ENTR'ACT
DRITTER AKT
Dasselbe Zimmer wie im zweiten Aufzug
ERSTER AUFTRITT
Marie am Spinnrad sitzend
MARIE
Es geht nicht. Ich bringe nichts Gescheites zustande. Alle Augenblicke reisst der Faden. Das tut die Unruhe, die Angst, das böse Gewissen - ich habe wahrhaftig ein gutes Gewissen. Und vor des Vaters Drohung bin ich auch nicht bange; er will mich bei jeder Gelegenheit ins Kloster schicken - ich weiss doch, dass nichts daraus wird. Aber das Gerede der Leute, wie werden sie mit Spottreden über mich herfallen - und mit Unrecht, denn ich bin unschuldig, und wenn man von einem ganzen Haufen Männern überfallen wird - hat man doch manchmal mit einem schon seine liebe Not!
Nr. 11 - Arie
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!
Um unsern guten Ruf
ist's nur zu leicht geschehn;
man kann beim besten Will'n
nicht alles vorhersehn.
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!
Kaum sieht man einen Mann
nur von der Seite an,
so heisst's mit spött'scher Mien':
»Sie hat ein Aug' auf ihn.«
Schuf denn der liebe Gott
die Männer uns zum Groll -
dass man sie ausnahmsweis
nicht einmal ansehn soll?
Ein Mann kann machen, was er will,
da schweigt der böse Leumund still,
bei uns da schreit er laut.
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!
Geht man am lieben Sonntag
mit kindlich frohem Sinn,
fein sauber angekleidet,
ehrbar zur Kirche hin
und hat vielleicht zufällig
ein Bändchen mehr am Kleid -
gleich sprechen böse Zungen:
»Die strotzt von Eitelkeit.«
Da stecken Muhm' und Basen
zusammen ihre Nasen
und hecheln dann und keifen:
»Seht nur die vielen Schleifen!
Die geht auch nicht zum Beten
heut in die heil'gen Hallen;
es will die eitle Dirne
den Männern nur gefallen;
seht nur, wie sie sich bläht,
wie sie sich wendet und sich dreht;
seht nur, wie sie sich ziert
und mit den Augen kokettiert!«
Ein Mann kann machen, was er will,
da schweigt der böse Leumund still.
Doch ach, wir armen Mädchen! -
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!
Ich wollte, ich wär ein Mann,
ich wollte, ich hätt'nen -
sie hält ein wenig inne, dann fährt sie, gleichsam ärgerlich über ihr Versprechen, fort
ich wär ein Mann.
ZWEITER AUFTRITT
Marie. Stadinger. Brenner
BRENNER
Ich sage dir, Schwager, du wirst den Ritter nicht anders los, als wenn du das Mädel verheiratest. Ist sie einmal unter der Haube, wird sich seine Leidenschaft auch abkühlen.
STADINGER
Hatt ich denn etwas andres im Sinn? Das Mädel sollte den Georg heiraten, aber der Strohkopf will ja nicht.
MARIE
Ich, Vater, will aber auch nicht.
STADINGER
Du schweigst, bist du gefragt wirst.
BRENNER
leise zu Marie
Sei still und lass mich gewähren. Laut zu Stadinger. Mit deinem Georg! Da ist doch aber der Konrad ein ganz anderer Mann.
STADINGER
Ich kann den Burschen nicht leiden, er versteht nichts vom Gewerb, ist ein schlechter Arbeiter -
BRENNER
Du bist ihm aber Dank schuldig.
STADINGER
Ich will ihn auch belohnen.
BRENNER
Womit denn?
STADINGER
Ich will ihn am nächsten Sonntag in der Herberge freihalten.
BRENNER
Das wäre eine schöne Belohnung! Du kannst nicht weniger tun, als ihm deine Tochter geben.
STADINGER
Schweig mir nur von dem Kapitel still. Jetzt will ich erst die ganze Entführungsgeschichte klar wissen. He, Konrad! Denn gestern abend - der Ärger war mir so zu Kopfe gestiegen, dass ich mich nicht mehr auf alles besinnen kann.
DRITTER AUFTRITT
Die Vorigen. Georg.
GEORG
Ihr habt gerufen, Meister?
STADINGER
Dich nicht, du kannst aber auch dabei sein. Ruf mir den Konrad.
GEORG
Gleich, Meister!
