DRITTER AUFZUG
ERSTE SZENE
In Sachs' Werkstatt. Kurzer Raum. Im Hintergrund die halb geöffnete Ladentür, nach der Strasse führend. Rechts zur Seite eine Kammertür. Links das nach der Gasse gehende Fenster, mit Blumenstöcken davor, zur Seite ein Werktisch. Sachs sitzt auf einem grossen Lehnstuhle an diesem Fenster, durch welches die Morgensonne hell auf ihn hereinscheint: Er hat vor sich auf dem Schosse einen grossen Folianten und ist im Lesen vertieft. David zeigt sich, von der Strasse kommend, unter der Ladentür, er lugt herein, und da er Sachs gewahrt, fährt er zurück. Er versichert sich aber, dass Sachs ihn nicht bemerkt, schlüpft herein, stellt seinen mitgebrachten Korb auf den hinteren Werktisch beim Laden und untersucht seinen Inhalt:Er holt Blumen und Bänder und kramt sie auf dem Tische aus, endlich findet er auf dem Grunde eine Wurst und einen Kuchen und lässt sich sogleich an, diese zu verzehren, als Sachs, der ihn fortwährend nicht beachtet, mit starkem Geräusch eines der grossen Blätter des Folianten umwendet
DAVID
fährt zusammen, verbirgt das Essen und wendet sich zurück
Gleich, Meister! Hier!
Die Schuh' sind abgegeben
in Herrn Beckmessers Quartier.
Mir war's, als rieft Ihr mich eben?
beiseite
Er tut, als säh' er mich nicht?
Da ist er bös', wenn er nicht spricht! -
Er nähert sich sehr demütig langsam Sachs
Ach, Meister, wollt mir verzeih'n!
Kann ein Lehrbub' vollkommen sein?
Kenntet Ihr die Lene wie ich,
dann vergäbt Ihr mir sicherlich.
Sie ist so gut, so sanft für mich
und blickt mich oft an so innerlich.
Wenn Ihr mich schlagt, streichelt sie mich
und lächelt dabei holdseliglich.
Muss ich karieren, füttert sie mich
und ist in allem gar liebelich.
Nur gestern, weil der Junker versungen,
hab ich den Korb ihr nicht abgerungen.
Das schmerzte mich; und da ich fand,
dass nachts einer vor dem Fenster stand
und sang zu ihr und schrie wie toll,
da hieb ich ihm den Buckel voll.
Wie käm' nun da was Grosses drauf an?
Auch hat's uns'rer Liebe gar wohl getan.
Die Lene hat mir eben alles erklärt
und zum Fest Blumen und Bänder beschert.
Er bricht in grössere Angst aus
Ach, Meister, sprecht doch nur ein Wort!
beiseite
Hätt' ich nur die Wurst und den Kuchen erst fort!
SACHS
hat unbeirrt immer weitergelesen. Jetzt schlägt er den Folianten zu. Von dem Geräusch erschrickt David so, dass er strauchelt und unwillkürlich vor Sachs auf die Knie fällt. Sachs sieht über das Buch, das er noch auf dem Schosse behält, hinweg, über David, welcher immer auf den Knien furchtsam nach ihm aufblickt, hin und heftet seinen Blick unwillkürlich auf den hinteren Werktisch. Sehr leise
Blumen und Bänder seh' ich dort!
Schaut hold und jugendlich aus!
Wie kamen mir die ins Haus?
DAVID
verwundert über Sachs' Freundlichkeit
Ei, Meister! ‘s ist heut festlicher Tag;
da putzt sich jeder, so schön er mag.
SACHS
immer leise, wie für sich
Wär' heut Hochzeitsfest?
DAVID
Ja, käm's erst so weit, dass David die Lene freit!
SACHS
immer wie zuvor
‘s war Polterabend, dünkt mich doch?
DAVID
für sich
Polterabend? - Da krieg' ich's wohl noch?
laut
Verzeiht das, Meister! Ich bitt', vergesst! Wir feiern ja heut' Johannisfest.
SACHS
Johannisfest?
DAVID
beiseite
Hört er heut' schwer?
SACHS
Kannst du dein Sprüchlein? Sag es her!
DAVID
ist allmählich zu stehen gekommen
Mein Sprüchlein? Denk', ich kann es gut.
beiseite
‘s setzt nichts! Der Meister ist wohlgemut! -
stark und grob
»Am Jordan Sankt Johannes stand« -
SACHS
Wa - was?
DAVID
lächelnd
Verzeiht, das Gewirr! Mich machte der Polterabend irr.
Er sammelt sich und stellt sich gehörig auf
»Am Jordan Sankt Johannes stand,
all' Volk der Welt zu taufen;
kam auch ein Weib aus fernem Land,
von Nürnberg gar gelaufen;
sein Söhnlein trug's zum Uferrand,
empfing da Tauf' und Namen;
doch als sie dann sich heimgewandt,
nach Nürnberg wieder kamen,
in deutschem Land gar bald sich fand's,
dass wer am Ufer des Jordans
Johannes war genannt,
an der Pegnitz hiess der Hans.«
sich besinnend
Hans? Hans!
Herr! Meister!
feurig
s ist heut Eu'r Namenstag!
Nein! Wie man so was vergessen mag!
Hier! Hier, die Blumen sind für Euch,
die Bänder - und was nur alles noch gleich?
Ja, hier schaut! Meister, herrlicher Kuchen!
Möchtet Ihr nicht auch die Wurst versuchen?
SACHS
immer ruhig, ohne seine Stellung zu verändern
Schön Dank, mein Jung', behalt's für dich!
