HAUPTSPIEL
ERSTES BILD
Der herzogliche Park zu Parma. Herren und Damen des Hofes. Festlich gekleidete Landleute, voran Sack-pfeifer. – Jäger mit Hörnern, Falken, Hunde-Meute. – Fechtspielende Pagen. Kränzeschlingende Edelfräulein. Der Zeremonienmeister, von einem Fähnlein Leib-wachen und Trommlern gefolgt, tritt geschäftig auf; ordnet die Gruppen, macht sich wichtig und bemerkbar. Die Landleute werden zurückgedrängt. Pagen und Edelfräulein aufgestellt, allen – dem Range nach, die Plätze angewiesen. Abwechselnd verschwindend und wiederauftauchend, aufgeregt und autoritativ zugleich, empfängt den Herzog und die Herzogin
CHOR
Sie nahn! Der Fürst, die Fürstin! O schauet! O Pracht. Hoch das Paar! Heil dem Fürsten!
Das Herzogspaar tritt zu Pferde auf
ZEREMONIENMEISTER
meldet sich, mit Verbeugung, zur Ansprache
Nach dieser Feste rauschend bunter Reihe, wagt ich noch kaum auf Grösseres zu hoffen, der Abend kündet sich besonders an.
HERZOG
Was ist denn Seltenes eingetroffen?
ZEREMONIENMEISTER
Ein höchst gewandter Mann. Kein andrer als der Doktor Faust.
CHOR
Doktor Faust! ich fürchte fast, dass ich mir viel getrau.
Wenn Ihr befehlt, will ich ihn präsentieren, introduzieren, doch jede Verantwortung refüsieren.
HERZOGIN
leichtfertig
Wir wollen's wagen. –
Der Zeremonienmeister mit Verbeugung ab
MEPHISTOPHELES
plötzlich als Herold auftauchend
Wagen – und dabei gewinnen.
Schönheit gefällt sich im Gefahrenspiel.
Drum, schönste Frau, Ihr waget nicht zuviel,
erlaubt Ihr meinem Herrn sich einzufinden.
Hier ist er selbst, Euch zu dienen.
Faust, von oben, und von weitem, langsam heran-kommend, müsste ein phantastisches Gefolge (schleppentragende Mohrenknaben, oder Affen) haben; und es sollte sein Erscheinen auffällig, wenn auch nicht marktschreierisch wirken. Der Zeremonienmeister, halb führend, halb einladend, tänzelt der Gruppe voran
CHOR
Er naht mit ihm das Wunderbare.
Wir werden staunen und erschauern.
Ringsum verborgene Geister lauern,
umranken trügerisch das Wahre.
Das lässt uns ahnen, wie das Nächtliche zutage tritt,
so dass wir stumm geworden sind und zittern.
Er sieht gebieterisch und schön,
das Ungewohnte ist an ihm natürlich.
Säh er nicht stolz, wir hielten ihn für zierlich,
er schüchtert uns, doch müssen wir ihn ansehn.
HERZOGIN
für sich
Er ist ein Fürst in Wesen und Gebaerde,
noch niemals hat ein Mann mich so bestrickt.
HERZOG
für sich
Mich dünkt, die Hölle hat ihn hergeschickt.
MEPHISTOPHELES
für sich
Der Wachthund bellt. Es blökt die Herde.
CHOR
Seltener Mann,
seltsamer Gast!
Was wird sich zeigen?
FAUST
für sich
Du stolzeste der Frauen, sollst mir der Preis sein!
HERZOG
kurz angebunden
Herr Doktor, seid an unserem Hof begrüsst,
und Dank, dass Eure Kunst Ihr uns erschliesst.
Wir hoffen, dass Ihr die Fürstin nicht enttäuscht.
Mögt Ihr beginnen?
HERZOGIN
leise für sich
Was wird sich zeigen?
FAUST
halb für sich
Seid unbesorgt! Es sei!
Er erhebt die Hände.
Kurze Beschwörungsgeste oder Handlung Fausts. Ein Schwarm faunartiger Teufelchen dringt von allerwärts herein und verteilt sich behende in die Büsche
FRAUEN
aufschreiend
Ah!
MÄNNER
lachend
Ha ha ha ha ha!
FAUST
Verzeiht, wenn ich zu eigen handle,
Tag ist dem Wunder abgewandt, Licht, sei verbannt,
in Nacht dich wandle, Sterne herauf,
am Himmels Rand!