Er geht ab
STADINGER
zu Marie
Du, ruf mir deine würdige Erzieherin. Hoffentlich hat sie sich von ihrem Schreck erholt.
MARIE
geht ab
VIERTER AUFTRITT
Stadinger. Brenner. Ein Geselle
GESELLE
Meister, auf ein Wort.
STADINGER
geht in den Hintergrund und spricht mit ihm
BRENNER
im Vordergrund
Das Fräulein zahlt nichts mehr, folglich diene ich dem Grafen wieder mit Leib und Seele. Wenn mir nur der Schwabe keinen Querstrich macht, denn er weiss jetzt alles.
STADINGER
Schon gut, ich werde dem Herrn Stadtvogt meinen Dank in Person abstatten!
GESELLE
geht ab
FÜNFTER AUFTRITT
Stadinger. Brenner. Marie und Irmentraut.
Graf und Georg.
STADINGER
Da seid ihr ja beisammen. Stellt euch um mich herum und erzählt mir den Hergang.
MARIE
Als wir unten am Weinberge -
IRMENTRAUT
Als wir unten am Weinberge -
GRAF
Als wir unten am Weinberge -
STADINGER
Eins nach dem andern!
Zu Irmentraut
Sie spricht zuerst. Das Alter hat den Vortritt.
IRMENTRAUT
ärgerlich
Ach was, Alter -
STADINGER
Es ist aber doch wahr, also rede Sie.
IRMENTRAUT
Also - ach Gott, ich zittre noch an allen Gliedern - wir gingen von Hause weg -
STADINGER
Das weiss ich -
IRMENTRAUT
Ich erzählte unterwegs Marien -
STADINGER
Von Ihren vielen Eroberungen -
IRMENTRAUT
ärgerlich
Aber wenn ich doch erzählen soll -
STADINGER
Die Hauptsache!
IRMENTRAUT
Als wir unten am Weinberge angelangt waren und in das Gebüsch traten, hörten wir flüstern, und ich vernahm deutlich, wie einer sagte: »Ich kann es meinem Herrn nicht verdenken, die Dirne ist hübsch!« - Anfangs glaubte ich, das ginge auf mich -
STADINGER
Mach Sie sich doch nicht lächerlich.
IRMENTRAUT
Da plötzlich drangen Bewaffnete aus dem Gebüsch -
MARIE
Jetzt lass mich erzählen. Ich fühlte mich von starken Armen erfasst -
IRMENTRAUT
Ich sank in Ohnmacht -
MARIE
Nein, du liefst schreiend davon.
IRMENTRAUT
Nun ja, ich lief allerdings davon, weil eine Ohnmacht im Anzuge war.
MARIE
Da plötzlich drang Konrad aus dem Gebüsch hervor, nahm mich in seine Arme, entwand einem der Räuber die Waffe und befreite mich. Ach, du guter, edler, tapferer Konrad! Wie soll ich dir danken? Wie viele Wunden wirst du davongetragen haben.
STADINGER
Wunden? Wo hat er denn die?
GEORG
Ich habe sie ihm alle verbunden.
STADINGER
So, so!
BRENNER
Ja, ohne ihn wäre dein Kind verloren gewesen, drum musst du dich dankbar gegen ihn beweisen. Gib ihm das Mädel, sonst nimmt sie dir der Ritter mit Gewalt.
Zum Grafen und Georg
Legt euch aufs Bitten!
GRAF
Lieber Meister, ich will Euch ewig dankbar sein!
GEORG
Ich erst recht, Meister -
IRMENTRAUT
Ja, Meister, ich dächte auch -
MARIE
Lieber Vater, macht Euer Kind glücklich!
ALLE
ausser Stadinger
Lasst Euch erweichen!
STADINGER
Ihr Gesindel alle miteinander, ihr überrumpelt mich ja förmlich. Es fehlte weiter nichts, als dass der dicke Schwabe auch noch dazukäme!
BRENNER
für sich
Das wäre mir nicht lieb.
STADINGER
Da ist er, wahrhaftig!
SECHSTER AUFTRITT
Die Vorigen. Adelhof
Nr. 12 - Septett
ADELHOF
Gut, dass ich Euch noch treffe -
- hu, was bin ich gelaufen -
man will Euch armen Mann
verraten und verkaufen.
STADINGER
Was ist denn wieder los?
ADELHOF
Lasst mich nur erst verschnaufen.