Doch heut auf die Wiese begleitest du mich.
Mit Blumen und Bändern putz' dich fein;
sollst mein stattlicher Herold sein.
DAVID
Sollt' ich nicht lieber Brautführer sein?
Meister, ach Meister! Ihr müsst wieder frein!
SACHS
Hätt'st wohl gern eine Meist'rin im Haus?
DAVID
Ich mein', es säh' doch viel stattlicher aus.
SACHS
Wer weiss! Kommt Zeit, kommt Rat.
DAVID
‘s ist Zeit!
SACHS
Dann wär' der Rat wohl auch nicht weit?
DAVID
Gewiss! Gehn schon Reden hin und wieder,
den Beckmesser, denk' ich, sängt Ihr doch nieder?
Ich mein', dass der heut' sich nicht wichtig macht.
SACHS
Wohl möglich! Hab mir's auch schon bedacht. -
Jetzt geh' und stör' mir den Junker nicht!
Komm wieder, wenn du schön gericht't.
DAVID
küsst Sachs gerührt die Hand
So war er noch nie, wenn sonst auch gut!
Kann mir gar nicht mehr denken,
wie der Knieriemen tut!
Er packt alles zusammen und geht in die Kammer ab
SACHS
immer noch den Folianten auf dem Schosse, lehnt sich, mit untergestütztem Arme, sinnend darauf; es scheint, dass ihn das Gespräch mit David gar nicht aus seinem Nachdenken gestört hat
Wahn! Wahn! Überall Wahn!
Wohin ich forschend blick'
in Stadt- und Weltchronik,
den Grund mir aufzufinden,
warum gar bis aufs Blut
die Leut' sich quälen und schinden
in unnütz toller Wut!
Hat keiner Lohn noch Dank davon:
in Flucht geschlagen, wähnt er zu jagen.
Hört nicht sein eigen Schmerzgekreisch,
wenn er sich wühlt ins eig'ne Fleisch,
wähnt Lust sich zu erzeigen.
Wer gibt den Namen an?
kräftig
‘s ist halt der alte Wahn,
ohn' den nichts mag geschehen,
‘s mag gehen oder stehen!
Steht's wo im Lauf,
er schläft nur neue Kraft sich an;
gleich wacht er auf,
dann schaut, wer ihn bemeistern kann!
Wie friedsam treuer Sitten
getrost in Tat und Werk,
liegt nicht in Deutschlands Mitten
mein liebes Nürenberg!
Er blickt mit freudiger Begeisterung ruhig vor sich hin
Doch eines Abends spat,
ein Unglück zu verhüten,
bei jugendheissen Gemüten,
ein Mann weiss sich nicht Rat;
ein Schuster in seinem Laden
zieht an des Wahnes Faden.
Wie bald auf Gassen und Strassen
fängt der da an zu rasen!
Mann, Weib, Gesell und Kind
fällt sich da an wie toll und blind;
und will's der Wahn gesegnen,
nun muss es Prügel regnen,
mit Hieben, Stoss' und Dreschen
den Wutesbrand zu löschen.
Gott weiss, wie das geschah? -
Ein Kobold half wohl da!
Ein Glühwurm fand sein Weibchen nicht;
der hat den Schaden angericht't.
Der Flieder war's:
Johannisnacht. -
Nun aber kam Johannistag! -
Jetzt schau'n wir, wie Hans Sachs es macht,
dass er den Wahn fein lenken kann,
ein edler' Werk zu tun.
Denn lässt er uns nicht ruh'n
selbst hier in Nürenberg,
so sei's um solche Werk',
die selten vor gemeinen Dingen
und nie ohn' ein'gen Wahn gelingen.
ZWEITE SZENE
Walther tritt unter der Kammertür ein. Er bleibt einen Augenblick dort stehen und blickt auf Sachs. Dieser wendet sich und lässt den Folianten auf den Boden gleiten
SACHS
Grüss Gott, mein Junker! Ruhtet Ihr noch?
Ihr wachtet lang: nun schlieft Ihr doch?
WALTHER
sehr ruhig
Ein wenig, aber fest und gut.
SACHS
So ist Euch nun wohl bass zumut?
WALTHER
immer sehr ruhig
Ich hatt' einen wunderschönen Traum.
SACHS
Das deutet Gut's! Erzählt mir den.
WALTHER
Ihn selbst zu denken wag' ich kaum;
ich fürcht' ihn mir vergeh'n zu sehn.
SACHS
Mein Freund, das grad' ist Dichters Werk,
dass er sein Träumen deut' und merk'.
Glaubt mir, des Menschen wahrster Wahn
wird ihm im Traume aufgetan:
all Dichtkunst und Poeterei
ist nichts als Wahrtraumdeuterei.
Was gilt's, es gab der Traum Euch ein,
wie heut' Ihr sollet Meister sein?
WALTHER
sehr ruhig
Nein, von der Zunft und ihren Meistern
wollt' sich mein Traumbild nicht begeistern.
SACHS
Doch lehrt' es wohl den Zauberspruch,
mit dem Ihr sie gewännet?
WALTHER
etwas lebhafter
Wie wähnt Ihr doch nach solchem Bruch,
wenn Ihr noch Hoffnung kennet!
SACHS
Die Hoffnung lass ich mir nicht mindern,
nichts stiess sie noch über'n Haufen.
Wär's nicht, glaubt, statt Eure Flucht zu hindern,
wär' ich selbst mit Euch fortgelaufen!