Es wird sternenhelle Nacht. Die Umstehenden schreien gedämpft auf
FAUST
Was wünscht die schöne Herrin zu erschauen?
HERZOGIN
Hab ich zu wählen?
Sie überlegt
HERZOG
zur Herzogin
So wählet!
Heimlicher
Fordert, verlangt Unmögliches!
HERZOGIN
mit Beziehung
Ob jene Fürsten frühester Zeiten
besseren Anstand trugen als jetzt?
Dieses zu schauen möchte mir frommen,
lasset den König Salomo kommen.
Es erscheint der König Salomo auf dem Thron
HERZOG
Ein würdiges Bild.
ZEREMONIENMEISTER
Gewiss, ganz scharmant.
HERZOGIN
Doch gar zu streng. War er nicht auch galant?
FAUST
So ihr es wünscht – zeigt er sich Euch als Pfleger schönen Umgangs.
Eine Harfe steigt auf vor Salomo. König Salomo greift in die Saiten. Ein zweiter Thron steigt auf. Die Königin von Saba tritt auf
HERZOGIN
Wer ist die Schöne?
HERZOG
stirnrunzelnd
Sie gleicht Euch sehr!
ZEREMONIENMEISTER
Ist es Helene?
HERZOGIN
für sich
Wohl gleicht sie mir und Faust dem mit der Krone.
Salomo steigt vom Thron und kniet vor ihr nieder
HERZOG
Das ist recht dreist, es wird beinah zum Hohne!
FAUST
Balkis war sie und Sabas Königin.
Den weisen Mann bezwang ihr weiserer Sinn.
Salomo und die Königin von Saba besteigen beide den Thron
CHOR
Seht hier und dort,
ein gleiches Paar.
Was hier gemeint
wird offenbar.
Das kecke Spiel
beschwört Gefahr.
HERZOGIN
Ein andres jetzt. Könnt Ihr den Wunsch erraten?
FAUST
Wendet den schönen Blick zu diesen Schatten.
HERZOG
misstrauisch
Was ist's, das Ihr Euch wünschet?
HERZOGIN
Ihr werdet's sehn.
Es erscheinen Samson und Dalila
Samson, Dalila, stehn in Lieb umschlungen.
ZEREMONIENMEISTER
Von dieser Frau Verrat wird vieles erzählt und gesungen.
HERZOGIN
Dass Liebe so mit Tücke sich verbände –!
FAUST
Was man erzählt, gehört in die Legende.
Hinter dem Paar erscheint eine schwarze Sklavin, die Dalila die Schere reicht
CHOR
Sie hebt die Schere –
das ist bekannt –
die listige Mähre –
Ha, wird er entmannt?
HERZOGIN
nervös
Genug davon! Ein neues Bild.
Die Erscheinung erlischt
Und gebet jetzt, wozu Ihr selbst gewillt.
Johannes und Salome erscheinen; daneben der Scharfrichter mit erhobenem Schwert. Letzterer trägt die Züge des Herzogs
CHOR
Johannes und Salome!
FAUST
Auf einen Wink Salomes fällt das Haupt.
HERZOGIN
sich verratend
Er darf nicht sterben!
FAUST
Also liebt Ihr mich.
Bewegung, Gemurmel
HERZOGIN
Ich – bin des Herzogs Gattin.
FAUST
Dennoch liebt Ihr mich – –.
HERZOGIN
Schweigt!
Gepresst
Ich bin nicht ehrlos, bin nicht frei!
FAUST
sie in seinen Bann zwingend
Komm, o komm! Folge mir nach. – Ich führe dich in die Unermesslichkeit der Welten. Die Erde sei dein Reich, du ihre Königin, die Pracht des Orients.
Komm! Die Kunst des Westens, was späte Zeiten einst zu Tage fördern: jetzt sind sie dein. Du kommst – du kommst –
HERZOGIN
für sich, beklommen
Ach, er berückt mich, betört mich, ergreift mich! Lasst mich, o lasst mich! Bin ich Euch feil?! O still,
o schweiget!
HERZOG
Endet das Spiel!
MEPHISTOPHELES
plötzlich zwischen das Paar tretend und gleichsam verkündend
Das Spiel – es ist so gut als wie beendet.
Er räumt vor dem hinzutretenden Herzog den Platz
HERZOG
grimmig zu Faust
Ergötzlich war die Schau.
Habt unsern Dank.
Ihr seid mein Gast am herzoglichen Tische.
