HERODES
zu Herodias
Ah! Herrlich! Wundervoll, wundervoll!
Siehst du, sie hat für mich getanzt, deine Tochter.
Komm her, Salome. Komm her,
du sollst deinen Lohn haben.
Ich will dich königlich belohnen.
Ich will dir alles geben, was dein Herz begehrt.
Was willst du haben? Sprich!
SALOME
Ich möchte, dass sie mir gleich in einer Silberschüssel…
HERODES
In einer Silberschüssel…
Gewiss doch…
in einer Silberschüssel.
Sie ist reizend, nicht?
Was ist's, das du in einer Silberschüssel haben möchtest,
o süsse, schöne Salome, du, die schöner ist als alle Töchter Judäas?
Was sollen sie dir in einer Silberschüssel bringen?
Sag es mir!
Was es auch sein mag, du sollst es erhalten.
Meine Reichtümer gehören dir.
Was ist es, das du haben möchtest, Salome?
SALOME
Den Kopf des Jochanaan.
HERODES
Nein, nein!
HERODIAS
Ah! Das sagst du gut, meine Tochter!
Das sagst du gut!
HERODES
Nein, nein, Salome!
Das ist es nicht, was du begehrst!
Hör nicht auf die Stimme deiner Mutter.
Sie gab dir immer schlechten Rat.
Achte nicht auf sie.
SALOME
Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter.
Zu meiner eignen Lust will ich den Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben.
Du hast einen Eid geschworen, Herodes.
Du hast einen Eid geschworen.
Vergiss das nicht!
HERODES
Ich weiss, ich habe einen Eid geschworen.
Ich weiss es wohl.
Bei meinen Göttern habe ich es geschworen.
Aber ich beschwöre dich, Salome,
verlange etwas andres von mir.
Verlange die Hälfte meines Königreichs.
Ich will sie dir geben.
Aber verlange nicht von mir,
was deine Lippen verlangten.
SALOME
Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan.
HERODES
Nein, nein, ich will ihn dir nicht geben.
SALOME
Du hast einen Eid geschworen, Herodes.
HERODIAS
Ja, du hast einen Eid geschworen.
Alle haben es gehört.
HERODES
Still, Weib, zu dir spreche ich nicht.
HERODIAS
Meine Tochter hat recht daran getan,
den Kopf des Jochanaan zu verlangen.
Er hat mich mit Schimpf und Schande bedeckt.
Man kann sehn, dass sie ihre Mutter liebt.
Gib nicht nach, meine Tochter, gib nicht nach!
Er hat einen Eid geschworen.
HERODES
Still, spricht nicht zu mir!
Salome, ich beschwöre dich: sei nicht trotzig!
Sieh, ich habe dich immer lieb gehabt.
Kann sein, ich habe dich zu lieb gehabt.
Darum verlange das nicht von mir.
Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist,
ist ein übler Anblick.
Hör', was ich sage!
Ich habe einen Smaragd.
Er ist der schönste Smaragd der ganzen Welt.
Den willst du haben, nicht wahr?
Verlang' ihn von mir, ich will ihn dir geben,
den schönsten Smaragd.
SALOME
Ich fordre den Kopf des Jochanaan!
HERODES
Du hörst nicht zu,
du hörst nicht zu.
Lass mich zu dir reden, Salome!
SALOME
Den Kopf des Jochanaan.
HERODES
Das sagst du nur, um mich zu quälen,
weil ich dich so angeschaut habe.
Deine Schönheit hat mich verwirrt.
Oh! Oh! Bringt Wein! Mich dürstet!
Salome, Salome,
lass uns wie Freunde zu einander sein!
Bedenk' dich!
Ah! Was wollt ich sagen?
Was war's?
Ah! Ich weiss es wieder!
Salome, du kennst meine weissen Pfauen,
meine schönen, weissen Pfauen,
die im Garten zwischen den Myrten wandeln.
Ich will sie dir alle, alle geben.
In der ganzen Welt lebt kein König,
der solche Pfauen hat.
Ich habe bloss hundert.
Aber alle will ich dir geben.
SALOME
Gib mir den Kopf des Jochanaan!