Drum bitt ich, lasst den Groll jetzt ruh'n;
Ihr habt's mit Ehrenmännern zu tun,
die irren sich und sind bequem,
dass man auf ihre Weise sie nähm'.
Wer Preise erkennt und Preise stellt,
der will am End' auch, dass man ihm gefällt.
Eu'r Lied, das hat ihnen bang gemacht;
und das mit Recht:
denn wohlbedacht,
mit solchem Dicht'- und Liebesfeuer
verführt man wohl Töchter zum Abenteuer;
doch für liebseligen Ehestand
man andre Wort' und Weisen fand.
WALTHER
lächelnd
Die kenn' ich nun auch seit dieser Nacht:
es hat viel Lärm auf der Gasse gemacht.
SACHS
lachend
Ja, ja! Schon gut! Den Takt dazu
hörtet Ihr auch! - Doch, lasst dem Ruh'
und folgt meinem Rate, kurz und gut,
fasst zu einem Meisterliede Mut.
WALTHER
Ein schönes Lied, ein Meisterlied,
wie fass ich da den Unterschied?
SACHS
zart
Mein Freund! In holder Jugendzeit,
wenn uns von mächt'gen Trieben
zum sel'gen ersten Lieben
die Brust sich schwellet hoch und weit,
ein schönes Lied zu singen
mocht' vielen da gelingen:
der Lenz, der sang für sie.
Kam Sommer, Herbst und Winterzeit,
viel Not und Sorg' im Leben,
manch ehlich Glück daneben,
Kindtauf', Geschäfte, Zwist und Streit:
denen's dann noch will gelingen,
ein schönes Lied zu singen,
seht, Meister nennt man die.
WALTHER
Ich lieb' ein Weib und will es frein,
mein dauernd Ehgemahl zu sein.
SACHS
Die Meisterregeln lernt beizeiten,
dass sie getreulich Euch geleiten
und helfen wohl bewahren,
was in der Jugend Jahren
mit holdem Triebe Lenz und Liebe
Euch unbewusst ins Herz gelegt,
dass Ihr das unverloren hegt.
WALTHER
Stehn sie nun in so hohem Ruf,
wer war es, der die Regeln schuf?
SACHS
Das waren hochbedürft'ge Meister,
von Lebensmüh' bedrängte Geister;
in ihrer Nöten Wildnis
sie schufen sich ein Bildnis,
dass ihnen bliebe der Jugendliebe
ein Angedenken klar und fest,
dran sich der Lenz erkennen lässt.
WALTHER
Doch, wem der Lenz schon lang entronnen,
wie wird er dem im Bild gewonnen?
SACHS
Er frischt es an, so oft er kann!
Drum möcht' ich, als bedürft'ger Mann,
will ich die Regeln Euch lehren,
sollt Ihr sie mir neu erklären.
Seht, hier ist Tinte, Feder, Papier:
ich schreib's Euch auf, diktiert Ihr mir!
WALTHER
Wie ich's begänne, wüsst' ich kaum.
SACHS
Erzählt mir Euren Morgentraum!
WALTHER
Durch Eurer Regeln gute Lehr'
ist mir's, als ob verwischt er wär'.
SACHS
Grad' nehmt die Dichtkunst jetzt zur Hand;
mancher durch sie das Verlorene fand.
WALTHER
So wär's nicht Traum, doch Dichterei?
SACHS
‘s sind Freunde beid', steh'n gern sich bei.
WALTHER
Wie fang' ich nach der Regel an?
SACHS
Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann.
Gedenkt des schönen Traums am Morgen;
fürs and're lasst Hans Sachs nur sorgen!
WALTHER
hat sich zu Sachs am Werktisch gesetzt, wo dieser das Gedicht Walthers nachschreibt. Er beginnt sehr leise, wie heimlich
»Morgenlich leuchtend in rosigem Schein,
von Blüt' und Duft geschwellt die Luft,
voll aller Wonnen, nie ersonnen,
ein Garten lud mich ein, Gast ihm zu sein.«
SACHS
Das war ein Stollen:
nun achtet wohl,
dass ganz ein gleicher ihm folgen soll.
WALTHER
Warum ganz gleich?
SACHS
Damit man seh',
Ihr wähltet Euch gleich ein Weib zur Eh'.
WALTHER
»Wonnig entragend dem seligen Raum
bot goldner Frucht heilsaft'ge Wucht
mit holdem Prangen dem Verlangen
an duft'ger Zweige Saum herrlich ein Baum.«
SACHS
Ihr schlosset nicht im gleichen Ton.
Das macht den Meistern Pein;
doch nimmt Hans Sachs die Lehr' davon,
im Lenz wohl müss' es so sein. -
Nun stellt mir einen Abgesang.
WALTHER
Was soll nun der?
SACHS
Ob Euch gelang,
ein rechtes Paar zu finden,
das zeigt sich jetzt an den Kinden.
Den Stollen ähnlich, doch nicht gleich,
an eig'nen Reim' und Tönen reich;
dass man's recht schlank und selbstig find',
das freut die Eltern an dem Kind,
und Euren Stollen gibt's den Schluss,
dass nichts davon abfallen muss.
WALTHER
»Sei Euch vertraut,
welch hehres Wunder mir gescheh'n:
an meiner Seite stand ein Weib,
so hold und schön ich nie geseh'n;
gleich einer Braut
umfasste sie sanft meinen Leib;
mit Augen winkend,
die Hand wies blinkend,
was ich verlangend begehrt,
die Frucht so hold und wert
vom Lebensbaum.«
SACHS
gerührt
Das nenn' ich mir einen Abgesang!