Kurze betroffene Stille, darauf eiliges ungeordnetes Abziehen der Gruppen. Er wendet Faust den Rücken und bietet der Herzogin den Arm
CHOR
Fort, zieht Euch zurück. Unheil schwebt. Fort! fort! fort!
MEPHISTOPHELES
Folgt ihnen nicht!
FAUST
Du sagst?
MEPHISTOPHELES
Entflieht. Verlasst den Hof!
Den Herzog habt Ihr aufgereizt. Die Speisen sind
vergiftet. Ich wag mich nicht hinein. Der hohe Klerus sitzt, im Ornat, beim Mahle. Nützet den Augenblick.
FAUST
Ich ziehe nicht allein.
MEPHISTOPHELES
Ich weiss. Das macht sich ganz wie von selbst. Es liegt in meinem Plan: also geschieht's. Nun kommt.
Sie ziehen zugleich mit den letzten Gästen schnell ab. Leere Bühne. Eine fahle Dämmerung beleuchtet die Szene
HERZOGIN
tritt auf die Bühne, wie im Traume schreitend, die Arme vorgestreckt
Er ruft mich wie mit tausend Stimmen,
er zieht mich wie mit tausend Armen;
ich fühl, in einem, tausend Augenblicke
und jeder einzelne verkündet ihn, ihn allein.
Wer ich gewesen, und was ich vorstellte,
ist mir entschwunden – seh nur den einen Weg,
den Weg zum teuren Manne.
Ja, ja, ich komme,
schreite mit dir
durch unbegrenzte Räume;
die Erde wird mein Reich,
Ich ihre Königin!
Was späte Zeiten einst zu Tage fördern,
bald ist dies alles mein – mein!
Ich schreite dann an seiner Hand
in unbegrenzte Bezirke.
Bei dir, bei dir
die Unermesslichkeit.
Faust, du, mein Faust! – ich komme! –
Faust, du mein Faust, ich folge dir!
Sie schreitet langsam hinaus. Plötzlicher Tag. Der Herzog und Mephistopheles, der als Hofkaplan erscheint
DER HERZOG
heimlich und aufgeregt
Was Wichtges sagt Ihr? Was ist's, mein Vater?
MEPHISTOPHELES
Ergebt Euch, Fürst, die Herzogin entkam!
HERZOG
Mit – ihm?
Mephistopheles nickt
Man setze ihnen nach!
MEPHISTOPHELES
Wonach? Ins Blaue?
Mit diesen beiden Augen sah ich sie
auf Flügelrossen durch die Lüfte treiben.
Er nickt wieder
Am besten wär's, man hielte reinen Mund.
Der Herzog bekreuzigt sich und kniet nieder; süsslich
Die Macht des ... Bösen ist nicht unterschätzbar. Ich rate, Sohn, schaut Euch nach Neuem um.
HERZOG
Was sagt Ihr?
MEPHISTOPHELES
Hört nur. Ferraras Herzog droht Euch mit Krieg.
Um dessen Schwester werbet. So läuft's in Güte ab.
HERZOG
aufstehend, fromm
Der Himmel spricht aus Euch.
MEPHISTOPHELES
für sich
Der Staat Venedig schluckt sie bald selbander,
beim Rat der Drei weiss ich mich wohl gelitten,
und hoffe diese Kleinigkeit schicklich zu fördern.
Zum Herzog, laut, heuchlerisch
Mein Sohn, fasse Vertrauen!ー不要
Der Herzog küsst Mephistopheles die Hand. Mephistopheles erhebt die Rechte wie zu segnender Gebaerde, aber die Hand spreizt sich zur Kralle. – Vorhang
ZWEITES BILD
Schenke in Wittenberg. Faust und Studenten
CHOR
noch hinter dem Vorhang
So lang man Jugend hat, lebt man als Nimmersatt.
Bah!
Juvenes dum sumus!
Gaudeamus igitur. –
Prosit, prosit, prosit!
Studenten an verschiedenen Tischen in geteilten Gruppen. Die Disputierenden enger um Faust sitzend; die Unbeteiligten mehr abseits
ERSTER STUDENT
Dass ihr mir die Platonische Lehre recht begreifet.
EIN STUDENT
andere Gruppe, angeheitert
So lang du trinken kannst,
füll dir den schlappen Wanst.
CHOR
Still! Denn es wird hier diskutiert.
ERSTER STUDENT
Dass ihr mir Platos Lehre ja recht begreifet:
den Teller hier, den runden, ganzen Teller,
mach ich zu Scherben.