MARIE
zu Brenner
Der muss uns bitten helfen.
BRENNER
Nein, der ist gegen uns
und diese Heirat völlig eingenommen.
MARIE UND IRMENTRAUT
Der Ritter? Der Ritter?
BRENNER
Es ist, wie ich sage.
Lasst ihn, ich rat es euch,
ja nicht zu Worte kommen.
ADELHOF
zu Stadinger
Betrogner, armer Mann,
ihr geht in eine Falle.
BRENNER
zum Grafen und Georg
Wir jagen ihn hinaus,
denn er verrät uns alle.
STADINGER
Ich geh in eine Falle?
Was wollt Ihr damit sagen?
DIE ANDERN
Was wollt ihr damit sagen?
ADELHOF
Du, guter Alter, bist zu blind!
Der Konrad und der Ritter sind -
DIE ANDERN
Hinaus! Wir wissen schon, hinaus!
STADINGER
Was sind sie denn?
ADELHOF
Der Konrad und der Ritter sind -
DIE ANDERN
Hinaus, wir wissen alles schon.
ADELHOF
So lasst mich doch nur reden,
ich mein es herzlich gut.
STADINGER
So lasst ihn doch nur reden -
er sagt, er mein es gut.
ADELHOF
Ja, herzlich gut.
GEORG UND IRMENTRAUT
Ihrer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
BRENNER
Eurer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
MARIE
Unsrer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
GRAF
Unsrer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
STADINGER
Diesen Handel, ich begreif ihn nicht!
GRAF
nimmt Adelhof beiseite
Verratet, Waffenbruder,
verratet mich nicht.
ADELHOF
verdutzt und geschmeichelt
Wie, Ihr? Wie könnt Ihr glauben -
ich kenne Ritterpflicht!
BRENNER
Der Mann hat eine Wut,
sich in dies Haus zu drängen.
STADINGER
auf die Stirn zeigend
Dem Manne fehlt es hier,
drauf lasse ich mich hängen.
zu Adelhof
Was werd ich nun vernehmen?
Wollt endlich Euch bequemen.
Der Konrad und der Ritter sind -?
ADELHOF
in Verlegenheit
Sind -
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF, GEORG UND BRENNER
Schweigt!
STADINGER
Ruhe!
ADELHOF
Sind beide - - ein paar Männer.
ALLE
lachen
STADINGER
Fürwahr, Ihr seid ein Kenner!
Ich hätte nimmermehr gedacht,
dass Ihr es schon so weit gebracht
in der Naturgeschichte.
MARIE, IRMENTRAUT UND BRENNER
Was ficht den dicken Mann
wohl nur so plötzlich an?
GRAF UND GEORG
Nun ist der arme Mann
aufs neue übel dran.
STADINGER
Also bin ich in einer Falle?
ADELHOF
ärgerlich
Hol euch der Teufel alle!
Ich finde mich in eure Kniffe
nicht hinein!
Und bin es endlich müd,
der Narre hier zu sein!
MARIE UND IRMENTRAUT
Ich kann mir dies
Betragen nicht erklären, nein,
der arme Mann kann bei Verstande nimmer sein!
GRAF, GEORG UND BRENNER
Man kann sich
sein Betragen nicht erklären, nein,
man glaubt, er könne bei Verstande nimmer sein!
STADINGER
Nun seh ich's ein.
zu den übrigen
Bei dem Manne - glaubet mir -
spukt es hier.
MARIE UND GRAF
O nahte bald der Augenblick,
wo uns der Liebe süsses Glück,
dem unsre Herzen sich geweiht,
vom läst'gen Zwang befreit.
IRMENTRAUT
O schön muss sein der Augenblick,
wo uns der Liebe süsses Glück
vom läst'gen Zwang befreit!
GEORG
O nahte bald der Augenblick,
wo mich des Frohsinns süsses Glück,
dem ich mein Leben hab geweiht,
vom läst'gen Zwang befreit.
BRENNER
Reiste doch auf gutes Glück
er nach Schwaben gleich zurück;
dann wären wir auf lange Zeit
vom läst'gen Zwang befreit.
ADELHOF
Ich glaub, es wär für mich ein Glück,
kehrt ich nach Schwaben schnell zurück;
dann wäre ich auf lange Zeit
vom Zwang befreit.
Hol euch der Teufel!
