DRITTER AKT
Eine finstere Höhle, im Innern ein Labyrinth von herabgestürzten Felsblöcken und Trümmern, der Boden bedeckt von wildem Strauchwerk und Pflanzen.
ERSTE SZENE
Orpheus. Eurydike.
Nr. 38 - Rezitativ
ORPHEUS
So komm, Eurydike, folge mir,
du ewig treu Geliebte,
für die ich alles wagte.
EURYDIKE
Bist du's? Seh ich dich?
Orpheus! Ist's Täuschung, ist's Wahrheit?
ORPHEUS
Ja, du siehst deinen Orpheus,
ihn selbst, und lebend noch.
Aus dem Reiche des Todes
kam ich dich zu befrei'n;
gerührt durch meine heissen Tränen,
gaben dich die Götter mir wieder.
EURYDIKE
Wie, ich leb, ich bin dein?
Grosse Götter, welch ein Glückl
ORPHEUS
Folge mir, Eurydikei Lass uns eilen,
so lang der Götter Gunst uns bleibet;
lass fliehen uns den Ort des Todes!
Nicht mehr bist du ein Schatten,
und Amor will uns vereinen
zu ewig währendem Glück.
EURYDIKE
Was hör ich? So wär's kein Traum?
O seliges Entzücken!
Mein Orpheus, ewig bleiben wir treu vereint
durch Amors zarte Bande?
ORPHEUS
Ja; nur beeile deinen Schritt!
EURYDIKE
Doch deine Hand umschliesst
nicht mehr die meine!
Wie? Du fliehst meinen Blick,
den du so sehr geliebt?
Dein Herz ... so kalt,
so fühllos beim ersten Wiedersehn?
Ist mein Antlitz verblüht,
all mein Reiz so schnell entflohen?
ORPHEUS
Weh mir, grausame Götter!
Eurydike, säume nicht,
Verzög'rung bringt Gefahr;
eile weiterf ach, wie gern
gäb ich dir Beweise meiner Liebe!
Ich darf es nicht,
o schreckliches Gebot.
EURYDIKE
Nur einen Blick der Liebe!
ORPHEUS
Ach, du lässt mich erstarren!
EURYDIKE
Du Verräter!
also dies sind die Freuden,
die dein Herz mir bereitet?
Dies ist der Lohn für meiner Liebe Glut?
O welch grausames Schicksal!
Selbst einen Blick
kannst du mir jetzt versagen,
kannst nicht teilen die Wonne
der liebevollsten Gattin!
ORPHEUS
Vertraue mir,
gib keinem Argwohn Raum.
EURYDIKE
Führtest du nur zur Qual
ins Leben mich zurück?
Götter, gern will euer
Geschenk ich verschmähen!
Geh, entferne dich, Ungetreuer!
Nr. 39 - Duett
ORPHEUS
Komm, und vertrau meiner Treue!
EURYDIKE
Nein, ich bleib! lieber will aufs neue
ich tot und entfernt von dir sein.
ORPHEUS
Sieh mein Leiden!
EURYDIKE
Lass mich verweilen!
ORPHEUS
Ach, zur Erde lass uns enteilen,
dann bin ich auf ewig wieder dein!
EURYDIKE
Rede, gib Antwort, hör mein Flehen!
ORPHEUS
Und sollt' ich vor Gram vergehen,
werd' ich verschwiegen doch sein.
BEIDE
Süss, ihr Götter, ist die Hoffnung,
die ihr mir huldreich habt bereitet;
doch der Schmerz, der sie begleitet
wird mich bald dem Tode weihn.
Nr. 40 - Rezitativ
EURYDIKE
Ach, warum bleibet er
in diesem starren Schweigen?
welch Geheimnis birgt sein Herz?
Hätt' er nur mich entführt
aus der friedlichen Ruh,
dass ich erfuhr,
wie kalt er ist, wie fühllos?
O welch grausames Los!
Schon schwinden meine Kräfte,
und meinem trüben Blick
verdunkelt sich das Licht!
Ich erbeb, seufze schwer;
banges Schaudern erfasst mich;
mir wird kalt ... des Herzens Schläge
ertönen von Angstbedrängnis;
mächtig greift midi des Todes Wahn ...
ich unterliege meinem Schmerz.
Nr. 41 - Arie und Duett
EURYDIKE
Welch grausame Wandlung,
vom Frieden des Todes
hinüber ins Leben
voll Qualen zu gehn!
BEIDE
Rings war ich von Wonne
der Sel'gen umgeben,
ich war zufrieden,
und glaubte, das Elend
nie wiederzusehn.
Wie erhöht meine Qual
ihr schrecklicher Verdacht!
Was sag' ich? was tu ich?
Ach, mich erfasst Verzweiflung!
Find' ich nirgends Trost
für ihr gebrochnes Herz?
Ich erbebe, ich wanke
Wie bin ich zu beklagen!
Nicht mehr kann ich's ertragen!
EURYDIKE
Welch grausame Wandlung,
vom Frieden des Todes
hinüber ins Leben
voll Qualen zu gehn!
Nr. 42 - Rezitativ
ORPHEUS
Ach, nun erneut sich mein Jammer!
