ZWEITER AUFZUG
Ein geräumiges Zimmer im Hause Dalands. An den Seitenwänden Abbildungen von See Gegenständen, Karten usw. An der Wand im Hintergrunde das Bild eines bleichen Mannes mit dunklem Barte und in schwarzer Kleidung. Mary und die Mädchen sitzen um den Kamin herum und spinnen; Senta, in einem Grossvaterstuhl zurückgelehnt und mit untergeschlagenen Armen, ist im träumerischen Anschauen des Bildes im Hintergrunde versunken
MÄDCHEN
Summ' und brumm', du gutes Rädchen,
munter, munter, dreh' dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ' und brumm'!
Mein Schatz ist auf dem Meere draus',
er denkt nach Haus
ans fromme Kind; -
mein gutes Rädchen, braus' und saus'!
Ach! gäbst du Wind,
er käm' geschwind.
Spinnt! Spinnt! Spinnt!
Fleissig, Mädchen!
Brumm'! Summ'!
Gutes Rädchen!
Tra la ra la la … <usw.
MARY
Ei! Fleissig, fleissig! Wie sie spinnen!
Will jede sich den Schatz gewinnen.
MÄDCHEN
Frau Mary, still! Denn wohl Ihr wisst,
das Lied noch nicht zu Ende ist.
MARY
So singt! Dem Rädchen lässt's nicht Ruh'.
Du aber, Senta, schweigst dazu?
MÄDCHEN
Summ' und brumm', du gutes Rädchen,
munter, munter dreh' dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ' und brumm'!
Mein Schatz da draussen auf dem Meer,
im Süden er
viel Gold gewinnt;
ach, gutes Rädchen, saus' noch mehr!
Er gibt's dem Kind,
wenn's fleissig spinnt.
Spinnt! Spinnt!
Fleissig, Mädchen!
Brumm'! Summ'!
Gutes Rädchen!
Tra la ra la … usw.
MARY
zu Senta
Du böses Kind, wenn du nicht spinnst,
vom Schatz du kein Geschenk gewinnst.
MÄDCHEN
Sie hat's nicht not, dass sie sich eilt;
ihr Schatz nicht auf dem Meere weilt.
Bringt er nicht Gold, bringt er doch Wild -
man weiss ja, was ein Jäger gilt!
Sie lachen. Senta singt leise eine Melodie aus der folgenden Ballade
MARY
Du seht ihr! Immer vor dem Bild!
zu Senta
Willst du dein ganzes junges Leben
verträumen vor dem Konterfei?
SENTA
Was hast du Kunde mir gegeben,
was mir erzählet, wer er sei?
seufzend
Der arme Mann!
MARY
Gott sei mit dir!
MÄDCHEN
Ei, ei! Ei, ei! Was hören wir!
Sie seufzet um den bleichen Mann!
MARY
Den Kopf verliert sie noch darum!
MÄDCHEN
Da sieht man, was ein Bild doch kann!
MARY
Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm'!
Komm! Senta! Wend' dich doch herum!
MÄDCHEN
Sie hört Euch nicht - sie ist verliebt!
Ei, ei! Wenn's nur nicht Händel gibt!
Denn Erik hat gar heisses Blut -
dass er nur keinen Schaden tut!
Sagt nichts - er schiesst sonst wutentbrannt,
den Nebenbuhler von der Wand!
Ha ha ha ha … usw.
SENTA
O schweigt mit eurem tollen Lachen!
Wollt ihr mich ernstlich böse machen?
MÄDCHEN
fallen mit komischer Eifer sehr stark ein, indem sie die Spinnräder heftig und mit großem Geräusche drehen, gleichsam, um Senta nicht Zeit zum Schmälen zu lassen
Summ' und brumm', Du gutes Rädchen,
munter, munter dreh' dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen!
Gutes Rädchen, summ' und brumm'!
SENTA
ärgerlich unterbrechend
O macht dem dummen Lied ein Ende,
es brummt und summt nur vor dem Ohr!