Seht, wie der ganze Bar gelang.
Nur mit der Melodei seid Ihr ein wenig frei;
doch sag' ich nicht, dass das ein Fehler sei;
nur ist's nicht leicht zu behalten,
und das ärgert uns're Alten! -
Jetzt richtet mir noch einen zweiten Bar,
damit man merk', welch' der erste war.
Auch weiss ich noch nicht, so gut Ihr's gereimt,
was Ihr gedichtet, was Ihr geträumt.
WALTHER
»Abendlich glühend in himmlischer Pracht
verschied der Tag, wie dort ich lag;
aus ihren Augen Wonne zu saugen,
Verlangen einz'ger Macht in mir nur wacht'.
Nächtlich umdämmert der Blick mir sich bricht!
Wie weit so nah' beschienen da
zwei lichte Sterne aus der Ferne
durch schlanker Zweige Licht hehr mein Gesicht.
Lieblich ein Quell
auf stiller Höhe dort mir rauscht;
jetzt schwellt er an sein hold' Getön',
so stark und süss ich's nie erlauscht:
leuchtend und hell, wie strahlten die Sterne da schön;
zu Tanz und Reigen in Laub und Zweigen
der gold'nen sammeln sich mehr,
statt Frucht ein Sternenheer
im Lorbeerbaum.« -
SACHS
sehr gerührt
Freund!
Euer Traumbild wies Euch wahr;
gelungen ist auch der zweite Bar.
Wolltet Ihr noch einen dritten dichten?
Des Traumes Deutung würd' er berichten.
WALTHER
steht schnell auf
Wo fänd' ich die? Genug der Wort'!
SACHS
erhebt sich gleichfalls und tritt mit freundlicher Entschiedenheit zu Walther
Dann Tat und Wort am rechten Ort!
Drum bitt' ich, merkt mir wohl die Weise:
gar lieblich drin sich's dichten lässt:
und singt Ihr sie im weit'ren Kreise,
so haltet mir auch das Traumbild fest.
WALTHER
Was habt Ihr vor?
SACHS
Eu'r treuer Knecht
fand sich mit Sack und Tasch' zurecht;
die Kleider, drin am Hochzeitfest
daheim Ihr wolltet prangen,
die liess er her zu mir gelangen.
Ein Täubchen zeigt' ihm wohl das Nest,
darin sein Junker träumt!
Drum folgt mir jetzt ins Kämmerlein!
Mit Kleiden, wohlgesäumt,
sollen beide wir gezieret sein,
wenn's Stattliches zu wagen gilt.
Drum kommt, seid Ihr gleich mir gesinnt.
Walther schlägt in Sachsens Hand ein; so geleitet ihn dieser ruhig festen Schrittes zur Kammer, deren Tür er ihm ehrerbietig öffnet und dann ihm folgt
DRITTE SZENE
Beckmesser. Sachs. Man gewahrt Beckmesser, welcher draussen vor dem Laden erscheint, in grosser Aufregung hereinlugt und, da er die Werkstatt leer findet, hastig eintritt Er ist reich aufgeputzt, aber in sehr leidendem Zustande. Er blickt sich erst unter der Tür nochmals genau in der Werkstatt um, dann hinkt er vorwärts, zuckt aber zusammen und streicht sich den Rücken. Er macht wieder einige Schritte, knickt aber mit den Knien und streicht nun diese. Er setzt sich auf den Schusterschemel, fährt aber schnell schmerzhaft wieder auf. Er betrachtet sich den Schemel und gerät dabei in immer aufgeregteres Nachsinnen. Er wird von den verdriesslichsten Erinnerungen und Vorstellungen gepeinigt; immer unruhiger beginnt er sich den Schweiss von der Stirne zu wischen. Er hinkt immer lebhafter umher und starrt dabei vor sich hin. Als ob er von allen Seiten verfolgt wäre, taumelt er fliehend hin und her. Wie um nicht umzusinken, hält er sich an dem Werktisch, zu dem er hin geschwankt war, an und starrt vor sich hin. Matt und verzweiflungsvoll sieht er um sich; sein Blick fällt endlich durch das Fenster auf Pogners Haus; er hinkt mühsam an dasselbe heran, und, nach dem gegenüberliegenden Fenster ausspähend, versucht er, sich in die Brust zu werfen, als ihm sogleich der Ritter Walther einfällt. Ärgerliche Gedanken entstehen dadurch, gegen die er mit schmeichelndem Selbstgefühl anzukämpfen sucht. Die Eifersucht übermannt ihn; er schlägt sich vor den Kopf. Er glaubt die Verhöhnung der Weiber und Buben auf der Gasse zu vernehmen, wendet sich wütend ab und schmeisst das Fenster zu. Sehr verstört wendet er sich mechanisch wieder dem Werktische zu, indem er vor sich hinbrütend nach einer neuen Weise zu suchen scheint.
Sein Blick fällt auf das von Sachs zuvor beschriebene Papier; er nimmt es neugierig auf, überfliegt es mit wachsender Aufregung und bricht endlich wütend aus
BECKMESSER
Ein Werbelied! Von Sachs! Ist's wahr?
Ha! Jetzt wird mir alles klar!
Da er die Kammertür gehen hört, fährt er zusammen und steckt das Papier eilig in die Tasche
SACHS
im Festgewande, tritt ein, kommt vor und hält an, als er Beckmesser gewahrt
Sieh da, Herr Schreiber! Auch am Morgen?
Euch machen die Schuh' doch nicht mehr Sorgen?