EURYDIKE
Mein teurer Orpheus,
bleibst du ferne?
Fleht dich vergebens
deine trostlose Gattin an,
erbarmungsvoll ihr beizustehn?
Ihr Götter,
so erbarmet ihr euch mein!
Soll ich mein Leben enden
ohn' einen Blick von meinem Orpheus?
ORPHEUS
Nicht kann ich mich länger beherrschen;
bebend erliegt mein Herz,
all meine Kräfte schwinden;
nicht acht' ich des Verbotes,
nicht der Gattin, nicht mein selber.
EURYDIKE
Ach, erbarme dich, ich fühle schon den Tod.
ORPHEUS
Erhole dich, du sollst es wissen ...
vernimm ... was tu ich ...
O ihr Götter, erlöst ihr mich nicht
von diesen Qualen?
EURYDIKE
Lebe wohlt deiner Eurydike erinnre dich!
Lebe wohl!
ORPHEUS
Wo bin ich?
Ihr Kummer zerreisst mir das Herz.
Nein, nicht fordern die Götter
ein so grausames Opfer!
O geliebte Eurydike ...
wendet sich zu ihr
EURYDIKE
Mein Orpheus! Ich sink, ich sterbe ...
ORPHEUS
Ach, was hab ich getan?
Wozu trieb mich die Liebe,
wohin riss mich ihr herbes Leid?
Teure Gattin! Eurydike! Holde Gattin!
Ach, sie hört mich nicht mehr;
ach, sie kehrt nicht zurück!
Und ich, ja ich, ich selbst gab ihr den Tod;
die Verzweiflung verwirrt den Sinn mir,
mein Schmerz ist ohne Grenzen!
In dieser Schreckensstunde
bleibt mir nichts mehr,
als nur der Tod, der alles endet.
ORPHEUS
Ach, ich habe sie verloren,
all mein Glück ist nun dahin!
Wär, o wär ich nie geboren,
weh, dass ich auf Erden bin!
Eurydike, gib Antwort
o vernimm mich!
O hör'meine Stimme,
die dich ruft zurück!
Ach, vergebens!
Ruh und Hoffnung,
Trost des Lebens
ist nun nirgends
mehr für mich l
Nr. 44 - Rezitativ
ORPHEUS
So mag der tiefe Schmerz
mit meinem Leben enden!
Nicht überleb' ich ihn,
den letzten Schlag des Schicksals.
Noch ist der Pfad der Unterwelt
mir offen, und führt mich bald zu dir,
meine holde Eurydike.
Ja, nur nach dir, treues Weib,
verlange ich;
o verweil, erwarte mich!
Nie mehr sollst du geraubt mir werden,
denn auf ewig verein'
der Tod mich nun mit dir.
ZWEITE SZENE
Amor erscheint und entreisst ihm den Dolch
AMOR
Halt ein! was tust du?
ORPHEUS
Nein, halt nicht auf diesen Arm,
dass er ende mein Leid,
spende Ruh' meiner Seelei
AMOR
Zähme deine Wut, du Betörter!
Halt ein und sieh in mir den Gott,
der über deine Wege wachet!
ORPHEUS
Sag, was begehrest du?
AMOR
Genug hat deine Treu
sich erprobt und bewährt;
darum soll nun dein Leiden sich enden.
Eurydike! erwache!
Der so innig dich liebt,
ihm gib der Treue Lohn.
ORPHEUS
Ach, Eurydike!
EURYDIKE
Mein Orpheus!
ORPHEUS
Allgüt'ge Götter,
wie sollen wir euch würdig danken'
AMOR
So zweifelt nie an meiner Macht!
Kommt mit zur Oberwelt
aus diesem Ort der Nacht
und geniesst dort auf ewig
der Liebe Seligkeit.
Verwandlung
Ein prächtiger Tempel, dem Eros geweiht
DRITTER AUFTRITT
Amor. Orpheus. Eurydike.
Sie werden umgeben von einer Schar Hirten und Hirtinnen, die Eurydikes Wiederkehr feiern.
Nr. 45 - Chor und Soli
ORPHEUS, CHOR
Triumph sei Amor,
und alles, was da lebet,
schmück' der Schönheit Götteraltar;
ja, wen sie beglücket,
wen sie entzücket,
bringet zum Opfer
gern sein Herz ihr dar.
AMOR
Wund durch Launen, durch sprödes Zürnen
seufzet oft schwer ein liebend Herz;
doch kehrt süsse Eintracht wieder,
wandelt in Wonne sich jeglicher Schmerz.
CHOR
Triumph sei Amor,
und alles, was da lebet,
schmück' der Schönheit Götteraltar;
ja, wen sie beglücket,
wen sie entzücket,
bringet zum Opfer
gern sein Herz ihr dar.
EURYDIKE
Eifersucht schlägt oft herbe Wunden,
doch zur Treu führt stets sie zurück;
Argwohn, den das Herz hat empfunden,
mehrt, entfliehend, der Liebe Glück.
CHOR
Triumph sei Amor,
und alles, was da lebet,
schmück' der Schönheit Götteraltar;
ja, wen sie beglücket,
wen sie entzücket,
bringet zum Opfer
gern sein Herz ihr dar.