschluß mit der Seele,
einen ganzen Entschluß,
und wie er entschlossen ist, so muß er handeln!
(Annäherung an Arabella und umarmt sie. Arabella erschrickt vor seiner Heftigkeit, steht auf.)
Gräfin, ich habe vergessen,
wie anderswo die Welt ist.
(Steht auf)
Hier sind nicht meine Wälder und Felder,
Sie müssen verzeihen meine unschicklichen Reden,
womit ich Sie hind’re am Tanzen.
LAMORAL
(kommt von rückwärts zu Arabella)
Darf ich jetzt stören
und um einen Walzer bitten?
ARABELLA
Nein – später, Lamoral,
ich möcht’ mit dem Herrn da noch ein biss’l reden,
wenn er – vielleicht – sich wieder niedersetzen wird.
(Lamoral verneigt sich und geht. Mandryka nimmt Sitz)
Sie wollen mich heiraten, sagt mein Vater.
Ja, haben Sie denn eine Ahnung, wer wir sind?
Wir sind nicht grad’ sehr viel nach dem Maß dieser Welt – wir laufen halt so mit als etwas zweifelhafte Existenzen.
MANDRYKA
(Stark aufsteht)
Ihren Stammbaum, Arabella,
den tragen Sie in Ihrem Gesicht geschrieben!
Und wenn Ihnen genug ist, über einen zu gebieten,
der selbst wieder gebietet über viele,
so kommen Sie mit mir und seien die Herrin.
Sie werden Pfauen weiden auf seid’nem Boden,
und das wird nicht geschehen,
daß sich jemand dünkt über lhnen,
es sei denn der König und Kaiser und seine Kaiserin! –
Aber sonst niemand!
ARABELLA
Der Richtige –
so hab’ ich still zu mir gesagt,
der Richtige, wenn’s einen gibt für mich,
der wird auf einmal da stehen, so hab’ ich gesagt,
und wird mich anschaun und ich ihn,
und keine Winkelzüge werden sein und keine Fragen,
nein, alles heil und offen, wie ein lichter Fluß,
auf den die Sonne blitzt!
MANDRYKA
So fließt die helle stille Donau mir beim Haus vorbei,
und hat mir dich gebracht!
Du Allerschönste! –
(mit einem Ton des Geheimnisses)
Und heute abend noch, zur Schlafenszeit,
wärst du ein Mädchen aus den Dörfern, einem meinigen,
du müßtest mir zum Brunnen gehn hinter deines Vaters Haus und klares Wasser schöpfen einen Becher voll
und mir ihn reichen vor der Schwelle,
daß ich dein Verlobter bin vor Gott und vor den Menschen,
meine Allerschönste!
ARABELLA
So wie Sie sind, so hab’ ich keinen Menschen je geseh’n!
Sie bringen Ihre eigne Lebensluft mit sich,
und was nicht Ihnen zugehört,
das ist nicht da für Sie.
MANDRYKA
Darum kann ich erst leben,
wenn ich etwas Herrliches erhöhe über mich,
und so zu dieser Stunde erhöhe ich dich,
und wähle dich zu meiner Frau,
und wo ich Herr bin, wirst du Herrin sein
und wirst gebieten, wo ich der Gebieter bin!
ARABELLA
(ihren Ton völlig ändernd)
Und du wirst mein Gebieter sein,
und ich dir untertan.
Dein Haus wird mein Haus sein,
in deinem Grab will ich mit dir begraben sein –
so gebe ich mich dir auf Zeit und Ewigkeit.
Dúo
Und du wirst mein Gebieter sein,
und ich dir untertan.
Dein Haus wird mein Haus sein,
in deinem Grab will ich mit dir begraben sein –
so gebe ich mich dir auf Zeit und Ewigkeit.
MANDRYKA
Meine Allerschönste,
in dieser Stunde
erhöhe ich dich,
und wähle dich zu meiner Frau,
und wo ich Herr bin,
wirst du Herrin sein
und wirst gebieten,
wo ich der Gebieter bin!
ARABELLA
(ihren Ton völlig ändernd, aber ernst)
Jetzt aber fahren Sie nach Haus.
Ich bitte Sie darum.
MANDRYKA
Und Sie?