BECKMESSER
Zum Teufel! So dünn war ich noch nie beschuht!
Fühl' durch die Sohl' den kleinsten Kies!
SACHS
Mein Merkersprüchlein wirkte dies,
trieb sie mit Merkerzeichen so weich.
BECKMESSER
Schon gut der Witz! Und genug der Streich'!
Glaubt mir, Freund Sachs, jetzt kenn' ich Euch!
Der Spass von dieser Nacht, der wird Euch noch gedacht.
Dass ich Euch nur nicht im Wege sei,
schuft Ihr gar Aufruhr und Meuterei!
SACHS
‘s war Polterabend, lasst Euch bedeuten;
Eure Hochzeit spukte unter den Leuten:
je toller es da hergeh', je besser bekommt's der Eh'.
BECKMESSER
wütend
O Schuster, voll von Ränken
und pöbelhaften Schwänken,
du warst mein Feind von je:
nun hör, ob hell ich seh'!
Die ich mir auserkoren,
die ganz für mich geboren,
zu aller Witwer Schmach,
der Jungfer stellst du nach.
Dass sich Herr Sachs erwerbe
des Goldschmieds reiches Erbe,
im Meisterrat zur Hand
auf Klauseln er bestand,
ein Mägdlein zu betören,
das nur auf ihn sollt' hören
und, andern abgewandt,
zu ihm allein sich fand.
Darum! Darum!
Wär' ich so dumm?
Mit Schreien und mit Klopfen
wollt' er mein Lied zustopfen,
dass nicht dem Kind werd' kund,
wie auch ein and'rer bestund!
Ja ja! Haha! Hab ich dich da?
Aus seiner Schusterstuben
hetzt' endlich er den Buben
mit Knüppeln auf mich her,
dass meiner los er wär'!
Au au! Au au! Wohl grün und blau,
zum Spott der allerliebsten Frau,
zerschlagen und zerprügelt,
dass kein Schneider mich aufbügelt!
Gar auf mein Leben war's angegeben!
Doch kam ich noch so davon,
dass ich die Tat Euch lohn'!
Zieht heut' nur aus zum Singen,
merkt auf, wie's mag gelingen;
bin ich gezwackt auch und zerhackt,
Euch bring' ich doch sicher aus dem Takt!
SACHS
Gut Freund, Ihr seid in argem Wahn!
Glaubt, was Ihr wollt, dass ich getan,
gebt Eure Eifersucht nur hin;
zu werben kommt mir nicht in Sinn.
BECKMESSER
Lug und Trug! Ich kenn' es besser.
SACHS
Was fällt Euch nur ein, Meister Beckmesser?
Was ich sonst im Sinn, geht Euch nichts an.
Doch glaubt, ob der Werbung seid Ihr im Wahn.
BECKMESSER
Ihr sängt heut nicht?
SACHS
Nicht zur Wette.
BECKMESSER
Kein Werbelied?
SACHS
Gewisslich, nein!
BECKMESSER
Wenn ich aber drob ein Zeugnis hätte?
Er greift in die Tasche
SACHS
blickt auf den Werktisch
Das Gedicht? Hier liess ich's. Stecktet Ihr's ein?
BECKMESSER
das Blatt hervorziehend
Ist das Eure Hand?
SACHS
Ja - war es das?
BECKMESSER
Ganz frisch noch die Schrift?
SACHS
Und die Tinte noch nass!
BECKMESSER
‘s wär' wohl gar ein biblisches Lied?
SACHS
Der fehlte wohl, wer darauf riet.
BECKMESSER
Nun denn?
SACHS
Wie doch?
BECKMESSER
Ihr fragt?
SACHS
Was noch?
BECKMESSER
Dass Ihr mit aller Biederkeit
der ärgste aller Spitzbuben seid!
SACHS
Mag sein! Doch hab ich noch nie entwandt,
was ich auf fremden Tischen fand -
und dass man von Euch auch nicht Übles denkt,
behaltet das Blatt, es sei Euch geschenkt.
BECKMESSER
in freudigem Schreck aufspringend
Herrgott! ...
Ein Gedicht? ... Ein Gedicht von Sachs!
Doch halt, dass kein neuer Schad' mir erwachs'!
Ihr habt's wohl schon recht gut memoriert?
SACHS
Seid meinethalb doch nur unbeirrt!
BECKMESSER
Ihr lasst mir das Blatt?
SACHS
Damit Ihr kein Dieb.
BECKMESSER
Und mach' ich Gebrauch?
SACHS
Wie's Euch belieb'.
BECKMESSER
Doch sing' ich das Lied?
SACHS
Wenn's nicht zu schwer!
BECKMESSER
Und wenn ich gefiel'?
SACHS
Das ... wunderte mich sehr!
BECKMESSER
ganz zutraulich
Da seid Ihr nun wieder zu bescheiden:
ein Lied von Sachs,
gleichsam pfeifend
das will was bedeuten!
Und seht nur, wie mir's ergeht,
wie's mit mir Ärmsten steht!
Erseh' ich doch mit Schmerzen,
das Lied, das nachts ich sang -
dank Euren lust'gen Scherzen! -
es machte der Pognerin bang'.
Wie schaff' ich mir nun zur Stelle
ein neues Lied herzu?
Ich armer, zerschlag'ner Geselle,
wie fänd' ich heut dazu Ruh'?
Werbung und ehlich Leben,
ob das mir Gott beschied,
muss ich nun grad aufgeben,
hab ich kein neues Lied.
Ein Lied von Euch, des bin ich gewiss,
mit dem besieg' ich jed' Hindernis!
