DRITTER AUFZUG
Einleitung
(Im Hotel. Offener Raum, zugleich Stiegenhaus. Die Stiege lauft in zwei Wendungen aufwärts. Unten stehen ein paar Tische mit Zeitungen, Schaukelstühle, Fauteuils Vorne rechts ist die Portierloge und der Ausgang auf die Gasse. Es ist Nacht. Matteo in Uniformbluse, wird am Stiegengeländer in der Höhe des ersten Stocks sichtbar. Er späht hinunter. Es läutet an der Haustüre, Matteo verschwindet. Der Zimmerkellner tritt aus der Portierloge hervor, sperrt auf. Arabella tritt ein, vom Ball kommend. Der Zimmerkellner verschwindet. Sie lächelt, wie wach träumend setzt sie sich in den vordersten Schaukelstuhl und wiegt sich leise, vor sich hindenkend.)
ARABELLA
(vor sich, hindenken)
Über seine Felder wird der Wagen fahren
und durch seine hohen, stillen Wälder –
ja, zu denen paßt er:
hohe stille Wälder;
und dann werden seine Reiter uns entgegenkommen.
„Das ist Eure Herrin”, wird er sagen,
„die ich mir geholt hab”, wird er sagen,
„aus der Kaiserstadt, jetzt aber will sie nimmermehr zurück – bleiben will sie nur bei mir in meinen Wäldern”.
MATTEO
(erscheint wieder oben, er beugt sich übers Geländer. Er erblickt die unten Sitzende, kann es kaum glauben, daß es Arabella ist, flüstert vor sich hin.)
Arabella! Unmöglich! Es ist ja nicht denkbar!
(Arabella fährt aus ihrer glücklichen räumerei auf. Sie sieht Matteo nicht: er ist ihr im Rücken. Sie spürt nur, daß sie nicht mehr allein ist. Matteo leise unten angelangt, verneigt sich vor ihr)
ARABELLA
(erstaunt, aber ohne Erregung)
Sie hier?
(Sie steht schnell auf.)
So spät
So wohnen Sie noch immer hier im Haus?
MATTEO
(mit versteckter Beziehung)
Sie hier?
So muß ich fragen, Arabella!
(einen Schritt näher)
Du gehst so spät noch einmal aus?
ARABELLA
Ich komme heim vom Ball und gehe auf mein Zimmer,
gute Nacht!
(Sie nickt ihm zu und will an ihm orbei hinaufgehen.)
MATTEO
(mit unendlicher Ironie)
Sie kommen heim vom Ball!
Sie gehn auf Ihr Zimmer?
(halb fur sich)
Geheimnis eines Mädchenherzens, unergründliches!
ARABELLA
Ja, gute Nacht.
Was amüsiert Sie da so sehr?
MATTEO
O Arabella!
(er lächeit verliebt und vielsagend)
ARABELLA
Wenn Sie mir noch etwas zu sagen haben,
dann bitte ich, bei Tag, nicht jetzt, nicht hier!
MATTEO
Noch – etwas? Ich – noch – etwas?
O süße Arabella, danken will ich dir
von heute bis ans Ende meines Lebens!
ARABELLA
Danken – wofür? Das ist doch alles ein für allemal vorbei.
MATTEO
Danken? Wofür? –
Die Kunst ist mir zu hoch!
Mir graut vor so viel Virtuosität.
ARABELLA
Was haben Sie?
MATTEO
So meisterhaft Komödie spielen,
nur um der Komödie willen,
Komödie spielen ohne Publikum!
Das ist zuviel! Das grenzt an böse Hexenkünste
ARABELLA
Von allen Ihren Reden da versteh’ ich nicht ein Wort,
und somit gute Nacht.
MATTEO
(vertritt ihr den Weg)
Schon gut!
Jetzt einen Blick noch, einen einzigen, der mir sagt,
daß du im Innersten die Gleiche bist!
ARABELLA
Die Gleiche?
MATTEO
(Glühend)
Die Gleiche? Die Gleiche?
Die Gleiche, wie vor einer Viertelstunde!
ARABELLA
(ganz arglos)
Vor einer Viertelstunde
war ich anderswo!