ARABELLA
Ich bleibe noch.
(Mandryka verneigt sich.)
Ich möchte tanzen noch
und Abschied nehmen
von der Mädchenzeit,
nur eine Stunde lang.
Gewähren Sie mir dies?
MANDRYKA
Wenn Sie hierbleiben, so ist mein Platz
nicht anderswo als hier.
(Arabella runzelt die Stirn)
Sie aber brauchen nicht ein einz’ges Wort
an mich zu richten!
(Ein Schwarm von Fiakern und Ballgästen, darunter auch die Fiakermilli und einige solche Mädchen und die drei Grafen kommen aus dem Tanzsaal herauf auf die Bühne.)
ARABELLA
(sieht Mandryka an)
Darf ich?
MANDRYKA
Sie dürfen! Ja! Sie dürfen alles, was Sie wollen!
(Indem er zur Seite tritt und den Herankommenden den Weg frei gibt. Die Fiakermilli, eine hübsche Person in einem sehr auffallenden Ballkleid, ein großes Bukett in der Hand, tritt aus dem Schwarm heraus auf Arabella zu, die jetzt in der Mitte steht.)
DOMINIK
(neben MilIi tretend)
Der Ball begehrt nach seiner Königin.
Die Milli ist der Herold der Fiaker,
wir haben unsre Huldigung ihr in den Mund gelegt!
DIE FIAKERMILLI
(indem sie mit einem Knicks Arabella das Bukett übermittelt, leichtfertig, fast frech)
Die Wiener Herrn verstehn sich auf die Astronomie,
die könnten von der Sternwart’ sein
und wissen gar nicht wie!
Sie finden einen neuen Stern
gar schnell heraus, die Wiener Herr’n,
den machen sie zur Königin an ihrem Firmament!
Zu der dann schallt es im Verein:
Du sollst unseres Festes Königin sein!
DIE GRAFEN UND FIAKER
Zu der dann schallt es im Verein:
Du sollst unseres Festes Königin sein.
(Die Fiakermilli geht sogleich aus ihrem Lied in ein freches, übermütiges Jodeln über: der Jodler bildet den Übergang zu dem nun einsetzenden Walzer. Arabella nimmt Dominiks Arm und steigt mit ihm in den Ballsaal hinab, von allen gefolgt. Mandryka sieht ihr nach, dann wendet er sich. Adelaide erscheint in diesem Augenblick von rechts. Matteo ist zugleich links herausgetreten, Zdenka schüchtern hinter ihm, in einer Art von schwarzem Frack, sich hinter einer Säule deckend.)
ADELAIDE
(auf Mandryka zu)
Sie sind allein? Wo ist Arabella?
MANDRYKA
Wo ihre Pflicht sie ruft, als Königin des Balles.
MATTEO
(in die Luft)
Wie sie mich vergißt –
im Rausch ihrer Schönheit!
ADELAIDE
(zu Mandrika)
Ihre Augen leuchten.
Wie darf ich das deuten?
Cuartet
ZDENKA
(hinter Matteo, ängsttich)
Sie denkt an dich, ich weiß es, Matteo!
Ihre Blicke nur nimmt sie in acht.
MANDRYKA
(auf Adelaide zu)
O Gräfin, Sie selber so jung noch, so reizend –
und Sie ihre Mutter! Mit was für Worten,
womit denn auf Erden vermöchte ich Ihnen zu danken!
(Er küßt ihr mit Innigkeit die Hand.)
MATTEO
(Tritt einen Achritt hervor)
Die Blumen für alle!
Für alle ihr Lächeln!
Sie selber für alle!
Was bleibt für mich?
ADELAIDE
(zu Mandryka)
O, könnten Sie ahnen, was in mir vorgeht!
Mein Sohn! Mein Freund!
Zuviel für mein Herz. Ich muß es teilen.
(bezieht sich auf ihrem Ehemann)
Zu ihr, zu ihm!
ZDENKA
(innig, aber zart zu Matteo)
Für dich bleibt alles; sie braucht deine Trauer,
tief wie ein Brunnen,
ihre ganze Seele hineinzuwerfen –
seicht sind die andern!
ADELAIDE
Er muß Sie umarmen!