Soll ich das heute haben,
vergessen, begraben
sei Zwist, Hader und Streit
und was uns je entzweit.
Er blickt seitwärts in das Blatt: plötzlich runzelt sich seine Stirn
Und doch! Wenn's nur eine Falle wär'?
Noch gestern wart Ihr mein Feind:
Wie käm's, dass nach so grosser Beschwer'
Ihr's freundlich heut' mit mir meint?
SACHS
Ich macht' Euch Schuh' in später Nacht:
hat man je so einen Feind bedacht?
BECKMESSER
Ja ja! Recht gut! Doch eines schwört:
wo und wie Ihr das Lied auch hört,
dass nie Ihr Euch beikommen lasst,
zu sagen, das Lied sei von Euch verfasst.
SACHS
Das schwör' ich und gelob' es Euch,
nie mich zu rühmen, das Lied sei von mir.
BECKMESSER
sich vergnügt die Hände reibend
Was will ich mehr? Ich bin geborgen!
Jetzt braucht sich Beckmesser nicht mehr zu sorgen!
SACHS
Doch, Freund, ich führ's Euch zu Gemüte
und rat' es Euch in aller Güte:
studiert mir recht das Lied!
Sein Vortrag ist nicht leicht:
ob Euch die Weise geriet
und Ihr den Ton erreicht!
BECKMESSER
Freund Sachs, Ihr seid ein guter Poet;
doch was Ton und Weise betrifft,
gesteht, da tut mir's keiner vor!
Drum spitzt nur fein das Ohr.
Und:
»Beckmesser, keiner besser!«
darauf macht Euch gefasst,
wenn Ihr mich ruhig singen lasst.
Doch nun memorieren,
schnell nach Haus;
ohne Zeit zu verlieren
richt' ich das aus.
Hans Sachs, mein Teurer!
ich hab Euch verkannt;
durch den Abenteurer
war ich verrannt:
sehr zutraulich
So einer fehlte uns bloss!
Den wurden wir Meister doch los!
Doch mein Besinnen
läuft mir von hinnen.
Bin ich verwirrt
und ganz verirrt?
Die Silben, die Reime,
die Worte, die Verse:
ich kleb' wie am Leime,
und brennt doch die Ferse.
Ade, ich muss fort!
An andrem Ort
dank' ich Euch inniglich,
weil Ihr so minniglich;
für Euch nun stimme ich,
kauf' Eure Werke gleich,
mache zum Merker Euch:
doch fein mit Kreide weich,
nicht mit dem Hammerstreich!
Merker! Merker! Merker Hans Sachs!
Dass Nürnberg schusterlich blüh' und wachs'!
Beckmesser nimmt tanzend von Sachs Abschied, taumelt und poltert der Ladentür zu; plötzlich glaubt er das Gedicht in seiner Tasche vergessen zu haben, läuft wieder vor, sucht ängstlich auf dem Werktische, bis er es in der eigenen Hand gewahr wird; darüber scherzhaft erfreut, umarmt er Sachs nochmals voll feurigen Dankes und stürzt dann, hinkend und strauchelnd, geräuschvoll durch die Ladentür ab
SACHS
sieht Beckmesser gedankenvoll lächelnd nach
So ganz boshaft doch keinen ich fand;
er hält's auf die Länge nicht aus:
vergeudet mancher oft viel Verstand,
doch hält er auch damit Haus;
die schwache Stunde kommt für jeden,
da wird er dumm und lässt mit sich reden.
Dass hier Herr Beckmesser ward zum Dieb,
ist mir für meinen Plan sehr lieb.
Eva nähert sich auf der Strasse der Ladentür. Sachs wendet sich um und gewahrt Eva
Sieh, Evchen! Dacht' ich doch, wo sie blieb'!
VIERTE SZENE
Eva, reich geschmückt, in glänzender weisser Kleidung, etwas leidend und blass, tritt zum Laden herein und schreitet langsam vor
SACHS
Grüss Gott, mein Evchen! Ei, wie herrlich
und stolz du's heute meinst!
Du machst wohl alt und jung begehrlich,
wenn du so schön erscheinst.
EVA
Meister! ‘s ist nicht so gefährlich:
und ist's dem Schneider geglückt,
wer sieht dann, wo's mir beschwerlich,
wo still der Schuh mich drückt?
SACHS:
Der böse Schuh! ‘s war deine Laun',
dass du ihn gestern nicht probiert.
EVA
Merk' wohl, ich hatt' zu viel Vertrau'n;
im Meister hatt' ich mich geirrt.
SACHS
Ei, ‘s tut mir leid! Zeig' her, mein Kind,
dass ich dir helfe gleich geschwind.
EVA
Sobald ich stehe, will es geh'n;
doch will ich geh'n, zwingt's mich zu steh'n.
SACHS
Hier auf den Schemel streck den Fuss:
der üblen Not ich wehren muss.
Sie streckt einen Fuss auf dem Schemel am Werktisch aus.
Was ist's mit dem?
EVA
Ihr seht, zu weit!
SACHS
Kind, das ist pure Eitelkeit,
der Schuh ist knapp.
EVA
Das sagt' ich ja:
drum drückt er mich an den Zehen da.
SACHS
Hier links?
EVA
Nein, rechts.
SACHS
Wohl mehr am Spann?
EVA
Hier, mehr am Hacken.
SACHS
Kommt der auch dran?
EVA
Ach Meister! Wüsstet Ihr besser als ich,
wo der Schuh mich drückt?
SACHS
Ei, ‘s wundert mich,
dass er zu weit und doch drückt überall?