Er zerbricht einen Teller
CHOR
Klatsch!
ERSTER STUDENT
Doch der Begriff des Tellers bleibt bestehn.
CHOR
parodierend
Doch der Begriff des Tellers bleibt bestehn!
ZWEITER STUDENT
spöttisch klagend
Doch der ist hin, dein Witz kann ihn nicht kitten.
ERSTER STUDENT
zurückgebend
Dank Gott, wenn deiner noch zusammenhält.
THEOLOGE
Dagegen eifern die Kirchenväter;
was Gott geschaffen, gilt als unzerstörbar,
doch jedes Menschen Bau zerfällt in Nichts.
EINIGE
parodierend
Zerfällt in Nichts! – Nichts!
VIERTER STUDENT
Beim nächsten Gang prügl ich dich windelweich, schonungslos, um festzustellen, ob Gott dich geschaffen.
CHOR
Hahaha! Um festzustellen, ob Gott ihn erschaffen.
VIERTER STUDENT
Und ob du unzerstörbar bist.
。
CHOR
So lang man Jugend hat,
lebt man als Nimmersatt.
Gaudeamus igitur
Juvenes dum sumus.
JURIST
belehrend
Nach dem Gesetz ist Eigentum geschützt
vor Raub und vor Zerstörung.
Zum ersten gewandt
Mit dem zerbrochenen Teller machst du dich strafbar.
ERSTER STUDENT
War es doch eine reine platonische Handlung.
NATURGELEHRTER
Alles zerfällt, doch bildet es sich neu, verwandelt sich unendlich, geht über in verschiedne Formen und Gattungen.
EIN ANDERER
Als wie dein lustiger abendlicher Affe zum melancholschen Kater des Morgens wird.
ERSTER STUDENT
Doch die platonische Lehre –
THEOLOGE
schneidet ihm das Wort ab
Was Gott geschaffen, das gilt.
JURIST
ebenso
Nach dem Gesetz bleibt Eigentum geschützt.
NATURGELEHRTER
ebenso
Alles zerfällt, verwandelt sich ewig.
CHOR
Prosit, Prosit! So werden wir nicht fertig bis zum Morgen, mit Kater nicht, noch ohne Kater.
Gaudeamus
Juvenes sumus.
ERSTER STUDENT
Der Meister spreche.
MEHRERE
Ja, der Meister spreche.
FAUST
Nichts ist bewiesen und nichts ist beweisbar.
Bei jeder Lehre hab ich neu geirrt.
Gewiss ist nur, dass wir kommen um zu gehen:
Was zwischen liegt, ist das, was uns betrifft.
Drum weis' ich auf des grossen Protestanten
lebendigen Spruch –
ERSTER STUDENT
Den Spruch eines Abtrünnigen –
Hier gruppieren sich die beiden Studenten-Chöre in Katholiken und Protestanten
ZWEITER STUDENT
Eines Helden und Heiligen –
DRITTER STUDENT
Eines Prahlers –
VIERTER STUDENT
Eines Ketzers.
EIN STUDENT
Ich seh' ihn ganz als einen neuen Heiland, einen aufrechten deutschen Mann –
ERSTER STUDENT
Bah! der rechte Heiland war doch gar kein Deutscher! –
CHOR
Protestanten
Ihr Päpstlichen bleibt doch die ärgsten Ketzer –
CHOR
Katholiken
Säss't ihr in Spanien, wär't ihr längst verbrannt –
CHOR
Protestanten
Und ihr seid ausgebrannt, ein Häufchen Asche –
KATHOLIKEN
Zum Teufel ihr –
PROTESTANTEN
Und ihr zur tiefsten Hölle –, zum Teufel selber – –
ist ein Held und ein Heiliger,
ist ein aufrechter deutscher Mann,
der neugeborne Heiland.
FAUST
belustigt, gütig beschwichtigend
Ihr Freunde, seid mir doch über Teufel und Hölle einer Meinung. Der Spruch, auf den ich wies, wird euch ver-
söhnen. Er sagt, dass Wein, dass Frauen, Kunst und
Liebe zu den vernünftigen tröstlichen Dingen des
Lebens zu rechnen sind, und schliesset mir mit ein
die zarten, heiteren, jubelnden Weisen der heiligen
Tonkunst.
PROTESTANTEN
Hoch die Frauen!
KATHOLIKEN
Heil dem Gesange.
