ERSTER AUFZUG
ERSTE SZENE
Im Ankleidezimmer. Vor der Abreise des Mannes, offene Reisetaschen, grosse Unordnung. 7 Uhr früh
CHRISTINE
Anna, Anna! Wo bleibt denn nur die dumme Gans?
ROBERT
im Einpacken begriffen, die Frau hilft ihm dabei Schimpf doch nicht wieder! Bis sie dir alle davonlaufen!
CHRISTINE
Dann gibt es andere!
ROBERT
So gute Mädels findest du nicht so bald wieder!
CHRISTINE
Ich schon!
ROBERT
Du hast ein Zutrauen zu dir,
einen Leichtsinn, bei den Zeiten!
CHRISTINE
's gibt immer welche!
ROBERT
Aber die Schererei, das Suchen, das Anlernen! Einen Sommer hattest du so viel Köchinnen wie Doktoren, ich glaube 15 Stück!
CHRISTINE
triumphierend
Und habe doch endlich dann die richtige gefunden.
ROBERT
Ja, auf wie lange!
CHRISTINE
Streitest du schon wieder?
ROBERT
Ich streite nicht, ich warne nur.
CHRISTINE
Brauch' deine Warnungen nicht!
ROBERT
Mehr als du glaubst - ohne meine Bremse ginge dein Temperament in jeden Graben.
CHRISTINE
Mach lieber, dass du fortkommst!
ROBERT
Noch eine halbe Stunde, eh der Schlitten kommt!
CHRISTINE
Aber du hast ja noch nicht gefrühstückt!
ROBERT
Dauert fünf Minuten!
CHRISTINE
Ich will, dass du ordentlich frühstückst! Deine Nerven
ROBERT
sind vortrefflich!
CHRISTINE
Ach, bin ich froh, wenn du endlich fort bist - Anna - Anna - schnell!
ANNA
von aussen Gleich, gnä' Frau, ich sperre nur die Koffer zu.
CHRISTINE
ruft hinaus Vergessen Sie nicht, dem Herrn die Schlüssel zu geben!
ROBERT
Sie vergisst es nicht.
CHRISTINE
Na! Und damals in Campiglio, wo wir drei Tage ohne Schlüssel vor unsern Koffern sassen -
ROBERT
Da bist du mitgefahren; und bei dem Durcheinander, wenn du mitreisest -
CHRISTINE
Fang nicht wieder an! Ich sehne mich wahrhaftig nach der Ruhe des Alleinseins.
ROBERT
Als wenn ich dich je belästigte!
CHRISTINE
Schon deine ewige Anwesenheit - du bist immer zu Hause - andere Männer gehn in ihr Bureau - stöhnend die vermehrte Arbeit
ROBERT
trifft dich doch nicht!
CHRISTINE
Na, wen denn?
ROBERT
Doch die Dienstboten,
CHRISTINE
denen ich alles befehlen muss, immer und überall nachsehen, ob auch alles richtig geschieht - schon allein dieses fortwährende Telephonieren
ROBERT
können doch auch die Mädchen besorgen.
CHRISTINE
Und wer macht denn die Hausarbeit?
ROBERT
Herrgott, ich weiss schon: 's liegt alles auf dir!
CHRISTINE
Na, auf wessen Schultern denn? Der Speisezettel?
ROBERT
Ein Vergnügen, keine Arbeit!
CHRISTINE
Das Saubermachen von Küche und Keller und Speicher, ist das vielleicht nichts?
ROBERT
Chronischer Unfug!
CHRISTINE
Den Garten -
ROBERT
besorgt der Gärtner besser ohne dich.
CHRISTINE
Bezahlungen der Rechnungen -
ROBERT
übernehme ich gerne -
CHRISTINE
und bezahlst alle doppelt! Kommissionen, Bestellungen -
ROBERT
trocken Na, etwas kannst du ja schliesslich auch tun, das ist alles keine ernste Arbeit.
CHRISTINE
Jedenfalls keine, die von euch Männern anerkannt wird!
ROBERT
Anerkannt schon, wenn auch nicht überschätzt.
CHRISTINE
seufzend Das Denken den ganzen Tag
ROBERT
Soll das wohl auch eine anstrengende Arbeit sein?
CHRISTINE
Die grösste doch, mich wenigstens ermüdet's!
ROBERT
Ja, dann - aber das bestreite icheben! Nur produzierendes Denken beim Künstler, beim Gelehrten, bei einem Erfinder, das ist Kopfarbeit: und die sollte eigentlich ein Vergnügen sein: für mich ist sie es wirklich.
CHRISTINE
Arbeit ist nie ein Vergnügen.
ROBERT
Dann lass' sie doch! Du hast es doch nicht nötig!
CHRISTINE
Und das Haus -
ROBERT
ging auch nicht zugrund, nur ein bisschen einfacher wird vieles
CHRISTINE
und alles würde verkommen und im Dreck ersticken.
ROBERT
Na, na, alter Putzteufel! Es leben doch tausend Familien nicht so genau und peinlich und wahrscheinlich vergnügter als wir.
CHRISTINE
heftig Da sterbe ich lieber!
ROBERT
parodierend Da lebte ich lieber!
CHRISTINE
höhnisch Natürlich du bei deiner Herkunft bist es nicht besser gewöhnt!
ROBERT
Du tust, als wenn du in einem Schlosse geboren wärst!
CHRISTINE
wütend Du wirst doch deine Familie nicht der Vornehmheit der mein' gen vergleichen wollen!
ROBERT
auf seinen Kopf deutend Da sitzt die Vornehmheit!
CHRISTINE
Mach, dass du fortkommst, du Plebejer.
ROBERT
Schau, warum bleibst du nicht lieber zu Bett, statt einen mit deiner schlechten Morgenlaune unnötig aufzuregen und über die alten langweil'gen Dinge zu streiten, wo man gut daran täte, seinen Kopf zusammenzunehmen, dass man nichts Wicht'ges vergisst!
CHRISTINE
Dafür sorge ich schon!
ROBERT
Nein, du störst nur mich und Anna.
CHRISTINE
Hast du dein Reisekissen?
ROBERT
Ich denke - sieht nach ja -
CHRISTINE
Schuhlöffel, Handschuhe, Reisemütze?
ROBERT
Anna hat noch nie was vergessen!
CHRISTINE
mit höhnischem Triumph Bloss alle Schlüssel zu sechs Koffern in Campiglio!