Walther, in glänzender Rittertracht, tritt unter die Tür der Kammer. Eva stösst einen Schrei aus und bleibt, unverwandt auf Walther blickend, in ihrer Stellung, mit dem Fusse auf dem Schemel. Sachs, der vor ihr niedergebückt steht, bleibt mit dem Rücken der Tür zugekehrt, ohne Walthers Eintritt zu beachten.
Walther, durch den Anblick Evas festgebannt, bleibt ebenfalls unbeweglich unter der Tür stehen.
Aha! Hier sitzt's! Nun begreif' ich den Fall!
Kind, du hast recht:
‘s stak in der Naht.
Nun warte, dem Übel schaff' ich Rat.
Bleib nur so steh'n; ich nehm' dir den Schuh
eine Weil' auf den Leisten:
dann lässt er dir Ruh'!
Er hat ihr sanft den Schuh vom Fusse gezogen; während sie in ihrer Stellung verbleibt, macht er sich am Werktisch mit dem Schuh zu schaffen und tut, als beachte er nichts anderes
SACHS
bei der Arbeit
Immer schustern, das ist nun mein Los;
des Nachts, des Tags komm' nicht davon los!
Kind, hör' zu! Ich hab mir's überdacht,
was meinem Schustern ein Ende macht:
am besten, ich werbe doch noch um dich;
da gewänn' ich doch was als Poet für mich!
Du hörst nicht drauf? - So sprich doch jetzt!
Hast mir's ja selbst in den Kopf gesetzt.
Schon gut! - Ich merk':
»Mach deinen Schuh!«..
Säng' mir nur wenigstens einer dazu!
Hörte heut' gar ein schönes Lied:
wem dazu wohl ein dritter Vers geriet?
WALTHER
den Blick unverwandt auf Eva geheftet
»Weilten die Sterne im lieblichen Tanz?
So licht und klar im Lockenhaar,
vor allen Frauen hehr zu schauen,
lag ihr mit zartem Glanz ein Sternenkranz. -
SACHS
immerfort arbeitend
Lausch, Kind, das ist ein Meisterlied!
WALTHER
Wunder ob Wunder nun bieten sich dar:
zwiefachen Tag ich grüssen mag;
denn gleich zwei'n Sonnen reinster Wonnen
der hehrsten Augen Paar nahm ich da wahr. -
SACHS
beiseite zu Eva
Derlei hörst du jetzt bei mir singen.
WALTHER
Huldreichstes Bild,
dem ich zu nahen mich erkühnt:
den Kranz, von zweier Sonnen Strahl
zugleich geblichen und ergrünt,
minnig und mild,
sie flocht ihn um das Haupt dem Gemahl.
SACHS
hat den Schuh zurückgebracht und ist jetzt darüber, ihn Eva wieder anzuziehen
Nun schau, ob dazu mein Schuh geriet?
WALTHER
Dort Huld-geboren, nun Ruhm-erkoren,
SACHS
Mein' endlich doch,
es tät' mir gelingen?
WALTHER
giesst paradiesische Lust sie in des Dichters Brust
SACHS
Versuch's! Tritt auf! - Sag, drückt er dich noch?
WALTHER
im Liebestraum.«
Eva, die wie bezaubert regungslos gestanden, gesehen und gehört hat, bricht jetzt in heftiges Weinen aus, sinkt Sachs an die Brust und drückt ihn schluchzend an sich. Walther ist zu ihnen getreten; er drückt begeistert Sachs die Hand. Sachs tut sich endlich Gewalt an, reisst sich wie unmutig los und lässt dadurch Eva unwillkürlich an Walthers Schulter sich anlehnen
SACHS
Hat man mit dem Schuhwerk nicht seine Not!
Wär' ich nicht noch Poet dazu,
ich machte länger keine Schuh'!
Das ist eine Müh', ein Aufgebot!
Zu weit dem einen, dem andern zu eng;
von allen Seiten Lauf und Gedräng':
da klappt's, da schlappt's,
hier drückt's, da zwickt's!
Der Schuster soll auch alles wissen,
flicken, was nur immer zerrissen
und ist er nun gar Poet dazu,
da lässt man am End' ihm auch da keine Ruh';
und ist er erst noch Witwer gar,
zum Narren hält man ihn fürwahr.
Die jüngsten Mädchen, ist Not am Mann,
begehren. er hielte um sie an.
Versteht er sie, versteht er sie nicht,
all eins, ob ja, ob nein er spricht:
am End' riecht er doch nach Pech
und gilt für dumm, tückisch und frech!
Ei, ‘s ist mir nur um den Lehrbuben leid;
der verliert mir allen Respekt;
die Lene macht' ihn schon nicht recht gescheit,
dass aus Töpf' und Tellern er leckt!
Wo Teufel er jetzt nur wieder steckt?
Er stellt sich, als wolle er nach David sehen
EVA
indem sie Sachs zurückhält und von neuem an sich zieht
O Sachs, mein Freund! Du teurer Mann!
Wie ich dir Edlem lohnen kann?
Was ohne deine Liebe, was wär' ich ohne dich,
ob je auch Kind ich bliebe,
erwecktest du mich nicht?
Durch dich gewann ich,
was man preist,
durch dich ersann ich,
was ein Geist!
Durch dich erwacht',
durch dich nur dacht'
ich edel, frei und kühn,
du liessest mich erblüh'n!
Ja, lieber Meister, schilt mich nur!
Ich war doch auf der rechten Spur:
denn, hatte ich die Wahl,
nur dich erwählt' ich mir:
du warest mein Gemahl.