Nein, bleiben Sie hier! Ich finde ihn!
(stürzt nach rechts ab)
MATTEO
Eines bleibt: fort nach Galizien
und sie vergessen – wenn ich noch kann!
ZDENKA
Der Papa! Die Mama!
Daß keiner mich sieht!
Wohin gehst du, Matteo?
(Matteo geht in den Hintergrund, starrt düster in den Ballsaal hinab: Adelaide und Waldner, von rechts auf Mandryka zu, Zdenka verschwindet links.)
ADELAIDE
O Theodor!
Hier ist er, Theodor!
WALDNER
(jovial)
Wie stehst du vor mir, Neveu meines alten Mandryka?
Na, Teschek! Umarm mich schon!
(Umarmung)
MANDRYKA
(Restaurant Bestellservice)
Hierher einen Tisch. Wir werden soupieren.
(Sogleich ein Kellner mit einer Karte und Kellnerjungen. Zu Adelaide)
Welchen Champagner?
Befehlen Sie selbst!
(Kellner präsentiert Adelaide die Weinkarte)
ADELAIDE
Moët-Chandon, halb herb, halb süß –
der war es bei meiner Verlobung!
WALDNER
(zu Mandryka)
Ich stehe sofort zur Verfügung!
(Will gehen, Adelaide hält ihn zurück)
Laß mich, ich bin im Gewinn!
(Ab)
MANDRYKA
Dreißig Flaschen von diesem!
(Er zeigt in die Weinkarte.)
Sechs für den Tisch.
Und noch einmal dreißig!
Und noch einmal dreißig herumservieren.
Welko, du ordnest!
Eiskübel in jede Ecke!
Bis sie alle im Saal da nimmermehr wissen,
ob sie sind Grafen, verhext in Fiakerkutscher,
oder Fiakerkutscher,
umgekrempelt in Grafen!
Sie sollen sich freuen, wenn ich mich freue!
(Zu Adelaide)
Befehlen weiter!
ADELAIDE
(indessen man ihr Hummer, Fasanen, Eiscrème usw. präsentiert)
Haben wir Blumen?
MANDRYKA
(ruft)
Aufpassen, Djura!
Nimmst einen Fiaker und noch einen zweiten;
aufsperren laß die Gärtnergeschäfte,
aufwecken die hübschen Verkäuferinnen.
Ausräumen sollen sie ihre Keller!
Füllst einen Wagen an mit Rosen,
einen mit roten und weißen Kamelien!
Walzer soll sie auf Blumen tanzen,
Abschied nehmen von Mädchenzeiten!
Später breit’ ich meine Hände,
sie wird nicht mehr Walzer tanzen,
aber tanzen auf meinen Händen!
(Adelaide nimmt Mandrykas Arm, und sie gehen rückwärts die Stufen hinauf. Von rechts wird ein Tisch hereingeschoben und für ein kaltes Souper gedeckt.)
ARABELLA
(an Dominiks Arm kommt rückwärts aus dem Tanzsaal; sie wenden sich nach links.)
Und jetzt sag’ ich adieu, mein lieber Dominik.
DOMINIK
Adieu? Sie fahren schon nach Haus?
ARABELLA
Das war jetzt unser letzter Tanz für alle Zeit.
Kann sein, daß wir uns später einmal wiedersehn,
dann sind wir halt Bekannte aus der Jugendzeit!
DOMINIK
(faßt sie am Arm)
Arabella!
ARABELLA
Nein, Dominik
(macht sich schnell los)
Sie sind der erste Mann gewesen, Dominik!
daß er mich gern hat, und es hat mich recht gefreut.
Aber die Richtige für Sie, die war ich nicht,
und Sie halt nicht der Richtige für mich.
Nicht reden, Dominik.
Da kommt schon auch der Elemer.
Adieu!
(Dominik entfernt sich langsam. Elemar kommt)
ELEMER
(stürmisch auftretend)
So schön wie heut hab’ ich dich nie gesehen!
(Arabella gibt nachdenklich zurück)
Mit dir ist was passiert!
ARABELLA
(ruhig)
Ja, Elemer, mit mir ist was passiert!