ROBERT
schon ungeduldig Nun lass mich endlich in Ruhe - frühstücken! Schnell ab ins Nebenzimmer
ANNA
stürzt herein, über die Handtasche sich eifrigst hermachend
CHRISTINE
Haben Sie alles für den Herrn? Die Brötchen, den Schinken, die Milchflasche für zehn Uhr? Ist die Torte gut verpackt?Kann der Himbeersaft nicht auslaufen? Zehn harte Eier: sehr nahrhaft. Bei der anstrengenden Tätigkeit muss er sich kräftig nähren. Anna, finden Sie nicht, der Herr ist wieder sehr nervös?
ANNA
Nein, gnä' Frau, das find' ich nicht.
CHRISTINE
Hoffentlich passiert ihm nichts auf der Reise!
Haben Sie die Pillen? das Gurgelwasser? den Umschlag?
ANNA
Alles, gnä' Frau.
CHRISTINE
Eigentlich bin ich recht froh, wenn er glücklich fort ist!
ANNA
Und dann weinen gnäd'ge Frau wieder jeden Morgen und Abend und sind unter Tags traurig.
CHRISTINE
Nun ja, mit dem Kind allein in dem grossen Haus und dem langweiligen Bauernnest!
ANNA
Wollen gnä' Frau, es ist heut sehr schönes Wetter, nicht ein bisschen rodeln gehn?
CHRISTINE
Ist auch langweilig. Nun ja - wie Sie meinen! Sie haben sicher das Kopfkissen vergessen?
ANNA
Gewiss nicht. Ab ins Nebenzimmer
ROBERT
tritt wieder ein und sucht sich schweigend die letzten Reiseeffekten zusammen
CHRISTINE
herausfordernd Warum redest du nicht?
ROBERT
Weil du doch nur streitest.
CHRISTINE
auffahrend Ich denke, wenn man auf zwei Monate fortgeht, hätte man mitseiner Frau doch manches Wicht'ge zu besprechen.
ROBERT
Ja, wenn sie bei Vernunft ist.
CHRISTINE
Du bist ein Flegel.
ROBERT
Du auch nicht gerade sehr liebenswürdig.
CHRISTINE
Ich verbitte mir diesen Ton!
ROBERT
Na, und ich? Was soll denn ich dann sagen?
CHRISTINE
Du - du - du bist geringschätzig ein Musikant.
ROBERT
Weiss schon, also in deinen Augen so etwas Minderwert'ges.
CHRISTINE
Das nicht - aber: mir passt das ganze Milieu nicht, die Öffentlichkeit und was sich so alles an den Künstler herandrängt: diese schamlosen Dichter, die all ihre Erlebnisse auf die Strasse tragen, so ein Kapellmeister, der den Vollgefress'nen unten im Parkett den Hampelmann macht und seine brünstigen Gefühle im Viervierteltakt preis gibt! Pfui Teufel!
ROBERT
Ja, das hättest du dir früher überlegen sollen! Ich habe nichts andres gelernt.
Umsatteln kann ich nicht mehr.
CHRISTINE
ungeduldig Aber endlich abreisen!
ROBERT
Also, leb wohl! Hast du dich nun auch genügend ausgetobt für die nächsten zwei Monate?
CHRISTINE
Noch lange nicht, denn du kannst mich doch nie verstehn.
ROBERT
Na, na, ich kenne dich, glaub' ich, besser als du dich selbst. Geh, sei gut, ich habe nur mehr fünf Minuten, dann kommt -
ANNA
kommt herein und meldet Der Schlitten ist da.
ROBERT
Schon? Adieu also! Bekomme ich keinen Kuss zum Abschied? Was habe ich dir denn getan?
CHRISTINE
Nichts. Ekelhaft bist du mir!
ROBERT
Ach geh, das ist ja doch nicht dein Ernst.
CHRISTINE
Ich bin froh, wenn ich dich los bin!
ROBERT
Wenn mir auf der Reise was passsiert,
es gereut dich doch.
CHRISTINE
Um Gottes Willen, was?
ROBERT
Eine Ohnmacht, Herzschlag - eine Lungenentzündung - ein Raubmord - ein Eisenbahnunglück -
CHRISTINE
Ich bitte dich, nimm dich in acht, steig nicht in die vorderen, nicht in die letzten Waggons!
ROBERT
Wenn möglich - nicht.
CHRISTINE
Kühl dich immer gut ab, bevor du in die Kälte gehst, schlag deinen Pelzkragen hoch, den Mund zu, geh früh zu Bett, der Schlaf vor Mitternacht -
ROBERT
Ja, ja ich weiss schon - also leb' wohl
CHRISTINE
fällt ihm stürmisch um den Hals Adieu! Bleib mir gesund!
ROBERT
Gleichfalls. Und schreib hie und da.
CHRISTINE
Schon wieder unliebenswürdig Zum Schreiben hab' ich keine Zeit -
ROBERT
Na, aber.....
CHRISTINE
und ausserdem wenig Lust, du kannst es dir auch ersparen!
ROBERT
eifrig Doch, doch ich -
CHRISTINE
Und schick keine Zeitungen,
ROBERT
auch das nicht?
CHRISTINE
Ich lese sie doch nicht, sie liegen mir nur im Wege herum.
ROBERT
Schreiben muss ich, mir ist's ein Bedürfnis, mit dir aus der Ferne wenigstens zu plaudern.
CHRISTINE
Mir gar nicht.
ROBERT
wütend Dann also, zum Teufel! Lass es bleiben, du unaustehliche Kratzbürste du! Adieu! rasch ab
CHRISTINE
Mit Gott! Versäume den ZUg nicht!
CHRISTINE
am Toilettentisch Nun wollenn wir frisieren
ANNA
beginnt mit der Frisur
CHRISTINE
Haben Sie gestern für Bubi die Hemden besorgt?
ANNA
Jawohl, gnä' Frau.
CHRISTINE
Meine Taille - die Knöpfe?
ANNA
Fertig.
CHRISTINE
springt auf, rennt mit der Lorgnette ans Fenster Grüsst mein Mann herauf?
ANNA
Er grüsst mit der Hand.
CHRISTINE
versteckt sich hinter der Gardine Warum er nur immer reist! Langsam an den Toilettentisch zurückkehrend
ANNA
Ich glaube, der Herr ist nicht gerne allzulange an einem Ort.