Den Preis reicht' ich nur dir! -
Doch nun hat's mich gewählt
zu nie gekannter Qual:
und werd' ich heut' vermählt,
so war's ohn' alle Wahl!
Das war ein Müssen, war ein Zwang!
Euch selbst, mein Meister, wurde bang'.
SACHS
Mein Kind, von Tristan und Isolde
kenn' ich ein traurig Stück:
Hans Sachs war klug und wollte
nichts von Herrn Markes Glück.
‘s war Zeit, dass ich den Rechten fand,
wär' sonst am End' doch hineingerannt. -
Aha! Da streicht die Lene schon ums Haus:
Nur herein! - He, David! Kommst nicht heraus?
Magdalene, in festlichem Staate, tritt durch die Ladentür herein; David ebenfalls im Festkleid, mit Blumen und Bändern sehr reich und zierlich aufgeputzt, kommt zugleich aus der Kammer
Die Zeugen sind da, Gevatter zur Hand;
jetzt schnell zur Taufe, nehmt euren Stand.
Alle blicken ihn verwundert an
Ein Kind ward hier geboren;
jetzt sei ihm ein Nam' erkoren!
So ist's nach Meisterweis' und Art,
wenn eine Meister-Weise geschaffen ward:
dass die einen guten Namen trag',
dran jeder sie erkennen mag.
Vernehmt, respektable Gesellschaft,
was euch hier zur Stell' schafft!
Eine Meisterweise ist gelungen,
von Junker Walther gedichtet und gesungen;
der jungen Weise lebender Vater
lud mich und die Pognerin zu Gevatter.
Weil wir die Weise wohl vernommen,
sind wir zur Taufe hierher gekommen.
Auch dass wir zur Handlung Zeugen haben,
ruf' ich Jungfer Lene und meinen Knaben.
Doch da's zum Zeugen kein Lehrbube tut
und heut' auch den Spruch er gesungen gut,
so mach' ich den Burschen gleich zum Gesell;
knie nieder, David, und nimm diese Schell'!
David ist niedergekniet: Sachs gibt ihm eine starke Ohrfeige
Steh' auf, Gesell', und denk' an den Streich;
du merkst dir dabei die Taufe zugleich! -
Fehlt sonst noch was,
uns keiner schilt:
wer weiss, ob's nicht gar einer Nottaufe gilt.
Dass die Weise Kraft behalte zum Leben,
will ich nur gleich den Namen ihr geben:
»Die selige Morgentraumdeut-Weise«
sei sie genannt zu des Meisters Preise.
Nun wachse sie gross, ohn' Schad' und Bruch.
Die jüngste Gevatterin spricht den Spruch.
Er tritt aus der Mitte des Halbkreises, der von den übrigen um ihn gebildet war, auf die Seite, so dass nun Eva in die Mitte zu stehen kommt
EVA
Selig, wie die Sonne
meines Glückes lacht,
Morgen voller Wonne
selig mir erwacht!
Traum der höchsten Hulden,
himmlisch' Morgenglüh'n!
Deutung euch zu schulden,
selig süss Bemüh'n!
Einer Weise mild und hehr
sollt' es hold gelingen,
meines Herzens süss Beschwer'
deutend zu bezwingen.
SACHS
Vor dem Kinde lieblich hold
möcht' ich gern wohl singen;
doch des Herzens süss' Beschwer
galt es zu bezwingen.
WALTHER
Deine Liebe liess mir es gelingen,
meines Herzens süss' Beschwer' deutend zu bezwingen.
MAGDALENE und DAVID
Wach' oder träum' ich schon so früh?
Das zu erklären macht mir Müh':
EVA
Ob es nur ein Morgentraum?
WALTHER
Ob es noch der Morgentraum?
SACHS
‘s war ein schöner Morgen-Traum:
EVA und WALTHER
Selig deut' ich mir es kaum.
Doch die Weise, was sie leise
mir/dir vertraut
WALTHER
im stillen Raum,
BEIDE
hell und laut,
in der Meister vollem Kreis
WALTHER
werbe sie um den höchsten Preis!
EVA
deute sie auf den höchsten Preis!
SACHS
dran zu deuten wag' ich kaum.
Diese Weise, was sie leise
mir anvertraut' im stillen Raum,
sagt mir laut:
auch der Jugend ew'ges Reis
grünt nur durch des Dichters Preis.
MAGDALENE und DAVID
‘s ist wohl nur ein Morgentraum?
Was ich seh', begreif' ich kaum!
DAVID
Ward zur Stelle gleich Geselle?
Lene Braut?
Im Kirchenraum wir gar getraut?
‘s geht der Kopf mir wie im Kreis,
dass Meister gar bald ich heiss'!
MAGDALENE
Er zur Stelle gleich Geselle?
Ich die Braut?
Im Kirchenraum wir gar getraut?
Ja, wahrhaftig! ‘s geht:
wer weiss,
dass ich die Meist'rin bald heiss'!
SACHS
zu den übrigen sich wendend
Jetzt all' am Fleck!
zu Eva
Den Vater grüss'!
Auf nach der Wies', schnell auf die Füss'!
Eva und Magdalene gehen
zu Walther
Nun, Junker, kommt! Habt frohen Mut! -
David, Gesell! Schliess' den Laden gut!
Als Sachs und Walther ebenfalls auf die Strasse gehen und David über das Schliessen der Ladentür sich hermacht, wird ein Vorhang von beiden Seiten zusammengezogen, so dass im Proszenium er die Szene gänzlich verschliesst