Und darum geb ich Ihnen jetzt die Hand
und sag’ adieu, ich danke Ihnen, Elemer –
es waren viele schöne Augenblicke drunter –
ELEMER
Es waren, Bella, und es werden sein!
(versucht, ihr die Hand zu nehmen)
ARABELLA
Nicht halten meine Hand,
grad schnell den Druck von meinen Fingern spüren
und wissen, daß wir gute Freunde sind,
wenn wir uns auch nicht wiedersehn!
ELEMER
(heftig)
Sie haben sich verliebt in diesen Fremden,
diesen Wallachen, oder was er ist!
ARABELLA
(sanft)
Nicht mir verderben diesen letzten Augenblick,
da kommt auch schon der Lamoral
und wartet auf seinen letzten Tanz!
(Lamoral erscheint an der Stiege, aus dem Tanzsaal herauf: rechts wird mit dem Tischdecken fortgefahren.)
ELEMER
(dicht bei ihr)
Werden Sie meine Frau!
Wer in der Welt ist, der mich hindern darf!
ARABELLA
Nein. Nein.
Für mich war halt ein andres Glück bestimmt.
(Sie läßt ihn stehen und geht auf Lamoral zu: Elemer links ab)
LAMORAL
O Arabe!la, gibt es was Schöneres als Sie auf einem Ball!
ARABELLA
Ja, süß ist die Verliebtheit,
süß dieses Auf und Ab,
aber es gibt was Schöneres und Höhres tausendmal!
Und einmal wirst du auch verstehn, vielleicht –
LAMORAL
Nicht reden jetzt von anderem, das weit weg ist –
ARABELLA
(ernst)
Für dich ist’s noch weit weg, da hast du recht.
LAMORAL
Ich ängstig’ mich.
Sie sind so anders, Arabella.
Es nimmt Sie mir wer weg!
ARABELLA
Wegnehmen? Geh, du Bub!
Aber da hast du deinen ersten und zugleich deinen letzten Kuß.
(Sie beugt sich zu ihm und küßt ihn schnell und leicht auf die Stirn. Sie stehen links einigermaßen gedeckt durch die Draperien.)
LAMORAL
(strahlend)
Von wem hab’ ich diesen wunderbaren Kuß?
ARABELLA
(sogleich ganz gelöst)
Von einem Mädel, das heut glücklich ist,
so glücklich, daß sie ganz allein sein muß,
ganz mit sich selbst allein in ihrem Zimmer
und lang noch liegen ohne Schlaf vor lauter Glück!
(mit geändertem Ton)
Jetzt aber tanzen wir noch diesen Walzer aus, dann fahr ich fort von euch auf Nimmerwiedersehn!
(Ab mit ihm in den Tanzsaal. Geben Sie Kellner und Bedienstete mit Flaschen und Blumen. Matteo kommt von rechts. Zdenka, ängstlich, nicht gesehen zu werden, starrt auf ihn hinüber.)
MATTEO
(vor sixh)
Ein Feigling bin ich. Fort mit mir!
Fort und ein Ende!
ZDENKA
O Gott! Seine Miene!
Wie furchtbar entschlossen!
(Sie winkt ihm, er geht zu ihr hinüber. Mandryka kommt die Stufen von der Estrade herab, geht zu dem gedeckten Tisch hinübe.)
ZDENKA
Bist du schon wieder so?
Hat’s dich schon wieder?
MATTEO
Rasend verzehrt’s mich!
ZDENNKA
Sie denkt an dich!
Nichts andres denkt sie!
(Matteo lacht bitter.)
Sie hat mir einen Brief für dich gegeben!
Hier ist er!
(Sie greift in die Brusttasche ihres Fracks.)
MATTEO
(weicht zurück gegen die Mitte)
Ich nehm’ ihn nicht!
Der bringt das Ende für immer!
Ich tüh!’ es!
(Zdenka folgt dem Zurückweichenden, den Brief in der Hand. Mandryka wird aufmerksam. Jankel mit Leuten, die Blumen tragen, von rechts. Zdenka ist Matteo bis in die Mitte der Bühne gefolgt.)
MATTEO
Trag ihn zurück! Ich fühl’,
daß es mein Abschied ist!
ZDENKA
Du mußt ihn nehmen, alles wird anders!