CHRISTINE
höhnisch Er hat, glaube ich,
doch jüdisches Blut in den Adern!
ANNA
beginnt wieder zu frisieren Und dann sein schöner Beruf.
CHRISTINE
Schöner Beruf. Ha, ha, fangen Sie auch noch an?
ANNA
Die Berühmtheit!
CHRISTINE
Na, ich danke für die Ehre! Dass nachdem Tode noch wildfremde Leute aus purer Neugier urteilen, ob sich die Gemahlin ihrerandren besseren Hälfte würdig erwiesen hat. Mein Mann hat seinem Herrn Biographenausdrücklich verbieten müssen, meiner zu erwähnen, man muss doch noch das Recht haben, Privatperson bleiben zu dürfen - Au! aber - so passen Sie doch auf, sie reissen mir ja alle Haare aus! Sie lernen's auch nie! Und was bin ich und was war ich als "Tondichtersgattin"? Ha, ha, ha, ha! Nicht mal hoffähig.
ANNA
schnippisch Das wäre gerade nach des Herrn Geschmack!
CHRISTINE
Halten Sie Ihr freches Maul!
Anna frisiert gekränkt - schweigend weiter
FRANZL
steckt den Kopf zur Tür herein Mama, soll ich die genagelten Stiefel anziehen?
CHRISTINE
Freilich, mein Herzchen, bei dem Schnee. Zur Jungfer Ich verbitte mir Ihr freches Benehmen.
ANNA
Ich sage ja gar nichts.
CHRISTINE
Aber Sie schneiden ein Gesicht. Ich seh's im Spiegel.
MARIE
stürzt herein Gnä'Frau, der Steuerbote ist da, hier ist die Quittung.
CHRISTINE
Natürlich, fünf Minuten, nachdem der Herr aus dem Hause! Erschöpft Sie sehen, alles Unangenehme kommt an mich. Er salviert sich, spielt Skat in Wien: Sagen Sie dem Boten, ich dürfe nicht bezahlen, er möchte die Quittung an den Herrn schicken.
MARIE
Schön.Ab
CHRISTINE
Halt - da fällt mir ein - springt auf, ans Telephon, klingelt wütend, schreiend ich klingle, wie es mir beliebt, bitte 178. Pause Hier Frau Hofkapellmeister Robert Storch. Bitte, liebe Frau Pritek, wann bekomme ich nun endlich das Hagebuttenmark - natürlich zum Einmachen, die einzige Marmelade, die mein Mann gerne isst - wissen Sie, wo er doch so angestrengt arbeitet, wenn er seine Hagebutten nicht hat, ist er unglücklich, aber bitte, nicht vergessen! Danke, danke.
DIE KÖCHIN
tritt ein, bleibt in der halbgeöffneten Tür stehen
CHRISTINE
Wenn man gut zu den Leuten ist, kann man sie um den Finger wickeln.
ANNA
nickt ironisch Jawohl, gnä'Frau!
KÖCHIN
Gnä' Frau, wegen des Speisezettels?
CHRISTINE
fährt wütend auf Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, Sie sollen ganz ins Zimmer kommen und die Türe schliessen.
ANNA
beendet inzwischen die Frisur
KÖCHIN
Was soll ich kochen?
CHRISTINE
wütend: Was Sie wollen, Sie wissen ja selbst. Sie sehen, wie alles auf mich einstürmt - es gehört sich doch nicht, dass Sie mich da auch noch ärgern.
KÖCHIN
ab
ANNA
entschuldigend Aber gnä' Frau, wirklich -
CHRISTINE
Halten Sie Ihren Schnabel! Wenn mein Mann fortreist
ANNA
Warum reisen gnä' Frau nicht mit?
CHRISTINE
Sie sehn doch, was ich zu tun habe! Sagen sie selbst, ob ich da fort kann - ich, eine brave, treue, arbeitsame Frau - ich gehöre nicht zu diesen leichtsinnigen Weibern, die nur ihre Kleider und Hüte spazierentragen und zu Hause alles liegen und stehen lassen - "Den Krempel besorgt meine Babette" hat mir neulich mal so eine gesagt, - sehn sie nicht, wie notwendig ich zu Hause bin, ich komme nicht einmal zum Frisieren, zum Anziehn - und da soll ich in der Welt herumkutschieren und in den Hotels herumlungern? Es kommt sowieso alles Unangenehme auf mich, verzweifelt wenn mein Mann fort ist auf zwei Monate!
ANNA
Ich denk', gnä'Frau sind froh, ein bisschen allein zu sein?
CHRISTINE
Ich bin immer allein, entweder ist er auf Reisen oder, wenn er zu Hause - in Gedanken seufzend und bei der Arbeit.
ANNA
Aber der Herr ist doch immer so nett mit der gnädigen Frau.
CHRISTINE
auffahrend Das wäre noch schöner, das gehört sich doch! Aber sehen sie, so gemütlich bei mir sitzen, nichts tun, plaudern, das kann er nicht. Er ist eben so gar kein Damenmann.
ANNA
Ach, so einen möcht gnä' Frau ja gar nicht! Gnä' Frau sind gar nicht so böse auf den Herrn.
CHRISTINE
heftig Er reizt mich fortwährend.
ANNA
Aber er ist doch so gut und nachgiebig!
CHRISTINE
Diese ew'ge Güte und Nachgiebigkeit - das ist es ja, was mich so rasend macht. Wenn er nur mal richtig grob und brutal wäre, wie ein richtiger Mann - aber dieser ewig "waiche Günstler" und dabei diese ruh'ge süffisante Überlegenheit, die er mir gegenüber stets markiert.
ANNA
Aber nein, gnä'Frau irren sich -
CHRISTINE
eifrig und kindlich dich, doch, er sieht auf alle Frauen mächtig herab, hält uns mehr oder minder für dumme, eitle, ungebildete Gänse
ANNA
Gnä' Frau, ich mein', der Herr gibt sehr viel gerade auf Ihr Urteil -
CHRISTINE
Ja, ja, bis zu einem gewissen Grade -
ANNA
Wie oft fragt er Sie um Rat!
CHRISTINE
Ja, eifrig weil er genau weiss, dass ich viel prakt'scher bin als er.
ANNA
Der Herr ist doch auch ganz praktisch!