PROTESTANTEN
Doktor Martin, er lebe! Vivat!
KATHOLIKEN
Samt Teufel und Hölle.
Te, Deum, laudamus,
qui fecisti vinum,
Te, Dominum, glorificamus,
qui feminam creavisti.
Dum puellas adoramus,
te eiscum exultamus.
Circulate pocula
in saeculorum saecula.
PROTESTANTEN
springen glaubensbesessen auf
»Ein' feste Burg ist unser Gott,
ein' starke Wehr und Waffen,
er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.«
Tumult. Man steigt auf Bänke und Tische, entkorkt Flaschen, umarmt einander. – Die Protestanten gehen, im Gänsemarsch, entrüstet ab, mit hochgehobener Hand. – Die Studenten leeren sämtlich die vollen Gläser und setzen sie, mit einem Schlage, auf den Tisch nieder
EIN STUDENT
Ihr, Doktor, weit gereist, erfahren, müsset den Frauen viel begegnet sein.
Zögernd
Möchtet Ihr nicht ein Weniges verraten?
Faust wird nachdenklich
EINIGE
Wie die Erinn'rung ihn sichtbar ergreift.
ANDERE
Er sieht nicht glücklich aus.
FAUST
der die letzten Worte aufgegriffen, still
Nur der blickt heiter, der nach vorwärts schaut.
Er versinkt in Erinnerung – zur Mitteilung sich entschliessend
Von allen Frauen, die mich geliebt, die Schönste, war eine Herzogin aus welschem Lande –.
EINIGE
Hört, eine Fürstin –
ANDERE
Gar eine Fränzin.
FAUST
An ihrem Hochzeitstag gab sie sich mir zu eigen.
EINER
Ihr habt sie wohl verzaubert und behext?
FAUST
Wenn Wohlgestalt und Geist und Mannheit zaubern,
so hab ich sie behext in aller Form.
EINER
Ist's lange seither?
FAUST
Wohl kaum ein Jahr ist's her, doch ferne
liegt's hinter mir. Die Spur hab ich verloren.
Ob sie noch meiner denkt –?
MEPHISTOPHELES
als bestaubter Kurier, zeigt sich am Eingang. Unruhe, Bewegung unter den Studenten
Lasst euch nicht stören. Zu melden hab ich:
Die Herzogin von Parma ward begraben; dies schickt sie Euch als ein letztes Gedenken!
Er wirft Fausten ein totes neugeborenes Kind vor die Füsse
ALLE
Wer ist der Mann? Entsetzlich!
Verdächtiger Geselle! –
Sicher ein gedungner Helfer,
ein Mörder, ein Verbrecher,
ein verdächtiger Schurke! Bekennet!
MEPHISTOPHELES
Gemach, ihr Herren, den Boten trifft keine Schuld.
Ich selber leide, dass ich mit nichts Gefälligerem kann aufwarten; denn so verhält sich die Begebenheit,
sie spielt in Parma. Dort war ein dummer Herzog, der freit' eine geile Frau, der Bräutigam ihr schwer wog,
denn er war so fromm und so flau.
Da kam daher ein Doktor, trat auf mit grosser Pracht,
Der nahm sie ohne weit'res an ihrer Hochzeitsnacht.
CHOR
Gut gemacht!
MEPHISTOPHELES
Auf Höllenflügelrossen entführt er sie durch die Luft,
sie schwoll mit einem Sprossen,
und er sich erwies ein Schuft.
Die Frau mit ihrem Kinde, er liess sie, wo sie stand,
dass ich ihn hier wiederfinde, erscheint mir ungalant.
CHOR
betreten
Sollt' er es sein?!
MEPHISTOPHELES
Auf ihrem Sterbebette hat sie ihm den Balg vermacht,
es fehlt nicht viel, ich hätte lebendig ihn hergebracht.
Doch unterwegs krepiert er, ich hielt ein Aas im Arm.
Ich hoffe, diese Geschichte klingt gänzlich ohne Harm.
Ich berichte diese Geschichte noch eben brühewarm.
CHOR
Hört, o hört, o schändlich, o grausig.
Was meint der Mann? Erklärt Euch!
Genug, genug! Wehe dem Bösen.
Sich zusammendrängend
MEPHISTOPHELES
Nehmt's nicht zu tragisch. Seht genauer hin.
Ein Püppchen ist's aus Stroh.
Er holt von der Stelle, wo das Kind lag, ein Strohbündel hervor
Schaut! und nicht einmal recht täuschend nachgeahmt.