MATTEO
(mit dem Ausdruch varklärter Erinnerung)
Vor einer Viertelstundel Ja! da oben!
(Er starrt sie Glühend an)
ARABELLA
(einen Blick nach oben, ohne Verständnis)
Ich weiß nicht, was Sie meinen,
und ich möchte hier nicht länger stehn!
MATTEO
(sehr heftig)
Das ist zuviel.
So kalte Herrschaft über jeden Nerv!
Nach solchen Augenblicken –
das erträgt kein Mann!
Ich appelliere an den einen Blutstropfen in dir,
der unfähig zu heucheln ist!
(Er packt sie am Arm)
ARABELLA
Sie sind ja nicht bei Sinnen!
Matteo! Geben Sie den Weg mir frei,
oder ich rufe!
MATTEO
Du könntest einen Mann zum Wahnsinn bringen,
du, so wie niemand auf der Welt!
Bekräftige mit einem einzigen letzten Blick,
was zwischen uns gewesen ist, dort oben,
und nichts auf dieser Welt verlang’
ich mehr von dir!
(Der Kellner kommt aus der Portierloge, geht aufsperren.)
ARABELLA
Hier kommen Menschen, lassen Sie mich los!
MATTEO
Ich hab’s geschworen, daß du frei sein wirst von mir,
in deine Tränen, in deine flüsternden Küsse hab’ ich’s geschworen – von morgen ab! Ich halte meinen Schwur!
Wir waren im Dunkel, ich habe deine Augen nicht gesehen.
Gib einen Blick mir jetzt,
der alles noch zum letzten Mai besiegelt,
und du bist frei für immer!
(Adelaide, hinter ihr Mandryka, der sofort stehen bleibt, dann Waldner, zuletzt die drei Spieler; hinter ihnen Welko und Djura.)
ADELAIDE
Welch ein erregtes tête-à-tête im Stiegenhaus!
Du hast dich also nicht zurückgezogen?
Mein Kind, was soll das heißen?
ARABELLA
Aber nichts, Mama, gar nichts.
MANDRYKA
(sieht starr auf Matteo)
Ja. Es ist der Verfluchte mit dem Schlüssel.
ARABELLA
(tut einen Schritt gegen Mandryka, ganz unbefangen)
Sie hab’ ich heut nicht mehr zu sehen vermutet,
Herr von Mandryka!
MANDRYKA
(finster zu Adelaide)
Ich bitte, Gräfin, um Erlaubnis, mich zurückzuziehn!
(surücktretend)
Welko!
WELKO
(bei ihm)
Der Gespodar hat ihn erkannt?
MANDRYKA
Du packst. Wir fahren mit dem ersten Zug nach Haus.
ARABELLA
(zu Mandrika hintretend)
Hier ist nichts, das Sie anginge, Mandryka.
Ich komm’ nach Haus, begegne diesem Herrn,
das ist ein alter Freund von uns.
Darüber alles erzähl’ ich Ihnen später, wenn Sie wollen.
MANDRYKA
Ich bitte wirklich sehr, mich zu entschuldigen!
(Er macht Miene. zu gehen. Arabella schüttelt erstaunt den Kopf)
ADELAIDE
O Wien!
Die Stadt der Médisance und der Intrige!
(Gegen Matteo)
Sie Unglückseliger!
WALDNER
(Mandryka aufhaltend)
Du bleibst noch einen Augenblick! Es scheint, daß hier noch Mißverständnisse geblieben sind.
(Zu Arabella)
Ich frage dich, mein Kind! Wo kommst du her? Hat der Herr Leutnant dich vom Ball nach Haus begleitet?
Mit deiner Zustimmung?
ARABELLA
Papa, so schau mir ins Gesicht!
Kann ein Verrückter alle närrisch machen auf ein, zwei?
WALDNER
Du hast mir nichts zu sagen?
ARABELLA
Aber wirklich nichts,
als was du ohnehin schon weißt, Papa, seit heute abend.
Oder weißt du etwa nicht?
WALDNER
Da bin ich sehr erleichtert.
(Küßt Arabella auf die Stirn. Zu Mandryka)
Also bitte!
Es ist nichts vorgefallen!
Aber gar nichts.
