ERSTER AUFZUG
Ouvertüre
Ein Hain mit dem Grabmal der Eurydike
ERSTE SZENE
Orpheus, Chor
Nr. 1 - Chor
CHOR
O wenn in diesen dunklen Hainen,
Eurydike, noch dein Schatten
um dein ödes Grabmal schwebt -
ORPHEUS
Eurydike!
CHOR
Ach, so höre diese Klagen,
sieh die Tränen,
die wir trauernd vergiessen für dicht
ORPHEUS
Eurydike!
CHOR
Sieh deinen Gatten, den Verlass'nen, weinen,
rührt sein Klagen dich nicht?
ORPHEUS
Eurydike!
CHOR
Du Entfloh'ne, kehr ihm wieder!
Bange Trauer beugt tief ihn nieder,
komm, Teure, banne den tötenden Gram!
Nr. 2 - Rezitativ
ORPHEUS
O Freunde, dieses Klagen vermehrt nur meine Leiden!
Den heiligen Manen Eurydikens
bringt nun das letzte Totenopfer,
und streuet Blumen auf ihr Grab.
Nr. 3 - Pantomime
Während der Pantomime bekränzen die Gefährten das Grabmal der Eurydike, die Nymphen streuen Blumen.
Nr. 4 - Chor
CHOR
O wenn in diesen dunklen Hainen,
Eurydike, noch dein Schatten
um dein ödes Grabmal schwebt,
ach, so höre diese Klagen,
sieh die Tränen,
die wir trauernd vergiessen für dich
Während des Nachspiels entfernt sich langsam der Chor.
Nr. 5 - Rezitativ
ORPHEUS
Lasst mich allein!
Dies Grab ist meinem Schmerze heilig,
und keiner sei mit mir
als nur mein Kummer.
Nr. 6 - Ritornell
ZWEITE SZENE
Orpheus allein.
Nr. 7 - Arie
ORPHEUS
So klag' ich ihren Tod
dem frühen Morgenrot,
dem Abendschimmer;
doch sie, des Orkus Raub,
bei meinem Rufen taub,
antwortet nimmer.
Nr. 8 - Rezitativ
ORPHEUS
Eurydike, Eurydike!
Teurer Schatten! Ach, wie weit bist du?
Dein Gemahl, tief in Trauer versenkt
und gefoltert vom Schmerz,
ruft dich immer,
fordert von den Göttern dich wieder.
Die Winde, ach, entführen seine Klagen.
Nr. 9 - Arie
ORPHEUS
Wehklagend irr ich so,
dort, wo sie mir entfloh,
am Ufer nieder;
des süssen Namens Schall
tönt dann der Widerhall
mitleidig wieder.
Nr. 10 - Rezitativ
ORPHEUS
Eurydike, Eurydikel
Dein süsser Name tönt überall.
Der Hain hat ihn oft von mir gehört,
jedes Tal kennet ihn;
in entlaubte Stämme,
in die Rinde junger Eichen
grub meine Hand ihn zitternd.
Eurydike ist nicht mehr,
ach! und ich lebe noch!
Götter, gebt Leben ihr wieder
oder gebt auch mir den Tod!
Nr. 11 - Arie
ORPHEUS
Weinend gedenk ich dein,
früh, wenn der Tag erscheint,
spät, wenn er schwindet.
Voll Mitleid mit meiner Qual,
murmelt der Fluss im Tal,
wer nur gibt Antwort mir.
Nr. 12 - Rezitativ
ORPHEUS
Grausame Götter Acherons,
des Reichs der Schatten,
ihr, die ihr herrschet mit Schrecken,
dienstbar Plutos Machtgebote,
die ihr begierig seine Befehle erfüllt,
die nichts erweicht und rührt,
nicht die Jugend, nicht die Schönheit;
ihr habt mir geraubt die zärtlich treue Gattin,
o welch' hartes Geschick!
Nicht sie, im Zauber holder Jugend,
verschonte eure Hand voll Mord und Raubbegier?
Unerbittliche Tyrannen!
Ich ford're sie zurück!
Ja, ich steige hinab zu des Orkus Gestaden;
meine Klagen, meine Tränen sollen beugen euren Grimm;
kühn mit eurer Wut mich zu messen,
fühl ich Kraft, fühl ich Mut genug!
DRITTE SZENE
Orpheus. Amor
AMOR
Gott Amor kommt zum Trost dem verzweifelnden Gatten.
Vertraue mir, denn Zeus hat dein Schicksal gerührt.
Zum Reich des Orkus darfst du gehen;
dort siehst du Eurydike im stillen Reich der Schatten.
Nr. 13 - Arie
AMOR
Deines Harfenspiels Harmonien
stimme dort an mit milder Glut;
bezähmst du der Tyrannen entsetzliche Wut,
wirst du aus jenem Reich mit ihr in Frieden ziehen.
ORPHEUS
Wie, ich soll sie wiedersehn?
AMOR
Deines Harfenspiels Harmonien
stimme dort an mit milder Glut;
bezähmst du der Tyrannen entsetzliche Wut,
wirst du aus jenem Reich mit ihr in Frieden ziehen.
Nr. 14 - Rezitativ
ORPHEUS
Wie, ich soll sie wiedersehn?
AMOR
Ja; doch vernimm' vorher,
was dir nach der Götter Geheiss
auferlegt zu tun und zu dulden.
ORPHEUS
O kein Befehl schreckt mich zurück,
für sie besteh' ich jede Prüfung.
AMOR
So höre, was dir Zeus befiehlt:
Eh du die Erde erreichest,
hüte dich, einen Blick auf die Gattin zu tun,
sonst verwirkst du ihr Leben und verlierst sie auf ewig.
So lautet das Gebot, so verlangt es Zeus!.
Seiner Gnade bezeig dich wert!
Nr. 15 - Arie
AMOR
Mit Freuden den Willen
der Götter erfüllen,
vor ihnen sich beugen,
und dulden und schweigen,
beglücket den Mann.
Soll süsses Entzücken
dich wieder beglücken,
so hemme die Klage,
die seligsten Tage
erwarten dich dann.
VIERTE SZENE
Orpheus allein.
Nr. 16 - Rezitativ
ORPHEUS
Was hör' ich? Ist es wahr?
Eurydike werde ich sehn,
meine Eurydike?
Doch doppelt Leiden wird mich erfüllen
in jener Stunde,
wenn ich, berauschet vor Wonne,
auf sie nicht dürfte blicken,
nicht drücken sie ans Herz!
O du Geliebte,
Beute wirst du tödlichem Schmerz!
Schon seh' ich keine Wahl!
Mich foltert dies Schreckensbild;
ach, schon bei dem Gedanken
fühl ich in den Adern erstarren mein Blut.
Tragen will ich's, ich will es mutig vollenden!
Mein Unglück, nicht länger ist's zu tragen,
und lieber will ich erliegen den Gefahren,
als ohne sie leben!
Götter, leiht mir euren Schutz,
ich werde gehorchen!