Er zeigt das Strohbündel im Kreise umher
CHOR
Ein Strohwisch!
MEPHISTOPHELES
Und zur Ergötzung wollen wir es verbrennen,
auf dass der böse Schreck sei ausgetilgt.
Er zündet das Bündel an und schürt es durch Beschwörungsgesten
Also verbrenn' ich das, was gewesen ist,
zu Asche wandl' ich, was nicht mehr lebt,
ein Schöneres soll dir zum Trost erstehn.
FAUST
Was gaukelst du mir vor?
MEPHISTOPHELES
Hab' erst Geduld!
Geheimnistuerisch
Sie schreitet aus entlegenen Zeiten und schleppet nach sich das Schicksal zweier Völker, masslos an Schönheit, unerschöpft an Liebe, an Jugend unvergänglich, Helena.
Die Flamme steigt höher
FAUST
ungläubig, doch erregt
Helena, sie sollt' ich schauen?
MEPHISTOPHELES
Und sie fassen.
FAUST
Ein Trugbild.
MEPHISTOPHELES
Nein, sie selbst.
FAUST
Er spricht nicht wahr.
MEPHISTOPHELES
wendet sich wieder zum Feuer
Ducke dich, Flamme. Rauchsäule steige,
Nimm an Gestalt.
FAUST
Mich durchschauert
Vollkommenheitsgewalt!
Werd' ich's ertragen?
CHOR
Ist's Scherz, ist es Betrug?
Sakrileg?
Die Studenten schleichen sich fort
MEPHISTOPHELES
Sieh, wie die Laffen sich seitwärts schlagen.
He he he he he he!
Der Akt vollzieht sich.
Die Luft ist rein.
Ein Dritter müsste stören,
Ich lass euch drum allein,
hoffe noch davon zu hören.
Er geht ab
FAUST
allein
Traum der Jugend,
Ziel des Weisen!
Reinster Schönheit
Bildvollendung:
Dich zu üben,
Dich zu preisen,
Dich zu lehren
War mir Sendung
Unerkannte,
Unerreichte,
Unerfüllte,
tritt hervor!
Durch Rauch und Flamme treten die Umrisse der Figur stetig deutlicher hervor
Was ich sehnte
was ich wähnte:
höchsten Wunsches
Rätselformen.
Ein vollkommen schönes, junges Weib, in durchsichtigem Schleier, im übrigen nackt, steht unbeweglich. Zugleich hat der neue Hintergrund das Bild der Schenkstube völlig verdrängt
FAUST
Ich schaue dich ...
Und nun werd ich dich halten!
Nur Faust, berührte je das Ideal!
Faust nähert sich der Gestalt; diese weicht zurück
Du weichst, entfliehst, ...
kannst du dich vielgestalten?
Helena, endlich zu mir!
Als er sie endlich zu halten wähnt, zerfliesst die Erscheinung in Nichts
Ach, abermals betrogen!
Verschwunden nun für immer!
Der Mensch ist dem Vollkommenen
nicht gewachsen.
Resigniert
Er strebe denn
nach seinem eigenen Mass
und streue Gutes aus,
wie es ihm gegeben.ピリオド.が抜けている
Ich weiser Narr,
ich Säumer, ich Verschwender!
Nichts ist getan,
alles zu beginnen;
der Kindheit fühl' ich
wieder mich genähert.
Seherisch
Weithin schaut auf mein junges Gelände,
dort unbebaute Hügel, schwellendes Erdreich,
führen zu neuem Aufstieg.
Wie verheissend lächelt das Leben
im erwachenden sonnelichten Tag!
Als er sich umblickt, gewahrt er, schemenhaft umrissen, drei Gestalten
FAUST
Naht das Verhängnis?
Laut
Nennt euch mit Namen!
DIE DREI
Studenten aus Krakau.
FAUST
Ihr seid's. Und welcher Art sind heute eure Wünsche? Sprecht!
ERSTER
Das Buch abzufordern.
ZWEITER
Den Schlüssel.
DRITTER
Mir die Briefschaft.
FAUST
Zu spät, sie hab' ich vernichtet.
DIE DREI
starr
Faust, deine Frist ist um. Zu dieser
Mitternacht bist du vergangen.
FAUST
Was wollt ihr wissen?
Ihr seid entlassen, entfernt euch.