CHRISTINE
Nur schlau! Diese Bauernpfiffigkeit, das fehlt mir eben. Ich platze immer heraus mit allem; er heimtückisch, kann sich beherrschen, verstellen! Da werde ich immer wütender, finde nicht die richtigen Worte - da gibt's dann diese scheusslichen Szenen.
ANNA
Der Herr weiss schon, wie's gemeint ist, dass gnä' Frau gut sind -
CHRISTINE
Aber man setzt sich dadurch ins Unrecht seufzend und ist dann der schwächere Teil. - Seine Ruh' will er haben, darum gibt er immer nach und ich, ich bin dann immer das Scheusal! Ach, Anna, ich bin recht unglücklich!
ANNA
Aber gnä' Frau, beruh'gen Sie sich doch! Das Telephon läutet
CHRISTINE
steht auf und geht langsam hin. Am Telephon mit leidender Stimme Wer ist da? Plötzlich sehr heiter Ach! Frau Huss! GrüssGott! Wie geht's Ihnen? Um 10 Uhr? Zum Schlittschuhlaufen? Sehr gerne! Ha, ha, ha! Also Sie holen mich ab? Auf Wiedersehn!
Ganz verwandelt und vergnügt Sehn Sie, das ist eine nette Frau, die klingelt mich doch wenigstens an. Ich hasse es, dass ich immer die Leute anrufen und auffordern soll!
ANNA
Viele Damen getrau'n sich nicht, fürchten zu stören...
CHRISTINE
Schweigen Sie! Faul sind sie, die Weiber! Ich kenne sie besser!
Nun aber schnell anziehn! Welche Bluse? Die blauseidene?
Ja, die gelbe ist besser! Aber nein! Halt! Anna! Anna!
Verwandlung. Orchesterzwischenspiel.
ZWEITE SZENE
Auf der Rodelbahn. Ein Schlitten nach dem anderen fährt herab und verschwindet in der Kulisse.
BARON LUMMER
tritt auf, auf Skiern
Man hört von hinten die Stimme der Frau "Bahnfrei" rufen. Eine NEUE RODLERIN fährt herab, nach ihr will der BARON rasch die Bahn überschreiten, da kommt DIE FRAU, viel zu schnell hinter ihrem Vormann, etwas kreuz und quer rodelnd um die Ecke, schreit noch schnell, aber zu spät: "Obacht" und fährt den Baron über den Haufen. Als der Schneeknäuel sich entwirrt, schreit sie den Baron an:
CHRISTINE
Sie Esel! Sehn Sie denn nicht, dass hier gerodelt wird.
BARON LUMMER
Doch, aber Sie waren zu schnell!
CHRISTINE
Nein! Sie zu langsam! Ich habe mir furchtbar weh getan!
BARON LUMMER
Ich bedaure unendlich, mein Fräulein!
CHRISTINE
Mein Mann würde Ihnen schöne Grobheiten machen - wenn er nämlich hier wäre!
BARON LUMMER
Wo haben Sie Schmerzen?
CHRISTINE
weinerlich Das kann ich einem fremden Herrn doch nicht sagen!
BARON LUMMER
Mein Name ist: Baron Lummer.
CHRISTINE
verändert, plötzlich freundlich Ach! sind Sie verwandt mit dem Oberst Baron Lummer, der in Linz das Regiment hatte und eine geborene von Müller zur Frau?
BARON LUMMER
Das sind meine Eltern.
CHRISTINE
Ach! Das freut mich! Ich bin Frau Hofkapellmeister Storch, mein Mann der berühmte Tondichter.
BARON LUMMER
Kann ich Ihnen behilflich sein?
CHRISTINE
Danke nein: es geht schon besser, nur ein bisschen Prellung. Was treiben Sie hier? Bleiben Sie lange?
BARON LUMMER
Zur Erholung, etwas Sport drei bis vier Wochen.
CHRISTINE
Meine Eltern haben Ihre Eltern gut gekannt, als in Linz Frau von Ref- ha, ha, ha, ha, Gouverneurin war, von der man sagt: "kommandiert hoffentlich nur ihren Mann" ha, ha, ha - Woll'n Sie mich besuchen?
BARON LUMMER
Mit grösstem Vergnügen! Bitte nur nochmals zu entschuldigen!
CHRISTINE
Macht nichts. Sein Sie nur das nächste Mal etwas flinker! Auf Wiedersehn!
BARON LUMMER
Empfehle mich, gnäd'ge Frau er küsst ihr die Hand
Verwandlung. Orchesterzwischenspiel (Walzer).
DRITTE SZENE
Ball beim Grundlseewirt
CHRISTINE
kommt mit dem Baron nach vorn, erschöpft auf einen Stuhl sinkend Ich kann nicht mehr! So toll hab' ich aber schon lange nicht mehr getanzt. Übrigens eine Luft zum Ersticken! Gar nichts für Sie, für Ihre Gesundheit!
BARON LUMMER
Einmal, eine Ausnahme!
CHRISTINE
Wenn Sie schon hier zur Kur sind, müssen Sie sich doch pflegen!
BARON LUMMER
Morgen fange ich strenge an.
CHRISTINE
Gut, unter meiner Aufsicht! Mein Mann sagt immer, ich sei der beste Arzt! Sie wollten mir auch von Ihrem Leben, Ihrer Familie erzählen!
BARON LUMMER
Alles morgen, wenn Sie gestatten. Aber ich fürchte, der Walzer geht zu Ende. Darf ich bitten? Gnäd'ge Frau tanzen wie eine Feder!
CHRISTINE
Nun denken Sie sich: mein Mann tanzt gar nicht mehr. Er behauptet, Schwindel zu bekommen. Und ich tanze so gern!
BARON LUMMER
Und so vorzüglich!
Beide mischen sich wieder unter die Tanzenden
Verwandlung. Schluss des Walzers.
VIERTE SZENE
Möbliertes Zimmer im Hause des Notars
CHRISTINE
mit der Notarin schnell eintretend Wissen Sie, mein Mann, der immer an der Arbeit sitzt - er ist so furchtbar fleissig - sagte mir schon immer: wenn du nette Gesellschaft findest zum Spazierengehn, zum Sport - dieser Baron Lummer ist der Sohn alter Freunde meiner Eltern in Linz, wissen Sie! Also dies ist das Zimmer? Aber sehr hübsch: Gerade das richtige für meinen Schützling. Denken Sie: der Arme kann seine Studien nicht beginnen - starke Migräne - in der hohen Luft hier schon viel besser! In seiner Verwandtschaft grosser Widerstand! Er hat grosses Talent zum Naturforscher. Der Schreibtisch steht nicht gut im Licht. Der junge Baron will doch ab und zu auch einmal ein bisschen arbeiten richtet den Schreibtisch So, haben Sie keinen Lehnstuhl?