Schwamm drüber über alle Aufregung,
und gute Nacht!
(Zu den Spielern)
Ich bitte dort hinein.
Wir spielen sofort weiter.
MANDRYKA
(tritt zu Arabella, spricht nur zu ihr)
Ich werde helfen, soviel Geld und guter Wille helfen kann, vertuschen diese häßliche Komödie, da ich die Rolle nicht geeignet bin zu spielen, die Sie mir haben zugedacht, mein Fräulein.
DUO
ADELAIDE
O dreimal unglückselige Begegnung!
MANDRYKA
(wendet sich – vor sich)
Nein, nein, wie ist das möglich!
Wie kann das möglich sein!
WALDNER
Jetzt keine Arien,
wenn ich bitten darf!
ARABELLA
(nur zu Mandryka)
Mandryka, hören Sie,
so wahr ein Gott im Himmel ist,
so haben Sie mir nichts hier zu verzeihen!
Viel eher muß ich Ihnen, wenn ich kann, verzeihen,
was Sie zu mir geredet haben und in welchem Ton!
MANDRYKA
(den Blick böse auf Matteo geheftet)
Ich müßte blind sein,
und hab’ leider scharfe Augen,
ich müßte taub sein,
und hab’ leider gute Ohren,
ich müßte schwach
im Kopfe sein –
dann vielleicht, daß ich das Individuum
(Er verweist auf Matteo)
nicht erkennen täte und nicht verstünde,
was hier für ein Spiel gespielt wird bei der Nacht.
MATTEO
(getroffen von der Insulte, die in Mandrika Blich und Meine liegt)
Mein Herr, wenn Sie hier irgendwelche Rechte besitzen,
wenn auch erst seit kurzer Zeit –
ich stehe zur Verfügung!
ARABELLA
(zwischen beiden stehend)
Ja, alle Rechte besitzt dieser Herr,
denn er ist mein Verlobter,
und Sie besitzen das Leiseste nicht,
auch nicht einen Schatten von Rechten!
Sagen Sie selber!
MATTEO
(zögernd gequält)
Nein... keines...
ARABELLA
(zu Mandryka)
Sie hören!
MANDRYKA
Hätten Sie den Herrn ausreden lassen!
Ein kleines Wort war ihm noch auf der Zunge.
„Nein, keines – außer” hat er sagen wollen
und hat es schnell verschluckt!
Ich aber, ich hab’ es noch gesehn auf seinen Lippen.
ARABELLA
Matteo, nie hab’ ich für niedrig Sie gekannt!
Was tun Sie jetzt an mir – !
Sie wollen mich aus Trotz vor aller Welt kompromittieren!
Sie wollen meine Heirat mir verderben!
ADELAIDE
Unsel’ger Intrigant! So will er die Hand
meines Kindes erschleichen!
MANDRYKA
(tut einen Schritt näher zu Mandrika)
„Außer –”
Heraus mit der verschwiegenen Wahrheit!
MATTEO
(fest)
Kein Wort! Kein Wort!
MANDRYKA
(zu Arabella)
Außer den Rechten, hat er sagen wollen,
die diese Nacht verliehen hat!
Versuchen Sie, vielleicht zu Ihnen ganz allein
wird er ein Wörterl drüber sagen!
ARABELLA
(zu Matteo)
Haben Sie vor diesem Herrn mir noch etwas zu sagen?
MATTEO
(senkt den Kopf)
Nein!
MANDRYKA
(zu Matteo)
Ich gratuliere Ihnen, Herr Leutnant,
zu ihrem Glück bei schönen Frauen
und Ihrer Diskretion,
die beiden sind gleich groß.
ARABELLA
Hast du gehört, Papa?
WALDNER
Mandryka, dafür wirst du Genugtuung mir geben!
(zu Adelaide)
Wo sind meine Pistolen? Was – verkauft?
O Sakrament!
ich werd’ mir andere zu verschaffen wissen.
ARABELLA
(bleibt stehen, wo sie ist, mit tief schmerz lichen Ausdruck)
Mag alles gehen, wie es will,
das Leben ist nichts wert!
Was ist an allem in der Welt,
wenn dieser Mann so schwach ist
und die Kraft nicht hat, an mich zu glauben!