Wollt ihr, dass ich mich zu euch wende,
so sucht was besseres hervor!
MÄDCHEN
Gut, singe du!
SENTA
Hört, was ich rate;
Frau Mary singt uns die Ballade.
MARY
Bewahre Gott! Das fehlte mir!
Den fliegenden Holläender lasst in Ruh'!
SENTA
Wie oft doch hört' ich sie von dir.
MARY
Bewahre Gott! Das fehlte mir!
SENTA
Ich sing' sie selbst; hört, Mädchen, zu!
Lasst mich's euch recht zum Herzen führen,
des Ärmsten Los, es muss euch rühren.
MÄDCHEN
Uns ist es recht.
SENTA
Merkt auf die Wort'.
MÄDCHEN
Dem Spinnrad Ruh'!
MARY
ärgerlich
Ich spinne fort.
Mädchen rücken, nachdem sie ihre Spinnräder beiseitegesetzt haben, die Sitze dem Großvaterstuhle näher und gruppieren sich um Senta. Mary bleibt am Kamin sitzen und spinnt fort.
SENTA
I.
im Großvaterstuhl
Johohohe! Johohohe! Johohohe! Johohe!
Traft ihr das Schiff im Meere an,
blutrot die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
des Schiffes Herr, wacht ohne Rast.
Hui! - Wie saust der Wind! - Johohe!
Hui! - Wie pfeift's im Tau! - Johohe!
Hui! - Wie ein Pfeil fliegt er hin,
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh'!
Doch kann dem bleichen Manne
Erlösung einstens noch werden,
fänd' er ein Weib, das bis in den Tod
getreu ihm auf Erden!.
Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm halt'!
Gegen das Ende der Strophe kehrt Senta sich gegen das Bild. Die Mädchen hören teilnahmsvoll zu; Mary hat aufgehört zu spinnen
II.
Bei bösem Wind und Sturmes wut
umsegeln wollt' er einst ein Kap;
er flucht' und schwur mit tollem Mut:
In Ewigkeit lass' ich nicht ab!
Hui! - Und Satan hört's! - Johohe!
Hui! - nahm ihm bei'm Wort! - Johohe!
Hui! - und verdammt zieht er nun
durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh'!
Doch, dass der arme Mann'
noch Erlösung fände auf Erden,
zeigt' Gottes Engel an,
wie sein Heil ihm einst könnte werden.
Ach, könntest du, bleicher Seemann,
es finden!
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm halt'!
Die Mädchen sind tief ergriffen und singen den Schlussreim leise mit. Senta, die schon bei der zweiten Strophe vom Stuhle aufgestanden war, fährt mit immer zunehmender Aufregung vor
III.
Vor Anker alle sieben Jahr',
ein Weib zu frei'n, geht er ans Land:
er freite alle sieben Jahr',
noch nie ein treues Weib er fand.
Hui! - Die Segel auf! Johohe!
Hui! - Den Anker los! Johohe!
Hui! - Falsche Lieb', falsche Treu',
Auf, in See, ohne Rast, ohne Ruh!
Senta, zu heftig angegriffen, sinkt in den Stuhl zurück; die Mädchen singen nach’ einer Pause leise weiter.
MÄDCHEN
Ach, wo weilt sie,
die dir Gottes Engel einst könnte zeigen?
Wo triffst du sie,
die bis in den Tod dein bleibe treu eigen?
SENTA
von plötzlicher Begeisterung hingerissen, springt vom Stuhle auf
Ich sei's, die dich durch ihre Treu' erlöse!
Mög' Gottes Engel mich dir zeigen!
Durch mich sollst du das Heil erreichen!
MARY und MÄDCHEN
erschreckt aufspringend
Hilf, Himmel! Senta! Senta!
ERIK
ist eingetregen und hat Sentas Ausruf vernommen
Senta! Willst du mich verderben?