Mit weltmännisch-gebietender Gebärde weist er die drei hinaus, die in Dunst aufgehen
DIE DREI
Fahr' hin, Faust.
FAUST
befreit
Vorbei, endlich vorbei!
Frei liegt der Weg, willkommen
du meines Abends letzter Gang, –
willkommen bist du.
Schickt sich an zu gehen
Vorhang.
LETZTES BILD
Verschneite Strasse in Wittenberg. Links einer der Eingänge zum Münster. Um die Ecke, an der nämlichen Mauer, ein lebensgrosses Kruzifix mit Kniestufe davor.
Es ist Nacht
DES NACHTWÄCHTERS STIMME (Mephistopheles)
Ihr Männer und Frauen, lasst euch sagen,
die Glocke hat Zehn geschlagen.
Zehn geschlagen.
Bewahrt das Feuer, bewahrt das Licht,
dass kein Schaden der Stadt geschieht,
Zehn ist die Glock'.
Es treten, nacheinander, einzelne Gruppen von Studenten auf, die vor dem Eingange des Hauses, das rechts dargestellt erscheint, sich aufstellen und versammeln. Zuletzt Wagner, ehemaliger Famulus, jetzt Rector Magnificus, umgeben von seinen Vertrauten
ERSTER STUDENT
Die Antrittsrede Euerer Magnifizenz war unvergleichlich. –
EINIGE
Musterhaft. –
ANDERE
Meisterlich. –
ANDERE
Cum perfectione! –
ALLE
akklamierend
Meinen Glückwunsch! Gratulor, – Doctor Christophorus Wagnerus, – Rector Magnificus.
WAGNER
Qualis orator, talis oratio. – Ich war wahrlich darauf nicht gefasst.
MEHRERE
Sie hätten nicht glänzender Ihr hohes Amt antreten können.
EINER
Endlich der eines Fausten würdige Erbfolger!
ALLE
Gratulor, gratulor, gratulor!
WAGNER
Je nun, der Faust war mehr von einem
Phantasten; als Gelehrter nicht eigentlich vollwichtig, und, gnad' uns Gott, sein Wandel war anstössig.
Genug: ich bin das Feiern nicht gewohnt – die
späte Stunde – die gewaltige Arbeit – kurzum, ihr
Herren, gute Nacht.
Er zieht sich in das Haus zurück
STUDENTEN
Euerer Magnifizenz wohl zu ruhen.
Stimmet an! lala, lalala Silentium!
Klatschen dreimal in die Hände, mit den Akkorden zugleich. Sie stimmen an:
Wenn das Wissen mit der Tugend
Würde sich dem Manne paart,
dann ergreifet unsre Jugend
Ehrfurcht vor dem langen Bart.
Hut ab vor dem alten Haus,
ihm gebühret summa laus.
Euerer Magnifizenz
alleruntertänigste Reverenz.
STIMME DES NACHTWÄCHTERS
Ihr Männer und Frauen, lasst euch sagen,
die Glocke hat Elf geschlagen.
Bewahrt das Haus, bewahrt die Ehr',
dass der Nachbar nicht sich beschwer'.
Elf ist die Glock'.
Die Studenten, befangen geworden, brechen das Ritornell ab
STUDENTEN
nehmen das unterbrochene Ritornell wieder auf
Wenn die Schöne mit der Tugend
Anmut sich den Mädchen eint,
dann ergreifet unsre Jugend – –
Der Nachtwächter schreitet im Hintergrunde über die Bühne. Die Studenten flüchten wie Knaben um die nächste Ecke
EINIGE
– – die Flucht.
ANDERE
Fugam.
ALLE
Fugam, die Flucht.
Man hört die Studenten draussen zu Ende singen
Dann ergreifet unsre Jugend
etwas, das am hellsten scheint.
Würde schreitet hölzern-alt,
Weisheit fühlt sich an so kalt.
Vor des Weibs Magnifizenz
allertiefste Reverenz.
Faust tritt auf. Auf den Eingangsstufen des Hauses eine Bettlerin, einen Säugling im Arm
FAUST
Das Haus ist mir bekannt, es war das meine.
Weiss auch, wessen das Licht einst, das dahinter
glimmt. Da sitzest du, Pedant, auf meinem Stuhl,
und wähnst dich sitzend höher als ich sass. O Nacht
der Nächte, Stunde du der Stunden. Wie fass' ich
euch, dass ihr mein krankes Herz mit mir versöhnet!