Und mich dahin gibt wegen eines Nichts!
DIE GÄSTE
(oben auf der Treppe)
Wie? Kennen Sie sich aus?
Welcher hat wen erwischt?
Was? Sie hat fortgewollt? Wie,
mit dem Leutnant?
ADELAIDE
(mit einer Grossen Gebärde auf Waldner)
Nein, dieser junge Mensch ist es nicht wert,
vor deine Pistole zu kommen, Theodor!
Das ist die niederträcht’ge Kabale
des abgewiesenen Freiers und nichts weiter!
DIE GÄSTE
(oben auf der Treppe)
Welcher hat wen erwischt? Was'!
Sie hat fortgewollt?
Wie, mit dem Leutnant ? Wie?
Kennen Sie sich aus?
WALDNER
Von dem da redet niemand.
Der Mandryka –
der ist mir Genugtuung schuldig!
MATTEO
Ich bin allein der Schuldige.
Ich nehme jedes Wort zurück, und jeden Blick!
Mißdeutet hat man alles,
und ich habe nichts von dem gemeint,
was Sie zu hören glaubten.
Wenn jemand Strafe hier verdient,
so bin ich’s.
WALDNER
(scharf)
Eintunken und reinwaschen wiederum in einem Atemzug, das war zu meiner Zeit nicht Brauch bei Offizieren!
MANDRYKA
(nur zu Arabella)
Der junge Mann benimmt sich brav wie möglich.
Es wäre an der Zeit, daß Sie auf ihn ein biss’l Rücksicht nehmen täten, schönes Kind.
Gestehen Sie mir die Wahrheit, mir allein!
Es ist Ihr Liebhaber! Ich werde alles tun –
Sie können sich auf mich verlassen, Arabella!
ARABELLA
(seiht mit fest an)
Bei meiner Seel’ und Seligkeit, Mandryka,
die Wahrheit ist bei mir!
MANDRYKA
Nicht deine Seele so verschwören, Mädel!
Mir tut das Herz so weh um dich!
(vor sich)
O Gott, was tust du mir für eine Schande an
durch dieses Weib!
(Nochmals zu Arabella, leise)
Wenn ich den Buben doch gesehn hab’,
wie er den Schlüssel ihm hat übergeben
zu Ihrem Zimmer.
ARABELLA
Was für einen Buben?
MANDRYKA
Den Buben, Ihren Groom, den Sie geschickt!
ARABELLA
Den Zdenko? Mein Gott!
Oder wen?
MANDRYKA
Aha! Ich will, daß Sie gestehn!
Mir allein!
ARABELLA
(fur sich)
Ist denn die Hölle gegen mich verschworen!
MANDRYKA
Soll ich den Menschen dort, der mir mein Leben ruiniert hat, soll ich ihn schonen als Ihren Geliebten? Reden Sie!
ARABELLA
Die Wahrheit ist bei mir. Mandryka,
nur die Wahrheit,
denn alles sonst – das seh’ ich ja –
ist gegen mich!
MANDRYKA
Zum letzten Mal!
Willst du heiraten dort den Menschen,
mit dem du hast das süße Stelldichein gehabt
nach unserer Verlobung zehn Minuten!
ARABELLA
(gesprochen)
Ich habe nichts zu antworten, Herr von Mandryka,
auf Ihre Fragen.
(Sie geht weg von ihm.)
MANDRYKA
(grimmig)
Auch gut.
Aufsperren laß dir eine Waffenhandlung, Welko,
soll kosten was es will, ich brauche Säbel!
Zwei schwere Säbel, scharfgeschliffene!
Sofort hierher! Und einen Doktor laß aufwecken,
sonst brauch’ ich nichts.
Dort ist der Wintergarten.
(Mit einer halben Wendung zu Matteo)
Wir werden ohne Zeugen
alles schon zu Ende bringen.
(Er nimmt seine Zigarrentasche heraus, überlegt, bietet Matteo eine an, der ablehnt, zündet sich selber eine an.)
Die Herrschaften vielleicht gestatten uns,
allein zu bleiben bis dahin.