So fühl ihn doch!
MATTEO
(Laßt den Brief)
Ein Schlüssel?
ZDENKA
Nimm ihn! Nimm ihn nur!
MATTEO
(reißt den Brief auf)
Kein Brief, nur ein Schlüssel?
Was sind das für Späße?
Zdenko, ich frage!
ZDENKA
(blaß, einer Ohnmacht nahe)
Das ist ihr Schlüsse!!
MATTEO
Ihr Schlüssel?
ZDENKA
Vom Zimmer, Gib acht. Versteck ihn.
MATTEO
Das ist der Schlüssel? – Ich bin nicht bei Sinnen!
Sind wir auf dem Ball? Bist du der Zdenko?
Ist sie deine Schwester? Sie tanzt dort unten?
Das ist der Schlüssel? –
ZDENKA
Zu ihrem Zimmer!
(gesprochen)
Der Schlüssel zu Arabellas Zimmer!
MANDRYKA
(zuckt zusammen)
Ich hab’ mich verhört!
(Jankel will sich ihm nähern. Mandryka winkt ihm ab, tritt den beiden näher.)
ZDENKA
Du sollst nach Haus – sie kommt in einer Vietelstunde.
Der Schlüssel sperrt das Zimmer neben ihrem.
(Bald rot, bald blaß, die Scheu überwindend)
Lautlos kommt sie zu dir – Matteo,
sie will nicht, daß du unglücklich bist!
Sie will alles tun, alles,
damit du glücklich wirst noch diese Nacht!
MATTEO
Schwöre mir, daß das wahr ist!
Der Schlüssel zu Arabellas Zimmer!
ZDENKA
Du hast ihn ja, so wahr er sperrt,
so wahr will die,
die ihn dir gibt,
heut alles tun, damit du glücklich wirst!
Ich muß jetzt fort!
Mich darf man hier nicht sehn.
(Läuft links weg.)
MATTEO
(fur sich)
Geheimnis eines Mädchenherzens, unergründliches!
(Geht schnell nach links ab)
MANDRYKA
(aus seiner Starre jäh aufwachend)
Halt! Du irgendeiner oder wer du bist!
Welko, Djura! Halten dort den Menschen!
Her mit ihm vor mich! Den dort mit dem Schlüssel!
(Dominik mit Adelaide ist von links vorn aufgetreten. Welko, Djura unschlüssig, auf wen ihr Herr sie hetzen wollte)
WELKO
(gesprochen)
Welchen, Gospodar?
DJURA
(gesprochen)
Und was für einen?
WELKO
(gesprochen. Auf Dominik deutend)
Diesen?
(Dominik und Adelaide nehmen links auf einem Kanapee Platz.)
MANDRYKA
(vor sich)
Und wenn hier viele Arabella heißen –
meine gottverdammten Jägerohren foppen meinen dummen harten Schädel,
daß ich als ein Narr dasteh’ vor einem Fremden?
Wird sie denn den Schlüssel schicken von dem Zimmer, während sie selbst tanzt im Ballsaal?
(Er sieht nach der Uhr.)
Noch ist nicht einmal vorbei die Stunde,
die ich grad’ ihr freigegeben habe –
Also bin ich schon ein Narr und Esel?
(Zu den Dreien)
Alles lassen! Weitermachen dort am Eßtisch!
(Er geht hastig auf und ab.)
Schön ist die Musik, und nichts von Schlüssel,
Geigen drin, und nicht verdammte Schlüssel,
und in ein paar Minuten wird sie dastehen,
da vor mir, und Blumen werd’ ich hinstreu’n,
daß statt meiner sie den Fuß ihr küssen.
Haj! Wie tanzt sie jetzt und nimmt den Abschied
in dieser Stunde von der Mädchenzeit!
DOMINIK
(links bei Adelaide)
O bezaubernde Frau!
Viel schöner als jemals die Tochter!
Wie Sie die Melancholie mir zu heilen verstünden –
(Küßt sie auf die Schulter)
ADELAIDE
(zieht ihre Mantille über die Schulter hinauf)
Dominik! Nicht!
Aber später, ich werd’ immer allein sein ohne mein Kind –
(Sie plaudern leise weiter. Viele Paare kommen vom Tanzsaal herauf.)