MÄDCHEN
Helft, Erik, uns! Sie ist von Sinnen!
MARY
Ich fühl das Blut in mir gerinnen!
Abscheulich' Bild, du sollst hinaus,
kommt nur der Vater erst nach Haus!
ERIK
düster
Der Vater kommt.
SENTA
die in ihrer letzten Stellung verblieben und von allem nichts vernommen hatte, wie erwachend und freudig auffahrend
Der Vater kommt?
ERIK
Vom Felsen seh sein Schiff ich nah'n.
MÄDCHEN
voll Freud
Sie sind daheim!
MARY
außer sich, in großer Geschäftigkeit
Nun seht, zu was eu'r Treiben frommt!
Im Hause ist noch nichts getan.
MÄDCHEN
Sie sind daheim! Auf, eilt hinaus!
MARY
die Mädchen zurückhaltend
Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus!
Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen.
In Küch' und Keller Säumet nicht!
Lasst euch nur von der Neugier plagen -
vor allem geht an eure Pflicht!
MÄDCHEN
für sich
Ach! Wie viel hab' ich ihn zu fragen!
Ich halte mich vor Neugier nicht.
Schon gut! Sobald nur aufgetragen,
hält hier aus länger keine Pflicht.
Mary treibt de Mädchen hinaus und folgt ihnen. Senta will ebenfalls gehen; Erik hält sie zurürck
ERIK
Bleib', Senta! Bleib' nur einen Augenblick!
Aus meinen Qualen reisse mich!
Doch willst du, ach! so verdirb mich ganz!
SENTA
zögernd
Was ist … ? Was soll … ?
ERIK
O Senta, sprich, was aus mir werden soll?
Dein Vater kommt: - eh' wieder er verreist,
wird er vollbringen,
was schon oft er wollte …
SENTA
Und was meinst du?
ERIK
mit Entschluß und Verzweiflung
Dir einen Gatten geben!
Mein Herz, voll Treue bis zum Sterben,
mein dürftig Gut, mein Jägerglück;
darf so um deine Hand ich werben?
Stösst mich dein Vater nicht zurück?
Wenn dann mein Herz im Jammer bricht,
sag, Senta, wer dann für mich spricht?
SENTA
mitleidig zu ihm aufblickend, dann ausweichend
Ach, schweige, Erik, jetzt! Lass mich hinaus,
den Vater zu begrüssen!
Wenn nicht, wie sonst, an Bord die Tochter kommt,
wird er nicht zürnen müssen.
ERIK
Du willst mich fliehn?
SENTA
Ich muss zum Port.
ERIK
Du weichst mir aus?
SENTA
Ach, lass mich fort!
ERIK
Fliehst du zurück vor dieser Wunde,
die du mir schlugst, dem Liebeswahn?
O, höre mich zu dieser Stunde,
hör' meine letzte Frage an:
wenn dieses Herz im Jammer bricht,
wird's Senta sein, die für mich spricht?
SENTA
schwankend
Wie? Zweifelst du an meinem Herzen?
Du zweifelst, ob ich gut dir bin?
O sag', was weckt dir solche Schmerzen?
Was trübt mit Argwohn deinen Sinn?
ERIK
Dein Vater, ach! - nach Schätzen geizt er nur …
Und Senta, du - wie dürft' auf dich zu zählen?
Erfülltest du nur eine meiner Bitten?
Kränkst du mein Herz nicht jeden Tag?
SENTA
Dein Herz?
ERIK
Was soll ich denken? Jenes Bild …
SENTA
Das Bild?
ERIK
Lasst du von deiner Schwärmerei wohl ab?
SENTA
Kann meinem Blick Teilnahme ich verwehren?
ERIK
Und die Ballade- heut' noch sangst du sie!
SENTA
Ich bin ein Kind und weiss nicht, was ich singe.
O sag', wie?
Fürchtest du ein Lied, ein Bild?