(Er raucht . Dumpfe Erwartung)
ZDENKA
(Stimme von oben)
Papa! Mama!
(Zdenka in einem Negligé, mit offenem Haar, völlig Mädchen, kommt die Treppe heruntergestürzt, wirft sich vor ihrem Vater auf die Knie.)
Papa!
ADELAIDE
(bedeckt Zdenka mit ihrer Mantille.)
Zdenka! Was für ein Aufzug!
Welche Schande!
ARABELLA
Was ist geschehen! Zdenkerl!
Red! Ich bin bei dir.
ZDENKA
Nur schnell adieu sag’ ich euch allen.
Ich muß fort. Ich muß ja in die Donau,
noch bevor es Tag wird.
WALDNER
Was soll das heißen?
DIE GÄSTE
(murmelnt)
Wer ist nun wieder dieses hübsche Mädel?
MANDRYKA
(für sich)
Ich hab’ doch das Gesicht schon heute wo gesehen!
ZDENKA
Verzeiht mir alles nur –
und laßt’s mich fort!
Ich schäm’ mich so – ich sterb’ vor Scham –
so laßt’s mich fort!
Vor Sonnenaufgang schon muß ich drin liegen tief –
nachher dann werden alle mir verzeihn, auch der Papa!
ARABELLA
(umschlingt sie und zeit sie an sich)
Du bleibst bei mir.
Und was dir auch geschehen ist,
an dir ist nichts geschehen,
daß man dich weniger lieb müßt haben!
ZDENKA
(auf Matteo deutend)
Er ist unschuldig. Er hat nichts gewußt.
Nur ich allein –
ADELAIDE
Schweig, unglückseliges Kind!
Schweig bis ans Grab!
WALDNER
(zu Adelaide)
Schweig du sofort und reden laß das Madel!
Da habt ihr euren Lohn für eure Maskeraden.
ZDENKA
(zu Arabella)
Nur dir kann ich es sagen, dir nur, dir allein!
ARABELLA
Ich bin bei dir, ich laß dich nicht im Stich,
ich bin bei dir!
ZDENKA
(an sie geschmiegt)
Er hat geglaubt, daß du es bist!
Ich hab’s getan aus Angst um ihn,
Bella, verstehst du mich?
Er weiß ja jetzt noch nicht, daß ich es war!
(angstvoll)
Matteo!
MATTEO
Welch süße Stimme ruft mich an?
ZDENKA
(schamhaft)
Die Stimme der Betrügerin, Matteo!
Dein Freund, dein einz’ger,
dein Zdenko steht vor dir!
ich bin ein Mädel,
ach, ich war ja nie was andres.
MATTEO
O du mein Freund! Du meine Freundin!
Süßer Engel du!
ZDENKA
Dich muß ich um Verzeihung bitten, dich und sie,
euch beide – o mein Gott!
(Sie bedeckt ihr Gesicht mit den Händen)
ARABELLA
Wenn zuviel Liebe um Verzeihung bitten muß,
dann bitte ihn halt um Verzeihung!
(Drückt sie an sich und küsst sie)
MATTEO
Im Zimmer war’s zu finster,
deine Stimme hab’ ich nicht gehört –
und doch ist mir, als hätt’ ich es geahnt von Anfang an,
o süßer kleiner Zdenko!
(Zdenka sieht ihn zärtlich an, bleibt aber in Arabellas Armen.)
MANDRYKA
(vor sich)
Das Mädel war der Groom!
Ich möcht’ in Boden sinken!
Wie soll sie jemals mir verzeihen können,
wo ich mir selber nicht verzeihen kann!
(Welko kommt von rechts, zwei Kavalleriesäbel im Arm. Hinter ihm Djura mit zwei Pistolen in einem Kästchen, dahinter ein Arzt. Mandryka sieht sie, winkt ab.)
WALDNER
(hat sie gleichfalls gesehen. Mit kalter Entschlossenheit)
Sehr gut. Jetzt habe ich mein richtiges Vis-à-vis.
Die Sache geht allein den Vater an.
DIE DREI SPIELER
Oho! Oho!
MANDRYKA
(Ohne auf Waldner zu achten, nur zu Arabella)
Wie steh’ ich vor Ihnen, Arabella!