MANDRYKA
(grimmig hinschauend)
Warum kommen viele und nicht sie darunter?
Warum scheppern gottverdammte Schlüssel dazwischen?
DIE FIAKERMILLI
(an Elemers Arm, auf Mandryka zu, andere Paare stellen sich dazu)
Mein Herr, schon wieder muß ich kommen und bitten:
Geben Sie dem Ball die Königin zurück!
MANDRYKA
(im Zorn vor sich)
Was sagt das Frauenzimmer?
Ich soll sie zurück ihr geben?
Ich hab’ sie nicht eingesperrt.
Ich hab’ den Schlüssel nicht.
Er ist in dem Kuvert,
(Welko bietet Champagner an. Mandryka setzt und lädt)
Ich bitte, daß Sie mir die Ehre geben –
Sie alle, wie Sie sind, bekannt und unbekannt.
ELEMER
Doch Gräfin Arabella wollen wir
nicht in dem schönen Augenblick vermissen!
Sie werden sicher sie zu finden wissen.
MANDRYKA
(greift sich an den Hals, lockert die Krawatte)
Zu finden wissen?
Schlüssel! Djura! Welko!
(Die beiden springen herbei.)
Die gnädige Fräulein suchen in dem Saal!
Habt’s ihr gefunden in der großen Wienerstadt,
werd’s ihr zu finden wissen in der Tanzhütten dahier!
(Djura und Welko eilen ab. Nachrufend, stark)
– und bitten sie hierher,
wenn sie die Gnade haben will!
(Dann zu MilIi, die sich von Elemers Arm gelöst hat.)
Ein solcher süßer Schnabel
muß auch was Süßes trinken!
(Er serviert ihr ein Glas Champagner. Gleichzeitig tritt Jankel zu Mandryka, bringt ihm ein Briefchen auf einem Tablett.)
JANKEL
(gestrochen)
Da wäre ein Billett für Euer Gnaden.
MANDRYKA
Fühl, ob ein Schlüssel drin ist.
JANKEL
Wie, ein Schlüssel?
MANDRYKA
(nimmt hastig das Billett, zögert noch, es zu öffnen)
Wer, Herr Gott, hat diesem Gesicht so viel Gewalt
gegeben über mich,
daß ich mich fürchte jetzt? –
(Geht beiseite, reißt das Kuvert auf, liest)
Für heute sag’ ich Ihnen gute Nacht,
ich fahr’ nach Haus,
von morgen an bin ich die Ihrige.
Ein kleines A statt einer Unterschrift!
Nicht einmal ihren Namen.
Steht auch nicht dafür,
für einen Gimpel, einen auf den Leim gegangenen!
(Wiederholt den Inhalt Grimming.)
Sie muß ja Abschied nehmen von der Mädchenzeit,
dafür braucht sie die ganze Zärtlichkeit:
Sie hat jetzt keine Zeit für zärtlichere Unterschrift!
(Er zwingt sich zu einer frechen Munterkeit, tritt wieder zu den anderen zurück, winkt.)
Wegschmeißen jetzt die Blumen!
Schampus her! Servieren links und rechts,
bis alle liegen unterm tisch,
die Grafen und Fiaker und Fiakerbräute
und alle miteinander!
Heut geht das Ganze, aber schon das Ganze
auf meine Rechnung!
(Kellner verteilen sich, servieren allen Schnell Champagner)
Soll ich der schönen MilIi
vielleicht jetzt was singen?
(Er zieht sie an sich.)
Ich wäre aufgelegt!
(Fiakermilli antwortet zärtlich, ohne Worte, mit eine Jodler. Zwischen Selbstverspottung und zornigen Tränen)
Ging durch einen Wald, weiß nicht durch welchen!
Fand ein Mädchen, weiß nicht, wessen Tochter!
Trat ihr auf den Fuß, weiß nicht auf welchen,
fing es an zu schrei’n, weiß nicht warum doch,
seht den Wicht, wie der sich denkt die Liebe!
MILLI
(MilIi wiederholt jodelnd den Refrain.)
Seht den Wicht, wie der sich denkt die Liebe!