STADINGER
Es wäre für mein Haus ein Glück,
kehrt er nach Schwaben bald zurück;
dann wären wir auf lange Zeit
vom Zwang befreit.
ADELHOF UND GEORG
gehen ab
STADINGER
Das ist ein närrischer Kauz; hoffentlich kommt er mir nun nicht wieder über die Schwelle.
Zu Marie und Irmentraut
Ihr beide macht euch fertig, zu meiner Schwester nach Speyer zu fahren.
Zu Marie
Da bist du fürs erste geborgen!
MARIE
Aber Vater -
GRAF
Aber lieber Meister -
BRENNER
Du bist und bleibst doch ein rechter Dickkopf. Meinetwegen, wenn du denn durchaus Krieg haben willst, ich gehe meiner Wege.
leise zum Grafen
Eure Leute?
GRAF
ebenso
Alles bereit.
BRENNER
So wollen wir denn den letzten Angriff wagen.
Er geht ab
GRAF
Wohlan denn, Meister, da Ihr durchaus halsstarrig seid, so gehe auch ich meiner Wege; leb wohl, Marie, und Ihr, mögt Ihr nie bereuen, meinen redlichen Antrag von Euch gewiesen zu haben.
MARIE
Vater, wenn der Konrad geht, spring ich ins Wasser!
STADINGER
Dagegen gibt's Mittel; ich sperre dich ein.
MARIE
Ich lege meinen Kopf auf den Amboss!
STADINGER
Da muss erst einer den Hammer schwingen.
MARIE
Ich hämmre mich selbst zu Tode!
STADINGER
Probier's nur einmal. Es muss dir aber nicht unangenehm sein.
MARIE
weinend Irmentraut um den Hals fallend
Ach, Irmentraut, wer hätte das denken sollen.
IRMENTRAUT
ebenso
O wir armen unglücklichen Mädchen!
SIEBENTER AUFTRITT
Die Vorigen. Brenner
BRENNER
eilig
Hab ich's nicht gesagt, dass der Teufel losgehen wird! Unten in der Strasse blitzen Harnische und Pickelhauben. Der Graf ist im Anzuge.
STADINGER
Geh, mach keinen Spass.
ACHTER AUFTRITT
Die Vorigen. Georg
GEORG
Meister, Meister, wir sind geliefert. Viele tausend Reisige sind im Anmarsch mit Lanzen und Schwertern.
STADINGER
Donner und Hagel! Verrammelt das Haustor.
GEORG
Sie haben Mauerbrecher.
IRMENTRAUT
Mauerbrecher! All ihr Heiligen!
NEUNTER AUFTRITT
Die Vorigen. Ein Geselle
GESELLE
Ein Diener vom Rat brachte dies Schreiben.
Er überreicht es und geht ab, woher er kam.
STADINGER
Her damit! - Was will denn der hohe Rat von mir? Zu Brenner. Da, lies einmal.
GEORG
zu Brenner und dem Grafen
Nun kommt der Hauptwitz.
BRENNER
liest
»Es ist ein Aufstand zu befürchten. Wir bitten und widrigenfalls befehlen wir Euch, zur Aufrechterhaltung der Ruhe unserer lieben Stadt, den Gesellen Konrad sogleich zu verheiraten.«
MARIE
freudig
Dank, lieber hoher Rat!
BRENNER
leise zum Grafen
Das wird wirken!
STADINGER
Stahl und Funken - freilich, wenn sich nun gar der hochweise Rat in die Sache mengt - so heiratet euch in Kuckucks Namen!
MARIE UND GRAF
fliegen sich in die Arme
Dank, bester Vater!
IRMENTRAUT
umarmt gleichzeitig vor Freude Georg
Dank, lieber Meister!
GEORG
abwehrend
Nein, Jungfer, so ist die Sache nicht gemeint!
STADINGER
Und nun eilt zur Hintertür hinaus; die Kapelle ist nicht weit.
GRAF
Komm, Marie, bald mein trautes Weib.
BEIDE
zur Seite ab
IRMENTRAUT
ihnen nach
Ich gehe mit als Brautjungfer.
STADINGER
zu Brenner
Du hast ein gutes Mundwerk, geh dem Grafen entgegen und bewege ihn zum Rückzug.
BRENNER
Ich bringe die Sache in Ordnung. Verlass dich darauf!
Er geht ab
GEORG
Und ich, Meister, gehe nun auch meiner Wege, aber wir sehen uns wieder.