Ich weiß, nicht einen Blick von Ihnen
bin ich wert mein Leben lang!
So wie ein Tölpel mit den beiden Fäusten da,
hab’ ich gemeint,
man dürfte greifen nach dem allergrößten Glück,
und bin unwert geworden –
so im Handumdrehn,
und jetzt bleibt Reue und mich schämen
bis an meinen letzten Tag.
ARABELLA
Zdenkerl, du bist die Bess’re von uns zweien.
Du hast das liebevollere Herz, und nichts ist da für dich,
nichts in der Welt, als was dein Herz dich heißt zu tun.
Ich dank dir schön, du gibst mir eine gute Lehre,
daß wir nichts wollen dürfen, nichts verlangen,
abwägen nicht und markten nicht und geizen
nicht, nur geben und liebhaben immerfort!
(Sie gibt dabei nicht Mandryka den Sehnlich erwartenten Blick.)
ZDENKA
Wie sanft du zu mir sprichst!
Du bist nicht bös auf mich!
Du bist so unaussprechlich gut, ich kenn’ dich,
wie dich keiner kennt, und immer möcht ich
alles dir zuliebe tun –
und nur verschwinden
hätt’ ich mögen still und euch nicht kränken!
Aber du verstehst mich, du, und wirst mich
nicht verlassen, was auch jetzt noch kommt!
MANDRYKA
(vor sich, sehr zaghaft)
Was jetzt noch kommt –
ADELAIDE
O Gott! O Übermaß der Schande!
O wäre dieser Abend nie gewesen!
Das hat keine Prophetin mir vorausgesagt!
WALDNER
(fest)
Was jetzt noch kommt, das ist ganz klar!
(Er tut einen entschlossenen Schritt, mit einem Blick auf die Pistolen.)
ARABELLA
(zu Zdenka)
Was immer kommt, ich bin bei dir!
MANDRYKA
(den Blick auf Arabella, gepreßt)
Was jetzt noch kommt –
ZDENKA
(angstvoll)
Papa!
MATTEO
Engel vom Himmel, da sei Gott vor,
daß dich die Welt beschmutzen dürfte!
MANDRYKA
(noch gepresster)
Was jetzt noch kommt –
(Er wendet sich zum Gehen.)
ARABELLA
(leise, über Zdenkas Schutter hin)
Mandryka!
(Sie hebt ihre Hand)
MANDRYKA
(stürzt sich auf die Hand)
Ich bin nicht wert solcher Verzeihung!
ARABELLA
Still, Mandryka!
Wir sprechen jetzt nichts mehr.
Wir haben jetzt vergessen,
was uns hier geschehen ist!
Es war nicht unsre Schuld.
Wir wollen allen guten Willen haben für das,
was jetzt noch kommt!
MANDRYKA
Für das, was jetzt noch kommt?
(Er ergreift schnell entschlossen Matteos Hand und führt diesen auf Waldner zu.)
Brautwerbung kommt!
Mit diesem Herrn da trete ich vor Ihnen, Hochgeborener Herr, verneige mich und bitte für ihn als meinen Freund, daß Sie die Hand nicht weigern ihm von diesem jungen Fräulein.
(Waldner macht eine abwehrende Gebärde)
Nicht weigern ihm, was große Liebe ihm verliehen hat!
ZDENKA
(schwach)
Matteo! Papa! Was ist das alles?
Muß ich nicht fort?
ARABELLA
Du mußt jetzt glücklich sein, wie du’s verdienst!
WALDNER
(gerührt, küßt sie)
So wein’ nicht, Kleine.
Reichen Sie mir Ihre Hand, mein Herr.
(Er reicht Matteo die Hand.)
ADELAIDE
O Theodor, welch eine Wendung!
WALDNER
Kolossal!
ADELAIDE
(in Tränen)
O Theodor!
WALDNER
(umarmt Adelaide flüchtig, wendet sich
dann gleich zu den Spielern)
Ich stehe zur Verfügung, meine Herren!
(Eilig ab in den Wintergarten, die Spieler mit ihm)
DIE GÄSTE
(murmeln)
Wir gehen schlafen. Jetzt passiert nichts mehr!