CHOR
vom Innern der Kirche her
Der Tag des Gerichts ruft uns herauf,
Alle Seelen folgen dem tönenden Licht.
Auferstehet!
Verhüllten Auges harren sie bang des erlösenden
Richterwortes, doch die Böses vollbrachten,
sind auf ewig verbannt.sが抜けている
FAUST
Quälendes Herz! Du kennst keine Vernunft!
Die Mutter lehrte mich, ein gutes Werk bringt
Heilung dem, der's tut – –.
Welches Werk denn –?
Er erblickt, auf den Eingangsstufen des Hauses gekauert, eine Bettlerin, ein Kind im Arme
Du ärmstes Weib, nicht elender als ich,
mein letztes Gut sei dein; ah!
Er erkennt die Herzogin
– die Toten leben fort!
HERZOGIN
streckt Faust das Kind entgegen
Nimm, nimm das Kind,
zum dritten Male
schenk' ich es dir.
noch ist es Zeit –
noch ist es Zeit, vollende,
vollende du vor Mitternacht das Werk.
Faust empfängt das Kind, die Bettlerin verschwindet
FAUST
Meine bösen Geister sie treiben ihr Spiel.
Ein Höherer soll euch bannen. Nun stehe,
Gott, mir bei!
Er will in die Kirche dringen, die plötzlich von innen hell erleuchtet erscheint. Aus der Kirchentür tritt der geharnischte Bruder und wehrt den Eingang
CHOR
Gott, der nicht immerdar
der Herr der Milde
und der Gnade ist,
zu Zeiten auch der Rache,
der Vergeltung und der Strafe,
als den du sollst ihn erkennen,
er hört nicht dein Gebet, nein, nein.
FAUST
Auch du! Lass mich, lass mich!
Der Geharnischte streckt ihm das Schwert entgegen
FAUST
Hinweg, ich hab' zu beten!
Zergehe, du Höllenspuk, noch bin ich Herr!
Die Erscheinung schwindet. Faust schleppt sich, das Kind im Arm, zu den Stufen des Kruzifixes
FAUST
O, beten, beten! Wo die Worte finden?
Sie tanzen durchs Gehirn wie Zauberformeln. – –
Ich will wie ehmals aufschauen zu dir.
Er richtet den Kopf auf. Der Nachtwächter, von hinten herangeschlichen, hebt seine Laterne. In ihrer Beleuchtung verwandelt sich der Gekreuzigte in Helena
FAUST
Verdammnis! Gibt es keine Gnade? Bist du
unversöhnbar?
Der Nachtwächter entfernt sich. Faust reckt sich neu gekräftigt auf
FAUST
So sei das Werk vollendet.
Hilf, Sehnsucht,
Urzeugerin,
zwingende,
erfüllende Kraft,
dich ruf' ich an zu höchstem Tun.
Faust legt das tote Kind auf den Boden, deckt es mit seinem Mantel, löst den Gürtel, ... tritt in den Kreis
FAUST
beschwörend, verzückt
Blut meines Blutes
Glied meines Gliedes,
Ungeweckter,
Geistig-reiner,
noch ausserhalb aller Kreise
und mir in diesem
innigst verwandt,
dir vermach' ich mein Leben:
es schreite
von der erdeingebissenen Wurzel
meiner scheidenden Zeit
in die luftig knospende Blüte
deines werdenden Seins.
So wirk' ich weiter in dir,
und du zeuge fort
und grabe tiefer und tiefer
die Spur meines Wesens
bis an das Ende des Triebes.
Was ich verbaute,
richte du grade,
was ich versäumte,
schöpfe du nach,
so stell' ich mich
über die Regel,
umfass in Einem
die Epochen
und vermenge mich
den letzten Geschlechtern:
ich, Faust,
ein ewiger Wille!
Er stirbt
STIMME DES NACHTWÄCHTERS
Ihr Männer und Frauen, lasst euch sagen,
das Wetter hat umgeschlagen,
der Frost kündigt sich an,
die Glocke schlägt die Mitternacht.
An der Stelle, wo das tote Kind lag, ist ein nackter, halbwüchsiger Jüngling aufgestiegen, einen blühenden Zweig in der Rechten. Mit erhobenen Armen schreitet er über den Schnee in die Nacht und in die Stadt hinein. Der Nachtwächter (Mephistopheles) erscheint und leuchtet mit der Laterne über den dahingestreckten Faust.
MEPHISTOPHELES
Sollte dieser Mann verunglückt sein?
Vorhang