HERODIAS
Gut gesagt, meine Tochter!
HERODES
Still, Weib! Du kreischest wie ein Raubvogel.
HERODIAS
zu Herodes
Und du, du bist lächerlich mit deinem Pfauen.
HERODES
Deine Stimme peinigt mich.
Still, sag' ich dir!
Salome, bedenk, was du tun willst.
Es kann sein, dass der Mann von Gott gesandt ist.
Er ist ein heil'ger Mann.
Der Finger Gottes hat ihn berührt.
Du möchtest nicht, dass mich ein Unheil trifft, Salome?
Hör' jetzt auf mich!
SALOME
Ich will den Kopf des Jochanaan.
HERODES
Ah! Du willst nicht auf mich hören.
Sei ruhig, Salome.
Ich, siehst du, bin ruhig.
Höre: ich habe an diesem Ort Juwelen versteckt,
Juwelen, die selbst deine Mutter nie gesehen hat.
Ich habe ein Halsband mit vier Reihen Perlen.
Topase, gelb wie die Augen der Tiger.
Topase, hellrot wie die Augen der Waldtaube,
und grüne Topase, wie Katzenaugen.
Ich habe Opale, die immer funkeln,
mit einem Feuer, kalt wie Eis.
Ich will sie dir alle geben, alle!
Ich habe Chrysolithe und Berylle,
Chrysoprase und Rubine.
Ich habe Sardonyx und Hyacinthsteine
und Steine von Chalcedon.
Ich will sie dir alle geben,
alle und noch andre Dinge.
Ich habe einen Kristall
in den zu schaun keinem Weibe vergönnt ist.
In einem Perlenmutterkästchen
habe ich drei wunderbare Türkise:
wer sie an seiner Stirne trägt,
kann Dinge sehn, die nicht wirklich sind.
Es sind unbezahlbare Schätze.
Was begehrst du sonst noch, Salome?
Alles, was du verlangst,
will ich dir geben nur eines nicht:
nur nicht das Leben dieses einen Mannes.
Ich will dir den Mantel des Hohenpriesters geben.
Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben.
DIE JUDEN
Oh! Oh! Oh!
SALOME
Gib' mir den Kopf den Jochanaan!
HERODES
sinkt auf seinen Sitz zurück
Man soll ihr geben, was sie verlangt!
Sie ist in Wahrheit ihrer Mutter Kind!
Herodias zieht dem Tetrarchen den Todesring vom Finger und gibt ihn dem Ersten Soldaten, der ihn auf der Stelle dem Henker überbringt
Wer hat meinen Ring genommen?
Der Henker geht in die Zisterne hinab
Ich hatte einen Ring an meiner rechten Hand.
Wer hat meinen Wein getrunken?
Es war Wein in meinem Becher.
Er war mit Wein gefüllt.
Es hat ihn jemand ausgetrunken.
Oh! gewiss wird Unheil über einen kommen.
HERODIAS
Meine Tochter hat recht getan!
HERODES
Ich bin sicher, es wird ein Unheil geschehn.
SALOME
an der Zisterne lauschend
Es ist kein Laut zu vernehmen.
Ich höre nichts.
Warum schreit er nicht, der Mann?
Ah! Wenn einer mich zu töten käme,
ich würde schreien,
ich würde mich wehren,
ich würde es nicht dulden!
Schlag' zu, schlag' zu, Naaman!
Schlag' zu, sag' ich dir!
Nein, ich höre nichts.
Es ist eine schreckliche Stille!
Ah! Es ist etwas zu Boden gefallen.
Ich hörte etwas fallen.
Es war das Schwert des Henkers.
Er hat Angst, dieser Sklave.
Er hat das Schwert fallen lassen!
Er traut sich nicht, ihn zu töten.
Er ist eine Memme, dieser Sklave.
Schickt Soldaten ihn!
zum Pagen
Komm hierher, du warst der Freund dieses Toten, nicht?
Wohlan, ich sage dir: es sind noch nicht genug Tote.
Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen,
hinabzusteigen und mir zu holen,
was ich verlange, was der Tetrarch
mir versprochen hat, was mein ist!