DIE NOTARIN
Ich müsste den von meinem Mann?
CHRISTINE
Gewiss, gewiss, Therese, Sie bringen ihn sofort herauf. Das Bett steht gut. Wegen der Zugluft - Sie wissen ja, bei Migräne muss man bei offnen Fenstern schlafen!
DIE NOTARIN
So jung?!
CHRISTINE
Zweiundzwanzig, glaube ich!
DIE NOTARIN
Doch schon?! Immerhin - Migräne!
CHRISTINE
Erblich, wie es scheint.
DIE NOTARIN
Was Sie sagen!
CHRISTINE
Ein Onkel starb im Irrsinn! Therese! Die Schubfächer müssen Sie alle feucht auswischen!
DIE NOTARIN
Bitte, es ist alles sauber.
CHRISTINE
förmlich Verzeihen Sie, da bin ich eigen. Sie glauben nicht, wie es hier staubt! Die vielen Fremden, Zentralheizungen - ich seh' es an meinen Fensterbrettern! Frühstück kann er haben?
DIE NOTARIN
Gewiss!
CHRISTINE
Vielleicht auch ab und zu kaltes Abendbrot - er sollte nicht soviel ins Wirtshaus! Die jungen Leute gewöhnen sich zu schnell ans Bummeln. Also, all right. Ich bezahle - wöchentlich. Mein Mann gibt mir plein pouvoir. Also ich schicke Ihnen jetzt den Jüngling. Sie sorgen gut für ihn. Vor dem Einheizen gut lüften! Ich schaue dann schon wieder her. Grüssen Sie Ihren Mann!
DIE NOTARIN
Danke sehr. Es wird alles nach Ihren Wünschen sein.
CHRISTINE
zu Therese Alle Schränke feucht wischen: für die Hygiene das Wichtigste. Das verstehe ich. Mein Mann sagt immer, ich wäre der leibhaftigste Arzt. Sie sehen ja, wie er blüht. Adieu! Auf Wiedersehen.
Verwandlung. Orchesterzwischenspiel.
FÜNFTE SZENE
Wohnung der Frau Storch. Esszimmer. Die Frau sitzt bei der Lampe und überliest noch einmal einen beinahe beendigten Brief an ihren Mann.
CHRISTINE
"Es ist wirklich ein sehr netter, ungeheuer bescheidener Mensch. Da er vor Beginn seines Studiums wegen starker Migräne ganz der Erholung leben muss, hat er immer Zeit, ist bei gleicher Neigung mit mir für Sport, Spazierenrennen, frische Luft und Naturgenuss ein selten geeigneter Begleiter für deine arme, verlassene, von dir stets so vernachlässigte Frau“ - Das ist gut, das soll er nur hören! "stets vernachlässigte Frau" - Was soll er denn dagegen haben?! dagegen, dass ich den Baron, der sehr gute Manieren hat, auch öfters einmal zum Essen einlade. "Neulich haben wir sehr fidel beim Grundlseewirt getanzt. Nur die Luft war miserabel. Ich muss dem Baron, der, glaube ich, nicht in den besten Verhältnissen lebt und der in seiner Familie nicht das nötige Verständnis für seine geistigen Ziele findet, versprechen, dass du dich seiner etwas annehmen wirst. Nicht wahr, du tust es. Er verdient es, da er mir hier sehr gefällig ist. Ich muss schliessen für heute. Das Kind ist wohl. Bleibe gesund, rauche nicht zu viel, überanstrenge dich nicht.... "Ich glaube, der Brief ist gut. Mitteilen muss ich es ihm doch. Er ist sicher einverstanden. Er kann doch nicht verlangen, dass ich mich hier zu Tode mopse... Endlich einmal ein junger, frischer Mensch. - Die alten Häuser, die Robert mir ins Haus bringt, sehen so eine harmlose Frau als lustige Bagatelle an. Nicht einer kommt meinetwegen zu uns! Alle zum berühmten Mann! Alles erstirbt immer in Ehrfurcht! Pfui Teufel! Ich will mit meinesgleichen fröhlich plaudern, rüstig wandern! Wenn es ihm nicht recht ist, ich werde ihm schon zeigen, wer der Herr im Hause ist!"Die bessere Hälfte" hat mich der berühmte Kritiker, der ihn nicht leiden kann, genannt, das hat ihn doch geärgert. Ha, ha, ha, ha!
DIE KÖCHIN
tritt ein
CHRISTINE
Fanny, was wollen Sie?
KÖCHIN
Rechnen, gnä' Frau!
CHRISTINE
Tür zu, sag' ich!
KÖCHIN
Der Speisezettel für morgen!
CHRISTINE
Was Sie wollen! Was gibt's heute abend? Der Baron kommt.
KÖCHIN
Schon wieder?
CHRISTINE
Ich verbitt' mir Ihre Glossen! Ich weiss nicht, ob er zu Tisch bleibt. Jedenfalls richten Sie sich ein!
KÖCHIN
Ich hab' schon was.
MARIE
meldet Baron Lummer.
CHRISTINE
Ach schön! Soll hereinkommen!
BARON LUMMER
tritt ein
CHRISTINE
Guten Tag! Entschuld'gen Sie: Ich bin gerade beim Rechnen seufzend des Küchenbuchs. Sie erlauben doch?
BARON LUMMER
Bitte, bitte, gnäd'ge Frau - kann ich helfen?
CHRISTINE
Sehr willkommen! Wenn man bei so lästiger Kopfarbeit ein bisschen angenehme Gesellschaft hat, geht's doppelt leicht: Rechnen und Briefschreiben ist so das Allerschlimmste. Ich hasse die Schreibtische. Rechnet Fünf und sechs
BARON LUMMER
elf.
CHRISTINE
Und siebene ist achtzehn und fünf ist -
BARON LUMMER
dreiundzwanzig
CHRISTINE
und acht ist -
BARON LUMMER
einunddreissig -
CHRISTINE
einunddreissig, bleibt drei im Sinn, drei und neun ist zwölf und neun ... und neun... na, wieviel ist denn zwölf und neun -
BARON LUMMER
einundzwanzig -
CHRISTINE
Danke! Das wäre wieder überstanden! Wie geht es Ihnen? Bleiben Sie zu Tisch?