STADINGER
Das denk ich.
GEORG
Ich will nur ein anderes Wams anziehen - es ist wegen des jungen Paares.
STADINGER
Tu das.
GEORG
Ob Ihr mich wohl darin wiedererkennen werdet?
STADINGER
In deinem andern Wams? Warum denn nicht?
GEORG
Ich meine nur so - aber es mag sein, wie es will -
Er schüttelt ihm die Hand
wir bleiben gute Freunde.
STADINGER
Kerl, was führst du denn für sonderbare Redensarten?
GEORG
das Lachen unterdrückend
Wir bleiben gute Freunde. Ihr seid zwar zuweilen grob, aber das abgerechnet - doch eine gute, ehrliche Haut.
STADINGER
Bursche, was unterstehst du dich!
GEORG
Nicht böse werden, Meister; nur eine Frage: Ihr kennt doch die Geschichte von dem Absalom, der mit seinem Zopf am Baume hängen blieb?
STADINGER
Was soll's damit?
GEORG
immer mit unterdrücktem Lachen
Dieser Biedermann hatte einen langen Zopf, der aber, den sie Euch gedreht haben, hahaha - der ist noch viel länger - hahaha - auf Wiedersehn, Meister.
Er geht lachend ab
STADINGER
allein
Was schwatzte der Bursche da vom Zopf? Das habe ich nicht verstanden. Wird wohl so eine Schnurre sein wie gewöhnlich. Es ist und bleibt doch ein aufgeweckter Kerl, der Georg, und wenn ich ihn ansehe, so gedenk ich stets meiner eigenen Jugendzeit. Nur verliebter war ich als er, und das ist doch - wenn man jung ist - mit die Hauptsache.
Nr. 13 - Lied
1
Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar,
an Mut wie an Hoffnungen reich;
beim Amboss von jeher ein Meister, fürwahr,
im Fleisse kam keiner mir gleich.
Ich liebte den Frohsinn, den Tanz, den Gesang,
ich küsste manch Dirnlein mit rosiger Wang' -
ihr Herz hat mir manche geweiht!
Das war eine köstliche Zeit!
2
Vor älteren Zeiten sich vieles begab,
was heut noch uns würde erfreun;
es regnete Manna vom Himmel herab,
und unverfälscht trank man den Wein.
Zu Kanaan füllten im Hochzeitssaal
die Krüge von selber sich allzumal,
für durstige Kehlen bereit.
Das war eine köstliche Zeit!
3
Wenn ehedem irgendein Ritter gewagt,
das Volk gar so hart zu bedrohn,
da wurde nicht lang prozessiert und geklagt,
man sprach aus 'nem anderen Ton.
Denn wurden der Kummer und Jammer zu laut,
so wehrte man sich mit dem Schwert seiner Haut,
es wurde barbarisch gebleut!
Das war eine köstliche Zeit!
4
Wenn jeder erglühte für Wahrheit und Recht,
wenn Hader und Zwietracht nicht wär,
wenn treu alle Frauen, der Wein immer echt,
wenn Herzen und Beutel nie leer,
wenn jeder bereit wär, mit tapferer Hand
zu fechten in Not für das Vaterland,
in Sachen des Glaubens kein Streit -
das wär eine köstliche Zeit!
5
Einst waren die Mädchen so treu wie das Gold,
und zog ihr Geliebter ins Feld,
so schwuren sie ihm, wenn sterben er sollt,
zu sterben gewiss unvermählt.
Sie dachten noch nicht, wenn gestorben der,
wo nehmen wir gleich einen anderen her?
Sie waren noch nicht so gescheit;
das war eine köstliche Zeit!
6
Einst gab es noch Schätze, von Geistern bewacht,
und manchem verwegenen Fant,
der mutig hinausging in finsterer Nacht,
kam Reichtum und Glück in die Hand.
Da hatten die Geister noch Geld im Haus
und liehen es ohne Prozente aus,
der Geist war nicht arm, so wie heut;
das war eine köstliche Zeit!
7
Einst galt das Versprechen mit Handschlag und Mund,
da hatte die Feder noch Ruh'.
Schloss damals ein Pärchen den eh'lichen Bund,
so brauchte man wenig dazu.
Man schrieb im Kontrakt bei der Liebe Schwur
statt Namen und Titel ein Kreuzlein nur,
das Kreuz kam nicht nach, so wie heut;
das war eine köstliche Zeit!