ERIK
Du bist so bleich …
sag', sollte ich's nicht fürchten?
SENTA
Soll mich des Ärmsten
Schreckenslos nicht rühren?
ERIK
Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?
SENTA
O, prahle nicht! Was kann dein Leiden sein?
Kennst jenes Unglücksel'gen Schicksal du?
Sie führt Erik zum Bilde
Fühlst du den Schmerz, den tiefen Gram,
mit dem herab auf mich er sieht?
Ach, was die Ruhe für ewig ihm nahm,
wie schneidend Weh' durch's Herz mir zieht!
ERIK
Weh' mir!
Es mahnt mich mein unsel'ger Traum!
Gott schütze dich! Satan hat dich umgarnt!
SENTA
Was schreckt dich so?
ERIK
Senta! Lass dir vertrau'n:
ein Traum ist's! Hör' ihn zur Warnung an!
Senta setzt sich erschöpft in den Lehnstuhl nieder; bei dem Beginn von Eriks Erzählung versinkt sie wie in magnetischen Schlaf, so daß es scheint, als träume sie den von ihm erzählten Traum ebenfalls. Erik steht an den Stuhl gelehnt zur Seite
mit gedämpfter Stimme
Auf hohem Felsen lag' ich träumend,
sah unter mir des Meeres Flut;
die Brandung hört' ich, wie sich schäumend
am Ufer brach der Wogen Wut.
Ein fremdes Schiff am nahen Strande
erblickt' ich, seltsam, wunderbar;
zwei Männer nahten sich dem Lande,
der ein', ich sah's, dein Vater war.
SENTA
mit geschlossenen Augen
Der andre?
ERIK
Wohl erkannt' ich ihn:
mit schwarzen Wams, bleicher Mien' …
SENTA
Der düstre Blick …
ERIK
auf das Bild deutend
Der Seemann, er.
SENTA
Und ich?
ERIK
Du kamst vom Hause her,
du flogst, den Vater zu begrüsssen;
doch kaum noch sah ich an dich langen,
du stürztest zu des Fremden Fuessen -
ich sah dich seine Knie umfangen …
SENTA
mit steigender Spannung
Er hub mich auf …
ERIK
… an seine Brust;
voll Inbrunst hingst du dich an ihn -
du küsstest ihn mit heisser Lust …
SENTA
Und dann?
ERIK
Senta mit unheimlicher Verwunderung anblickend
Sah ich auf's Meer euch fliehn.
SENTA
schnell erwachend, in höchster Verzückung
Er sucht mich auf! Ich muss ihn sehn!
ERIK
Entsetzlich! Ha, mir wird es klar!
SENTA
Mit ihm muss ich zugrunde gehn.
ERIK
Sie ist dahin! Mein Traum sprach wahr!
Er stürzt voll Enstetzen ab. Senta, nach dem Ausbruch ihrer Begeisterung in stummes Sinnen versunken, verbleibt in ihrer Stellung, den Blick auf das Bild geheftet
SENTA
leise, aber tief ergriffen
Ach, möchtest du,
bleicher Seemann, sie finden!
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm … Ha!
Die Tür geht auf. Daland und der Holländer treten ein. Sentas Blick streift vom Bilde auf den Holländer, sie stösst einen Schrei der Überraschung aus und bleibt wie festgebannt stehen, ohne ihr Auge vom Holländer abzuwenden. Der Holländer schreitet, die Augen auf Senta geheftet, langsam in den Vordergrund. Daland ist unter der Tür stehengeblieben und scheint zu erwarten, dass ihm Senta entgegenkomme
DALAND
sich Senta allmählich nähernd
Mein Kind, du siehst mich auf der Schwelle …
Wie? Kein Umarmen, Keinen Kuss?
Du bleibst gebannt an deiner Stelle -
verdien' ich, Senta, solchen Gruss?
SENTA
als Daland bei ihr anlangt, ergreift sie seine Hand
Gott dir zum Gruss!
ihn näher an sich ziehend
Mein Vater, sprich!