BARON LUMMER
Nein, danke vielmals. Ich bin mit einem Freunde verabrede
CHRISTINE
Freunde? Die Freunde kennt man!
BARON LUMMER
Aber ich bitte! Nein wirklich - gnäd'ge Frau!
CHRISTINE
Will gar nichts wissen! Ich mische mich nie in fremder Leute Dinge.
Verlegenheitspause
CHRISTINE
Was haben Sie heute getan?
BARON LUMMER
Nicht viel.
CHRISTINE
spöttisch Wie gewöhnlich.
BARON LUMMER
Ein bisschen Ski - ein bisschen Rodeln...
Pause
CHRISTINE
Sind Sie mit Ihrer Wohnung zufrieden?
BARON LUMMER
Geradezu ideal! Neue Pause
CHRISTINE
Sie gestatten, dass ich ein wenig Zeitung lese, vor lauter Arbeit komme ich nicht einmal dazu... Wollen Sie auch?
BARON LUMMER
Bitte!
Beide lesen Zeitung
CHRISTINE
Haben Sie gehört? Frau von Hupp lässt sich scheiden! Er flirtet mit einer Schauspielerin. Ein Skandal! Wann gedenken Sie eigentlich Ihre Studien zu beginnen?
BARON LUMMER
ja, das ist es eben
CHRISTINE
Ihr Bruder, sagen Sie, tut gar nichts für Sie?
BARON LUMMER
schüttelt mit dem Kopf
CHRISTINE
Aber er könnte doch?
BARON LUMMER
Freilich könnte er, aber er will, dass ich Jura büffle.
CHRISTINE
Und warum nicht?
BARON LUMMER
Aber ich bitte, gnäd'ge Frau, dies trockene Studium!
CHRISTINE
Gott, ich meine, arbeiten müssen Sie doch überall!
BARON LUMMER
entschlossen Nein, zu den Pandekten bringt mich niemand!
MARIE
tritt ein
CHRISTINE
ruft ihr zu Marie, ist Bubi mit seiner Klavierstunde fertig?
MARIE
Ich glaube ja, gnä' Frau.
CHRISTINE
Er soll dann gleich ins Bad, damit er vor dem Abendessen richtig fertig ist.
MARIE
ab
CHRISTINE
macht sich am Schreibtisch zu schaffen, dann nimmt sie wieder die Zeitung auf
BARON LUMMER
Dürfte ich Ihnen ein kleines Anliegen unterbreiten?
CHRISTINE
liest eifrig, ohne hinzuhören
BARON LUMMER
Ich hätte eine kleine Bitte.
CHRISTINE
Was haben Sie?
BARON LUMMER
Eine grosse Bitte -
CHRISTINE
An mich? Wirft ab und zu wieder einen Blick in die Zeitung
BARON LUMMER
Da Sie sich so freundlich für meine Zukunft interessieren
CHRISTINE
eifrig Freilich, freilich!
BARON LUMMER
es ist für mich so schwer, ich habe nun einmal die Passion für den Beruf des Naturforschers!
CHRISTINE
Das ist ja auch recht schön: Reisen nach Afrika, China, Spanien, Serbien, Australien ist zwar nicht mein Geschmack! Aber ein Onkel von mir war in Alaska, aber ich glaube, dazu muss man vermögend sein.
BARON LUMMER
Leider ja.
CHRISTINE
Haben Sie denn die Mittel zum Universitätsstudium? Verzeihen Sie, wenn ich etwas indiskret!
BARON LUMMER
Nicht einmal die.
CHRISTINE
Ja, dann verstehe ich aber nicht - schaut wieder in die Zeitung Ha, ha, ha, ha. Der Hauptmann Sturtz hat seinen Abschied eingereicht. Gesundheitsrücksichten, die kennt man, wahrscheinlich blamiert. War ein Tänzer von mir, als Fähnrich sehr nett später ein ziemlicher Grobian - gönn' ich ihm! Was sagten Sie vorhin?
BARON LUMMER
Dass mir leider die Mittel zum geliebten Studium fehlen -
CHRISTINE
Ja, da weiss ich halt auch keinen Rat.
BARON LUMMER
Es gibt Stipendien, ein bisschen Protektion, wenn ich nur -
CHRISTINE
Stipendien, das müsste sich doch machen lassen.
BARON LUMMER
Ich habe so gar keine Beziehungen,
CHRISTINE
aber Protektion, Protektion, da könnte doch mein Mann?
BARON LUMMER
Wie wäre das wohl möglich?
CHRISTINE
sehr lebhaft O sicher, mein Mann! Ich hab' ihm schon etwas im Briefe angedeutet - er hat schon vielen geholfen - Sie glauben nicht, wie gut er ist: er ist aus vornehmer Familie, altes Patrizierhaus, gute Beziehungen - immer eifriger und praktisch ist er, er weiss immer die richtigen Wege. Man sagt oft, geniale Menschen seien in Dingen des Lebens so unerfahren - im Gegenteil: wenn ich oft gar nicht mehr
weiss, wo aus und ein, mit einem Schlage hat er das Richtige. Ein so weiches Gemüt, mein Mann - man sieht es ihm nicht an - oft scheint er abweisend - o, er wird sehr verkannt, nicht als Künstler: da kann er sich nicht beklagen, seine glänzende Laufbahn, diese Masse Orden und üb'rall Erfolg, dabei ist er nicht mal eitel, nein, eigentlich bescheiden, ja wirklich bescheiden: zu Hause spricht er nie von sich, von seiner Arbeit - und was ist der Mann fleissig, zu fleissig! Das ist ja oft mein Kummer, dass er mich vernachlässigt, nicht aus Lieblosigkeit - aber immer in Gedanken, den Kopf voller Projekte - wirklich ein seltner Mensch! Sie kennen meinen Mann nicht?
BARON LUMMER
witzig, dreist Ich bin vorläufig mit der Bekanntschaft seiner Frau Gemahlin zufrieden.
CHRISTINE
Pfui, Baron, sagen Sie nichts über meinen Mann! Wenn Ihnen jemand helfen kann, ist er es!
BARON LUMMER
Sie meinen, gnäd'ge Frau? Kläglich Ihr Gemahl kennt mich ja noch gar nicht.