8
Wenn's wieder so würde, wie einstens es war,
wo das Schwert nur für Recht sich erhob,
wo, geschlagen im Kampfe, die sündige Schar
wie Spreu vor dem Winde zerstob;
wenn Rechtlichkeit käme als Waffenschmied
und schüf auf dem Amboss, von Glut umsprüht,
ein Schwert, nur dem Guten geweiht -
das wär eine köstliche Zeit!
Er geht ab
Verwandlung
Grosser Hof vor Stadingers Hause mit einer Mauer und einem grossen Tore in der Mitte. Die Fenster der Nachbarhäuser sind mit Schaulustigen angefüllt. Volk drängt sich zum Tore herein und sammelt sich auf der Mauer, den Zug erwartend
ZEHNTER AUFTRITT
Stadinger von der Seite. Dann Brenner aus der Mitte
Nr. 14 - Marsch
Die Musik beginnt in der Ferne
STADINGER
Was ist denn das für eine Musik? Ich glaube, sie wollen mein Haus mit Sang und Klang stürmen.
BRENNER
eilig
Du Glücklicher! Der Graf naht, aber in Lieb' und Eintracht mit Rittern und Vasallen, um sich bei dir zu bedanken.
STADINGER
Bedanken. Bei mir? Wofür denn?
BRENNER
Für - hähähä - das wirst du gleich erfahren.
STADINGER
Da bin ich sehr neugierig.
ELFTER AUFTRITT
Grosser Zug von Rittern, Knappen, Herolden, Pagen, Trompetern, weissgekleideten Mädchen mit grünen Zweigen, Hofdamen usw., welche sich zur Seite und im Hintergrunde aufstellen. Dann Graf Liebenau, in glänzender Rittertracht. Marie an der Hand. Georg im Wappenrock mit Irmentraut. Wie der Graf eintritt, rufen.
ALLE
Heil dem Grafen Liebenau.
MARIE UND GRAF
knien vor Stadinger nieder
Teurer Vater, Euren Segen!
STADINGER
Wie ist mir denn? Bin ich denn verhext? Ist denn das nicht der Konrad?
GRAF
Der Graf von Liebenau und glückliche Gatte dieses Engels.
STADINGER
Stahl und Amboss! So ward ich betrogen?
GRAF
Verzeiht, teurer Vater! Meine kindliche Liebe und Achtung sollen Euch überzeugen, dass ich Eure Tochter verdiene.
BRENNER
Gib nach, Alter, was hilft das Sträuben?
STADINGER
Aber - ruft mir einmal den dicken Schwaben her.
BRENNER
Der ist abgereist und das Fräulein mit ihm!
GRAF
Glückliche Reise!
STADINGER
zu Marien
So willst du den Ritter?
MARIE
Ach, Vater, ich hab ihn schon.
GEORG
Meister, wir bleiben gute Freunde!
STADINGER
Wie, Georg - du auch? Jetzt wird mir die Geschichte mit dem langen Zopf klar. O ihr Spitzbubengesindel alle miteinander. - Ich bitte um Verzeihung, Herr Graf -
GRAF
Nennt mich Sohn.
STADINGER
Herr - Sohn - hm - das Wort will noch nicht so recht rutschen - nun, da es denn der liebe Gott einmal so beschlossen, seid glücklich miteinander und nehmt meinen Segen. Es muss euch aber nicht unangenehm -
GEORG
ihm in die Rede fallend
Aber, Meister!
STADINGER
schlägt sich auf den Mund
GRAF UND MARIE
Dank, teurer Vater!
GEORG UND IRMENTRAUT
So recht, Meister!
BRENNER
So recht, Schwager!
ALLE
Heil und Glück dem jungen Paare!
MARIE
Mir ist noch immer, als ob ich träume; dieser Glanz, dieser Reichtum -
GRAF
Und dennoch wiederhol ich dir: gedenkst du noch der Worte?
Nr. 15 - Finale (Refrain)
GRAF.
Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin
für dich, für deine Liebe!
MARIE.
Gern gäb er Glanz und Reichtum hin
für mich, für meine Liebe!
ALLE ÜBRIGEN.
Gern gäb er Glanz und Reichtum hin
für dich und deine Liebe!
Gegen Schluss werden die Fahnen geschwenkt, und der Vorhang fällt.