(Sie suchen ihre Zimmer auf.)
ARABELLA
(unter Bezugnahme auf Zdenka)
Führ’ sie hinauf, Mama!
(Mandryka tut einen Schritt auf Arabella zu. Adelaide und Zdenka steigen die Stiege Hinauf in den ersten Stock)
Wir sprechen jetzt nicht mehr, bis wieder heller Tag ist!
Meinen Sie nicht auch?
ZDENKA
(zärtlich)
Matteo!
ARABELLA
(zu ZDENKA)
Geh nur, er kommt morgen früh,
dann hast du ihn für immer.
(Matteo verschwindet. Mandryka steht Ängstlich gespannt da.)
ARABELLA
(zu Mandryka hin, sehr leicht.)
Kann Ihr Diener im Hof zum Brunnen gehen
und mir ein Glas recht frisches Wasser bringen dort hinauf?
(Welko eilt ab.)
Ich glaub’, es täte mir ganz gut nach dieser Unterhaltung.
(Sie geht die Stiege hinauf. Mandrika sieht ihr nach, bis sie oben ist. Jemand muß noch eine Lampe ausgedreht haben, es ist jetzt merklich finsterer)
MANDRYKA
Sie gibt mir keinen Blick, sie sagt nicht gute Nacht,
sie läßt mich stehn und geht.
Hab’ ich was anderes verdient?
Was ist verdient auf dieser Welt?
Verdient ist nichts.
Stockprügel sind verdient für einen Kerl wie mich –
aber geschenkt hätt’ ich gern einen Blick genommen –
so einen halben Blick!
(Welko erscheint mit einem Glas Wasser auf einem Tablett, sieht Mandryka fragend an.)
Geh nur hinauf!
(Welko geht hinauf.)
Sie hat gar nichts gemeint,
als ein Glas Wasser haben
und Ruh vor meinem Anblick.
Oder spotten hat sie wollen.
Vielleicht –?
Wenn sie nur spottet, wenigstens
ist’s doch schon eine Gnade,
eine unverdiente, das weiß Gott!
(Er abgelegte Schuss auf einem Stuhl. Arabella erscheint oben. Sie nimmt das Glas und steigt hinunter. Welko hinter ihr. Mandryka wendet sich, sieht Arabella mit dem Glas auf dem Tablett, langsam und feierlich herunterkommen; vor freudigem Schrecken tritt er zurück. Mandryka nähert sich die Leiter)
ARABELLA
(vor der letzten Stufe)
Das war sehr gut, Mandryka,
daß Sie noch nicht fortgegangen sind –
das Glas da hab’ ich austrinken wollen ganz allein
auf das Vergessen von dem Bösen, was gewesen ist,
und still zu Bette gehn
und nicht denken mehr an Sie und mich,
bis wieder heller Tag gekommen wäre über uns.
Dann aber, wie ich Sie gespürt hab’ hier im Finstern stehn, hat eine große Macht mich angerührt von oben bis ans Herz, daß ich mich nicht erfrischen muß mit einem Trunk: nein, mich erfrischt schon das Gefühl von meinem Glück, und diesen unberührten Trunk kredenz’ ich meinem Freund den Abend, wo die Mädchenzeit zu Ende ist für mich.
(Sie reicht ihm das Glas hin. Welko verschwindet.)
MANDRYKA
(indem er schnell in einem Zuge austrinkt und das Glas hoch in seiner Rechten hält)
So wahr aus diesem Glas da keiner trinken wird nach mir, so bist du mein und ich bin dein auf ewige Zeit!.
(Er schmettert das Glas auf die Steinstufen.)
ARABELLA
Und so sind wir Verlobte und Verbundene
auf Leid und Freud
und Wehtun und Verzeihn!
MANDRYKA
Auf immer, du mein Engel,
und auf alles, was da kommen wird!
ARABELLA
Und du wirst glauben –?
MANDRYKA
Und du wirst bleiben, wie du bist?
ARABELLA
Ich kann nicht anders werden,
nimm mich, wie ich bin!
(Sie sinkt ihm in die Arme, er küßt sie, sie macht sich schnell los und läuft die Stiege hinauf. Mandryka sieht ihr nach.)