CHRISTINE
Aber ich kenne und schätze Sie, das genügt. Sie sind mir ein lieber Begleiter, ich hab' eine wirkliche Sympathie für Sie.
BARON LUMMER
Ja, aber -
CHRISTINE
ungeduldig Was aber? Sehr warm und betont Ich sage Ihnen: mein Mann ist der beste Mensch von der Welt. Glauben Sie mir, dass er mir noch nie eine Bitte abgeschlagen hat? Hier und da streiten wir ein bisschen, wir sind nie eigentlich derselben Meinung, aber das tut nichts: ein bisschen Zank würzt die Unterhaltung, schliesslich behalte ich dann doch immer recht. Er gibt oft nach, wenn ich sogar mal im Unrecht bin - aus reiner Güte! Kurz, er erfüllt mir eben jeden Wunsch.
BARON LUMMER
Ja, ich möchte nur -
CHRISTINE
Ja?
BARON LUMMER
Ich möchte nur -
CHRISTINE
Na, na rasch ein bisschen! Sie drucksen ja heute herum!
Tempo, tempo, sagt mein Mann immer, tempo ist alles!
BARON LUMMER
mit Entschluss Ich möchte doch nicht warten, bis Ihr Herr Gemahl -
CHRISTINE
Wieso? Ich tue nichts ohne seine Zustimmung!
BARON LUMMER
Aber gnäd'ge Frau sagten doch?
CHRISTINE
Natürlich. Ich bin vollkommen frei in meinen Entschlüssen!
BARON LUMMER
Da möchte ich schon lieber -
CHRISTINE
ungeduldig Was möchten Sie schon lieber?
BARON LUMMER
mutiger Ja, sehn Sie, gnäd'ge Frau, es ist so schwer für mich - meine Familie versteht mich gar nicht - ich habe eigentlich niemand, der mir ein wenig freundlich gesinnt ist; gnäd'ge Frau haben mir schon so viel Gutes erwiesen - die Sympathie einer schönen Frau - Ja, wie soll ich mich ausdrücken? - ich bin Ihnen schon so verpflichtet -
CHRISTINE
herzlich Nun ja, wir wollen recht gute Freunde bleiben, an meinem Mann werden Sie eine wahre Stütze finden - Ach! Es ist so traurig, wieviel ich allein bin! Sie glauben nicht für eine Frau -
BARON LUMMER
Ja, gnäd'ge Frau, wenn ich -
CHRISTINE
nicht auf ihn hörend in dieser Einsamkeit --
BARON LUMMER
wenn ich dürfte -
CHRISTINE
Was nützt mir der berühmte Mann, den ich habe? Naiv und harmlos Für mich genügt ein einfacher, gemütlicher Mann, wie Sie!
BARON LUMMER
Ich würde ja ganz gern - dürft' ich noch einmal auf meine Bitte zurückkommen?
CHRISTINE
Ich habe Robert heute von Ihnen geschrieben: sehr schöne Dinge! Welch ein guter Sportler Sie sind! Nur in der Unterhaltung ein wenig zäh. lachend Das habe ich ihm natürlich nicht geschrieben. scherzend Ich hätte nun einen wirklichen Galan! Vielleicht wird er einmal ein bisschen eifersüchtig. Sich korrigierend Nein, nein, ich musste ihm doch mitteilen, dass Sie hier sind! Hoffentlich können Sie so lange bleiben, bis er zurückkommt.
BARON LUMMER
Ich fürchte, nein! Ich muss mich doch umsehn, wenn nicht Sie selbst, gnäd'ge Frau -
CHRISTINE
Ich sagte Ihnen ja schon, ich kann gar nichts tun, ausser mit Ihnen bummeln, plaudern, rodeln!
BARON LUMMER
Aber Sie sagten doch? -
CHRISTINE
Was? -
BARON LUMMER
Dass wir recht gute Freunde sein sollen!
CHRISTINE
Will ich auch! Aber wenn Sie nicht zu Tische bleiben - weich müssen Sie jetzt gehn, lieber Freund. Wann sehn wir uns wieder? Wollen wir morgen nach Aussee gehen?
BARON LUMMER
Sehr gerne!
CHRISTINE
Wann Rendezvous? Zehn Uhr? Holen Sie mich ab? Aber morgen sind Sie hoffentlich etwas fröhlicher! Lassen Sie Ihre Sorgen zu Hause! Ich kann nur heitere Menschen um mich sehn! Der Baron erabschiedet sich Auf Wiedersehn!
CHRISTINE
in Träumerei versunken
Ein hübscher Mensch! Und jung ist er halt - Nun sitz' ich wieder allein! Mein lieber Mann! Er ist so gut, so treu. - Diese langen, einsamen Abende - man wird ganz traurig - sie versinkt in immer tieferes Sinnieren
Verwandlung. Orchesterzwischenspiel.
SECHSTE SZENE
Zimmer des Barons im Hause des Notars
Der Baron liegt auf dem Sofa und raucht eine Zigarette
BARON LUMMER
springt auf und ruft zur Tür hinaus Frau Notar! Können Sie mir meinen Koffer heraufschicken?
DIE NOTARIN
von aussen Sie wollen doch nicht schon abreisen
BARON LUMMER
Ich muss vielleicht.
Pfeift
Was fällt ihr denn ein? Glaubt sie, ich setze mich jeden Abend so hin, einfach zum Zeitvertreib? "Die Freunde kennt man!" Trällernd "Theresulein, Theresulein, du bist mein süsses Madulein !" Na, heute abend soll es mal lustig werden! Dieses Zeitunglesen zu zwein scheint ihr Hauptvergnügen zu sein! Schöne Langeweile! Und immer fängt sie wieder von meinen Studien an! Der reine Pastor! Dabei ist sie eigentlich recht hübsch und pikant! Aber an die Migräne glaubt sie fest! Ob ich eine richt'ge Liebeserklärung mache? Sie ist imstande und antwortet mit einem Lobeshymnus auf ihren alten Ehekrüppel.Pfeift
Ein junges Mädchen im Vorstadtsportanzug steckt den Kopf zur Tür herein
RESI
Bist du fertig, Schatz?
BARON LUMMER
Herrgott, diese Frechheit! Mach, dass du rauskommst! Wenn die Notarin dich sieht und alles meiner freigebigen Patronin klatscht!