Wer ist der Fremde?
DALAND
lächelnd
Drängst du mich?
Mögst du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heissen?
Seemann ist er, gleich mir,
das Gastrecht spricht er an.
Lang' ohne Heimat,
stets auf fernen, weiten Reisen,
in fremden Landen er
der Schätze viel gewann.
Aus seinem Vaterland verwiesen,
für einen Herd er reichlich lohnt:
sprich, Senta, würd' es dich verdriessen,
wenn dieser Fremde bei uns wohnt?
Senta nickt beifällig mit dem Kopf. Daland wendet sich zum Holländer
Sagt, hab' ich sie zuviel gepreisen?
Ihr seht sie selbst - ist sie Euch recht?
Soll ich von Lob noch überfliessen?
Gesteht, sie zieret ihr Geschlecht.
Der Holländer macht eine bejahende Bewegung.
wendet sich wieder zu Senta
Mögst du, mein Kind,
dem Manne freundlich dich erweisen!
Von deinem Herzen auch
spricht holde Gab' er an;
Reich' ihm die Hand, denn Bräutigam
sollst du ihn heissen:
stimmst du der Vater bei,
ist morgen er dein Mann.
Senta macht eine zuckende, schmerzliche Bewegung; ihre Haltung bleibt aber ruhig. Daland zieht einen Schmuck hervor und zeigt ihn Senta.
Sieh dieses Band, sieh diese Spangen!
Was er besitzt, macht dies gering.
Muss, teures Kind, dich's nicht verlangen?
Dein ist es, wechselst du den Ring.
Senta, ohne ihn zu beachten, wendet ihren Blick nicht vom Holländer ab, sowie auch dieser ohne auf Daland zu hören, nur in den Anblick des Mädchens versunken ist. Daland wird es gewahr; er betrachtet beide
Doch keines spricht …
Sollt' ich hier lästig sein?
So ist's! Am besten lass' ich sie allein.
Er betrachtet den Holländer und Senta aufmerksam und wendet sich dann zu Senta
Mögst du den edlen Mann gewinnen!
Glaub' mir, soch' Glück wird immer neu.
zum Holländer
Bleibt hier allein!
Ich geh' von hinnen.
Glaubt mir, wie schön, so ist sie treu!
Daland entfernt sich langsam, indem er Senta un den Holländer in der neugierigen Erwartung, ob sie sich einander nähern werden, eine Zeitlang beobachtet; endlich geht er in verdriesslicher Verwunderung ab. Er blickt noch einmal ins Zimmer und schliesst dann die Tür. Der Holländer und Senta sind allein; sie bleiben bewegungslos, in ihren gegenseitigen Anblick versunken auf ihrer Stelle
HOLLÄNDER
tief ergriffen
Wie aus der Ferne längst vergang'ner Zeiten
spricht dieses Mädchens Bild zu mir:
wie ich's geträumt seit bangen Ewigkeiten,
vor meinen Augen seh' ich's hier.
Wohl hub auch ich voll Sehnsucht meine Blicke
aus tiefer Nacht empor zu einem Weib:
ein schlagend' Herz liess, ach! mir Satans Tücke,
dass eingedenk ich meiner Qualen bleib'.
Die düstre Glut, die hier ich fühle brennen,
sollt' ich Unseliger sie Liebe nennen?
Ach nein! Die Sehnsucht ist es nach dem Heil:
würd es durch solchen Engel mir zuteil!
SENTA
Versank ich jetzt in wunderbares Träumen?
Was ich erblicke, ist's ein Wahn?
Weilt' ich bisher in trügerischen Räumen,
brach des Erwachens Tag heut' an?
Er steht vor mir, mit leidenvollen Zügen,
es spricht sein unerhörter Gram zu mir:
kann tiefen Mitleids Stimme mich belügen?
Wie ich ihn oft gesehn, so steht er hier.
