I. Großer Dankchoral
Lobet die Nacht und die Finsternis, die euch umfangen!
Kommet zuhauf!
Schaut in den Himmel hinauf:
Schon ist der Tag euch verfangen.
Lobet von Herzen das schlechte Gedächtnis des Himmels!
Und dass er nicht
Weiß euren Nam' noch Gesicht.
Niemand weiß, dass ihr noch da seid.
Lobet das Gras und die Tiere, die neben euch leben und sterben!
Sehet, wie ihr
Lebet das Gras und das Tier.
Und es muss auch mit euch sterben.
Lobet die Kälte, die Finsternis und das Verderben!
Schauet hinan:
Es kommet nicht auf euch an.
Und ihr könnt unbesorgt sterben
II. Ballade
Vom ertrunkenem Mädchen
Als sie ertrunken war und hinunter schwamm
Von den Bächen in die größeren Flüsse,
Schien der Opal des Himmels sehr wundersam,
Als ob er die Leiche begütigen müsse.
Tang und Algen hielten sich an ihr ein,
So dass sie langsam viel schwerer ward.
Kühl die Fische schwammen an ihrem Bein,
Pflanzen und Tiere beschwerten noch ihre letzte Fahrt.
Und der Himmel ward abends dunkel wie Rauch
Und hielt nachts mit den Sternen das Licht in Schwebe.
Aber früh ward er hell, dass es auch
Noch für sie Morgen und Abend gebe.
Als ihr bleicher Leib im Wasser verfaulet war,
Geschah es (sehr langsam), dass Gott sie allmählich vergaß.
Erst ihr Gesicht, dann die Hände und ganz zuletzt erst ihr Haar.
Dann ward sie Aas in Flüssen mit vielem Aas.
III. Marterl
Hier ruht die Jungfrau
Hier ruht die Jungfrau Johanna Beck.
Als sie starb, war ihre Unschuld schon vorher weg.
Die Männer haben ihr den Rest gegeben,
Drum floh sie aus diesem süßen Leben.
Ruhe sanft, ruhe sanft.
IV. Erster Bericht über den Unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen
Wir kamen von den Gebirgen
Wir kamen von den Gebirgen und vom Weltmeer,
Um ihn zu erschlagen.
Wir fingen ihn mit Stricken, langend
Von Moskau bis zur Stadt Marseille
Und stellten auf Kanonen, ihn erreichend
An jedem Punkt, wo er hinfliehen konnte,
Wenn er uns sah.
Wir versammelten uns vier Jahre lang,
Legten nieder unsere Arbeit und standen
In den zerfallenen Städten, uns zurufend in vielen Sprachen
Von den Gebirgen bis zum Weltmeer,
Wo er sei.
So erschlugen wir ihn im vierten Jahr.
Dabei waren,
Die er war geboren zu sehn
Um sich stehend zur Zeit seines Todes:
Wir alle.
Und dabei war eine Frau, die ihn geboren hatte
Und die geschwiegen hatte, als wir ihn holten.
Der Schoß sei ihr ausgerissen,
Amen!
Als sie ihn aber erschlagen hatten,
Richteten wir ihn zu, dass er sein Gesicht verlor
Durch die Spuren unsrer Fäuste.
So machten wir ihn unkenntlich,
Dass er keines Menschen Sohn mehr sei.
Und gruben ihn aus unter dem Erz,
Trugen ihn heim in unsere Stadt und
Begruben ihn unter dem Stein, und zwar unter einem Bogen, genannt
Bogen des Triumphs,
Welcher wog tausend Zentner, dass
Der Unbekannte Soldat
Keinesfalls aufstünde am Tag des Gerichts
Und unkenntlich
Wandelte vor Gott,
Dennoch wieder im Licht
Und bezeichnete uns Kenntliche
Zur Gerechtigkeit.
V. Zweiter Bericht über den Unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen
Alles, was ich euch sagte
Alles was ich euch sagte
Über Ermordung und Tod des Unbekannten Soldaten
Und die Verwüstung seines Gesichts,
Auch was ich euch sagte über die Bemühung seiner Mörder,
Ihn zu hindern am Wiederkommen,
Ist wahr.
Aber er kommt nicht wieder
Sein Gesicht war lebendig wie das eure,
Bis es zerschmettert wurde und nicht mehr war.
Und er ward
Nicht mehr gesehen auf dieser Welt,
Weder ganz noch zerschmettert,
Weder heute noch am Ende der Tage,
Und sein Mund
Wird nicht reden am Jüngsten Gericht.
Es wird kein Gericht sein,
Sondern euer Bruder
Ist tot und tot ist der Stein über ihm,
Und ich bedaure
Jeglichen Hohn, und ziehe zurück meine Klage.
Aber ich bitte euch, da ihr ihn
Nun einmal erschlagen habt,
Still! Fangt nicht von neuen an
Zu streiten, da er doch tot ist.
Aber doch bitte ich, da ihr ihn also
Erschlagen habt:
Entfernt wenigstens
Den Stein über ihm,
Denn dieses Triumphgeheul
Ist doch nicht nötig und macht
Mir Kummer, denn mich,
Der ich den Erschlagenen
Schon vergessen hatte, erinnert er
Täglich an euch, die ihr noch
Lebt, und die ihr
Immer noch nicht erschlagen seid.