MANDRYKA
(Mandryka zieht sie neben sich auf das Kanapee nieder. Adelaide entzieht sich Dominik, steht auf.)
Wohl stünd’s an, ihm Kanne Wein zu geben,
Wein zu geben, Becher nicht zu geben,
mag der Wicht aus schwerer Kanne trinken,
mag sich plagen bis zu klügeren Tagen!
MILLI
(Milli jodelt den Refrain.)
Mag der Kerl auf bloßer Erde schlafen,
mag sich plagen bis zu klügeren Tagen!
MANDRYKA
(Er läßt MilIi, steht jäh auf. MilIi wiederholt den Refrain. Immer böser vor sich hin)
Für heut fahrt sie nach Haus zu ihrem Schlüsselherrn,
von morgen an ist sie die Meinige!
Milli, gib mir ein Kußl!
(küßt sie)
Wieviel kost’t der Schlüssel
für Comtessenzimmer hier in Wien?
ADELAIDE
(plötzlich vor ihm)
Herr von Mandryka, wo ist meine Tochter?
MANDRYKA
(stehend. Milli in Arm)
Weiß nicht!
Sie hat die Gnade nicht gehabt, mir mitzuteilen.
Wünschen noch Moët-Chandon?
Hier ist! Servieren der Frau Gräfin Mutter!
ADELAIDE
(aufgeregt nach rechts eilend)
Wo ist mein Mann?
Man suche meinen Mann!
(Dominik nach rechts, schnell, Waldner zu suchen. Zurück zu Mandryka)
Lassen Sie sich beschwören,
wo ist Arabella?
MANDRYKA
(frech)
Das frag’ ich selber die Frau Gräfin Mutter!
(Waldner erscheint rechts mit Dominik, hinter ihm die drei Herren, mit denen er gespielt hat)
ADELAIDE
O Theodor!
Beschütze deine Frau und deine Tochter!
WALDNER
Was geht hier vor? Mandryka,
wie benimmst du dich
in Gegenwart von meiner Frau!
MANDRYKA
Genau, wie sich’s gehört!
Ich streife ab den dummen Kerl aus der Provinz
und bin, wie unter wienerischen Grafen
sich’s geziemt!
Setzt dich zu uns, sind Mädeln da,
ist Schampus da!
Teschek, bedien dich!
WALDNER
Wo ist meine Tochter?
MANDRYKA
Ich kann dir leider keine Auskunft geben.
Comtessen, scheint es,
ziehen manchmal sich zurück
in einem animierten Augenblick.
WALDNER
(zu Adelaide, wütend)
Wo ist das Mädel?
Wissen will ich, wo sie ist!
ADELAIDE
– Zu Haus!
WALDNER
Du weißt es?
Was soll das bedeuten?
ADELAIDE
Ein Einfall!
Ein plötzliche Melancholie!
Eine Caprice!
Du kennst ihr Naturell!
WALDNER
Du beschwörst, sie ist zu Hause?
ADELAIDE
Es handelt sich um deine und meine Tochter!
WALDNER
Sehr gut, wir fahren auch nach Hause. Augenblicklich.
Du klopfst an ihre Tür und gibst uns Nachricht,
ob sie ganz wohl ist: nur damit wir uns beruhigen.
(Zu Mandryka, böse)
Dann spreche ich zwei Worte noch mit dir;
darum wirst du die Güte haben, uns zu begleiten.
MANDRYKA
Es wird mir eine ganz besondere Ehre sein.
(Verneigt sich und gibt Adelaide den Arm.)
WALDNER
(zu seinen Mitspielern)
Wir spielen augenblicklich weiter im Hotel,
sobald das kleine Mißverständnis da beseitigt ist.
MANDRYKA
(an der Tür stehenbleibend Zurückrufend)
Die Herren und Damen
sind einstweilen meine Gäste!
(Er zieht ein Bündel von Rechnungen und wirft es in die Luft)
MILLI
Eljen! Wir sind Irhe Gäste!
CHOR DER GÄSTE
Eljen! Wir sind Irhe Gäste!
(Gäste heben die Champagnergläser. Mandryka mit Adelaide ist schon ab, Welko und Djura, vor ihnen Waldner mit den Spielern folgen.)