Die Schmerzen, die in meinem Busen brennen,
ach', dies Verlangen, wie soll ich es nennen?
Wonach mit Sehnsucht es dich treibt - das Heil,
würd' es, du Ärmster, dir duch mich zuteil!
HOLLÄNDER
schreitet, sich Senta etwas nähernd, einige Schritte nach der Mitte
Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?
Was er versprach, wie - dürft' es gelten?
Du könntest dich für ewig mir ergeben,
und deine Hand dem Fremdling reichtest du?
Soll finden ich, nach qualenvollen Leben,
in deiner Treu' die langersehnte Ruh'?
SENTA
Wer du auch seist und welches das Verderben,
dem grausam dich dein schicksal konnte weih'n -
was auch das Los, das ich mir sollt' erwerben,
gehorsam stests werd' ich dem Vater sein!
HOLLÄNDER
gerührt
So unbedingt, wie? Könnte dich durchdringen
für meine Leiden tiefstes Mitgefühl?
SENTA
für sich
Oh, welche Leiden!
Könnt' ich Trost dir bringen!
HOLLÄNDER
da er es vernommen
Welch' holder Klang im nächtigen Gewühl!
hingerissen
Du bist ein Engel! Eines Engels Liebe
Verworf'ne selbst zu trösten weiss!
Ach, wenn Erlösung mir zu hoffen bliebe,
niederkniend
Allewiger, durch diese sei's!
SENTA
Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,
Allewiger, durch mich nur sei's!
HOLLÄNDER
erhebt sich heftig
Ach! Könntest das Geschick du ahnen,
dem dann mit mir du angehörst,
dich würd' es an das Opfer mahnen,
das du mir bringst, wenn Treu' du schwörst.
Es flöhe schaudernd deine Jugend
dem Lose, dem du sie willst weih'n,
nennst du des Weibes schönste Tugend,
nennst ew'ge Treue du nicht dein!
SENTA
Wohl kenn' ich Weibes heil'ge Pflichten.
sei drum gestrost, unsel'ger Mann!
Lass über die das Schicksal richten,
die seinem Spruche trotzen kann!
In meines Herzens höchster Reine
kenn' ich der Treue Hochgebot.
Wem ich sie weih', schenk' ich die eine;
die Treue bis zum Tod.
HOLLÄNDER
mit Erhebung
Ein heil'ger Balsam meinen Wunden
dem Schwur, dem hohen Wort entfliesst.
Hört es: mein Heil, hab' ich gefunden.
Mächte, ihr Mächte, die ihr zurück mich stiesst.
Du Stern des Unheils sollst erblassen.
Licht meiner Hoffnung, leuchte neu!
Ihr Engel, die mich einst verlassen,
stärkt jetzt dies Herz in seiner Treu'.
SENTA
Von mächt'gem Zauber überwunden
reisst mich's zu seiner Rettung fort.
hier habe Heimat er gefunden,
hier ruh' sein schiff in sich'rem Port!
Was ist's, das mächtig in mir lebet?
Was schliesst berauscht mein Busen ein?
Allmächt'ger, was so hoch mich erhebet,
lass es die Kraft der Treue sein!
DALAND
wieder eintretend
Verzeiht! Mein Volk hält draussen sich nicht mehr;
nach jeder Rückkunft, wisset, gibt's ein Fest.
Verschönern möcht ich's, komme deshalb her,
ob mit Verlobung sich's vereinen lässt?
zum Holländer
Ich denk', ihr habt nach Herzenswunsch gefreit?
Senta, mein Kind, sag, bist auch du bereit?
SENTA
Hier meine Hand! Und ohne Reu'
bis in den Tod gelob' ich Treu'!
HOLLÄNDER
Sie reicht die Hand! Gesprochen sie
Hohn, Hölle, dir durch ihre Treu'!
DALAND
Euch soll dies Bündnis nicht gereu'n!
Zum Fest! Heut' soll sich alles freu'n!