RESI
Ich gehe ja schon. Wollte nur deine Bude mal sehn! Ab
BARON LUMMER
ruft ihr nach In fünfzehn Minuten bin ich bei dir! Einmal probier' ich's noch; auf dem Spaziergang übergeb' ich ihr den Brief, da ist sie immer am besten gelaunt. Setzt sich an den Schreibtisch Also - erster und letzter Versuch! Beginnt zu schreiben "Verehrte, gnädige Frau! So freundlich Sie heute zu mir waren, so brachte ich es doch nicht über die Lippen, Ihnen mein ganzes Herz auszuschütten... Verzeihen Sie, wenn ich es nun schriftlich wage. . . Während er weiterschreibt, fällt der Vorhang
Verwandlung. Orchesterzwischenspiel.
SIEBENTE SZENE
Esszimmer der Frau. Draussen starkes Schneegestöber
CHRISTINE
in der Hand den Brief des Barons Tausend Mark will er haben! Der ist wohl verrückt? Was glaubt er denn? Tausend Mark! Was würde Robert denken? Solch ein dummer Brief! Mündlich getraut er sich nicht - Darum druckste er neulich immer so herum! Das ist nun auch wieder vorbei. Und ich habe geglaubt - schade. Der dumme Kerl! Tut mir ja leid. Aber das geht wirklich nicht.
BARON LUMMER
eintretend Ich habe mir erlaubt...
CHRISTINE
Aber nicht in diesem Zustande! Erst ordentlich abputzen, bitte.
BARON LUMMER
wieder hinaus
CHRISTINE
ruft ihm nach Da sieht man wieder den Junggesellen.
BARON LUMMER
tritt wieder ein
CHRISTINE
Also dass ich es Ihnen nur gleich heraussage: Das ist ein für allemal ausgeschlossen! Wollen Sie unsre guten Beziehungen stören, auf die ich so viel Wert gelegt hatte? Ich habe eine ehrliche Sympathie für Sie. Wir wollen doch gute Freunde bleiben - wirklich, es war nicht hübsch von Ihnen - in dieser Weise - warm mein Mann wird Ihnen jede Förderung angedeihen lassen, er wird sich fur Sie verwenden... Mein Vater sagte immer, Geld leihen verdirbt die beste Freundschaft.
BARON LUMMER
Ich würde alles mit Zins zurückerstatten.
CHRISTINE
Lieber etwas schenken, dass nie mehr davon gesprochen wird, sagt Robert - Können Sie denn nicht Stunden geben, wie so viele -
BARON LUMMER
mit Emphase Neben dem anstrengenden Studium, unmöglich!
CHRISTINE
trocken Nun, da weiss ich wirklich keinen Rat.
MARIE
bringt einen Brief
CHRISTINE
freudig Von meinem Mann? Sie erlauben? Liest die Adresse Herrn Hofkapellmeister Robert Storch. Wieder ein Bettelbrief oder Ankündigung eines Operntextes. Doch nein! Die Schrift kenne ich. Sie öffnet und liest, entsetzt aufschreiend Was ist das?
BARON LUMMER
erschrocken Was ist Ihnen?
CHRISTINE
Das ist ja unerhört!
BARON LUMMER
Was denn?
CHRISTINE
Ach! Ach! Ach! Ach! Liest den Brief vor "Lieber Schatz! Schicke mir doch wieder zwei Billette morgen zur Oper! Nachher in der Bar wie immer! Deine Mieze Maier." Mieze Maier! Eine Dirne! In der Bar wie immer - mein Mann! Das ist das Ende! Ich hab' es längst geahnt. Sie fasst sich mit beiden Händen an den Kopf
BARON LUMMER
Um Gottes willen, gnäd'ge Frau!
CHRISTINE
blickt wie versteinert in den Brief Lieber Schatz! Deine Mieze Maier!
BARON LUMMER
Kann ich Ihnen in irgend etwas beistehn?
CHRISTINE
Nein, ich danke, Herr Baron! Sollte ich Ihrer bedürfen, werde ich so frei sein, Sie zu mir zu bitten.
BARON LUMMER
eilt, sichtlich erleichtert, ab
CHRISTINE
nach langer Pause, an dem Schreibtisch, ein Telegrammformular abreissend, schreibt Du kennst Mieze Maier! Deine Untreue erwiesen! Wir sind auf immer geschieden! Klingelt. Anna tritt ein Schicken Sie diese Depesche sofort auf die Post. Augenblicklich die Koffer packen! Alle!
ANNA
Warum denn?
CHRISTINE
Wir reisen -
ANNA
Heute?
CHRISTINE
Für immer -
ANNA
Aber gnä' Frau!
CHRISTINE
Ruhig! Später! Sofort packen - alles! Wir reisen, sobald Sie fertig.
ANNA
Um Gottes willen, was ist geschehn?
CHRISTINE
ausser sich So machen Sie doch, dass Sie hinauskommen! Sie sinkt erschöpft in den Lehnstuhl
Verwandlung. Orchesterzwischenspiel.
ACHTE SZENE
Das Schlafzimmer des Kindes, nur mit einer Kerze erleuchtet
CHRISTINE
am Bett des Kindes sitzend Mein lieber, lieber Bubi! Ich bin so furchtbar unglücklich!
FRANZL
Warum weinst du?
CHRISTINE
Dein Papa ist ganz furchtbar schlecht und böse.
FRANZL
Das ist nicht wahr! Papa ist gut.
CHRISTINE
Nein, nein. Mein armes Kind! Er hat mich unerhört betrogen! Wir gehen fort, wir zwei ganz allein.
FRANZL
Ich will aber nicht fort!
CHRISTINE
Du gehst mit mir und wirst Papa nie wiedersehn.
FRANZL
fängt zu heulen an Ich will nicht weg von Papa!
CHRISTINE
Was? Du willst bei dem bösen Manne bleiben, der so schlecht gegen deine liebe Mutter war?
FRANZL
Papa ist immer gut zu dir, du bist böse mit Papa, zankst ihn, bist garstig.
CHRISTINE
O, ich war viel zu gut mit ihm! Sie weint Er hat das nicht verdient! Oh, Bubi! Alles ist vorbei für ewig. Schlaf nur wieder! Ich bleibe, bis du eingeschlafen, mein Liebling! Ich will für dich beten, du armes, verlassenes Kind! Ich arme, verlassene Frau! Sie kniet betend am Bett des Kindes nieder.
Der Vorhang fällt.