Warum denn nicht?
VI. Großer Dankchoral (da capo)
Lobet die Nacht und die Finsternis, die euch umfangen!
Kommet zuhauf!
Schaut in den Himmel hinauf:
Schon ist der Tag euch verfangen.
Lobet die Kälte, die Finsternis und das Verderben!
Schauet hinan:
Es kommet nicht auf euch an.
Und ihr könnt unbesorgt sterben
(Alternate of III. Marterl)
III. Grabschrift
Die rote Rosa
Die rote Rosa schon lang verschwand.
Die ist tot, ihr Aufenthaltsort ist unbekannt.
Weil sie den Armen hat die Wahrheit gesaget
Drum haben sie die Reichen aus dem Leben gejaget.
Ruhe sanft, Ruhe sanft.
(Deleted from the score)
I. Zu Potsdam unter den Eichen
Zu Potsdam unter den Eichen
Im hellen Mittag ein Zug
Vorn eine Trommel und hinten eine Fahn
In der Mitte einen Sarg man trug.
Zu Potsdam unter den Eichen
Im hundertjährigen Staub
Da trugen sechse einen Sarg
Mit Helm und Eichenlaub.
Und auf dem Sarge mit Menigerot
Da war geschrieben ein Reim
Die Buchstaben sahen häßlich aus:
»Jedem Krieger sein Heim!
Jedem Krieger sein Heim!«
Das war zum Angedenken
An manchen toten Mann
Geboren in der Heimat
Gefallen am Chemin des Dames.
Gekrochen einst mit Herz und Hand
Dem Vaterland auf den Leim
Belohnt mit dem Sarge vom Vaterland:
Jedem Krieger sein Heim!
So zogen sie durch Potzdam
Für den Mann am chemin des Dames
Da kam die grüne Polizei
Und haute sie zusamm.
II. Legende vom toten Soldaten
Und als der Krieg im vierten Jahr
Keinen Ausblick auf Frieden bot
Da zog der Soldat seine Konsequenz
Und starb den Heldentod.
Der Krieg war aber noch nicht gar
Drum tat es dem Kaiser leid
Daß seine Soldat gestorben war:
Es schien ihm noch vor der Zeit.
Der Sommer zog über die Gräber her
Und der Soldat schlief schon
Da kam eines Nachts eine militär-
ische ärztliche Kommission.
Es zog die ärztliche Kommission
Zum Gottesacker hinaus
Und grub mit geweihtem Spaten den
Gefallnen Soldaten aus.
Der Doktor besah den Soldaten genau
Oder was von ihm noch da war
Und der Doktor fand, der Soldat war k.v.
Und er drückte sich vor der Gefahr.
Und sie nahmen sogleich den Soldaten mit
Die Nacht war blau und schön.
Mann konnte, wenn man keinen Helm aufhatte
Die Sterne der Heimat sehn.
Sie schütteten ihm einen feurigen Schnaps
In den verwesten Leib
Und hängten zwei Schwestern in seinen Arm
Und ein halb entblößtes Weib.
Und weil der Soldat nach Verwesung stinkt
Drum hinkt ein Pfaffe voran
Der über ihn ein Weihrauchfaß schwingt
Daß er nicht stinken kann.
Voran die Musik mit Tschindrara
Spielt einen flotten Marsch.
Und der Soldat, so wie er’s gelernt
Schmeißt seine Beine vom Arsch.
Und brüderlich den Arm um ihn
Zwei Sanitäter gehn
Sonst flög er noch in den Dreck ihnen hin
Und das darf nicht geschehn.
Sie malten auf sein Leichenhemd
Die Farben Schwarz-Weiß-Rot
Und trugen’s vor ihm her; man sah
Vor Farben nicht mehr den Kot.
Ein Herr im Frack schritt auch voran
Mit einer gestärkten Brust
Der war sich als ein deutscher Mann
Seiner Pflicht genau bewußt.
So zogen sie mit Tschindrara
Hinab die dunkle Chaussee
Und der Soldat zog taumelnd mit
Wie im Sturm die Flocke Schnee.
Die Katzen und die Hunde schrein
Die Ratzen im Feld pfeifen wüst:
Sie wollen nicht französisch sein
Weil das eine Schande ist.
Und wenn sie durch die Dörfer ziehn
Waren alle Weiber da
Die Bäume verneigten sich, Vollmond schien
Und alles schrie hurra.
Mit Tschindrara und Wiedersehn!
Und Weib und Hund und Pfaff!
Und mitten drin der tote Soldat
Wie ein besoffner Aff.
Und wenn sie durch die Dörfer ziehn
Kommt’s, daß ihn keiner sah
So viele waren herum um ihn
Mit Tschindrara und Hurra.
So viele tanzten und johlten um ihn
Daß ihn keiner sah.
Mann konnte ihn einzig von oben noch sehn
Und da sind nur Sterne da.
Die Sterne sind nicht immer da
Es kommt ein Morgenrot.
Doch der Soldat, so wie er’s gelernt
Zieht in den Heldentod.