Der Page weicht zurück. Sie wendet sich den Soldaten zu
Hierher, ihr Soldaten, geht ihr in die Zisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes!
Tetrarch, Tetrarch,
befiehl deinen Soldaten, dass sie mir den Kopf des Jochanaan holen!
Ein riesengrosser schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Zisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend. Salome ergreift ihn. Herodes verhüllt sein Gesicht mit dem Mantel. Herodias fächelt sich zu und lächelt… Die Nazarener sinken in die Knie und beginnen zu beten
Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan!
Wohl, ich werde ihn jetzt küssen!
Ich will mit meinen Zähnen hineinbeissen,
wie man in eine reife Frucht beissen mag.
Ja, ich will ihn jetzt küssen deinen Mund, Jochanaan.
Ich hab' es gesagt.
Hab' ich's nicht gesagt?
Ah! ah! Ich will ihn jetzt küssen.
Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan?
Deine Augen, die so schrecklich waren,
so voller Wut und Verachtung, sind jetzt geschlossen.
Warum sind sie geschlossen?
Öffne doch die Augen!
So hebe deine Lider, Jochanaan!
Warum siehst du mich nicht an?
Hast du Angst vor mir, Jochanaan,
dass du mich nicht ansehen willst?
Und deine Zunge, sie spricht kein Wort, Jochanaan,
diese Scharlachnatter, die ihren Geifer gegen mich spie.
Es ist seltsam, nicht?
Wie kommt es, dass diese rote Natter
sich nicht mehr rührt?
Du sprachst böse Worte gegen mich,
gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias,
Prinzessin von Judäa.
Nun wohl!
Ich lebe noch, aber du bist tot,
und dein Kopf, dein Kopf gehört mir!
Ich kann mit ihm tun, was ich will.
Ich kann ihn den Hunden vorwerfen
und den Vögeln der Luft.
Was die Hunde übrig lassen,
sollen die Vögel der Luft verzehren.
Ah! Jochanaan, Jochanaan,
du warst schön.
Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füssen.
Er war ein Garten voller Tauben in der Silberlilien Glanz.
Nichts in der Welt war so weiss wie dein Leib.
Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar.
In der ganzen Welt war nichts so rot wie dein Mund.
Deine Stimme war ein Weirauchgefäss,
und wenn ich ansah, hörte ich geheimnisvolle Musik.
Ah! Warum hast du mich nicht angesehn, Jochanaan?
Du legtest über deine Augendie Binde eines,
der seinen Gott schauen wollte.
Wohl! Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan,
aber mich, mich, hast du nie gesehn.
Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt!
Ich dürste nach deiner Schönheit.
Ich hungre nach deinem Leib.
Nicht Wein noch Äpfelkönnen mein Verlangen stillen.
Was soll ich jetzt tun, Jochanaan?
Nicht die Fluten, noch die grossen Wasser
können dieses brünstige Begehren löschen.
Oh! Warum sahst du mich nicht an?
Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt.
Ich weiss es wohl, du hättest mich geliebt.
Und das Geheimnis der Liebe ist grösser
als das Geheimnis des Todes.
HERODES
zu Herodias
Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter.
Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer!
HERODIAS
Meine Tochter hat recht getan.
Ich möchte jetzt hier bleiben.
HERODES
Ah! Da spricht meines Bruders Weib!
Komm, ich will nicht an diesem Orte bleiben.
Komm, sag' ich dir!
Sicher, es wird Schreckliches geschehn.
Wir wollen uns im Palast verbergen,
Herodias,ich fange an zu erzittern.
Manassah, Issachar, Ozias, löscht die Fackeln aus!
Verbergt den Mond, verbergt die Sterne!
Es wird Schreckliches geschehn.
SALOME
Ah! Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan.
Ah! Ich habe ihn geküsst, deinen Mund,
es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen.
Hat es nach Blut geschmeckt?
Nein? Doch es schmeckte vielleicht nach Liebe.
Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke.
Allein was tut's? Was tut's?
Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan.
Ich habe ihn geküsst, deinen Mund.
HERODES
zu den Soldaten
Man töte dieses Weib!
(libretto: Oscar Wilde / Hedwig Lachmann)